Es ist mehrfach die Frage angeklungen, wie es mit dem Verhältnis von Wissenschaft und Nationalsozialismus aussieht. Eine gängige Interpretation war lange Zeit, dass Wissenschaftler und Disziplinen, die sich dem „Dritten Reich“ angedient hatten, den Boden der Wissenschaft verlassen haben. In der Soziologie wurde gar bestritten, dass es das Fach zwischen 1933 und 1945 überhaupt gegeben habe, bis Soziologiehistoriker diesen Mythos zerlegt haben. In der Geschichtswissenschaft hat diese Frage Ende der 1990er Jahre zu hochemotionalen Auseinandersetzungen zwischen älteren und jüngeren Historikern, den Schülern und „(Ur-)Enkeln“ geführt.
Ein gewichtiges Problem ist sicherlich das Ausmaß der Beteiligung von Wissenschaftlern an der Diktatur (dass kaum einer von Ihnen wirklich Widerstand geleistet hat, dürfte mittlerweile auf der Hand liegen). Eine zweite Frage ist, inwieweit wissenschaftliche Standards gebrochen wurden. Eine dritte, und die interessiert mich nach meiner Beschäftigung mit Historikern, Sozialingenieuren und Rassenanthropologen, ist die, wie es praktisch allen Professionen gelungen ist, sich 1933 in das „Dritte Reich“ hinein zu schmiegen, ohne die eigenen professionellen Ansprüche aufzugeben, und sich 1945 wieder davon zu schleichen, ohne Schaden zu nehmen, obwohl sie dem Regime zugearbeitet haben. Jede Profession opferte einen oder zwei der Ihren, denen alle Verfehlungen aufgeladen wurden: Carl Schmitt, Leni Riefenstahl, Walter Frank, Josef Mengele usw. Bei den Historikern besagt der bedrückende Befund, dass nicht diejenigen aus der Zunft ausgestoßen wurden, die sich politisch schuldig gemacht hatten, sondern diejenigen, die ihre Karriere mit Hilfe des Regimes — und gegen die Aufstiegsregeln im Fach — beschleunigen wollten. Darüber wurde unerbittlich Buch geführt, das wurde nicht verziehen, politische „Irrtümer“ schon.
Man wird davon ausgehen können, dass der professionelle Habitus in allen Disziplinen derart tief verankert war, dass die Standards im „Dritten Reich“ nicht gebrochen wurden, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Die meisten Professionen sind 1933 gerade nicht „abgestürzt“, sondern haben auf hohem methodischen Niveau weitergemacht. Umgekehrt wissen wir mittlerweile, dass dem Regime an ideologiefreier, harter Expertise sehr gelegen war, so dass eine ideale Symbiose entstand: Wissenschaftler und Experten konnten ihre Arbeit ungestört fortsetzen und sogar radikale Phantasien verwirklichen, weil das Regime hemmende Schranken beseitigte und Ressourcen bereitstellte. Dafür bekam es, was es für seine immer brutalere Kriegs- und Vernichtungspolitik benötigte: valide Daten und Planungen. Und da liegt der Knackpunkt. 1945 konnten sich praktisch alle Professionen guten Gewissens darauf berufen, allein „der Sache“ gedient und sich aller Politik ferngehalten zu haben. Alle waren sie unpolitische Experten oder Wissenschaftler gewesen. Mitgliedschaft in Partei oder SS, Mitarbeit in Erbgesundheitsgerichten oder am berüchtigten „Generalplan Ost“: Zwang, Camouflage, der Wille, das Schlimmste zu verhindern oder rein sachliche Detailarbeit ohne Blick für das Ganze. Die Experten dienten der Sache, die Politik hatte ihre Arbeit missbraucht, allenfalls hatte man sich vorzuwerfen, zu spät aufgewacht zu sein. Von Kollegen aus dem westlichen Ausland bekamen sie Persilscheine, die ihnen genau das bestätigten.
Diese Form der Selbstentlastung funktionierte erschreckend gut. Noch Albert Speer — der hatte als ehemaliger Rüstungsminister immerhin 20 Jahre im Gefängnis gesessen (während andere NS-Schwerverbrecher schon in den 1950er Jahren wieder freigekommen waren) — bescherte mit diesem Modell seinen Memoiren seit Mitte der 60er Jahre hohe Auflagen (lesenswert dazu ist Joachim Fests Buch über sein zunehmendes Entsetzen, als er merkte, wie moralisch entleert der eigentlich „gute [weil bürgerliche] Nazi“ Speer gewesen ist). Oder Leni Riefenstahl, die in einem Dokumentarfilm über die Ästhetik ihrer Bilder marschierender SS-Stiefel schwärmte und partout nicht einsehen wollte, dass das mehr gewesen ist als bloß Kunst.
Ich glaube denen sogar. Riefenstahl ist eine geniale Regisseurin gewesen, ideal für die Propaganda des NS, und Speer ein exzellenter Techniker, der geholfen hat, den Krieg deutlich zu verlängern. Die „Sache“ ist derart erfolgreich von der „Politik“ abgespalten worden, dass die Experten die Symbiose mit der Politik nach 1945 erfolgreich als Übermächtigung deuten konnten. Selbst die Opfer scheinen daran geglaubt zu haben, zumindest legt das ein Brief, den ich gefunden habe, nahe. Der Eugeniker Otmar Freiherr von Verschuer hatte als Gutachter einen greisen Geheimrat rassenkundlich begutachtet, der kam daraufhin ins KZ. In einem Persilschein dankte dessen Tochter von Verschuer. Der habe rein wissenschaftlich gearbeitet und sei ihrem Vater gegenüber so gütig gewesen, im Gegensatz zu den sadistischen Nazis des Sippenamtes. „Wäre es nach Herrn von Verschuers Bemühungen gegangen, wäre mein Vater niemals in Theresienstadt ums Leben gekommen“. Wir dürfen vermuten, dass von Verschuer den Geheimrat zweifellos entlastet hätte, hätte er keine „minderwertigen“ Rassenanteile entdeckt. Er hat eben gütig und objektiv Anfragen des Regimes bearbeitet. Hätte er eventuell auf die Idee kommen sollen, das Gutachten — zu fälschen?! Gemerkt hätte es vermutlich niemand. Von einer moralischen Position her könnte man so denken, von einer professionellen offenbar nicht. Das zeigt, dass der tiefe Glaube an (wissenschaftliche) Objektivität politisch/moralisch geradezu verheerende Effekte haben kann.
