Contrasts and Contradictions

Die #ASA2022 Conference ist vorbei. Es waren aufregende und erkenntnisreiche Tage. Die vielen neuen Bekanntschaften und Eindrücke müssen noch sortiert werden und die letzten Tage voller Kontraste und Gegensätze hallen weiter nach. Ich werde die Tagung und die großartigen Menschen, von denen ich lernen konnte und mit denen ich diskutieren durfte, noch lange in guter Erinnerung behalten bzw. haben sich auch einige spannende Verbindungen für die Zukunft entwickelt.

Hier noch einige wenige Gedanken, die an die vielen vielen Eindrücke anschließend weiterklingen. So zeigte nicht nur Los Angeles selbst an jeder Straßenecke wie nah Wohlstand und Armut beieinander liegen. Auch die Konferenz hat dies immer wieder vor Augen geführt. Die vielen spannenden Veranstaltungen zu sozialen Ungleichheiten, Vulnerabilitäten und intersektionellen Verschränkungen unterschiedlicher Differenzkategorien waren oftmals verbunden mit dem Anspruch nach Verbesserungsmöglichkeiten für Lebensbedingungen. Oder diese zumindest zu suchen.Diese Erkenntnisse – die nicht nur aufgrund der aktuellen Situation – auch immer wieder mit Klimaveränderungen verbunden wurden, wurden beim Verlassen des Convention Centers sofort kontrastiert. Das durch die Klimaanlage heruntergekühlte, komplett verglaste Gebäude entließ die Gehenden in die trockenen 32°C der Stadt. Eine Stadt die hauptsächlich darauf ausgelegt ist, sich dort mit einem Auto zu bewegen. In der es unglaublich viel Platz für sich bewegendende und parkende Autos gibt. Deren öffentlicher Nahverkehr nur wenig einladend ist und, zumindest meiner kurzen Erfahrung nach, größtenteils von der ärmeren Bevölkerung genutzt wird. In etwa vier Autostunden Entfernung brannte zeitgleich der berühmte Yosemite Park wie auch in Europa die Trockenheit Waldbrände und Niedrigwasserstand für Flüsse bedeutete. Und sicher ist, dass es vor allem ärmere Menschen sind und sein werden, die als erste mit den Folgen umgehen müssen.In Gesprächen vor Ort ließen Menschen durchblicken, dass sie so wenig Regen schon sehr lange nicht mehr erlebt haben. In ähnlicher Weise habe ich es auch in Deutschland wahrgenommen. Deutlich ist allen, dass die aktuellen Geschehnisse dringender Handlungen bedürfen. Es bedarf global ausgerichteter Perspektiven, die nicht bloß bedeuten dürfen, dass sich Menschen in Ländern des globalen Nordens  auf elektrisch betriebenen Autos oder Fahrrädern ausruhen. Erneuerbare Energien zugänglich zu machen und auszubauen kann eben nicht nur auf die wohlhabenden Regionen der Erde beschränkt bleiben, sondern muss gemeinsam mit allen weiterentwickelt werden. Die vielen Ideen, die hierzu bereits bestehen, und zwar eben auch in Ländern des globalen Südens, müssten dazu allerdings weiterverfolgt werden.

Decentralize!

Ein kleines Highlight neben den vielen Gesprächen, Diskussionen und Vorträgen war die Diskussionsveranstaltung zu „Decentering Sociology from the Global North: Going Beyond Theory and Epistemology“. Die Diskutant*innen (Nazli Kibria, Victor Agadjanian, Marco Garrido, Paul Almeida) führten aus unterschiedlichen Perspektiven in Ihre Arbeit und Sichtweisen ein. Peggy Levitt stellte dem einen einführenden und stärker praxisbezogenen Teil voran und Cecilia Menjivar ergänzte beziehungsweise führte Nachfragen aus. Interessant war auch, dass die gesamte Veranstaltung sowohl vor Ort als auch virtuell verfolgt werden konnte. Was sicherlich auch die geringe Teilnahme vor Ort selbst erklärte.

Abends schlossen an das Tagungsprogramm weitere Receptions der einzelnen Sektionen in der ASA an, wo die Gespräche in netter Atmosphäre (z.B. im Rahmen einer italienischen Bar oder eines mexikanischen Hotels) weitergeführt wurden.

Klassentreffen, aber in sehr groß…

Während die nächste Konferenz der DGS in Bielefeld von vielen schon herbeigesehnt und beinahe liebevoll als ein Klassentreffen umschrieben wird, befinde ich mich gerade noch auf dem US-amerikanischen Pendant. Die #ASA2022 in Los Angeles funktioniert an sich genauso, nur ist alles sehr viel größer. Relational gesehen auch irgendwie logisch.

