Inspiriert durch den letzten Kommentar, den wir mit unserem Blogbeitrag „Ungewollte Garfinkeliaden“ erhalten haben, möchten wir an dieser Stelle zwischenzeitig einen kleinen Beitrag einschieben, der sich mit dem Spannungsfeld von Wissenschaft und Popularisierung auseinandersetzt. In unserem Beitrag ging es darum, am Beispiel unseres Umzugs zu zeigen, dass vormalige Selbstverständlichkeiten mit einem solchen Ereignis brechen und im Zuge dessen für Irritationen sorgen. Der besagte Kommentar drehte sich für uns um die spannende Frage, was eigentlich das Feuilletonschreiben vom „Soziologisieren“ (Scheffer und Schmidt 2013, S. 256) unterscheidet. Für uns stellt sich damit die Frage, wie scharf die (SozBlog-)Grenzen für die Darstellung bestimmter Inhalte gezogen werden können. Hierfür unterscheiden wir soziologische Forschung, soziologisch informierte und soziologisch gehaltvolle Inhalte.
Soziologische Forschung meint, dass Beiträge innerhalb eines nicht per se öffentlichen Kontexts der Gesellschaft (Hitzler 2012, S. 393) produziert, aufgenommen und weiterentwickelt werden. Soziologisch informiert sind Beiträge, die in öffentlichen Kontexten produziert und aufgenommen werden und auf soziologische Forschung oder Konzepte zurückgreifen. Diese finden sich traditionell im (damit zunehmend ‚soziologisierten‘) Feuilleton oder populärwissenschaftlichen Magazinen wieder, gerade weil dort in zunehmendem Maße soziologische Konzepte und Begriffe aufgegriffen werden. Unter soziologisch gehaltvollen Texten bzw. anderem gehaltvollen Material verstehen wir, dass dieses wiederum die Chance besitzt, innerhalb der Sozialwissenschaften und damit auch für Soziologinnen anregend zu sein. Diese Materialien sind im öffentlichen Kontext produziert und werden innerhalb der scientific community als eben gehaltvoll oder anregend verstanden und im günstigsten Fall durch die Forschung eingeholt.
Beiträge, wie der unsere, sind entsprechend zunächst einmal dem soziologisch Informierten zuzuordnen. Im strengen Sinne handelt es sich bei diesen nicht um soziologische Forschung, welche konkreten methodologischen und methodischen Wege diese auch immer gehen mag. Wohl aber, so meinen wir, kann an der Schnittstelle zum Öffentlichen Produziertes auch soziologisch gehaltvoll sein.
Mit Blick auf die Herausforderungen, die über den gegenwärtigen Medienwandel für User heraufziehen, halten wir fest: Durch die Einführung des SozBlog kommt es zu einem „blurring of boundaries“ (Hjarvard 2014, S. 218) zwischen soziologischer Forschung, soziologisch Informiertem und soziologisch Gehaltvollem. Anders ausgedrückt besteht vor allem für Blogs die Schwierigkeit u.E. darin, dass nicht eindeutig bestimmt werden kann, über welche Inhalte, welche Autorinnen welches Publikum adressieren.
Vielleicht besteht die Stärke eines Blogs wie diesem genau darin, dass er offen für alle drei der von uns vorgeschlagenen Formen ist – mit allen Chancen und Risiken die damit für Autorinnen und Publikum verbunden sind.
In jedem Fall:
Hitzler, Ronald (2012): Wie viel Popularisierung verträgt die Soziologie? In: Soziologie 41 (4), S. 393-397.
Hjarvard, Stig (2014): Mediatization and cultural and social change: an institutional perspective. In: Lundby, Knut (Hrsg.): Mediatization of Communication. Berlin/Boston: de Gruyter, S. 199-226.
Scheffer, Thomas/Schmidt, Robert (2013): Public Sociology. Eine praxeologische Reformulierung. In: Soziologie 42 (3), S. 255-270.
Zunächst: Erfreulich, dass Sie meinen Beitrag erstnehmen.
Allerdings: Jeden Kinderkram mit dem gerade trendigen Begriff „public sociology“ zu rechtfertigen, ignoriert die wichtigen Kerngedanken der Kritik.