PS: Die Dortmunder Sozialforschungsstelle fungierte nach dem Krieg als Auffangstelle für politisch kompromittierte Soziologen (Freyer, Ipsen, Jantke u.a.), die eine Reihe aufwendiger betriebs- und stadtsoziologischer Studien initiierten. Die sind heute noch lesenswert: teilnehmende Beobachtung am Arbeitsplatz und in den Ledigenheimen, lange Interviews mit den Arbeitern und Bewohnern, eine außerordentlich kritische Durchleuchtung der Verhältnisse. Das Unbehagen der Arbeiter an den bestehenden Zuständen wird ausführlich referiert, Ergebnis ist stets: Vermeintlich stumpfsinnige Arbeit wird als selbstbestimmt erfahren, ein harter Kern von 30% der Arbeiter steht zur herrschenden Ordnung und in den Mietskasernen der Großstädte entsteht „Gemeinschaft“. Kein Grund zur Sorge also, Kulturpessimisten haben unrecht, Kommunisten keine Chance. Die Mannesmann-Studie des Frankfurter Instituts für Sozialforschung dagegen (berichtete Rolf Wiggershaus) kritisierten sie als zu sozialharmonisch. Wenn man nur die Vorarbeiter in gemütlichen Büros befrage, erfahre man nichts über die wahren Ansichten der Arbeiter. Verkehrte Welt: affirmative Soziologie mit brauner Vergangenheit ist gesellschaftskritischer als die „Kritische Soziologie“?
Lieber Herr Etzemüller,
wieder ein sehr schön geschriebener Beitrag von Ihnen. Sie können wirklich gut Blogartikel in hoher Qualität und in schneller Abfolge schreiben. Ich brauche bisher noch viel zu lange Denkzeit für einen Blogartikel :(
Ich habe ein Kommentar bezüglich der Unterscheidung der WissenschaftlerInnen, die sich der Sache widmen und der „bösen“ Politik, die falsche Rahmenbedingungen setzt. Wie sehr können wir denn von der Person abstrahieren, wenn wir uns der Sache widmen? Ich fühle mich immer unwohl NS-Denker zu zitieren, obwohl ihre Gedanken wegweisend für die Sozialwissenschaften sind. Sollte ich mich da nur auf die Sache, den Inhalt, konzentrieren? Auf der anderen Seite: hängen nicht Denken und Handeln nicht auch zusammen?
Was meinen Sie?
Liebe Grüße
Valerie Lux
theorieleben.wordpress.com
Liebe Valerie Lux,
das ist in der Tat nicht einfach. Ich habe mich bislang nur zumeist mit denjenigen beschäftigt, die in irgendeiner Form ambivalent, also keine stumpfsinnigen Ideologen gewesen sind (Hans Freyer, Carl Jantke, Helmuth Schelsky usw.). Das Unbehagen an den Personen schwingt dann beim Zitieren zwar immer mit, aber mit Blick auf ihre intellektuellen Leistungen und ihre Rolle in der Nachkriegszeit ist das für mich erträglich. Die sind eben doch klug gewesen und haben ihre eigene Geschichte vor 1945 durchaus reflektiert. Grenzfälle sind für mich Figuren wie Gunther Ipsen oder (bei den Historikern) Hermann Aubin, die derart reaktionär waren, dass ich mich mit denen nicht wirklich auseinandersetzen kann. Außerdem zitiere ich zumeist ja als Historiker, das schafft Distanz. Deshalb konnte ich meine Rassenanthropologen (die vereinzelt mit dem NS übrigens wenig am Hut hatten) als kuriose Phänomene beobachten, wie exotische Wesen (außer im Kapitel über die Entnazifizierung, da kam’s dann doch etwas dicke in den Quellen). Die Unbelehrbaren wie Carl Schmitt oder Leni Riefenstahl sind natürlich eine andere Sache. Da muss man vielleicht einfach das Werk schätzen; zumindest für Historiker läuft die persönliche Geschichte ja immer wie ein paralleler Film mit. Bei Riefenstahl beispielsweise sehe ich immer (innerlich) „Olympia“/“Triumph des Willens“ parallel zu Ray Müllers großartiger Dokumentation über Riefenstahl („Die Macht der Bilder“), und das ergibt dann eine Einheit: Ästhetik + Reflexion.
Was das Schreiben betrifft: Übung. Außerdem weiss ich ja, dass ich das nur zwei Monate mache, da habe ich mir von vornherein Zeit eingeräumt. Schnelle Abfolge heisst also nicht notwendig: schnell schreiben…
Viele GRüße!
Thomas Etzemüller
Zuletzt war von der Sozialforschungsstelle Dortmund (SFSD) die Rede.
Die Nähe der Wissenschaftler_innen zu wichtigen Problematiken aus der gesellschaftlichen, politischen und administrativen Praxis ist auch noch aus anderen Gründen interessant: praktisch anwendbares Wissen wurde im NS-Staat nachgefragt und gefördert. Nicht nur in der Soziologie, sondern etwa auch in den Wirtschaftswissenschaften, der Geographie, den Agrarwissenschaften oder den Forstwissenschaften. In diesen Fächern findet sich dann das Phänomen, dass nach dem Krieg Wissenschaftler Karriere machten, die einmal im NS-Staat ganz praktischen Zwecken gedient hatten. Mit der Vernichtungspolitik (nicht aber mit der Expansionspolitik!) hatte ihre Forschung zunächst nur wenig zu tun. Und für viele Wissenschaftler blieb es offenbar auch dabei. Dieses eher unspektakuläre, eben „ganz normale“ Mittun in der Forschung des „Dritten Reiches“ ist auch ein Aspekt von NS-„Volksgemeinschaft“ gewesen.
