Nach dem Kongress ist vor dem Kongress Teil 4 – Zur Relevanz flexibler Abgabefristen

Bei der Verabredung zu einem ersten Nachtreffen fiel uns auf, dass wir bisher einen Teil der Kongresorganisation nicht ausreichend mitbedacht hatten – Die Annahme „Nach dem konkreten Wochenende sind nur noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen“ stellte sich eher als Wunsch, denn als Realität heraus. Schließlich ist eine Kongressorganisation mit dem Veranstaltungswochenende selbst nicht beendet, auch danach gibt es noch einiges zu tun: Aufarbeitung des Wochenendes mit dem, was gut und was schlecht gelaufen ist, Erstellung einer Evaluation, Ausschreibung des nächsten Kongresses usw. Sprich: Bei der Organisation eines Kongresses handelt es sich um eine längerfristige Verpflichtung, die zwar mit der Veranstaltung ihren Höhepunkt hat, aber auch danach noch weiter geht. Darauf muss mensch sich überhaupt erst einlassen.


Wie ist es für Studierende möglich, sich über einen so langen Zeitraum intensiv zu engagieren? Zunächst gilt es Interesse und Lust auf so etwas zu haben, aber darum soll es hier nicht gehen. Wir wollen vielmehr auf die Rahmenbedingungen eingehen, die ein solches Engagement ermöglichen oder auch verunmöglichen.

In der Vorbereitungszeit gab es immer wieder sehr arbeitsreiche Abschnitte und auch Phasen, in denen es etwas weniger zu tun gab. Doch die Organisation des Kongresses war bei weitem nicht das einzige, was wir in der ganzen Zeit gemacht haben. Zunächst sind wir alle Studierende, die unter anderem aus Interesse am Fach auf die Idee gekommen sind, eine solche Veranstaltung zu organisieren. Doch selbstverständlich sind Studium und Kongressorganisation nicht die einzigen Tätigkeiten denen wir nachgehen: Einige sind schon seit Jahren bei der Fachschaft engagiert, manche müssen sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, andere erhalten BAföG und müssen sich daher um eine Einhaltung der Regelstudienzeit bemühen. Außerdem sind wir alle auch Privatmenschen, mit Freund*innen, Familien und Beziehungen, die nicht vernachlässigt werden wollen.

Eine Balance zwischen den verschiedenen Bereichen unseres Lebens und der Kongressorga zu finden war nicht immer leicht und schien manchmal auch als ein Ding der Unmöglichkeit. Während gerade zu Beginn unseres Engagements die Aufgaben noch recht bequem mit anderen Tätigkeiten zu vereinbaren waren, wurde dies im Verlauf zunehmend schwieriger. Für die Ein oder den Anderen ergab sich eine Situation, in der sie mehreren dringenden Verpflichtungen und Deadlines zugleich ausgesetzt waren. Es galt Lehrforschungsprojekte, die meist als Gruppenarbeit organisiert sind, weiterzuführen, (Gruppen-)Hausarbeiten, sowie Abschlussarbeiten zu schreiben und die Anforderungen der jeweiligen Erwerbsarbeit zu erfüllen, während zugleich Aufgaben im Rahmen des Studentischen Soziologiekongresses dringlicher wurden. Mit dieser anstrengenden Situation gingen alle unterschiedlich um: Manche priorisierten ihr eigenes Studium und engagierten sich eher nachrangig, bei anderen war es umgekehrt. Gerade letztere waren meist auf eine – zumindest indirekte – Unterstützung durch die Lehrenden angewiesen: Eine derartige Fokussierung auf den Kongress war nur durch die von vielen gewährten und zum Teil sehr großzügigen Verlängerungen von Abgabefristen möglich. Auch das Entgegenkommen unserer Arbeitgebenden war wichtig: Sie akzeptierten, wenn wir an manchen Tagen keine Zeit hatten oder in manchen Monaten etwas weniger gearbeitet haben. So sammelten sich bei manchen von uns Hausarbeiten und Stunden an, die jetzt noch geschrieben bzw. abgearbeitet werden müssen.
Abgesehen von der ‚Vereinbarkeit‘ unseres Studiums mit unserem Engagement, hatte letzteres auch einige Auswirkungen auf unser Privatleben: Gerade bei denjenigen, die den Kongress zu ihrer Hauptaufgabe gemacht hatten und dafür ihr Studium aufs Wartegleis stellten, waren vor allem die letzten Wochen vor der Veranstaltung von dieser geprägt. Dass bis nachts um 1 Uhr noch Mails und Texte geschrieben, Angebote diskutiert und Abstracts gelesen wurden, war keine Seltenheit. Vor allem in den WGs, in denen mehrere aus dem Orgateam leben, war der Kongress omnipräsent und unsere Mitbewohnenden haben sicherlich viel zu viel darüber gehört.