Zugegeben: Mein letzter Kommentar war unnötig kryptisch.
Ich weiß, dass sich dieser Blog (auch) an die Öffentlichkeit richtet, ich begrüße das ausdrücklich und wünsche mir mehr Versuche dieser Art. Das Problem besteht jedoch darin, dass die Soziologie (bzw. große Teile der Soziologie) der Öffentlichkeit schlechterdings nichts mitzuteilen haben. Ihr letzter Beitrag war in dieser Hinsicht entlarvend.
Gegen einen Blogbeitrag, der sich bemühte, den wissenschaftlichen Ertrag einer bewährten und gehaltvollen Theorie anhand allgemeinverständlicher und relevanter Beispiele zu erörtern, könnte ich nichts einwenden – bspw. die Relevanz der Spieltheorie für die Frage nach dem Ursprung unserer normativer Ordnung.
Denn wenn sich die Soziologen ernsthaft fragten, weshalb es eine wachsende interessierte Öffentlichkeit für ökonomische Einsichten gibt und Soziologen höchstens ab und an auf den hinteren Seiten des Feuilleton etwas schreiben dürfen, wenn den Praktikanten nichts eingefallen ist, dann würden sie alsbald erkennen, dass es einerseits daran liegt, dass Ökonomen zumindest versuchen, die drängenden Probleme der Menschen zu erklären und mildern (mit einer gewissen Hybris und regelmäßig scheiternd – aber so ist das Leben) und sie andererseits Kommunikationsstrategien entwickelt haben, um eben diesen Problembezug deutlich herzustellen, ohne ihre Theorien auf Kindergartenniveau downzudumben. Soziologische Nullitäten und Gemeinplätze produziert eben auch die Regionalzeitungskolumne.
Die deutsche Soziologie der Nachkriegszeit kannte noch Personen mit entsprechenden Fähigkeiten, daher wurde sie gehört, ohne Marketingwitze wie „public sociology“ erfinden zu müssen. Seit dem Ende der Sechziger haben nur leider die Verrückten, Unfähigen und Schrillen die Reputation unserer ehrbaren Wissenschaft auf mittlere Sicht hoffnungslos vernichtet. Und dieser Blog erscheint mir bislang eher Teil als Lösung des Problems.
Sry xD
Genauer: Die gesamte DGS erscheint mir Teil des Problems zu sein.
Nun seien Sie bitte nicht so negativ, lieber Anonymous. Ich glaube, dass die Verfasser dieses Beitrages sich darüber im klaren sind, dass Soziologie zunehmend von einer pseudowissenschaftlichen Community missbraucht wird, um einerseits seriös zu wirken und andererseits gebildet zu klingen. In einem Vorwort von Kerber/Schmieder (http://d-nb.info/942009673/04) – man Verzeihe mir, wenn es sich doch nicht in diesem Buch findet, aber ich habe mal ein Buch über spezielle Soziologien gelesen, in dem diese Thematik aufgegriffen wurde – wird genau dieses Problem erörtert. Und wen wundert es schon, bei der Masse an Soziologien zu jedem Pfurz. Mein Professor für Sozial- und Gesellschaftstheorie war „Intimsoziologe“ [sic]. Aber was solls, es handelt sich wohl auch bei Intimität um „soziales Handeln“. Soweit mein Braindump.
Mfg
Und ich finde, dass
a) Wissenschaft nicht gemacht wird, um Titelseiten zu generieren
b) und dass manche Wissenschaftler es einfach nicht schaffen, ihre Gedanken in eine verständliche Form zu bringen (Habermas, oder hier: http://soziologie.de/blog/2015/03/zu-komplex/) aus Gründen, die ich als Academic Faggotry bezeichen mag.
Was fällt Ihnen dazu ein, Hr. Anonymous?
Ich kann Ihnen nur zustimmen. Allerdings sollte auch eine nur nach Erkenntnis strebende Wissenschaft mit der Öffentlichkeit kommunizieren. Damit meine ich indessen nicht die Wichtigtuerei eines Ulrich Beck und anderer überflüssiger „Zeitgeistdiagnostiker“ (Hartmut Rosa ist wohl der neuste, unselige Kandidat), sondern eine ansprechende aber nüchterne Popularisierung. Ohne letztere werden auch gute wissenschaftliche Theorien niemals ihre Wirksamkeit entfalten können.
