Mehr Wettbewerb für bessere Bildung und mehr Olympia-Medaillen. Geht diese Rechnung auf?

In Großbritannien hat eine Feststellung des Vorsitzenden der Britischen Olympischen Gesellschaft, Lord Colin Moynihan, eine Debatte über das britische Schulsystem ausgelöst (Catuogno 2012). Er hat festgestellt, dass die Hälfte der britischen Medaillengewinner eine Privatschule besucht hätte, obwohl diese nur sieben Prozent aller Jugendlichen aufnähmen. Für die einen ist das ein Beweis dafür, wie weit die britische Klassengesellschaft in den olympischen Sport hineinwirkt. Sie verweisen darauf, dass die Kommunen massenhaft Schulsportstätten verkauft hätten, sodass die staatlichen Schulen keinen angemessenen Sportunterricht bieten könnten. Für die anderen ist es der Beweis für die mangelnde Leistungsfähigkeit eines nach wie vor von sozialistisch gesinnten Lehrergewerkschaften geprägten leistungsfeindlichen Denkens an den staatlichen Schulen. Für den internationalen Bildungsdiskurs ist das eine überraschende Einschätzung des britischen Schulsystems. Großbritannien gehört nämlich zu den Ländern, die seit den 1980er Jahren mehr Wettbewerb in ihr Schulsystem hineingebracht haben, um mehr Jugendliche zu besserer Bildung zu führen. Margaret Thatcher hat dafür das Startsignal gegeben. Tony Blair hat diese Politik konsequent fortgeführt. Großbritannien ist damit zu einem Vorreiter einer weltweiten Welle von Reformen geworden.

Im Kontext des internationalen Leistungsvergleichs zwischen Bildungssystemen in Studien wie TIMSS (Third International Mathematics and Science Study), PIRLS (Progress in International Reading Literacy Study) und PISA (Programme for International Student Assessment) hat sich mit dieser Reformwelle ein inzwischen weltweit für gültig gehaltenes Paradigma der Governance von Schulen durchgesetzt. Die Schulen sollen mehr Autonomie, die Eltern mehr Freiheiten in der Schulwahl erhalten, zentrale Leistungstests sollen dafür sorgen, dass die neuen Freiheiten nicht missbraucht, sondern zur Verbesserung der Schülerleistungen eingesetzt werden. Wie es für die darin unmissverständlich zum Ausdruck kommende neoliberale Reformagenda üblich ist, verspricht man sich vom Wettbewerb der Schulen um die Schüler eine Steigerung der Bildungsleistungen. Das durchschnittliche Leistungsniveau soll gesteigert, der Abstand zwischen den besten und den schlechtesten Schülern soll verringert und der Einfluss der sozialen Herkunft auf die Schülerleistungen soll eingedämmt werden. Die neoliberale Wettbewerbsphilosophie geht dabei eine Liaison mit dem sozialdemokratischen Streben nach sozialer Inklusion ein.
Das Ziel: Bessere Schülerleistungen

Nimmt man die Platzierung in der PISA-Rangliste als Maßstab für die Qualität eines Bildungssystems, dann muss man ignorieren, dass Kritiker die Definition von Bildung durch gemessene Basiskompetenzen in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaft für den Tod von Bildung in ihrem weiteren Sinn halten (Türcke 2012). Aber selbst wenn man davon absieht und sich auf das Konzept der Basiskompetenzen einlässt, lassen die PISA-Ergebnisse erhebliche Zweifel an der beanspruchten Leistungsfähigkeit des Wettbewerbsparadigmas in der Bildung aufkommen. Die dafür sprechende Evidenz stützt sich ganz überwiegend auf die Erfolge der asiatischen Teilnehmer am PISA-Test, die in der Tat ihre Schul-Governance auf das Wettbewerbsmodell ausgerichtet haben. Man muss dabei jedoch berücksichtigen, dass dieses Modell dort im Rahmen eines konfuzianisch geprägten Drill-Regimes praktiziert wird, wofür in den westlichen Ländern die Voraussetzungen fehlen, wenn man von der Ausnahme Finnlands (Simola 2005) absieht.

