Für eine kompromisslose Diskussion der Modi von Wissensarbeit

Ein Gastbeitrag von Tino Heim, Dresden

 

Politische und akademische Debatten um die Krise der Wissensarbeit reproduzieren seit Jahren die gleichen Argumente und versanden in Symptom-Skandalisierungen, Mitleidsbekundungen für den ‚Nachwuchs‘ und Verheißungen ‚planbarer Karrieren‘. Diskutiert wird dabei mit Begriffen, die bestenfalls ideologische Funktion haben. Die gesellschaftliche Relevanz einer sich oft als ‚kritisch‘ attribuierenden Soziologie muss sich auch daran erweisen, ob diesbezügliche Diskurse in der DGS analytisch radikaler geführt werden und die Hinterfragung akademischer Hierarchien einschließen. „Für eine kompromisslose Diskussion der Modi von Wissensarbeit“ weiterlesen

Studentische Hilfskräfte und Mitarbeiter*innen. Feldsozialisation und studentische Arbeitskraftunternehmer*innen

Ein Gastbeitrag von Alexander Lenger, Karlsruhe, und Christian Schneickert, Magdeburg

 

Fragt man nach den strukturierenden Faktoren einer akademischen Karriere kommt man nicht umher, die zentrale Bedeutung einer Anstellung als studentische Hilfskraft anzuerkennen (wir sprechen im Folgenden auch von studentischen Mitarbeiter*innen, abgekürzt StuMi, um der Heterogenität der Anstellungsverhältnisse und Tätigkeitsbereiche gerecht zu werden und den unglücklichen, aber gängigen Begriff des ‚Hiwi‘ zu umgehen). Empirisch ist hinreichend belegt, dass die Tätigkeit als StuMi besondere Chancen für eine akademische Karriere eröffnet (BMBF 2006; Lenger 2008; Jaksztat2014). Entsprechend wird in der Ratgeberliteratur für Studierende und Nachwuchswissenschaftler*innen auch explizit hervorgehoben, dass ein Einstieg in die Hochschulkarriere idealtypisch über eine Anstellung als studentische Mitarbeiter*innen gelingt (Rompa 2010; Kaiser 2015). Vor diesem Hintergrund werden die entformalisierten Beschäftigungsverhältnisse von StuMis – ähnlich denen des akademischen Mittelbaus – mit deren wissenschaftlichen Weiterbildungseffekt gerechtfertigt (Regelmann 2004, 4).

Die Rolle von studentischen Hilfskräften im deutschen Hochschulwesen ist aber noch wesentlich komplexer. „Studentische Hilfskräfte und Mitarbeiter*innen. Feldsozialisation und studentische Arbeitskraftunternehmer*innen“ weiterlesen

Prekäre Wissensarbeit im akademischen Kapitalismus (Teil 3)

Strukturen, Subjektivitäten und Organisierungsansätze in Mittelbau und Fachgesellschaften

Ein Beitrag in drei Teilen von Peter Ullrich, Berlin

Dies ist die Fortsetzung von Teil 2 vom 13. Mai

 

3.2       Die Initiative „Für Gute Arbeit in der Wissenschaft“ in der Soziologie

Der Ansatz der Initiative, die Soziolog*innen in unterschiedlichsten Positionen umfasst (Promovierende, Postdocs, Juniorprofs, freiberuflich Forschende, außerakademisch Tätige) lässt sich als Versuch der Politisierung und ‚Indienstnahme‘ der Fachgesellschaft beschreiben (Amelung, Edinger, Rogge, u. a. 2015; Amelung, Edinger, Keil, u. a. 2015). Sie ist eines der möglichen Foren für eine Politisierung der Auseinandersetzungen über Beschäftigung in der Wissenschaft, das bisher in dieser Sache nicht in Erscheinung getreten ist. Somit handelt es sich um einen Versuch, eine Arena zu finden, in der angesichts der Abschottung der struktursetzenden Bundes- und Landespolitik Zwischenschritte zur Verbesserung der Lage des Mittelbaus erreicht werden könnten. „Prekäre Wissensarbeit im akademischen Kapitalismus (Teil 3)“ weiterlesen

Prekäre Wissensarbeit im akademischen Kapitalismus (Teil 2)

Strukturen, Subjektivitäten und Organisierungsansätze in Mittelbau und Fachgesellschaften

Ein Beitrag in drei Teilen von Peter Ullrich, Berlin

Dies ist die Fortsetzung von Teil 1 vom 09. Mai.