Ja, klar erscheint eine „nüchterne und anspruchsvolle Popularisierung“ sinnvoll, denn allein schon „zur Aufrechterhaltung ihres Forschungsbetriebs bleibt die Soziologie auf öffentliche Gelder bzw. Drittmittel und insofern auf Anerkennung bzw. Anwendungsgeltung angewiesen“ (gefunden hier: http://bit.ly/1KXo2Bm).
Aber ist es wirklich so einfach, wie von Sry xD dargestellt? > „Die deutsche Soziologie der Nachkriegszeit kannte noch Personen mit entsprechenden Fähigkeiten, daher wurde sie gehört …. Seit dem Ende der Sechziger haben nur leider die Verrückten, Unfähigen und Schrillen die Reputation unserer ehrbaren Wissenschaft auf mittlere Sicht hoffnungslos vernichtet.“
Oder ist es am Ende eine Folge der weiteren Entwicklung, Spezialisierung und „Erwachsenwerdens“ des Fachs in den letzten 50 Jahren, dass sich so manches Problem aus soziologischer Sicht eben nicht mehr so eindeutig benennen lässt und der gemeine Soziologe nicht mehr ganz so unmittelbar eine die Öffentlichkeit beeindruckende gesellschaftspolitische Haltung à la Habermas oder König einnehmen lässt?
So oder so wirken Katzenbilder nun zeitweilig wirklich etwas verbraucht – ich schlage Wildgänse vor.
Herzliche Grüße
Nils Tiberius Holgersson
Vielen Dank für die interessanten Kommentare und Links!
Es scheint wissenschaftliche Forschung und im speziellen wohl die Sozialwissenschaften schon ewig zu beschäftigen, ob und wenn ja inwieweit Wissensdiffusion in die Öffentlichkeit zuträglich ist. Die Soziologie trifft dies vermutlich in besonderer Weise, weil sie sich einerseits mit Phänomenen des Alltags und damit auch mit Alltagswissen befasst und zum anderen, weil sich von ihr die öffentliche Berichterstattung in besonderem Maße Konzepte ausborgt und anverwandelt.
– Das ist nun bestimmt keine Neuigkeit –
Das „Erwachsenwerden“ der Disziplin jedoch entspricht eigentlich ihrem Erfolg. Dieser Erfolg geht unmittelbar damit einher, dass die Grenzen der Disziplin zunehmend unscharf zu werden drohen. Hierzu gibt es nun, zumindest drei schon länger bekannte Positionen (siehe schon Florian Znaniecki 1940). Zuerst diejenigen, welche die Grenzen der Disziplin, komme was wolle, zumachen oder dicht halten wollen (etwa durch kryptische Begriffe). Die zweite Position befürwortet die Idee die Figur der Gralshüter, die aufgrund ihres Charismas oder entsprechender Kompetenz(-zuschreibung) sich äußern dürfen. Und drittens schließlich, ist da die Figur des Entdeckers, die sich auch außerhalb der Disziplin bewegen und damit oftmals auch ohne Absicht die Grenzen nach innen und außen öffnen darf, kann oder soll.
und wie gewünscht – Wildganssteuer:
Wildgans
König und Dahrendorf wäre ein passenderes Paar. Habermas ist bereits einer der am Niedergang Beteiligten. Er hat die Wissenschaft nicht für Erkenntnis nützen, sondern für politische Zwecke missbrauchen wollen. Im schreiben von wohlklingenden Rechtfertigungen war er virtuos.
Ich sehe kein „Erwachsenwerden“. Die Ghettoisierung bestimmter „Schulen“ hat lange Zeit eher zu- als abgenommen. Eine dergestalt zersplitterte Wissenschaft ist weit entfernt, ein reifes Forschungsprogramm hervorzubringen. Eine Mode folgte der anderen – Dialektik, Systemtheorie, Postmoderne, Hermeneutik, Praxis, Gender – ohne, dass wir dem Ziel, erklärungskräfte allgemeine Theorien zu entwickeln, näher genommen wären. Eine solche Theorie kann nicht als großer Entwurf formuliert werden, sondern wäre das Ergebnis einer allmählichen, kumulativen Forschungsarbeit.
