»Rise like a Phoenix?« Über den Beifall für Conchita Wurst, ‚europäische Werte‘ und die These einer Prekarisierung von Heteronormativität

Erinnert sich noch jemand an Conchita Wurst? Es ist etwas mehr als drei Monate her, da erregte eine Frau mit Bart große mediale Aufmerksamkeit. Sie gewann in Kopenhagen den Eurovision Song Contest mit einer Performance, die an Shirley Basseys Goldfinger-Interpretation erinnerte.

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It ain’t Feminism – It‘s the Economy, … – Vom blinden Fleck antigenderistischer Kritik

Nur mit einem Bild und ohne weitere Worte setzte Queen B aka Beyoncé vor wenigen Wochen ein Statement auf Instagram gegen die im Internet kursierenden Bilder der Aktion „Women against Feminism“. In Deutschland veröffentlichte die Jugendorganisation der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) in diesem Jahr ähnliche antifeministische Statements.

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Vom Recht auf einen verlässlichen Feierabend oder: Wie wollen „wir“ leben und arbeiten?

Das Arbeitsministerium und einige Unternehmen haben bereits, was Yasmin Fahimi jüngst im Tagesspiegel forderte: Das Recht auf einen verlässlichen Feierabend. Die SPD-Generalsekretärin erklärt, die Politik müsse den „Rahmen“ für „neue Formen der Arbeit“ aushandeln. Dies hätten die neuen Medien erforderlich gemacht, durch die Beschäftigte zunehmend permanent erreichbar geworden sind. Vor Fahimi forderte Katja Kipping, die Vorsitzende der Partei Die Linke, im vergangenen Herbst ein Recht auf Feierabend und verband diese Forderung mit dem Vorschlag der Einführung einer 30-Stunden Woche. Doch wer wünscht sich eigentlich ein Recht auf Feierabend? Und wie sieht es in unserem Fach aus: Wer will überhaupt abends und am Wochenende vor Fachliteratur, Studienarbeiten und Forschungsanträgen, vor Emails, Twitter und (Soz-)Blogs geschützt werden?

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Prekäre Rechte? Kämpfe um Asyl, Repräsentationskritik und Prekärsein

Der enorme Widerstand der rund vierzig Refugees in Berlin-Kreuzberg gegen die angekündigte Räumung der von ihnen besetzten Gerhard-Hauptmann-Schule in den vergangenen Wochen führte wieder einmal vor Augen, wie hart umkämpft das Recht auf Asyl ist. Während sich auf staatlicher Ebene in Deutschland und in der EU stark restriktive Tendenzen in der Flüchtlingspolitik abzeichnen, die – pointiert gefasst – nicht nur darauf abzielt, die Rechte von Flüchtlingen, sondern europäische Grenzen zu schützen, kämpfen Flüchtlinge für ihr Bleiberecht und damit um ihre Existenz.

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Solidaritätsaufruf. Gegen eine anti-genderistische Kampagne

In unserem ersten Blog-Eintrag thematisierten wir anti-genderistische Positionen, die sich gegen die Geschlechterforschung wenden. In der Zwischenzeit erreichte uns ein Solidaritätsaufruf von Heinz-Jürgen Voß, der sich gegen eine von Akif Pirinçci angeführte anti-genderistische Kampagne positioniert, die eine Kollegin an den Pranger stellt. Wir unterstützen den Aufruf und möchten auf diesem Wege für ihn werben.

 Gegen rechten Hass – für eine engagierte Wissenschaftler_in

Veröffentlicht am 8. Juli 2014

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Was ist normal? Was ist prekär? Überlegungen zur Ambivalenz eines zeitdiagnostischen Konzepts

In diesem Blog-Eintrag soll die soziologische Prekarisierungsdebatte im Zentrum stehen. Wir möchten sie auf ihre Auslassungen abklopfen und ein weit gefasstes Konzept von Prekarisierung vorschlagen. Aber alles der Reihe nach. Gehen wir also wieder ein paar Schritte zurück. Was heißt überhaupt Prekarisierung?