In den Ländern, die dem liberalen Wohlfahrtsregime zuzurechnen sind – Australien, Kanada, Großbritannien, Irland, Neuseeland, USA –, wurden schon seit den 1980er Jahren Reformen in Gang gesetzt, die den Schulen mehr Autonomie und den Eltern mehr Freiheiten bei der Schulwahl brachten und zentrale Leistungstests zur Kontrolle einführten. In Großbritannien hat der Educational Reform Act von 1988 die Umstellung des Bildungssystems auf das Reformparadigma eingeleitet. Die Schulen sollten dazu gebracht werden, „sich selbst eher als Unternehmen zu begreifen und sich nicht mehr über ihre Rolle als Bildungsinstitutionen zu definieren“ (Crouch 2007: 188). In den USA hat 1983 der Bildungsbericht A Nation at Risk, der im Auftrag der Bundesregierung erstellt wurde, für große Befürchtungen gesorgt, insbesondere den Wettkampf mit Japan um die Technologiemärkte der Zukunft nicht gewinnen zu können, weil die Schulen dafür zu wenig qualifizierte Absolventen hervorbringen würden. Die daran anschließenden Reformmaßnahmen haben so wenig bewirkt, dass die Regierung Bush im Jahre 2002 mit dem Programm No Child Left Behind (NCLB) einen neuen Reformschub eingeleitet hat. Im Zentrum dieser Reformen standen die Erweiterung der Schulautonomie und der freien Schulwahl sowie die Intensivierung von zentralen Leistungstests. Alle Hoffnung wurde auf die Verschärfung des Wettbewerbs und die Umstellung von Schulen auf Unternehmen mit einem professionellen Management gesetzt. Sogenannte Charter schools sollten mehr Wettbewerb ins System bringen. Es handelt sich dabei um neu gegründete öffentliche Schulen mit einem eigenen Vertrag mit der Schulbehörde, die über größere Autonomie als die konventionellen Schulen verfügen, diese aber durch vereinbarte Leistungskontrollen bestätigen müssen. Lehrer sollten nach den Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler bezahlt, bei dauernder Fehlleistung entlassen und durch neue ersetzt werden. Größere Schulen wurden in kleine, unabhängig agierende Schulen aufgeteilt. In die Schulbezirke kam eine solche Dynamik hinein, dass viele Schülerinnen und Schüler nicht mehr wussten, ob sie morgen noch dieselben Lehrer bzw. Lehrerinnen, dieselbe Schulleitung oder gar dieselbe Schule haben werden wie heute. Die Anwendung neuer Unterrichtsmethoden nahm dieselbe Fahrt auf, wie die Nutzung neuer Managementinstrumente in der Wirtschaft. Und es wurden auch gern Zahlen geschönt, um Erfolge nachweisen zu können. Ein Hauptergebnis war die permanente Irritation durch ständige Veränderungen.

Das Resultat: Sinkende Schülerleistungen

Schaut man sich die PISA-Ergebnisse der Länder an, die dem liberalen Wohlfahrtsregime zuzurechnen sind, und die ihrem Bildungssystem mehr Wettbewerb verpasst haben, dann muss man an dem Nutzen dieser Reformen zweifeln. In Großbritannien ist keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung der Leseleistungen von 523 PISA-Punkten in 2000 auf 494 in 2009 eingetreten, in den USA von 505 auf 500 Punkte, in Neuseeland von 529 auf 521, in Kanada von 534 auf 524, in Australien von 528 auf 515, in Irland von 527 auf 496 (OECD 2010a). Es fällt auf, dass ausgerechnet die Länder des liberalen Wohlfahrtsregimes in diesem Zeitraum Leistungseinbußen erlitten haben, während in den anderen Ländern das Niveau entweder gehalten oder sogar gesteigert wurde. Das gilt nicht nur für die Lesekompetenz, sondern auch für die Kompetenzen in Mathematik und Naturwissenschaften. Lediglich im Effekt der sozialen Herkunft auf die PISA-Testleistungen wurden wie in den anderen Ländern leichte Verbesserungen erreicht. Allerdings muss man konzedieren, dass die PISA-Ergebnisse von Kanada, Neuseeland und Australien trotz Verschlechterung im Zeitraum von 2000 bis 2009 immer noch deutlich über dem Durchschnitt liegen. Eine Rolle spielt dabei wie in allen angelsächsischen Ländern die geringe Diskrepanz zwischen Einheimischen und Migranten in den Testergebnissen, was durch die globale Hegemonie der englischen Sprache ermöglicht wird.

