Fast sämtliche politische Reformen seit Ende der 1990er wurden im Zeichen des Neoliberalismus durchgeführt. Auch wenn es im Zuge der Finanzkrise in letzter Zeit leise Zweifel gibt, so ist das neoliberale Denken im politischen Diskurs so dominant (Butterwegge 1998) und selbst in der Sozialdemokratie so fest verankert (Lahusen 2006), dass nicht anzunehmen, dass sie so leicht aus den Köpfen zu entfernen ist. Zumindest die FDP hat sich auf ihrem Bundesparteitag am 04.03. (wieder) als „Verfechter der sozialen Marktwirtschaft“ positioniert, und die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) wirbt seit einigen Jahren für die Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft. Kernideen der jüngeren Reformen sind Deregulierung und ein möglichst geringes Eingreifens des Staates in die Wirtschaft, welche gemäß dem Postulat den gesamtgesellschaftlichen (gesamteuropäischen) Wohlstand fördern. Entsprechend passt es auch gut, dass die FDP den Armutsbericht schönen wollte, weil er so gar nicht zu diesem Postulat passt. Ungeachtet dessen geben diese „Erneuerer“ das Gedankengut der Klassiker der sozialen Marktwirtschaft nur bruchstückhaft und unvollständig wieder. Die genaue Lektüre dieser Texte fördert zum Teil Erstaunliches zutage, das zum Teil in konträrem Widerspruch zu den politischen Reformen des letzten Jahrzehnts steht. Was also ist soziale Marktwirtschaft? [1]
Schlagwort: Politik
Alles wird gut
Dieser Tage hatte ich eine Podiumsdiskussion mit dem Gouverneur der Österreichischen Nationalbank, einem Bankdirektor und einem Journalisten – natürlich über die aktuelle Wirtschaftskrise. Ich warnte die Herren in der Vorbesprechung, dass ich in meiner Einführung nicht allzu viel Aufbauendes sagen würde. Das mache nichts, meinten die beiden Bankleute, und der Chef der Nationalbank fügte hinzu: Er werde schon etwas Beruhigendes sagen, das gehöre zu seiner job description. Er hat Recht: Notenbankvertreter sind, wie Bankdirektoren generell, zur Pazifizierung des Publikums verpflichtet, und amtsinhabende PolitikerInnen fühlen sich auch meist dieser Aufgaben verbunden. Wirtschaftliche Märkte sind Nervensache, politische Märkte sind Gefühlssache, und die Amtsinhaber üben somit bloß ihre sozialtherapeutische Funktion aus.
Text und Kontext
Die Personen weisen Verhaltensmuster auf, die von einem flexiblen, situationsangemessenen Erleben und Verhalten in charakteristischer Weise abweichen. Die persönliche und soziale Funktions- und Leistungsfähigkeit ist dadurch meistens beeinträchtigt. Es werden Handlungen gesetzt, ohne die Konsequenzen zu berücksichtigen. Es gibt häufige, unvorhersehbare und launenhafte Stimmungsschwankungen. Beziehungen sind instabil, oft treten emotionale Krisen auf. Es werden Störungen und Unsicherheiten bezüglich des Selbstbildes sichtbar, auch Verunsicherung über Ziele und eigene Präferenzen. Die Selbstwahrnehmung ist deutlich verzerrt, bis hin zu Identitätsstörungen.
Rock wie Hose. Feminismus Reloaded
Ich gestehe, dass mich die – überaus willkommenen – Kommentare zu meinem letzten Eintrag überrascht haben. Dass Minirock und feministisches Engagement einander widersprechen, dies zu behaupten lag und liegt mir fern. Wer Alice Schwarzers Biografie gelesen hat, wird hier reichlich Belege dafür finden, dass ›im Geiste von Alice‹ feministische Politik machen bereits bei dieser selbst hieß, Politik (auch) im Minirock zu betreiben. Dies als Widerspruch zu begreifen, liegt mir im Übrigen ebenso fern, wie etwa anzunehmen, dass sich unter Kopftüchern keine feministischen Haltungen finden lassen. Worum es mir vielmehr ging, war, jene diskursive Bewegung kenntlich zu machen, wie diese doppelte Bewegung der simultanen Aneignung und Abstoßung von Feminismus zu verstehen ist. Schauen wir uns diese daher noch einmal genauer an. „Rock wie Hose. Feminismus Reloaded“ weiterlesen
»Im Geist von Alice – aber mit Make-up und Minirock«. Postfeministische Pirouetten
Kann Feminismus nicht auch sexy sein? Stehen ›knappe Outfits, Make-up und Kleider‹ tatsächlich im Widerspruch zu feministischer Politik? Auf diese Frage, die keine ist, wurde in den vergangenen Jahren die Auseinandersetzung um die Zeitgemäßheit von Feminismus oft zugespitzt. Auch mein Beitrag in der letzten Woche könnte als eindeutige Antwort auf diese Nicht-Frage gelesen werden: Minirock ist Zwang und damit nicht-feministisch. Beleuchten wir die »postfeministische Maskerade« (Angela McRobbie) daher noch einmal etwas genauer.
Die Äußerung der Mitarbeiterin des Wuppertaler Gleichstellungsbüros steht für eine durchaus exemplarisch zu nennende, unserer Zeit und Dynamik angemessene – for better or worse – feministische Haltung. Diese äußert sich gerade nicht in ausschließlich dezidierter, gar apodiktischer Ablehnung feministischer Inhalte. Doch um Feminismus, seinen Beitrag für die Freiheitsgewinne von Frauen (und Männern) honorieren, und auch, um sich in einer vermeintlich entideologisierten Weise das viel geschmähte F-Wort aneignen zu können, scheint es unumgänglich, sich zunächst von einem vorgeblich einstmals existiert habenden verbiesterten Spaßbremsen-Feminismus zu distanzieren. „»Im Geist von Alice – aber mit Make-up und Minirock«. Postfeministische Pirouetten“ weiterlesen