Die einzigen in dieser Hinsicht erfolgreichen, sind die Soziologen, die sich ohnehin noch nie um Fachgrenzen gekümmert haben; die Soziologen, welche ganz im Sinne von Hans Albert und den anderen kritischen Rationalisten die „Einheit der Sozialwissenschaften“ immer schon vorausgesetzt haben. Rational-Choice, Spieltheorie, Netzwerkanalyse, die experimentelle Verhaltensforschung und einige andere Minderheitenpositionen bilden heute erfolgreiche interdisziplinäre Forschungsprogramme, die mit einer gewissen Konstanz seit einigen Jahrzehnten neue Einsichten hervorbringen.
Aber daran hat der durchschnittliche Soziologe kein Interesse. Er erfindet lieber eine neue sozialphilosophische Gegenwartsdeutung, tritt damit medienwirksam an die Öffentlichkeit und nennt seinen Narzissmus „public sociology“ – letztlich ein Missbrauch der Wissenschaftsbezeichnung für seine unbelegte Privatmeinung.
Liebe_R „Soziologie“
Einerseits kann ich ihre Position durchaus verstehen, der Wunsch nach einer Einheitswissenschaft ist stark, und Sie sind offenbar von den wissenschaftstheoretischen Grundlagen, welche Sie nennen zweifellos überzeugt.
Die Strömungen, welche Sie als Problem bezeichnen (Postmoderne etc.) treiben die Erkenntnistheorie weiter – vielleicht teilweise auch ein wenig über das Ziel hinaus. Dennoch haben sie dadurch wichtige Beiträge auch zur Reflexion des Faches gebracht – das hier meiner Ansicht nach deutlich weiter ist als einige benachbarte Disziplinen.
Aber selbst wenn man diese „radikalen“ Ansätze nicht mitgeht, und sich eher nach einer fundierten Sozialforschung, gerne auch Interdisziplinär, umsieht, so bietet die Forschungslandschaft ja doch soo vieles mehr als die RC/Modellbauende Soziologie.
Auch im anderen Lager gibt es sehr produktive empirische Forschung, die auf Basis der mittlerweile gut etablierten interpretativen Verfahren einerseits eine ganze Reihe von Feldern und Themen genauer untersucht und erst eröffnet hat (man denke z.B. an Studien in der Biographieforschung oder auch Studien in der Organisationsforschung oder Techniksoziologie usw. pp.).
Teils werden die Erkenntnisse dann im Sinne einer theoretischen Empirie wieder integriert, und es gibt ja durchaus auch eine ganze Reihe anpruchsvoller sozialtheoretischer Konzepte, die einen umfassenderen Anspruch vertreten: ob nun Giddens, Systemtheorie, Sozialkonstruktivismus/Phänomenologische Soziologie, Bourdieus Habitus- und Feldtheorie, die Konzepte aus dem SI, die Ethnomethodologie etc. pp.
Diese Theorien haben jeweils ihre Stärken und Schwächen, man mag seine Lieblinge haben, aber hier anzukommen und direkt alles abzuqualifizieren, was nicht IHREM Ideal enspricht erscheint mir doch ein wenig engstirnig.
Aber im Internet muss ja oft auch getrollt werden, und jede Meinung die nicht der eigenen entspricht muss angegriffen werden, daher auch für Sie ein Bild:
http://xkcd.com/386/
(Über Trolle wurde hier ja schonmal gesprochen, Kritische Rationalistentrolle sind meine Lieblinge, besonders diejenigen die ganz besonders genau wissen was „richtige Wissenschaft (TM)“ ist
„es gibt ja durchaus auch eine ganze Reihe anpruchsvoller sozialtheoretischer Konzepte, die einen umfassenderen Anspruch vertreten: ob nun Giddens, Systemtheorie, Sozialkonstruktivismus/Phänomenologische Soziologie, Bourdieus Habitus- und Feldtheorie, die Konzepte aus dem SI, die Ethnomethodologie etc. pp.“
Luhmann, Schütz, Garfinkel und viele andere haben sicherlich gute und wichtige Ideen beigetragen, aber ich denke nicht, dass die aufgezählten Theorien zu fruchtbaren Forschungsprogrammen geworden sind. Sie haben sich nicht wesentlich weiterentwickelt, sie könnten andere Theorie oder alte Einsichten der Soziologie nur bedingt integrieren und sind für den interdisziplinären Austausch wegen ihrer Enge und Spezifität hinderlich.