Mit der Einordnung der Sozialforschungsstelle Dortmund in die gesellschaftskritische Forschung habe ich für die 1950er Jahre so meine Schwierigkeiten. Aber in der Tat haben sich ja viele gefragt, warum die Sozialforschungsstelle offenbar vorzeigbare Ergebnisse produzierte, wo doch so viele Personen mit NS-Vergangenheit dort wirken durften. Übrigens auch aus der NS-Raumforschung und Landesplanung kommend (Kuske, Linde, Pfeffer, Christaller u.a.). Elisabeth Pfeil, in der NS-Zeit noch im Umfeld des Bevölkerungsstatistikers Friedrich Burgdörfer tätig, arbeitete an der SFSD für die bundesrepublikanische Raumforschung.
Es gibt ja nicht nur in der Wissenschaftsgeschichte das Phänomen, dass ein Impuls aus einem Bereich kommen kann, der einmal ganz anders gedacht war, der dann aber im Laufe der Jahrzehnte etwas Positives als – das sei betont – unbeabsichtigten Nebeneffekt auslöst. Etwa die Öffnung der Hochschule hin zur gesellschaftlichen Praxis. Das war wohl in den 1950er und 1960er in der Bundesrepublik so: teilweise gerieten jene Kräfte, die Hitler als Experten gedient hatten (was aber niemand wissen durfte!), mehr oder weniger unfreiwillig an die Seite der jüngeren Wissenschaftler, die mit den beginnenden 1960er Jahren eine grundsätzlich neue Hochschul- und Wissenschaftslandschaft wollten. Auf der anderen Seite standen die Vertreter_innen der herkömmlichen Ordinarien-Universitäten, die Mandarine des akademischen Elfenbeinturms. Das ist jetzt sicher auch etwas schematisch gesagt, trifft aber wohl einen nicht zu vernachlässigenden Aspekt.
Und wie verhalten wir uns heute, nicht zuletzt angesichts möglicher Folgen des Klimawandels und der vielen toten Flüchtlinge?
Besser Soziolog_innen wissen mehr über die Vergangenheit: Allein innerhalb der NS-Raumforschung wurde in den Jahren vor dem Krieg (1936-1939) fünfhundert Studien zur empirischen Erforschung des ländlichen Raums, zur Land-Stadt-Migrationen, zur wirtschaftlichen Standortplanung, zu Rohstoffvorkommen (Wasser, Wald, andere Ressourcen) oder zur Verkehrspolitik angefertigt. Insgesamt flossen allein von 1936-1939 rund 1,5 Millionen Reichsmark Forschungsmittel in die neu organisierte Raumforschung. Der Anteil der dezidiert rassen- und bevölkerungspolitischen Forschung an diesen Raum-Forschungen war bis zum Kriegsbeginn eher gering; er machte weniger als 5 % aus. 1,5 Millionen Reichsmark – das klingt heute vielleicht nicht viel, aber es ist für die weitgehend ‚billige‘ wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Forschung schon eine erkleckliche Summe gewesen. Von 3000 RM konnte ein Akademiker ein ganzes Jahr leben. Zudem war eine Förderung häufig nur für Teile der Forschungsprojekte notwendig, etwa für die Publikation von Forschungsergebnissen. Professoren und Mitarbeiter der Raumforschung wurden auch über die Hochschulen finanziert. Studierende wurden als billige Arbeitskräfte eingespannt. Im Krieg stattete man die politiknahe Raumforschung noch besser aus, die Fördersummen stiegen weiter. Die Förderung solcher Arbeiten über die Reichsstelle für Raumordnung bzw. die Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung dürfte in den Jahren von 1935-1944 bei insgesamt über 4 Millionen Reichsmark gelegen haben. Dazu kamen entsprechende Studien des „Reichsnähstands“ (allein der Sozialwissenschaftler Ludwig Neundörfer erhielt 250.000 Reichsmark vom „Reichsnährstand“). Auch das „Arbeitswissenschaftliche Institut“ der „Deutschen Arbeitsfront“ und andere Forschergruppen arbeiteten z.T. empirisch.
Forschungsförderung allein ist allerdings noch kein Indiz für die Bedeutung von Forschungsprogrammen (und schon gar nicht für seine wissenschaftlichen Erträge). Es ist aber ein Baustein in unserem Wissen über die Vergangenheit.
Genau. – Die Dortmunder wollte ich übrigens nicht zu den eigentlich gesellschaftskritischen Soziologen erklären, nur anekdotisch beleuchten, dass die Grenzlinien in der Soziologiegeschichte manchmal auf eigentümliche Weise verschoben sein können.
„Nett“ hätte ich FAST zu der emotional-ideologischen Harmonie gesagt, wenn ich Ihre disziplinarische Zurechtweisung vergessen hätte, Herr Professor!
Aber zum Thema!
Soziologisch im Sinne einer MÖGLICHEN wissenschaftlichen STRUKTUR-Soziologie ist die Erklärung der Entwicklung der Soziologie im Nationalsozialismus und im Dritten Reich relativ einfach (Reduktion von Komplexität).
Die Ideologie des NationalSOZIALISMUS und die praktischen, politischen Anfänge im Dritten Reich prägten das TYPISCHE Verhalten der Masse/Mehrheit der Soziologen und das der abweichenden Minderheit, die zum Teil Deutschland verließ.
So etwa würde die von mir angedeutete „Soziologie des Unbewussten“ und ein damit verbundener „methodologischer Strukturalismus“ anfangen.