Parallel zu dieser Entwicklung ist in den Ländern des liberalen Wohlfahrtsregimes in demselben Zeitraum die Einkommensungleichheit deutlicher als in anderen Ländern gestiegen (OECD 2011). Das heißt, die für diese Länder typische Ersetzung von sozialer Sicherheit durch Investitionen in die Bildung hat in der Bildung nicht gefruchtet und zugleich die Kluft zwischen Reich und Arm vergrößert. Eine Untersuchung zu den entsprechenden Reformen in Neuseeland kommt zu dem lapidaren Schluss „Markets in education don’t work“ (Lauder und Hughes et al. 1999). Colin Crouch (2007) sieht in der Umwandlung von Schulen in Unternehmen eine Kommerzialisierung der Bildung, bei der in Vergessenheit gerät, dass Bildung ein öffentliches Gut ist, über das es öffentlich zu beraten und zu entscheiden gilt und das öffentlich zu verantworten ist. Eine Studie zu den USA stellt fest, dass Schule und Unterricht durch die Optimierung von Testleistungen korrumpiert werden (Nichols und Berliner 2007). Weil die soziale Herkunft der Schülerschaft entscheidend das Abschneiden bei den Tests determiniert und bessergestellte Eltern bei freier Schulwahl die besseren Schulen wählen, ergibt sich eine Steigerung der nachbarschaftlich ohnehin schon gegebenen Segregation nach der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler. Das verstärkt den Einfluss der sozialen Herkunft auf die Schülerleistungen (Lubienski et al. 2009).

Diane Ravitch (2010), eine ehemalige Protagonistin des NCLB-Programms der Bush-Regierung, hat sich in einem aufsehenerregenden öffentlichen Auftritt und einer Generalabrechnung in einem Buch von diesem Programm losgesagt. In ihren Augen hat es in den USA zu einem weiteren Niedergang der Bildung geführt. In Barack Obamas Programm Race to the Top sieht sie nichts als die Fortsetzung des alten Programms in neuen Kleidern: „The real winners are the edu-entrepreneurs who are running President Obama’s so-called ‚Race to the Top‘ fund and distributing the billions to other edu-entrepreneurs, who will manage the thousands of new charter schools and make mega-bucks selling test-prep programs to the schools“ (Ravitch 2009). Man könnte sagen, dass dies die ernüchternde Realität des Traums von einem funktionierenden Bildungsmarkt ist, den Nobelpreisträger Milton Friedman (1955) – der Großmeister des Marktparadigmas in der Ökonomie – schon in den 1950er Jahren hatte. Er wollte durch die Vergabe von Bildungsgutscheinen (Vouchers) an die Eltern zwischen den Schulen einen Wettbewerb schaffen, der zu besseren Bildungsleistungen führen sollte. Die Versuche, Bildungsmärkte einzurichten, zeigen jedoch, dass das nicht so einfach ist und Effekte eintreten, die verhindern, dass die gesteckten Ziele erreicht werden (Bellmann und Weiß 2009). Wie in anderen Bereichen der Gesellschaft auch, scheitert das Wettbewerbsparadigma im Bildungssystem daran, dass die Voraussetzungen für einen funktionierenden Markt nicht erfüllbar sind (Binswanger 2010). Mitt Romney, republikanischer Präsidentschaftskandidat in den USA stört das nicht. Er setzt in der Bildungspolitik ungebrochen auf die Belebung des Wettbewerbs durch Vouchers, Charter schools und Online schools (Ravitch 2012).

Was muss eine gute Bildungspolitik beachten?

Das Wettbewerbsparadigma garantiert keineswegs bessere Bildung, wie die Erfahrungen insbesondere in Großbritannien und den Vereinigten Staaten zeigen. Statt blind der globalen Diffusion dieses Paradigmas zu folgen, müssen aus einer reflektierenden Auseinandersetzung mit der PISA-Studie die folgenden Schüsse gezogen werden:

– Mehr PISA-Punkte sind nicht unbesehen gleichzusetzen mit besserer Bildung und höheren Kompetenzen, vor allem nicht mit kreativen Fähigkeiten.

– Mehr PISA-Punkte erbringen nicht zwangsläufig mehr wissenschaftliche Entdeckungen, technologische Erfindungen und wirtschaftliches Wachstum.

– Guter Unterricht braucht gute, hochmotivierte und geachtete Lehrerinnen und Lehrer, die ihren Unterricht selbst aus ihrem Erfahrungswissen heraus gestalten, das durch gute Ausbildung und Weiterbildung wissenschaftlich fundiert aber nicht gesteuert wird.

