Krieg, Kriegsgesellschaft, Zeitenwende

Beitrag 6: Basistheoreme der Kriegsgesellschaftstheorie

Kriegsgesellschaftstheorie im hier verstandenen Sinn befasst sich mit durch Kriege ausgelöste Transformationen gesellschaftlicher Strukturen. Es geht also nicht um Ursachen, sondern um gesellschaftliche Wirkungen von Kriegen. Doch längst nicht jeder Krieg führt zu einer gesellschaftlichen Transformation. Ich habe im Beitrag 5 folgende Typen der gesellschaftstransformativen Kraft von Kriegen unterschieden: Kriegsgesellschaft (als Ergebnis kriegsbedingter gesellschaftlicher Transformation),  antizipative Kriegsgesellschaft (ohne manifesten Krieg in Erwartung eines großen, tendenziell totalen Krieges), Kriegführende Zivilgesellschaft (ohne gesellschaftliche Transformation), Zivilgesellschaft im Krieg (Kriegsbeteiligung ohne eigene Streitkräfte, gleichbleibende Basisstrukturen wie Markt und Demokratie bei verändertem institutionellem Arrangement), reine Zivilgesellschaft (ohne Kriegsbeteiligung und Kriegsbedrohung). Ich möchte in diesem Beitrag sieben Basistheoreme der Kriegsgesellschaftstheorie kurz skizzieren.

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Krieg, Kriegsgesellschaft, Zeitenwende

Beitrag 5: Wann führen Kriege zu einer gesellschaftlichen Transformation, und wann nicht?

Im Beitrag 4 wurde Herbert Spencers Theorie des „Militant Type of Society“ vorgestellt. Demnach führen Kriege zu einer gesellschaftlichen Transformation. Triebkraft derselben ist der Mobilisierungswettlauf. Denkt man sich zwei gleiche Gesellschaften im Krieg, dann gewinnt die Gesellschaft, die mehr Soldaten und Arbeitskräfte, aber auch Motivation und Loyalität gegenüber dem Staat motiviert. Eine Mobilisierung kann effektiv nur zentral gesteuert werden. Zur Durchsetzung zentraler Steuerung bedarf es eines starken Staates mit einer tendenziell diktatorischen Spitze. Es gewinnt die Partei, die am längsten den Mobilisierungswettlauf durchhält. Das ist der Kern eine Kriegsgesellschaftstheorie nach Herbert Spencer.

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Soziologie und aktuelle Kriege

Die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland in der „Zeitenwende“

Beitrag 4: Über Kriegsgesellschaftstheorie (I)

Im vorangegangenen Beitrag wurde vorgeschlagen, die „Zeitenwende“ als eine kleine Transformation von einer „reinen“ Zivilgesellschaft, ohne äußere Bedrohung oder nationale Kriegsbeteiligung, zu einer „Zivilgesellschaft im Krieg“ zu verstehen. Letztere unterstützt eine Kriegsgesellschaft z. B.  mit Waffenlieferungen, ohne sich mit eigenen Streitkräften am Krieg zu beteiligen. Zentral ist der Begriff der „Kriegsgesellschaft“, aus dem sich der Begriff der „Zivilgesellschaft im Krieg“ ergibt. Fundamental dafür ist die Theorie von Herbert Spencer.

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Soziologie und aktuelle Kriege

Beitrag 1: Die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland in der „Zeitenwende“

Abstract

Große, langdauernde, tendenziell totale Kriege nach Art der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts führen zu einer gesellschaftlichen Transformation, insbesondere zu einer Marginalisierung der Basisstrukturen Markt und Parlamentarische Demokratie zugunsten zentraler Steuerung und einer tendenziell diktatorischen Spitze. Das Ergebnis dieser Transformation nenne ich Kriegsgesellschaft. Als Gegenstück dazu kann die reine Zivilgesellschaft gelten, ohne Kriegsbeteiligung, ohne (wahrgenommene) äußere Bedrohung, „von Freunden umzingelt“ (Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe). Diesem Typus entsprach die deutsche Gesellschaft seit den 1990er Jahren bis zum 24. 02. 2022. Angesichts der nunmehr wahrgenommenen Bedrohung durch die neoimperialen Politik Russlands könnte sich die deutsche Gesellschaft in Richtung eines dritten Typus entwickeln, der Zivilgesellschaft im Krieg. Als sanktionierende Macht gegenüber dem Aggressor, als unterstützende Macht der angegriffenen Ukraine ist sie von den gesellschaftsverändernden Imperativen großer Kriege betroffen, aber eher in einem miniaturhaften Format. Das Ergebnis ist keine fundamentale gesellschaftliche Transformation, wohl aber ein erheblicher Wandel in Gesellschaft und Politik. „Zeitenwende“ bedeutet (kriegs)gesellschaftstheoretisch: Wandel von einer reinen Zivilgesellschaft zu einer Zivilgesellschaft im Krieg.

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