Je näher das Wochenende rückte, desto stressiger wurde es. Insofern wundern wir uns auch nicht darüber, was nach dem Wochenende geschah: Manche hatten die Möglichkeit sich in einem Kurzurlaub zu entspannen bevor das neue Semester wieder richtig losging. Bei anderen gab es keine Pause; sie mussten mehr oder weniger direkt weitermachen, mit Gremienarbeit, Hausarbeiten usw. Für nicht wenige von uns zeigte sich der Stress dadurch, dass wir nach der Veranstaltung krank wurden, wodurch sich wiederum andere zu erledigende Aufgaben verzögerten – die „To-Do“-Listen wurden immer länger. Kaum gesund, begann die Vorlesungszeit. Der Aufgaben-Stapel wurde natürlich mitgenommen und wird erst jetzt langsam angegangen.
Vielleicht erklärt das Ihnen und euch liebe Lesende nun auch, warum der Blog so lange verwaist war und wir so lange nichts von uns hören ließen. Wir freuen uns jedenfalls nach der spannenden, spaßigen und auch anstrengenden Zeit, dass wir bzgl. des Studentischen Soziologiekongresses ein paar Gänge runter schalten und uns auch wieder auf andere Lebensbereiche konzentrieren können.

Studentisches Engagement wird nach unserer Erfahrung stark durch die jeweiligen Rahmenbedingungen beeinflusst: Die Möglichkeit, Aufgaben in anderen Bereichen ohne Restriktionen ein wenig hinauszuzögern und nicht innerhalb der Regelstudienzeit fertig werden zu müssen, sowie geduldige und ein wenig leidensfähige Freund*innen, Mitbewohnende und Partner*innen tragen sicherlich dazu bei, Engagement zu ermöglichen. Starre Abgabefristen und unflexible Arbeitszeiten hingegen beschneiden es. Die Motivation, sich auch über das Studium und die Sicherung des Lebensunterhalts hinaus an umfassenderen Aufgaben zu beteiligen, hängt zu nicht unerheblichen Teilen von den vorhandenen Voraussetzungen ab.

Sicherlich gelten unsere Erkenntnisse nicht nur für die Zeit des Studiums, da aber diese Zeit unseren momentanen Erlebnishorizont ausmacht, rücken wir diese in den Fokus. Auch vor Beginn der Kongressorganisation war es manchmal schwierig, sich den verschiedenen Lebensbereichen zu widmen, ohne dass etwas zu kurz kam. Die Organisationsarbeit erschwerte diese Vereinbarkeit zusätzlich. Aus der Kongressorgazeit können wir auf jeden Fall mitnehmen, dass Engagement immer mit Commitment und mit mal mehr mal weniger Verzicht in anderen Lebensbereichen einher geht.

Nun interessiert uns Ihr erleben: Beobachten Sie ähnliches an Ihrem Institut bzw. bei Ihren Studierenden? Unterstützen Sie Engagement bspw. durch flexible Abgabefristen? Wie erleben Sie selbst die ‚Vereinbarkeit‘ von Erwerbsarbeit und Privatleben (und freiwilligen Engagement)? Haben Sie genügend Zeit für Selbstsorge?