ich weiß ja nicht,
aber ich kenene eine ganze Reihe produktiver Kooperationen (in den oben genannten Bereichen), sei es mit Linguist_Innen, aufgeschlossenen Mediziner_Innen, Medienwissenschaftler_Innen, Informatiker_Innen, Designer_Innen, Architekt_Innen und Stadtplaner_Innen… usw. und so fort. Da sind übrigens gerade diejenigen Projekte produiktiv, bei denen man eine starke theoretische Grundlage hat.
Die gemeinsamen Projekte mit Psycholog_Innen und Wirtschaftswissenschaftler_Innen sind hingegen meist etwas zäh, mit denen Können vielleicht Sie etwas besser.
Schauen Sie mal über den Tellerrand.
Wenn ich noch einmal diese Passagen aus
http://www.sofi-goettingen.de/fileadmin/Michael_Faust/Material/Soz-Revue-Seiten277-290.pdf
zitieren dürfte.
Ferner bereitet es Schwierigkeiten, „Soziologische Beratung“ von der beeindruckenden Soziologisierung des Alltagwissens in Organisationen abzugrenzen, die auch ohne Soziologen oder „soziologische Berater“ als ihre personalen Träger auskommt. Die
„Theorien zweiter Ordnung“ der (sozial)wissenschaftlichen Beobachter stoßen schon seit Längerem auf „Theorien erster Ordnung“, in die sozialwissenschaftliches Wissen eingegangen ist. Mit „doppelter Hermeneutik“ (Giddens) ist allemal
zu rechnen, meint aber etwas anderes als die Aussage, dass „in Wahrheit jeder Praktiker (auch, und ohne dass er das weiß) ein Soziologe ist“ (Springer: 113; ähnlich Barthel:118).
Die verschiedenen Beiträge, die sich mit der Frage beschäftigen, ob die Wirtschaft Bedarf nach „Soziologischer Beratung“ hat, bekräftigen den Befund, dass die Praktiker mehr oder weniger elaborierte Alltagstheorien über das
Funktionieren von Organisationen haben und auf dieser Grundlage den Sinn ihres Handelns bestimmen bzw. ihre Entscheidungen rechtfertigen und erklären, aber keinen Bedarf nach „Soziologischer Beratung“ erkennen, vielmehr mit dem Begriff konfrontiert, zumeist damit nichts anfangen können (Katz: 211ff.). Angesichts solcher ernüchternder Befunde setzen die Empfehlungen häufig darauf, die „Vermarktungsprobleme“ von Soziologen anzugehen (Quirrenbach; Keck; Blättel-Mink/Katz), während das Problem, was das Soziologische an der Beratung sein soll, schon gelöst scheint, denn: „Soziologie ist modern.
Betrachtet man die aktuellen Managementansätze und Change-Management-Literatur, dann wimmelt es da nur von Derivaten soziologischer Theorien und Begrifflichkeiten. Nur verstehen es fachfremde Berater oft besser, sich kundenorientiert
den Markt zu erschließen,“ während der Soziologe es versäumt, „nachfrageorientiert auf den Gesprächspartner einzugehen“ (Behrendt/Kallweit: 228).