 

3         Handlungshindernisse und Handlungsansätze im Mittelbau

3.1       Konfliktfähigkeit und Anspruchsniveaus – Herausforderungen in der Organisation des wissenschaftlichen Prekariats

Die beschriebene Situation ist also wissenschaftsfeindlich, da sie die akademische Freiheit und die wissenschaftliche Rationalität untergräbt (Münch 2011; Demirović 2015); sie ist beschäftigtenfeindlich, weil sie inakzeptablen Flexibilisierungsdruck und hochgradig prekäre Beschäftigungsperspektiven zur Grundlage des Funktionierens der deutschen Wissenschaft macht. Und sie ist ein Problem für die Handlungsfähigkeit der betroffenen Bildungs- und Wissensarbeiter*innen und damit für den akademischen Mittelbau, das beim Organisieren dieser Interessen Berücksichtigung finden muss. Das grundlegende Problem ist die äußerst geringe Konfliktfähigkeit[1] der Beschäftigten. Sowohl ihre strukturelle Situation als auch ihre Subjektivität erschweren einen Einsatz für eine Verbesserung ihrer Situation. „Prekäre Wissensarbeit im akademischen Kapitalismus (Teil 2)“ weiterlesen

Prekäre Wissensarbeit im akademischen Kapitalismus (Teil 1)

Strukturen, Subjektivitäten und Organisierungsansätze in Mittelbau und Fachgesellschaften

Ein Beitrag in drei Teilen von Peter Ullrich, Berlin

1         Vom Leiden des „Nachwuchses“

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht eine der großen Zeitungen oder andere Medien das Leid der akademischen Beschäftigten thematisieren. Herzzerreißende Geschichten erzählen von höchstqualifizierten Spezialist*innen im Alter zwischen 35 und 50, die sich mit Kettenverträgen und Teilzeitstellen kürzester Laufzeit herumschlagen oder in der Blüte ihres Berufslebens gezwungen sind, aus der Wissenschaft auszusteigen und – eigentlich viel zu spät – beruflich noch einmal von vorn zu beginnen. Sie erzählen vom ewig aufgeschobenen Kinderwunsch, der sich mit der völlig unsicheren Einkommenssituation und der geforderten Mobilität schlecht verträgt, von unbezahlter Arbeit, von Stress, kurz: von hochgradig prekären Beschäftigungsverhältnissen. Und doch erzählen sie zugleich von nicht enden wollendem Engagement und grenzenloser Begeisterung der ‚Betroffenen‘, die mit Leib und Seele Wissenschaft betreiben (wollen). „Prekäre Wissensarbeit im akademischen Kapitalismus (Teil 1)“ weiterlesen

It ain’t Feminism – It‘s the Economy, … – Vom blinden Fleck antigenderistischer Kritik

Nur mit einem Bild und ohne weitere Worte setzte Queen B aka Beyoncé vor wenigen Wochen ein Statement auf Instagram gegen die im Internet kursierenden Bilder der Aktion „Women against Feminism“. In Deutschland veröffentlichte die Jugendorganisation der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) in diesem Jahr ähnliche antifeministische Statements.

„It ain’t Feminism – It‘s the Economy, … – Vom blinden Fleck antigenderistischer Kritik“ weiterlesen

Was ist eigentlich ein Markt?

Ich habe in den letzten zwei Wochen über verschiedene Märkte (den Arbeitsmarkt, den Medienmarkt, den Lebensmittelmarkt) geschrieben. Andere Autoren haben hier die Entwicklungen auf dem Finanzmarkt kommentiert (Prisching 2012, Nassehi 2012, Reichertz 2013) oder über den europäischen Binnenmarkt geschrieben (Münch 2012). Dabei wird deutlich, dass nicht immer ganz klar ist, was mit dem Begriff „Markt“ eigentlich gemeint ist. Was also ist eigentlich ein Markt?

„Was ist eigentlich ein Markt?“ weiterlesen