Die akademische Kastenordnung. Wie Rankings Bildung und Forschung hierarchisieren

Zur Empfehlung des DGS-Vorstandes, aus dem CHE-Ranking auszusteigen 3

In meinen beiden vorausgegangenen Blogs habe ich den Effekt der Reduktion von Diversität durch Rankings bearbeitet. Heute soll der Blick auf einen zweiten Effekt gerichtet werden, auf den stratifikatorischen Effekt von Rankings. Sie bilden nicht einfach Leistungsdifferenzen ab, sondern sind selbst ein wesentlicher Teil eines Systems der Produktion und fortlaufenden Reproduktion von sozialer Ungleichheit.

Wo bislang unterschiedliche Forschungs- und Lehrleistungen in Würde nebeneinander existierten und ihren spezifischen Beitrag zum Fortschritt des Wissens und zur Bildung der Studierenden geleistet haben, werden sie jetzt durch Rankings zwangsweise in eine Hierarchie eingestuft. Sachliche Differenzen werden in eine Rangordnung transformiert, bloße Größe und Marktmacht werden durch Rankings symbolisch aufgeladen und in Qualitätsunterschiede transformiert. Nach den von Robert K. Merton (1942/1973) definierten Spielregeln der Wissenschaft handelt es sich dabei um einen illegitimen Akt, der dem genuin wissenschaftlichen Wettbewerb um Erkenntnisfortschritt und Anerkennung durch die wissenschaftliche Gemeinschaft, in dem es keine Sieger und keine Besiegte gibt, einen Kampf um Distinktion aufoktroyiert, der nur wenige Sieger kennt und viele zu Verlierern stempelt. Diese Usurpation von Forschung und Lehre durch den Kampf um Rangplätze hat schwerwiegende Konsequenzen für die Studierenden, die Fachbereiche, die Lehrenden und Forschenden und die Fachdisziplinen insgesamt. Eine durch Rankings konsekrierte Stratifikation reproduziert sich in aller Regel fortlaufend selbst, weil nach dem von Robert Merton (1968) beschriebenen Matthäus-Prinzip einmal vorhandene Wettbewerbsvorteile in die Akkumulation weiterer Wettbewerbsvorteile umgemünzt werden.

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Die Reaktivität von Rankings. Reduktion von Diversität durch mediale Ereignisproduktion

Zur Empfehlung des DGS-Vorstandes, aus dem CHE-Ranking auszusteigen 2

Thomas Kerstan geht in seinem Kommentar zu meinem Essay über die Kolonisierung von Bildung und Wissenschaft durch Rankings davon aus, dass die Entscheidung für einen Studienort durch das CHE-Ranking objektiviert wird, die Studienanfänger nicht nur auf Papa und Mama angewiesen sind, sofern diese überhaupt studiert haben. Ist das wirklich so? Und welche Evidenzen gibt es für die Reduktion von Diversität durch Rankings? Das soll im Folgenden weiter vertieft werden.

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Die Kolonisierung von Bildung und Wissenschaft durch Rankings: Einschränkung von Diversität und Behinderung des Erkenntnisfortschritts

Zur Empfehlung des DGS-Vorstandes, aus dem CHE-Ranking auszusteigen 1

Die Empfehlung des DGS-Vorstandes, aus dem CHE-Ranking auszusteigen, hat beim CHE Alarm ausgelöst. Das CHE sieht sich unberechtigter Kritik ausgesetzt und verweist auf das Informationsbedürfnis von Studierwilligen, Hochschulleitungen und Ministerien, das durch das CHE-Ranking befriedigt wird. Ich möchte hier aufzeigen, dass die Art, wie Rankings diese Informationsbedürfnisse befriedigen, Forschung und Lehre so tiefgreifend deformieren, dass sie ihre genuine Funktion für die Gesellschaft nicht mehr erfüllen können. Die Empfehlung des DGS-Vorstandes verdient deshalb vorbehaltlose Unterstützung.

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Europa in der Schuldenkrise. Ein mittelfristig zu bewältigender Betriebsunfall oder Ausdruck eines tiefer greifenden Dilemmas der europäischen Integration?

Die Schuldenkrise in den südlichen Ländern des Euro-Raumes sowie in Irland hat einer wesentlichen Triebkraft des europäischen Einigungswerkes einen schweren Schlag versetzt. Es ist der bis dahin ungebrochene Glaube, dass die wirtschaftliche Integration Europas Frieden und Prosperität für alle in gleicher Weise garantiere. Der europäische Binnenmarkt und darüber hinaus das noch ehrgeizigere Projekt der Währungsunion sollten der Garant für diese segensreiche Entwicklung sein. Reiche und arme Länder, reiche und arme Menschen innerhalb der Länder sollten allesamt davon profitieren. Die ökonomische Lehre der komparativen Kostenvorteile weist nach, dass es sich dabei um keine Wunschvorstellung handelt, sondern um eine wissenschaftlich gut abgesicherte Voraussage. Allerdings sagen die Ökonomen auch, dass eine Währungsunion ohne eine Wirtschaftsunion nicht funktionieren kann, weil sonst diejenigen Verwerfungen auftreten, die nun tatsächlich zum Problem geworden sind.

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