Das Grundproblem dieses Bandes scheint darin zu liegen, dass immer wieder die falschen Frontstellungen aufgebaut werden. Der Soziologe ist als Berater (genauso wenig wie der Betriebswirt) kein Wissenschaftler oder besser: er agiert nicht im Referenzsystem Wissenschaft, er ist aber auch nicht der (Organisations) praktiker, der vor einem Entscheidungsproblem steht. Für Letzteren ist er nur interessant, soweit er dem Referenzsystem der spezifischen Organisation enthoben ist und ein erweitertes Orientierungswissen anzubieten hat. Es macht keinen Sinn, sich immer wieder gegenseitig die „Praxisferne“ von Wissenschaft und die „Unwissenschaftlichkeit“ von notwendigerweise an Praxisproblemen orientierter Beratung vorzuhalten. Dies endet meist in fatalen Vorschlägen zum Umbau der akademischen Soziologie zur „Gestaltungswissenschaft“ einerseits und in einer Überfrachtung von Beratung mit wissenschaftlichen Ansprüchen andererseits, die diese für die Praxis und damit als Berufsfeld für Soziologen uninteressant macht.
Sie verankern die Diskussion nicht im Diskurs „Wissenschaft und Praxis“, sondern werfen die Frage auf, wie in der Soziologie-Ausbildung eine „Als-ob-Professionalisierung“ geleistet werden kann, die der in diesem Band teils beklagten, teils unfreiwillig dokumentierten „Entsoziologisierung“ der Absolventen in der Praxis entgegenwirken kann.
Die drei Indizien für das Phänomen der „Entsoziologisierung“ (69) von Soziologen beim Eintritt in die Berufspraxis sind: (1) Sie sind anfällig für die Formen der Selbstdarstellung des modernen Managements und die „praktischen“ Kunstlehren, die ihnen dort begegnen. (2) Sie sind anfällig für ein „trivialisiertes allgemeinwissenschaftliches Vokabular, das sie nicht selten fälschlich der Soziologie zurechnen“ (70). (3) Ihre eigenen durch das Studium erworbenen Kompetenzen verorten sie meist im Bereich der „Schlüsselqualifikationen“, während das feldbezogene Wissen eher den Nebenfächern (BWL, Wirtschaftspsychologie, etc.) und Praxisausflügen zugerechnet wird.
Einheitswissenschaft
Dieses Sozio-Palaver zwischen den dem Zeit-un-geist entsprechenden anonymen Kontrahenten beweist zutiefst den katastrophalen Zustand der Soziologie als WISSENSCHAFT.
Wissenschaft war und wird immer Einheitswissenschaft bleiben, sonst ist es keine WISSENSCHAFT mit der Orientierung an möglicher Annäherung an objektive Wahrheit auf der Basis möglichst fundamentaler, EINFACHER Gesetzmäßigkeiten.
Der sinnvolle Pluralismus auf der Ebene des Entdeckungsprozesses ist zu einer absurden Komplexitäts-IDEOLOGIE auf der Begründungsebene verkommen, wie ich sie in meinem Artikel „Die Komplexitäts-Ideologie“ (soziologie heute, August 2012) angedeutet habe.
Auch in der Bild-Zeitung und in Hitlers „Mein Kampf“ gibt es zufällige soziologische Erkenntnisse, aber die als systematische, WISSENSCHLICHE Soziologie zu verkaufen, ist genau so wissenschaftlich, wie das gegenwärtige, populäre Sozio-Tainment innerhalb der universitären Soziologie mit seiner konstruktivistischen „aufgeblasenen Rhetorik (Markus Gabriel) zur WISSENSCHAFT zu erklären.
Wenn Meinung wissenschaftstheoretisch/methodologisch nicht mehr von Erkenntnis unterschieden werden kann, ist der STRUKTURELL verursachte medial-wissenschaftlich verursachte der Intellektuellen-VERblödung perfekt.
Gerhard Wagner hat den Zustand der Soziologie als Wissenschaft 2012 wunderbar beschrieben:
„Das (dass keine aktuellen Publikationen zum aktuellen Stand der Forschung soziologischer Wissenschaftstheorie zu finden sind, G.Sch.) ist kein Zufall, denn im Unterschied zu anderen Einzelwissenschaften findet man in diesem Fach noch nicht einmal annähernd eine facheinheitliche Konzeption von Gegenstand und Methode, die man referierend vorstellen könnte. Was man findet, sind viele widersprüchliche Positionen (Braun,2008), die überblicksartig vorzustellen müßig wäre. Man würde damit nur einen Missstand dokumentieren, der offenbar für den Missstand des ganzen Fachs verantwortlich ist. ‚Es gibt in diesem Fach derzeit keinen Stand der Erkenntnis‘, lautet die ÖFFENTLICHKEITSWIRKSAME (Hervorhebung .G. A. S.) Kritik anlässlich des Jubiläumskongresses, den die Deutsche Gesellschaft für Soziologie zur Feier ihres 100-jährigen Bestehens 2010 in Frankfurt am Main ausgerichtet hatte ( Kaube 2010).