Die Soziologen waren UNBEWUSST fasziniert von dem gesellschaftlichen Gemeinschafts-Quasi-Experiment, das der Nationalsozialismus 1933 versprach. Sie sahen endlich eine historische Gelegenheit, WISSENSCHAFTLICH vorwärts zu kommen und ähnlich zu arbeiten wie die Sozialpsychologen SPÄTER in ihren tatsächlichen Experimenten zu Gemeinschaft und Autorität (Asch/Milgram/Festinger usw.).
Es fand daraufhin das statt, was sozialpsychologisch sehr gut objektiv-wissenschaftlich erforscht ist.
Das Denken wurde emotional-ideologisch auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert und im Falle der dramatisch wirksamen Ideologie des Nationalsozialismus in den Anfängen 1933 gleichzeitig autoritär emotional-ideologisch fanatisiert.
Ein SOZIALES NaturGESETZ, das auch heute innerhalb der Konsens-Demokratie und auf der Basis der liberalistisch-individualistischen IDEOLOGIE wirksam ist, allerdings erheblich subtiler aufgrund der massenpsychologischen Manipulation der Medien und der Bilderflut, von der der Meister-Schüler Goebbels in seiner Anwendung von Le Bons Massenpsychologie, die man heute treffender MassenSOZIOLOGIE nennen müsste, sicher fasziniert wäre.
Das zu begreifen, ist natürlich emotional-ideologisch NACH 1945 und dem Holocaust UNMÖGLICH im Rahmen der „aufgeklärten“ liberalistisch-individualistischen IDEOLOGIE und des „methodologischen Individualismus“.
Andererseits war die Sympathie der marxistischen und sozialistischen Soziologen für die DDR in der 68-er Bewegung von der gleichen an der Gemeinschaft orientierten anti-liberalistischen und -kapitalistischen IDEOLOGIE geprägt, wurde aber ideologisch und soziologisch durch Luhmanns konservative Systemtheorie und die liberal-individualistische Ideologie überhaupt relativiert und kommt heute nach dem Zusammenbruch der DDR und des Marxismus (als ÖKONOMISCHE Ideologie) nur mehr als kommunitaristische Phantasie oder in rechten und/oder konservativen Gesellschaftsvorstellungen soziologisch, ideologisch und politisch vor.
Durch den Holocaust ist die junge Wissenschaft der Soziologie so traumatisiert und schockiert worden, da sie in eine wissenschaftlich-theoretische Starre verfiel, die bis heute andauert.
Lediglich Luhmann hat mit seiner metatheoretischen Systemtheorie für Bewegung gesorgt, die allerdings soziologisch-WISSENSCHAFTLICH folgenlos geblieben ist, weil die kausal-wissenschaftlichen Implikationen seines funktionalistischen Ansatzes noch nicht formuliert und auf die Ebene einer soziologisch-wissenschaftlichen Theorie transferiert worden sind.
Sie dient lediglich als heuristischer Ideengeber für mehr oder weniger intelligente intellektualistische Gedankenspiele und systemische Experimente, die allerdings gesellschaftlich und soziologisch mit dem hohen Preis der fatalen Komplexitäts-IDEOLOGIE und der Verantwortungslosigkeit gegenüber STRUKTUREN und ihren Wirkungen bezahlt werden.
Wissenschaftstheoretisch und theoretisch war die Soziologie in der Weimarer Republik mit einer spannenden Dreiteilung konfrontiert, die immer noch auf einen überzeugenden nächsten Schritt in Richtung Integration und VERWISSENSCHAFTLICHUNG der damals pubertierenden Soziologie wartet.
Dirk Käsler beschreibt die drei Dimensionen, die am Ende der Weimarer Republik unverbunden miteinander konkurrierten, so:
1.) die naturwissenschaftliche Perspektive (Leopold v.Wiese -Beziehungslehre)
2.) die sozialwissenschaftliche Perspektive (Weber/Mannheim/“methodologischer
Individualismus“)
3.) die kulturwissenschaftliche Perspektive (Otmar Spann)
Die Kategorie des Unbewussten, die selbst für Systemtheoretiker wie Fuchs DIE Schwachstelle der Systemtheorie ist und für den „rational-choice-Ansatz“ und den „methodologischen Individualismus“ selbstredend den a-rationalen blinden Fleck darstellt, bietet eine hervorragende Möglichkeit der Integration.
Durch den a-rationalen Schock des Holocaust ist dieser Schritt innerhalb der Soziologie emotional-ideologisch fast so unmöglich , wie wissenschaftlich notwendig.
Ihr zutreffender, emotional-ideologischer Hinweis (oder ist das eine Erkenntnis?) „Das zeigt, dass der tiefe Glaube an (wissenschaftliche) Objektivität politisch/moralisch geradezu verheerende Effekte haben kann“ ist politisch bemerkenswert vor dem Hintergrund, dass Sie für rationale, objektivierbare Erkenntnisse bezahlt werden sollten.
Zweitens ist diese Gefahr mit dem menschlichen Denken/Fühlen und den Anwendungen seiner Produkte überhaupt im Wesentlichen (Entschuldigung, schon wieder vergessen, Herr Professor!) verbunden ist.
Fukushima, die Atombombe, der Salafismus, der Holocaust oder die Ausrottung der nordamerikanischen Indianer zeigen in dieser Hinsicht SOZIOLOGISCHE Parallelen.
Diese Probleme werden nicht durch mehr Irrationalismus, Relativismus und durch die aufgeblasene Rhetorik (Markus Gabriel) des Konstruktivismus gelöst, sondern in dem eine WISSENSCHAFTLICHE Soziologie die sozialen NaturGESETZE menschlicher Sozialität objektiv-wissenschaftlich auf der Basis einer überzeugenden Methodologie erforscht, um soziale Prozesse jenseits der offensichtlichen IRRATIONALEN Entwicklungen zu GESTALTEN.