Wenn man den Duden aufschlägt, findet man folgende Definition: Prekär bedeutet mit »durch Bitten erlangt; widerruflich« sowie »misslich, schwierig, heikel«. Zudem findet sich ein Hinweis auf das römische Recht: Das Prekarium umfasst eine auf »Bitte hin erfolgende Einräumung eines Rechts, das keinen Rechtsanspruch begründet«.

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Prekarisierung Unbound? Über alte und neue Ungleichheiten und prekäre Allianzen. Ein Intro

In knapp zwei Wochen liegen die Semesterferien vor uns und danach steht schon – diesmal unter dem Zeichen der Krise – der 37. DGS-Kongress an. Für die kommenden zwei Sommermonate kommt uns die Ehre zu, das Ruder für den DGS-Blog zu übernehmen und auch wir möchten die Gelegenheit nutzen, einige Gedanken zu Krisen zu formulieren.

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„Wer möchte nicht …“

Mein Blog startete mit einer Referenz! Hans Paul Bahrdt zum Gedächtnis! Daher soll er nun auch das letzte Wort haben – ein Schüttelreim aus seinem Einführungswerk „Schlüsselbegriffe der Soziologie“.

Die Gabe des Humors ist – wie so vieles – ungleich verteilt und: Humor ist eine Methode, sich der Gesellschaft zu nähern, sie ernst zu nehmen, sie sich aber auch vom Leib zu halten. Humor ist gleichermaßen Annäherungs- und Distanzierungstechnik! Hans Paul Bahrdt hatte diese analytische Gabe des Humors in reichem Maße! Und so leitet er das Kapitel zum Thema „Soziales Handeln“ mit den Worten ein:

„Wer möchte nicht durch`s Leben heiter wandeln? Die Welt ist schlecht. So muß ich weiter handeln. Doch wenn ich mich nicht straff am Bändel halt`, entstehen aus meinem Handeln Händel bald.“

Zwei Monate als Sozblogger – interessante Sache und wen wundert es: Humor braucht`s auf jeden Fall! Schon wegen Handeln, Händel und Bändel ….

Kritik der Arbeit

Dieser Blog enthält immer wieder Annoncen zu Autorinnen und Autoren sowie zu Themen bzw. Fragestellungen, die nach meinem Dafürhalten für eine Weiterentwicklung soziologischer Zeitdiagnostik relevant sind: das Recht, die öffentlichen Güter und Infrastrukturen, die Urbanität und Kommunalität des Sozialen. Wichtig ist hierbei Max Webers Dreiklang aus Interessen, Ideen und Institutionen nicht aus dem Blick zu verlieren. Ohne Akteure (soziale Klassen) und ihre Handlungsbereitschaft (soziale Interessen) verfehlen wir in der Soziologie die konstruktive wie destruktive Konfliktdynamik der gesellschaftlichen Entwicklungen, die wir analysieren.

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Öffentlichkeit und die Energie des Informellen

Wenn ich meine letzten Beiträge noch ein wenig fortführen darf – mit Akzentverschiebung und als unsystematische Stichwortsammlung! Einen Ort für sich finden; die dramatisch dicht gedrängte Bühne der Öffentlichkeit; die Freiheit, sich öffentliche Räume zu schaffen, aber auch: sich gegen die Öffentlichkeit zur Wehr zu setzen; die soziale Kraft des Eigentums und die Betonung von Privatheit statt Kollektivität.

Diese Stichworte deuten Fragen an: Welches Bild von Urbanität haben wir? Was ist ein Ankunftsort („arrival city“, Doug Saunders)? Welche Art von Öffentlichkeit konstituiert sich an unterschiedlichen Orten? Welche Aufstiegshoffnungen und Abstiegsängste werden sichtbar? Welche Rolle spielen informelle Strukturen? Welche Art von öffentlichen Gütern wird hier hergestellt und angeboten?

Diese Fragen können ein Anlass sein, die Seite www.megacitiesproject.org zu besuchen und Texte der Anthropologin Janice Perlman zu Megastädten und informellen Siedlungen zu lesen. Großartig und hoch interessant. Perlmans Texte sind ein Lob der Stadt, ein Lob der Freiheit, „mit den Füßen“ abzustimmen und ein neues Leben zu beginnen. Und vor allem: sie sind ein Lob des Informellen!