Als wollten sie dieses VERNICHTENDE URTEIL ( Hervorhebung G.A.S.) bestätigen, ließen kurz darauf Fachvertreter in einer Befragung durchblicken, dass es tatsächlich keinen ‚Konsens über das Grundwissen der Disziplin‘ gibt, was sich in erster Linie mit einer ‚fehlenden gemeinsamen wissenschaftstheoretischen Vororientierung im Fach‘ erklären lässt (Braun & Ganser 2011:171)
Da die Soziologie offenbar wie ein Computer abgestürzt ist,…“
(Wagner 2012:1)
Dass die erfolgreichen Soziologen als Praktiker immer erfolgreicher geworden sind, OBWOHL sie NICHT auf der Basis einer wie immer gearteten „wissenschaftlich“-systematischen Soziologie agieren, zeigt gerade den desolaten Zustand der WISSENSCHAFTLICHEN Soziologie.
Die universitäre Soziologie ist in diesen Fällen lediglich Ideen-Geber für herausragende PERSÖNLICHKEITEN, die sich durch die intensive Beschäftigung mit Unsicherheit und theoretischer Komplexität entwickelt haben.
Das ist für Soziologen nichts Neues. Zu meiner Zeit nannte man das „aktive Professionalisierung“ ( ich bin 1983 dadurch in Konkurrenz zu Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern zu einer hoch dotierten, kostenintensiven Wallstreet-Ausbildung bei Merrill-Lynch gekommen).
Heutzutage profitieren Soziologen zusätzlich in hohem Maß von der GENERELLEN Schwäche in den konkurrierenden sozialwissenschaftlichen Disziplinen und von dem Niveau-Abfall der Hochschul-Studien allgemein (Bologna-Prozess).
Lieber Herr Schwartz,
zu Ihren wissenschaftstheoretischen Ausflügen fällt mir soviel oder sowenig ein, wie meinen KollegInnen hier auf dem Blog. Aber dass Sie auf Ihrer Facebook-Seite neben dem gewohnten „Soziologie-Bashing“ (das im Übrigen wirklich nur denjenigen steht, die es wenigstens bis zum Soziologen gebracht haben) auch offen ausländerfeindliche Positionen vertreten und NPD- und AFD-Fotos re-posten, das sollte doch nun wirklich jedem zur Kenntnis gebracht werden.
http://www.facebook.com/gerhard.schwartz.3
Mein Lieblingskommentar ist allerdings nur unterschwellig rassistisch, chauvinistisch und exotistisch. Er ist Ihrem Nachruf auf Pierre Brice entnommen, der, wie Sie glaubhaft schildern, gemeinsam mit Karl May offenbar Ihr Bild des Anderen nachhaltig geprägt hat, Zitat: „ER hat diesen Idealtypus des edlen, fast aristokratischen Indianers perfekt verkörpert!“
Wie libidinös die im Nachsatz angesprochenen „Jugendträume“ waren, mag hier natürlich niemand zu beurteilen. Aber nach der Lektüre Ihrer Hassposts gegen „sozialistische Gesinnungsfetischisten“ und Ihrer Plädoyers für die sofortige Abschiebung krimineller Ausländer hat mich dieses kleine bisschen Indianerromantik gerade regelrecht kuschelig gestimmt.
Vielen Dank dafür!
Ihr
BdKdM
Ein weiteres Beispiel für die emotional-ideologische Schieflage der soziologischen Perspektive!
Vom „Beobachter der Moderne“ über den „Beobachter der Kulturen der Moderne“ zum „Beobachter des Beobachters der Kulturen der Moderne“!
Danke für diese köstliche Demonstration persönlichkeitsstarker, systemtheoretischer Wissenschaftlichkeit jenseits anonymer Heckenschützen-Romantik!