Es geht also um MEHR Objektivität, um emotional-ideologische Pseudo-Objektivität zu vermeiden und den GLAUBEN an Objektivität durch die rationale Orientierung an Rationalität zu ersetzen.
Das emotional-ideologische, liberalistisch-individualistisch-interaktionistische „Wir-wünschen-uns-was“ mit entsprechender emotional-ideologischer Wohlfühl-Zone als Alternative führt mit Sicherheit in den praktisch-politischen Abgrund, der sich hinter der wissenschaftstheoretisch-theoretischen Sackgasse der Soziologie versteckt.
Ich lese und zitiere selbst ganz gerne Carl Schmitt, hatte damit noch nie Probleme, auch nicht in linken Kreisen. Darum geht es mir aber heute nicht.
Es geht mir um die Thesen dieses Artikels, zusammengefasst in folgendem ZItat des Autors: „Umgekehrt wissen wir mittlerweile, dass dem Regime an ideologiefreier, harter Expertise sehr gelegen war, so dass eine ideale Symbiose entstand: Wissenschaftler und Experten konnten ihre Arbeit ungestört fortsetzen und sogar radikale Phantasien verwirklichen, weil das Regime hemmende Schranken beseitigte und Ressourcen bereitstellte.“
aha, soso, das ist mir wirklich neu!
Ich möchte etwas zur „Wissenschaftsliebe“ zur „Forschungsfreiheit“ zwischen 1933 und 1945 sagen und bediene mich hierbei nicht meiner eigenen Worte, um nicht als „ideologisch verblendet“ stigmatisiert zu werden.
Ich lasse lieber die CVs sprechen:
Abendroth, W.
Jurist, Habilvater v. Habermas
1933 Berufsverbot
danach in die Schweiz
1937 – 1941 in Haft
Adorno, T.W.
Philosoph, Soziologe, Musiktheoretiker, Komponist
Frankfurter Schule
1933 Entzug der Lehrbefugnis
1934 Flucht nach England
1938 Flucht in die USA
Arendt, H.
Philosophin
1933 verfolgt, inhaftiert, dann Flucht in die USA
Benjamin, Walter
1933 Flucht nach Frankreich
1940 Flucht in die USA
Bloch, Ernst
1933 ausgebürgert, daraufhin Flucht in die Schweiz
1940 Flucht in die USA
Born, Max
Nobelpreis 1954
1933 wegen „jüdischer Vorfahren“ zwangsbeurlaubt
1936 ausgebürgert
daraufhin Flucht nach England
Bosch, Carl
Nobelpreis 1931,
im Dienste der Nazis
warnte Hitler, dass die Vertreibung jüdischer Wissenschaftler die deutsche Physik und Chemie um hundert Jahre zurückwerfen werde
Bothe, W.
Kernphysiker
Nobelpreis 1954
1933 tritt vom Ordinariat zurück, arbeitet als Honorarprof. weiter
Brecht, B.
1933 Flucht nach Dänemark über Prag, Schweiz
1935 ausgebürgert
1940 Flucht nach Finnland
1941 Flucht in die USA
Carnap, R.
Wiener Kreis
1936 Flucht nach Prag, dann USA
Colm, G.
Ökonom
1933 Flucht in die USA
Döblin, A.
1933 Flucht in Schweiz, dann Frankreich
1940 Flucht in die USA
Einstein, A.
Nobelpreis 1921
1933 Flucht in die USA
Feigel
Wiener Kreis
1933 Flucht in die USA
Feuchtwagner
1933 Flucht nach Frankreich
1940 Flucht in die USA
Fischer, Hans
ehemaliger Burschenschaftler,
Nobelpreis 1930
Nachdem sein Institut und seine Arbeit durch die Einwirkungen des Zweiten Weltkrieges zerstört worden waren, wählte Fischer aus Verzweiflung darüber im Frühjahr 1945 den Freitod.
Frank
Wiener Kreis
1938 Flucht in die USA
Freud, S.
Psychoanalytiker
trotz Kollaboration:
1933 werden seine Bücher verbrannt & tlw. verboten
1938 Flucht nach Paris, dann London
1939 Freitod
Fromm, E.
Psychoanalytiker, Philosoph, Soziologe
1934 Flucht in die USA
Gödel, K.
1938 verliert Dozentur und bemüht sich vergeblich um Anstellung im NS-Bildungssystem; Begründung: „stark verjüdete Mathematik“
1940 Flucht in die USA
Goeppert-Mayer, M.
Nobelpreis 1964
wandert bereits 1930 aus
Haber, F.
Nobelpreis 1918
1933 Flucht nach England
Hahn, O.
tritt 1934 aus Protest gegen Massenentlassungen und –inhaftierungen von Kollegen aus der Berliner Uni aus
Heartfield, J.
1933 Flucht nach Prag
1938 Flucht nach England
Heinemann, E.
Wirtschafts- & Sozialwissenschaftler
1933 Flucht in die USA
Heisenberg
Nobelpreis 1932
bekommt trotz starker persö. Bemühungen und Bemühungen der LMU KEIN Lehrstuhl an der LMU, weil die Vertreter der „Deutschen Physik“ dagegen sind
Hertz, G.
Atomphysiker
Nobelpreis 1925
1935 wird ihm die Lehr- und Prüfungserlaubnis entzogen; Begründung: „Jude“
„durfte“ aber bei Siemens bleiben
Hess, V.
Nobelpreis 1936
1938 zwangsemeritiert, verhaftet, fristlos und ohne Pension entlassen
muss zudem Nobelpreisgeld an Reichsbank abgeben
Hesse, Hermann
Nobelpreis 1946
1931 Austritt aus der Aka. d. Künste
organisiert seitdem Emigrationen von Kollegen im großen Stil
Horkheimer, M.
Sozialphilosoph
Frankfurter Schule
1933 Flucht nach Genf, dann in die USA
Husserl, E.