Dennoch kam genau diese Größe in einigen Gesprächen mit PhD Student*innen besonders zum Tragen. Gerade für Menschen auf Early Career Positionen sind viele der Preise unerschwinglich. Diese Preise sind mit der Örtlichkeit verbunden und die ist nun einmal das Los Angeles Convention Center.

Viele der Diskussionen drehen sich allerdings um Inhalte. Die wertschätzende und konstruktive Weise in der hier miteinander umgegangen wird ist großartig! Die Wissenschaftler*innen begegnen einander gleichermaßen interessiert und aufgeschlossen – unabhängig von Titel oder Status. Und so war auch die Diskussionsrunde in der unter anderem mein Vortrag („Queer Immigrants in the German Shelter System“) besprochen wurde, ebenfalls wunderbar produktiv.

Bücher, Bücher, Bücher und mehr!

Wie auf allen größeren Konferenzen gibt es auch auf der ASA 2022 einen Ausstellungsbereich, wo Verlage aktuelle Auswahlen ihres Programms präsentieren. Die große Auswahl und der versprochene Discount (40%) lassen nicht wenige Besucher*innen durch die Halle wandeln und die Produkte von Routledge, Sage oder NYUPress betrachten. Die Kugelschreiber und anderen Gimmicks wandern in die Laptoptaschen der Konferenzteilnehmer*innen und alles scheint wie es auch in Deutschland nicht anders wäre.

Allerdings fällt auf, dass Forschung zu queeren Themen hier nicht als ein Nischenthema verhandelt wird. Präsent bei vielen Verlagen stehen Arbeiten, die sich mit Geschlecht, Sexualität und Körpern beschäftigen. Und z.B. als ein Give Away bei NYUPress gibt es Buttons mit verschiedenen Pronomen zur Auswahl. Auch die Dissemination von wissenschaftlichen Themen durch andere Medien als nur Bücher oder Journalartikel findet einen Platz. An einem Stand werden akademische Inhalte in Grafik Novels umgesetzt präsentiert und das sequentielle Potential von Bildergeschichen erörtert.

What a day!

Nachdem in der letzten Nacht dreimal eine stark unter Drogen stehende Person versuchte in mein Apartment einzudringen und der Lärm im Haus auf sehr unheimliche Weise weiter eskalierte, musste ich erst einmal eine neue Unterkunft suchen: Welcome to Los Angeles!

Die Reception der ASA2022 im JW Marriot Building (Outdoor) erzeugte demgegenüber einen Eindruck von glitzernder heiler Welt: Ein riesiges Glas verkleidetes Gebäude und das Bier für 15$. Aber auch ein nettes kleines Buffet. Nicht gerade niedrigschwellig zugänglich oder zum langen Verweilen einladend, aber dennoch werden das die weiteren Veranstaltungen aufwiegen: Ich freue mich auf die anstehenden Diskussionen und Vorträge.

Spotlights on ASA 2022

Vom 05.08.-09.08.2022 findet in Los Angeles die American Sociological Association Conference statt https://www.asanet.org/annual-meeting/2022-annual-meeting. Ich werde hier in den nächsten Tagen für die DGS einige kleine Schlaglichter auf das Geschehen, die Vorträge und Roundtables werfen. Unter dem Titel “Bureaucracies of Displacement” versammeln sich bei ca 30°C  4500 Vortragende und 5000 Teilnehmer*innen in 600 verschiedenen Sessions, tauschen sich aus und vernetzen sich in den vielen thematisch gebündelten kleineren Panels und Roundtables. Platz genug ist dabei im Los Angeles Convention Center allemal.

Platz ist in Los Angeles insgesamt ein spannendes Thema. Alles ist weitläufig und bis auf die Hochhäuser in Downtown eher flach gebaut. In der Stadt selbst werden, wie in vielen Metropolen der Welt, soziale Unterschiede konzentriert sichtbar. Unter der Autobahnbrücke südlich des Convention Centers etwa, haben einige Menschen Zelte aufgebaut und trocknen Wäsche auf dem Zaun. Dieses, sich an vielen Brücken wiederholenden Bild, steht den riesigen Hotelkomplexen, der leuchtenden Werbung und Einkaufsgelegenheiten nördlich des Center gegenüber.

Um das Center betreten zu dürfen, muss mensch sich ein Badge abholen. Hierzu sind einige bürokratische Prozesse abzuwickeln, die vor allem im Vorhinein online durchführbar sind. Dann aber kann das Center mit diesem Badge jederzeit betreten werden und die Conference kann beginnen.