Ich werde diese beiden Kommentar als weiteren Beleg für den unglaublichen Zustand der emotional-ideologischen Komfortzone „Soziologie“ in meinem Blog veröffentlichen.
Danke auch für Ihr Interesse an meinem FB-Konto und meinem Blog, die für jeden öffentlich zugänglich bleiben.
Den Begriff „sozialistische Gesinungsfetischisten“ als Ausdruck von Hass statt als soziologische Beschreibung einer Differenz zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik (Weber) in pointierter Form zu lesen, ist nur als Folge emotional-ideologischer Beschränkung und/oder dilettantischer Ignoranz begreifbar.
Meine Sympathie für die Abschiebung kriminelle ASYLBEWERBER zu verwechseln mit einem Plädoyer für die Abschiebung krimineller AUSLÄNDER, zeigt exemplarisch, wie notwendig und berechtigt mein vorgeschlagenes Fundament der „Soziologie des Unbewussten“ für eine zukünftige wissenschaftliche Soziologie ist.
Als Soziologe nicht blind zu sein, für die AUSWIRKUNGEN eines ungebremsten Zustroms an Asylbewerbern und der zunehmenden Kriminalität einuger Gruppen von Asybewerbern, ist innerhalb der universitären Soziologie wahrscheinlich schon gleichzusetzen mit rechtsradikal. Dies gilt wahrscheinlich auch für die Thematisierung der „schweigenden Mehrheit“, die selbstverständlich soziologisch nur als dumpfes Stammtisch-Geschwafel ernst genommen werden darf.
„Rechtspopulismus“ nennt man das dann wahrscheinlich WISSENSCHAFTLICH, wenn man sich am gedankenlosen hinterher Plappern beteiligt. Und das zusammen mit einem NPD-Poster, unmöglich! Mein Kommentar: „Bin ich jetzt ein Nazi?“ Lesen Sie selbst nach!
Das wird mich nicht daran hindern, auch in Zukunft eigenständig zu denken und nicht zu einem Papageien der genehmen, emotional-ideologisch genehmigten Sprüche zu werden.
Gefühle blockieren wie alle emotional-ideologische Komfortzonen tendenziell den Verstand, wie Asch in seinem Konformitäts-Experiment eindrucksvoll wissenschaftlich belegt hat.
Für diejenigen, die sich noch für Realität jenseits systemtheoretisch-konstruktivistischer, einseitig-verkürzter Phantasien interessieren, mein Kommentar zum Tod von Pierre Brice in meinem FB-Account:
„Winnetou!
Dank Karl May, dem genialer Spinner phantastischer Geschichten, auf der Bildfläche erschienen und ER hat diesen Idealtypus des edlen, fast aristokratischen Indianers perfekt verkörpert!
Historische Realität hin oder her, er war eine Bereicherung meiner Jugendträume und in dieser Rolle zumindest ein charismatischer Schauspieler!
Danke Pierre Brice, ruhe in Frieden!“
Für Soziologen offensichtlich einer der soziologisch relevantesten Posts, abgesehen selbstverständlich von den rechtsradikalen!
Wie ich an der Anzahl der Seitenaufrufe meiner Blog-Artikel sehe, nimmt das Interesse innerhalb der kurzen Zeit deutlich zu, was bei dem Zustand der universitären Soziologie und den teilweise dramatischen sozialen Prozessen in der Gesellschaft, die geradezu nach ERKLÄRUNG schreien, kein Wunder ist!
Deshalb noch einmal für diejenigen, die sich für eine Alternative zu Systemtheorie, „Rational-Choice-Ansatz“ und „Kritische Theorie“ interessieren: https://soziologiedesunbewussten.blogspot.be
Am besten du richtest gleich ein „Schwartz-Watch“ ein. Ich hätte da auch schon ein paar super Namensvorschläge. Wie wär’s mit „Der Schwartze Kanal“ oder „Der Schwartz-Seher“? Das hätte bestimmt einen großen Unterhaltungswert.
Danke für die Anregungen, Beobachter des Beobachters der Kulturen der Moderne!
Die werde ich mir merken, nicht schlecht!