Perlman hebt die soziale Energie und die gesellschaftliche Produktivität der informellen Siedlungen, der Favelas, der Barackenstädte, der Slums hervor – ohne die Armut, die Gewalt, die Destruktivität dieser urbanen Orte zu verschweigen. Es ist interessant, die Texte Janice Perlmans beispielsweise im Kontrast zu den Überlegungen Hans Paul Bahrdts zum „humanen Städtebau“ zu lesen oder in Auseinandersetzung mit der These der Renaissance des Kommunalen im neuen Buch von Benjamin Barber „If mayors ruled the world. Dysfunctional nations, rising cities“.

Die Begriffe des „Öffentlichen“, der „öffentlichen Güter“, des „Eigentums“ oder der „Freiheit“ erscheinen in einem anderen Licht, wenn wir die soziale Energie des Informellen berücksichtigen. Das zeigt uns Janice Perlman. Bei dem Fotografen Mauricio Bustamente tauchen diese unterschiedlichen Beleuchtungen des Sozialen auch auf, wenn wir beispielsweise die Hamburger Fotoserie mit den Fotografien von Wanderarbeitskräften kontrastieren!

Öffentliche Güter III – Open City!

Zur Illustration! Der Photograph Mauricio Bustamente hat im Auftrag einer Hamburger Arbeitsgruppe, die u.a. von der Evangelischen Akademie der Nordkirche, dem Diakonischen Werk und dem Hamburger Institut für Sozialforschung getragen wird, eine Photo-Slideshow zum Thema „Öffentliche Güter“ zusammengestellt. Der Anlaß war eine Konferenz zum Thema im Februar 2014! Unter folgenden Links ist die Slideshow abrufbar:

http://vimeo.com/86657857

http://mauriciobustamante.photoshelter.com/#!/video

Auf diesem Wege sei auch für Mauricio Bustamente geworben, der zuletzt eine sehr interessante Ausstellung zu Wanderarbeitern im „Hamburger Museum der Arbeit“ gezeigt hat. Hinweise und Bilder finden sich unter den angegebenen Links.

 

 

Öffentliche Güter II – eine Klassenfrage?

Verfügen öffentliche Güter über eine Klassenbasis, eine soziale Trägerschaft? Es ist vor allen Dingen die Mittelklasse, die ein Interesse an der Verfügbarkeit öffentlicher Güter, Institutionen und Infrastrukturen hat. In doppelter Hinsicht:

Zum einen erweitern öffentliche Güter die Ressourcen der Mittelklasse und erhöhen deutlich das Wohlstandsniveau. Eine Politik des Ausbaus öffentlicher Güter vermehrt den Zugang zu kollektiv verfügbarem Wohlstand – vom öffentlichen Schwimmbad über den Stadtpark bis zur Konzerthalle.

Zum anderen: öffentliche Güter bieten berufliche Perspektiven und Erwerbschancen. Vom Ausbau des Bildungswesens, der Krankenhäuser, der Wohlfahrtspflege, der Stromnetze, der Verwaltung usw., usf. profitieren die gut Ausgebildeten, die im kommunalen, staatlichen, aber auch in dem von öffentlichen Aufträgen abhängigen Privatsektor arbeiten. Der Ausbau öffentlicher Güter ist ein Expansions- und Wohlstandsvermehrungsprogramm für eine breite und differenzierte Mittelschicht!

Und so verwundert es auch nicht, dass sich weltweit die Konflikte einer jungen, gut ausgebildeten Mittelklasse an der Qualität öffentlicher Güter und an deren Ungleichverteilung entzünden. Die Türkei und insbesondere Brasilien sind in diesen Tagen sehr gute Beispiele …

Öffentliche Güter I – Konflikt und Verantwortung

Wir hatten in den vergangenen Wochen im SozBlog eine Debatte zum Verhältnis von Recht und Gesellschaft bzw. von Recht und Soziologie. Wenn wir uns auf dieser Linie weiter bewegen, dann ist auch die Frage nach den öffentlichen Gütern und Dienstleistungen nicht allzu weit entfernt. Der soziale Rechtsstaat ist ja gerade das Ergebnis einer institutionellen Balance privater Aktivitätsspielräume und öffentlicher Verantwortungsbereitschaft – mit Blick auf die Angelegenheiten des Allgemeinen: die Erziehung, die Gesundheitsvorsorge, die technische Infrastruktur, die Mobilitätsermöglichung, die Verwaltung und Wohlfahrtspflege. Diese Balance hat einen volkwirtschaftlichen und verwaltungsrechtlichen Kern, aber sie provoziert ebenso eine Reihe soziologischer Fragestellungen.