Philosoph
1933 wg nichtarischer Abstammung beurlaubt
Klemperer, V.
Romanist
1935 Verlust Professur, Verfolgung etc
Kraft, V.
Wiener Kreis
1938 erzwungene Vorpension, Verlust der Lehrerlaubnis
Krebs, H. A.
Nobelpreis 1953
1933 als „Jude“ Lehrbefugnis entzogen
Flucht nach England
Laue, von der, M.
selbst Nazi
1943 vorzeitig zwangsemeritiert, weil er sich aus fachlichen Gründen gegen den „Bund deutscher Physiker“ und für Einstein einsetzte
Lippmann, Fritz
Nobelpreis 1953
1932 nach Kopenhagen
1939 in die USA
Loewi, Otto
Nobelpreis 1936
1938 inhaftiert weil „Jude“
muss Nobelpreisgeld abgeben
Flucht nach England, dann USA
Löwe, A.
Soziologe & Ökonom
1933 Flucht nach England
1941 Flucht in die USA
Löwith, K.
1933 Lehr- und Publikationsverbot
Verfolgung als „Jude“
1934 Flucht nach Italien
1936 Flucht nach Japan
1941 Flucht in die USA
Mann, H.
1933 Ausschluss aus Aka. d. Wis.
Ausbürgerung
Flucht nach Frankreich
1940 Flucht in die USA
1944 Freitod seiner Frau
Mann, T.
Nobelpreis 1929
flieht in den 30gern und landet nach einer ziemliche Odyssee in den USA
Marcuse, H.
Philosoph, Politologe, Soziologe
1933 Flucht nach Genf, dann Frankreich
1934 Flucht in die USA
Meyerhof, O.
Nobelpreis 1923
1935 Lehrbefähigung entzogen
1937 Austritt aus Aka.d.Wiss.
1938 Flucht nach Prag, Schweiz
1940 USA
Nerst
Nobelpreis 1920
Kollaborateur
1933 Emeritierung und Rückzug nach Bad Muskau
Verlust des KWG-Sitzes und viele andere Ausgrenzungen
Nölting, E.
späterer Wirtschaftsminister
1933 Entzug Professur & Aufenthaltsverbot in Franf.a.M. und Bielefeld
Oppenheimer, Franz
Arzt, Soziologe, Ökonom
1934 erstmalig und 1939 letztlich in die USA geflüchtet
Ossietzky
Nobelpreis 1936
1933 verhaftet
1938 Tod im KZ
Pauli, W.
Nobelpreis 1945
war bereits 1928 in der Schweiz und bemühte sich ab 1938 sehr stark um Einbürgerung in die Schweiz/USA
Plank, M.
Nobelpreis 1918
ist 1933 schon 74 und verhält sich des lieben Frieden willens lange Zeit loyal
1936 verzichtet er auf Drängen der Nazis auf die KWG_Präsidentschaft
1938 tritt er aus Protest aus der Aka.d.Wiss. aus
wird vom Bund „Deutscher-Physiker“ als „Jude“ beschimpft, muss seine „Abstammung“ untersuchen lassen und stellt sich als „16tel-Jude“ heraus.
1945 wird sein Sohn in Plötzensee ermordet
Reichwein, A.
Kulturpolitiker SPD, Reformpädagoge
1933 entlassen
Verfolgung, Inhaftierung, etc.
1944 Tod in Plötzensee
Rosenfeld, K.
Politiker, Anwalt
1933 Flucht nach Frankreich
1940 Flucht in die USA
1943 Tod
Salomon, G.
Soziologe & Ökonom
1933 Flucht nach Frankreich
1941 Flucht in die USA
Schlick, Moritz
Begründer des Wiener Kreises
1936 erschossen
(2 Jahre später, nach dem „Anschluss Österreichs“ reicht sein lebenslänglich verurteilter Mörder einen Begnadigungsersuch ein. Begründung: „… dass er durch seine Tat und die hierdurch erfolgte Beseitigung eines jüdischen, volksfremde und volksschädliche Lehrsätze verbreitenden Lehrers dem Nationalsozialismus einen Dienst erwiesen…“ Er wird „NUR“ auf Bewährung entlassen, weil der Richter an seine politischen Motive zweifelt und vermutete, dass der Mord doch aus persönlichen Gründen passierte.)
Schrödinger, E.
Nobelpreis 1933
1933 Flucht nach England
Schweizer, A.
Nobelpreis 1952
verlies Europa bereits 1914
Staudinger, W.
Nobelpreis 1953
Amtsenthebungsverfahren nach Denunziation von Heidegger scheiterte zwar, aber er durfte nicht mehr ins Ausland reisen
Stern, Otto
Nobelpreis 1943
1933 Flucht in die USA
Tillich, P.
1933 entlassen, verfolgt, daraufhin Flucht in die USA
Tugendhat, E.
1938 Flucht der Familie in die Schweiz, weil „jüdisch“
1941 Flucht nach Venezuela
Wartburg, O.
Nobelpreis 1931
1941 entlassen
Weill, Kurt
1933 Flucht nach Frankreich
1935 Flucht nach England
1941 Flucht in die USA
Weismann
Wiener Kreis
1937 Flucht nach England
Wieland, H.
Nobelpreis 1927 durfte trotz diverser Denunziationen weitermachen, weil seine Forschungsgebiete als „kriegswichtig“ eingestuft wurden
organisierte Anstellungen für Kollegen
Willstätter, R.
Nobelpreis 1915
1939 Flucht in die Schweiz
1942 Tod
Ziegler, K.
Nobelpreis 1963
1933 denunziert und ausgegrenzt
1936 dann doch eingestellt, weil „kriegswichtig“ aber unter beschränktem Einfluss
Bin mal gespannt, ob dafür hier Platz ist
Lieber d.t.,
das Problem der Wissenschaftsgeschichte und der Geschichtswissenschaft ist es lange Zeit gewesen, wie man mit dem NS umgeht. Ich hatte das angedeutet an der Debatte, ob der NS „modern“ hatte sein können. Für viele Historiker durfte er nicht modern sein, und Wissenschaft musste ideologisch gewesen sein, weil der NS ja ein moralisch verwerfliches Regime gewesen ist. Über dieses simple, zuteifst wertgeladene Bild ist die Geschichtswissenschaft in weiten Teilen hinweg.