– Schulautonomie fördert die pädagogische Arbeit, solange sie nicht mit dem Wettbewerb um die besten Schülerinnen und Schüler und nicht mit dem Zwang gepaart ist, Curriculum und Unterricht auf die Vorbereitung auf zentrale Leistungstests mit Konsequenzen für Schüler und Lehrer einzuengen (teaching to the test).

– Je früher der Wettbewerb um den Zugang zu Spitzenpositionen im Bildungssystem einsetzt, umso mehr entscheidet die soziale Herkunft über den Zugang zu diesen Positionen.

– Je früher und ausschließlicher der Bildungsprozess auf kognitive Kompetenzen fokussiert ist, umso mehr bestimmen rein kognitive Kompetenzen auch über den Zugang zu beruflichen Laufbahnen, bei denen soziale Kompetenzen eine viel größere Rolle spielen als kognitive. Heranwachsende werden dann vorzeitig zu Versagern gestempelt, die ohne die ausschließliche Fokussierung auf kognitive Kompetenzen im Bildungsprozess gute Berufschancen hätten.

– Bildungspolitik kann Sozialpolitik nicht ersetzen, weil sie in der Tendenz den Wettbewerb um Bildungszertifikate intensiviert, der zur Differenzierung der Zertifikate nach Prestige führt. Daraus ergeben sich ungleiche Chancen für berufliche Laufbahnen, die wiederum in wachsende Einkommensungleichheit und geringe Beschäftigungschancen der weniger gut Gebildeten münden.

Wir können von PISA einiges lernen, müssen aber nicht dem Mainstream der aus der Studie gezogenen Schlüsse folgen. Einsprüche und Kommentare sind immer willkommen!

Literatur

Bellmann, Johannes und Manfred Weiß. 2009. „Risiken und Nebenwirkungen neuer Steuerungsformen im Schulsystem.“ Zeitschrift für Pädagogik 55 (2), S. 286 – 308.
Binswanger, Mathias. 2010. Sinnlose Wettbewerbe. Warum wir immer mehr Unsinn produzieren. Freiburg: Herder.
Catuogno, Claudio. 2012. „Mungbohnen statt Medaillen.“ Süddeutsche Zeitung Nr. 182, 8.08.2012, S. 36.
Crouch, Colin.2007. „Kommerzialisierung oder Staatsbürgerschaft. Bildungspolitik und die Zukunft des öffentlichen Dienstes.“ In: J. Mackert und H.P. Müller (Hg.), Moderne (Staats)Bürgerschaft. Wiesbaden: VS Verlag, S. 167-212.
Friedman, Milton. 1955. “The role of government in education.” Economics and the Public Interest. Hg. von. Robert A. Solo. Rutgers University Press.
Lauder, Hugh, David Hughes, Sue Watson, Sietske Waslander, Martin Thrupp, Rob Strathdee, Ibrahim, Simiyn, Ann Dupuis, Jim McGlinn und Jennie Hamlin. 1999. Trading in Futures: Why Markets in Education Don’t Work. Buckingham: Open University Press.
Lubienski, Christopher, Charisse Gulosino und Peter Weitzel. 2009. “School Choice and Competitive Incentives: Mapping the Distribution of Educational Opportunities across Local Education Markets.” American Journal of Education 115 (August), S. 601 – 647.
Nichols, Sharon L. und David C. Berliner. 2007. Collateral Damage. How High Stakes Testing Corrupts America’s Schools. Cambridge, Mass.: Harvard Education Press.
OECD. 2010a. PISA 2009 Results: What Students Know and Can Do. Paris: OECD.
OECD. 2010b. PISA 2009 Results: What Makes a School Successful? Resources, Policies and Practices. Volume IV. Paris: OECD.
OECD. 2011. Divided We Stand – Why Inequality Keeps Rising. Paris: OECD.
Ravitch Diane. 2009. “Obama’s Awful Education Plan.” The Huffington Post Online, August 23, 2009. http://www.huffingtonpost.com/diane-ravitch/obamas-awful-education-pl_b_266412.html. Abgerufen am 7.03.2010.
Ravitch, Diane. 2010. The Death and Life of the Great American School System: How Testing and Choice are Undermining Education. New York: Basic Books.
Ravitch, Diane. 2012. „The Miseducation of Mitt Romney.“ The New York Review of Books, June 5, 2012 http://www.nybooks.com/blogs/nyrblog/2012/jun/05/miseducation-mitt-romney/.
Simola, Hannu. 2005. „The Finnish Miracle of PISA: Historical and Sociological Remarks on Teaching and Teacher Education.“ Comparative Education 41 (4), S. 455-470.
Türcke, Christian. 2012. „Wie das Lernen sein Gewicht verliert.“ Süddeutsche Zeitung Nr. 176, 1.08.2012, S.12.