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Aufmerksamkeit

Der Mai ist fast vorüber und es ist schon Halbzeit für meine Aktivität als SozBlogger. Die Konzentration auf das Bloggen fehlt häufig, zwischen Forschungsanträgen, die auf den Weg zu bringen sind, Lehrverpflichtungen und – in diesem Monat sehr intensiv – Veranstaltungsreihen in den jeweiligen Instituten. Zurzeit gestalte ich am Hamburger Institut eine Vortragsreihe „Hamburger Gespräche zur Zukunft der Arbeit“, in der die Juristin Eva Kocher sowie die Soziologinnen Kerstin Jürgens und Stefanie Hürtgen sowie der Soziologe Harald Wolf auftreten. Bislang hatten wir sehr interessante Abende mit einem weitgehend nicht-soziologischen Publikum. Aktuelle Forschungen werden vorgestellt, ein Versuch, öffentliche Soziologie zu praktizieren. Hierzu passt auch, dass am vergangenen Wochenende zum dritten Mal in Folge die Jahrestagung des Soziologischen Forschungsinstituts (SOFI) Göttingen stattfand. Auch hier ist die programmatische Absicht, die aktuelle Forschung des Instituts einer breiteren Öffentlichkeit nahezubringen.

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Das Recht als soziale Praxis?

Wie könnte die Debatte um das Verhältnis von Recht und soziologischer Theoriebildung bzw. Forschung belebt werden? Zum Beispiel durch den Blick über den Tellerrand der eigenen Disziplin.

Interessante Literatur finden wir zu unserer Frage in einer Reihe von Nachbardisziplinen! Die Stiftung für die Weiterbildung schweizerischer Richterinnen und Richter publizierte etwa schon vor einigen Jahren die Studie „Der Richter und sein Bild/ Le juge et son image“. Welches Bild haben Richterinnen und Richter von sich selbst? Welches Bild finden wir in der Öffentlichkeit über das Recht und seine Richter? Damit verknüpft ist ein weiterer Band aus der schweizerischen Diskussion von Bernhard Ehrenzeller und Revital Ludewig-Kedmi zu den „Moraldilemmata“ von Richterinnen und Richtern sowie von Rechtsanwälten. Beide Bände zeigen das Recht als Praxis. Die Professionalität des Rechts wird sichtbar, vor allen Dingen ihre Handlungsbegrenzungen und ihre normativen Konflikte.

Wenn wir das Recht als soziologische Frage behandeln wollen, und wenn wir darauf abzielen, das Recht von der Gesellschaft her, und die Gesellschaft vom Recht her zu thematisieren, dann müssen wir das Recht auch von den Personen her betrachten, die es tragen und mit Leben füllen.

Hierzu gehören auch die Überlegungen zum „Ethos der Juristen“ von Ernst-Wolfgang Böckenförde, publiziert 2011. Wie geht gesellschaftlich „Rechtsfindung“ oder „Rechtsverwirklichung“? Das ist ja beileibe nicht nur eine institutionelle oder systemische, sondern vor allen Dingen eine stark personale Frage. Schließlich Cornelia Vismann, die Juristin, Historikerin und Kulturwissenschaftlerin, die „das Recht“ in den Bänden „Medien der Rechtsprechung“ oder „Das Recht und seine Mittel“ auf bemerkenswerte Weise ausleuchtet. Das Theater des Rechts wird hier zum Gegenstand. Sein Personal, sein Bühnenaufbau, seine Requisiten. Die Tische im Gerichtssaal und die unterschiedliche Polsterung der Stühle, der Aktenvermerk und das Verschwinden von Akten, das Reden und das Schweigen in der Inszenierung des Rechts, das Regieren und Verwalten in den Rechtsordnungen der Bürokratie. Nebenbei wird auf diese Weise auch noch die Geschichte des modernen (Rechts-)Staates erzählt. Sehr empfehlenswert!