Dass zahlreiche Wissenschaftler vertrieben und ermordet wurde, heisst ja nicht im Umkehrschluss, dass die anderen automatisch ideologisch verblendete Pseudowissenschaftler gewesen sind, oder dass das Regime nur noch „deutsche Physik“ usw. gefördert hat. In meinen Augen ist der Befund viel bedrückender, wenn man feststellt, wieviel „Normalität“ und valide Forschung es im „3. Reich“ gegeben hat. Das hat übrigens mit „Freiheit der Forschung“ nichts zu tun. Deshalb habe ich auch nicht davon gesprochen oder von „Wissenschaftsliebe“, sondern von einer SYMBIOSE zwischen Wissenschaft und Politik, die gut funktioniert hat, weil beide Seiten etwas davon hatten (oft auf Kosten zahlloser menschlicher Opfer). Soweit ich weiss, haben die Entscheidungsträger im „3. Reich“ lieber auf seriöse Wissenschaftler gehört als auf die Vertreter der „deutschen Physik“ usw., weil sie eben valide Daten benötigten, nicht Ideologie. Und erstere haben sich nicht verweigert; zudem gelang es ihnen, ihre Innovationen in die Nachkriegszeit zu transferieren.
Und die Verfolgten, die überlebt haben oder zurückkehrten, sind teils von den im NS involvierten Wissenschaftlern als eine Art „Vaterlandsverräter“ beschimpft worden, teils kooperierte man wieder miteinander, unter einem gewissen Deckmantel des gegenseitigen Beschweigens. Die Geschichte des NS und die der frühen Bundesrepublik ist komplizierter als es eine Unterteilung in (gute) Opfer und (böse) Täter nahelegt.
TE
Ich hatte nicht die Absicht in „gut“ und „böse“ zu unterteilen.
Ich zweifele jedoch an, dass zwischen 1933 und 1945 im Hochheitsgebiet der Nazis „mehr auf harte Wissenschaft“ als auf den „Bund deutscher Physiker“ gehört wurde. Anders kann ich mir nicht erklären wieso Einstein, Hertz und Gödel verfolgt und vertrieben wurden (um nur mal 3 Namen zu nennen, die jeder Mensch kennt) und Heisenberg und Plank marginalisiert und entmachtet wurden, weil sie diese im fachlichen Punkten verteidigt haben.
Aber vielleicht habe ich ja auch nicht so viel Ahnung, denn ich bin keine habilitierte Historikerin.
Schöne Grüße
und ja, die Normalität war erschreckend
Übrigens
Ich habe mich mal im Netz und in der Bib nach Menschen umgeschaut, die in der Zeit zwischen 1933 und 1943 Abitur hatten und als ernstzunehmende Wissenschaftler in Frage kamen. (Wer also erst 1943 Abi gemacht hatte und dann 1953 mit dem Studium fertig war und später renommiert wurde, fällt aus offensichtlichen Gründen raus.)
In dieser Spanne gibt es 38 Leute aus Deutschland und Österreich, die einen Nobelpreis erhielten (davon 1 Friedensnobelpreis. Er ging an Ossietzky und kostete ihn nicht nur das Leben, sondern bewirkte auch ein Reichgesetz, wonach „Reichsbürger“ den Nobelpreis nicht mehr annehmen durften)…
Wie dem auch sei …
Von diesen 38 Nobelpreisträgern waren
14 regimetreu
und
24 Verfolgte und Flüchtlinge (einige, nicht wenige davon vor 1945 tot)
Von den 14 Regimetreuen waren
5 waschechte Nazis, die den Wissenschaftsbetrieb leiteten und prägten
3 gänzlich unpolitisch mit etwas Einfluss in der akademischen Welt und
6 ehemalige oder immer noch Nazis bzw. zumindest sehr regimetreu, die sich aber aus fachlichen Gründen GEGEN die Ausgrenzung, Verfolgung etc. des einen oder anderen Kollegen ausgesprochen haben und das hieß dann für sie: „Good bye my friend“ – so viel also zur wissenschaftlichen Freiheit und radikalen Ideen.
So sieht’s aus. Für mich und Googel und die Stabi Berlin zumindest
Aber wie gesagt: Ich bin nicht nur keine habilitierte Historikerin, sondern habe auch noch nicht einmal mein Studium fertig.
Aber ich kenne mich ein bisschen in den Bereichen Wissenschaftstheorie, Philosophie, Mathematik, Logik, Physik aus – und zwar auch ein bisschen personell und biographisch… weil ich studiere und weil ich darüber hinaus auch noch Google bedienen kann.
Mein Fazit zu Ihrem Artikel:
Sapere aude!
Kant übersetzt es mit: Wage es, Dich Deines eigenen Verstandes/Urteilskraft zu bedienen.
Frohe Weihnachten
ach ja, für die, die es nicht wissen:
die 5 waschechten Nazis waren die, die Einstein, Gödel, Plank, Heisenberg … und noch einige andere wichtige Perönlichkeiten, dernen Namen aber wahrscheinllich HIstorikern nicht viel sagen … wegbissen und ins Exil bzw in die innere Emmigration prügelten, sie verfolgen liesen und ihnen die Ämter entrissen
Taten sie es, weil sie „fachlich“ so groß waren?
Und lies man das „von oben“ zu, weil wissenschaftliche Expertise so wichtig war?
Keine Frage, „Kriegswichtige“ wurden irgendwie nach Möglichkeit behalten. Siehe Hertz.
Weiß noch einer von Euch aus der Schule, wer Hertz war und was er geleistet hat?