4 Gedanken zu „Mehr Wettbewerb für bessere Bildung und mehr Olympia-Medaillen. Geht diese Rechnung auf?“

  1. Wo sind denn die ganzen Befürworter von mehr Wettbewerb für bessere Bildung? Doch wohl nicht alle im Urlaub? So weitreichend, wie sich das Wettbewerbsparadigma ausgebreitet hat, muss es doch jede Menge Argumente dafür geben. Wer meldet sich?

  2. Man hätte argumentieren können, dass durch Wettbewerb sogenannte best practices herausgefunden werden, von denen alle durch Übernahme profitieren können. Das wäre Wettbewerb als Entdeckungsverfahren im Sinne von Friedrich von Hayek. Aber halt! Beim Wettbewerb um Leistungspunkte in zentral organisierten Tests setzt ein Zentrum die Standards und stellt die Testaufgaben. Darüber wird kein Wettbewerb durchgeführt. Standardisierte zentrale Leistungstests prämieren – wie der Erfolg der ostasiatischen Länder beim PISA-Test zeigt – eine spezifische Art der Testintelligenz, die wiederum durch eine spezifische, nämlich rigorose Art der Governance von Schulsystem und Schule und eine spezifische Art des Unterrichts hervorgebracht wird. Hier besteht kein offener Marktwettbewerb als Hayeksches Suchinstrument für die beste Lösung. Deshalb bringt der Wettbewerb nicht den erwünschten Erfolg.

    Ein anderes Argument für den Leistungswettbewerb mit zentralen Leistungstests wird gern aus dem institutionenökonomischen Prinzipal-Agent-Modell abgeleitet. Demnach ist der Kultusminister der Prinzipal, die Schulleiter sind seine Agenten, und die Lehrer sind die Agenten des Schulleiters, der ihnen gegenüber die Rolle des Prinzipals innehat. Der Prinzipal gibt den Agenten Autonomie, weil diese dann ihre Kompetenz entfalten können, über die der Prinzipal nicht direkt verfügt oder die er nicht in der Vielzahl der Kontexte einsetzen kann, in denen Schulleiter bzw. Lehrer operieren. Nach der ökonomischen Lehre besteht dabei aber stets die Gefahr, dass die Agenten in ihre eigene Tasche wirtschaften. Um das zu verhindern, muss der Prinzipal ausreichende Erfolgskontrollen durchführen. Genau diese Funktion erfüllen zentrale Leistungstests. Im Falle von Schule und Unterricht ergibt sich allerdings die fatale Folge, dass zentrale Leistungstests den Handlungsspielraum auf „Teaching to the test“ einschränken und von der pädagogischen Autonomie nichts mehr übrig bleibt. Die Lehrer können ihre Kompetenzen nur noch in einem sehr eingeschränkten, dem Bildungsprozess nicht genügenden Umfang zur Entfaltung bringen. Die Ursache dieser Malaise ist die Ersetzung des komplexen Modells professioneller Treuhänderschaft, dessen unabdingbare Voraussetzung die wechselseitige Gewährung und Bestätigung von Vertrauen ist, durch das zu weit simplifizierende Prinzipal-Agenten-Modell der Ökonomie. Hier zeigt sich zum wiederholten Mal, welch fatale Konsequenzen es hat, dass die Ökonomie aufgrund der durch viel Realitätsverlust erkauften Exaktheit ihres modelltheoretischen Denkens zur Leitwissenschaft von Reformprozessen in fast allen Lebensbereichen geworden ist, die zu keiner Verbesserung führen, sondern lediglich die Realität in das Korsett des ökonomischen Denkens zwingen.

  3. Wenn sich schon keine Diskussion ergibt, dann darf man zumindest mit Heinz von Foerster abschließen: „Tests sind Instrumente, um ein Maß der Trivialisierung festzulegen. Ein hervorragendes Testergebnis verweist auf vollkommene Trivialisierung: der Schüler ist völlig vorhersagbar und darf daher in die Gesellschaft entlassen werden. Er wird weder irgendwelche Überraschungen noch auch irgendwelche Schwierigkeiten bereiten.“ (von Foerster, 1985: 13)

    Foerster, H. von (1985). Sicht und Einsicht: Versuche zu einer operativen Erkenntnistheorie. Braunschweig et al.: Vieweg.

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