Hertz „durfte“, nachdem er aus der Uni gefolgen ist, bei Siemens bleiben anstatt ins KZ zu gehen. Oh und welch Wunder, er ist dann zu Siemans gegangen und geblieben!
Einsteins Relativitätstheorie hingegen war nicht kriegstaugich, darum war der Typ 1933 weg. Nazi-Kollegen, denen es deuchte, dass an seinen Theorien vielleicht unter Umständen etwas dran sein könnte wurden entlassen, bekamen keine Proffesur, wurden vorzeitig zwangsemeritiert.
Moritz Schlick, den Begründer der Wiener Schule hat man 1936 gleich erschossen. Die Wiener Schule prägt die Wissenschaftsstandards seit den 30ger Jahren (in Deutschland erst seit den 90ger Jahren)
Toller Wissenschaftsbetrieb!
Voll fachlich orientiert und total unideologisch!
Das müssen wir doch jetzt mal festhalten!
Hertz flog übrigens aus der Uni, weil er angeblich „Jude“ war
Und wir danken alle Siemens und dem NS-Regime, dass sie so mildtätig und wissenschaftgeil waren, so einen Menschen wie Hertz am Leben zu lassen
Die Liste der NobelpreisträgerInnen gibt es auf Wikipedia samt Biographien
Die anderen sind mir bekannte und verehrte WissenschaftlerInnen, die ich eben kenne, weil ich sie gerne gelesen habe. Auskunft über sie erhaltet ihr entweder über Wikipedia, über Google, über die Bib oder über subito
Schöne Grüße und immer noch:
Sapere Aude!
und ja, keine Frage:
Riefenstahl war ne grandiose Filmemacherin und C. Shcmitt ein großartiger Denker. Ich lese ihn bis heute gerne. Ich zietiere ihn bis heute gerne. Auch affirmativ – obwohl ich mittlerweile nicht mehrb an die Gültigkeit der Freund – Feind Unterscheidung glaube.
Das alles ist gar kein Problem.
Aber zu behaupten, dass die Wissenschaft in Deutschland keinen Verlust erlitten hat, zu glauben, dass die Nazis an „wiisenschaftlichen“ statt an „ideologischen“ Fakten orientiert waren … oh, ich weiß nicht, das liegt mir echt quer!
Aber ich bin ja auch nur ne dumme Studentin.
Nur damit es keine Mißverständnisse gibt: Ich habe weder von „Freiheit der Wissenschaft“ im „3. Reich“ gesprochen noch behauptet, durch Vertreibung und Vernichtung habe es keine Verluste gegeben. Das „3. Reich“ gab es ohnehin nicht. Das war ein höchst heterogenes Gebilde, in dem die einen Ideologen waren (Rosenberg u.a.), die Wissenschaftler vertreiben ließen, die anderen (Speer etc.) an rationalen Lösungen interessiert waren, weil sie das einfach als ihren Job angesehen haben, und die dann eben Wissenschaftler vor dem KZ bewahrten.
Ich frage mich, wie „unpolitisch“ ein Wissenschaftler ist, wenn er vermeintlich nur der Sache dient, aber eben an der Atombombe für die Nazis baut. Das ist doch das Problem. Sie haben ja selber 14 Nobelpreisträger aufgezählt, davon „nur“ 5 Nazis, die aber fachlich fähig waren. Und der Rest? „Unpolitisch“? Es waren die Speers, Schachts oder die Generäle, die den Krieg verlängerten, weil sie ihr Handwerk verstanden und ohne Widerstand zu leisten ausübten, nicht die Ideologen aus dem Lager Rosenberg. Hätten die mal das Sagen gehabt. Dann wäre dass Reich nämlich schon 1935 wirtschaftlich restlos ruiniert gewesen, hätte nie den Krieg führen können etc. (vgl. z.B. Adam Tooze, Ökonomie der Zerstörung). Leider gab es immer noch zu viele rationale Experten im „3. Reich“. Die haben immer wieder die Scharten ausgewetzt, die die Ideologen geschlagen haben, und waren sich nach 1945 keiner Schuld bewusst (exemplarisch: Albert Speer in seinen Memoiren).
Weise sein und selbst denken – ja. Aber dazu gehört auch, unangenehme Interpretationen der Geschichte zu akzeptieren. Das „3. Reich“ war kompliziert und lässt sich mittlerweile nur noch unzureichend mit Hilfe der Ideologiekritik beschreiben und verstehen.
Falls sich hier noch jemand für eine MÖGLICHE wissenschaftliche Soziologie interessiert, jenseits des absurden konstruktivistischen Relativismus ohne Erkenntnis-Interesse!
Emotional-ideologisches SOZIOtainment kann natürlich so unterhaltsam sein wie absurdes Theater, das ich sehr schätze!
Aber muss das das neue Paradigma der Sozialwissenschaften an der Universität hergeben???
Aber wahrscheinlich geht es darum!!??
Je mehr „Paradigmen“, um so pluralistischer, schmackhafter und demokratischer der intersubjektivistische Meinungs-Salat!
Meinen Ansatz kann man selbstverständlich auch auf Wissenschaftler und den Umgang mit Wissenschaft im Dritten Reich generell beziehen:
Soziologisch im Sinne einer MÖGLICHEN wissenschaftlichen STRUKTUR-Soziologie ist die Erklärung der Entwicklung der Wissenschaft im Nationalsozialismus und im Dritten Reich relativ einfach (Reduktion von Komplexität).
Die Ideologie des NationalSOZIALISMUS und die praktischen, politischen Anfänge im Dritten Reich prägten das TYPISCHE Verhalten der Masse/Mehrheit der Wissenschaftler und das der abweichenden Minderheit, die zum Teil Deutschland verließ.
So etwa würde die von mir angedeutete „Soziologie des Unbewussten“ und ein damit verbundener „methodologischer Strukturalismus“ anfangen.