Kulturarbeiter:innen, die Pandemie und Neuverhandlungen von selbstständiger Arbeit

Abstract

Der Essay thematisiert die Folgen der Corona-Pandemie für Kulturschaffende unter besonderer Berücksichtigung von selbstständiger Arbeit. Die schwerwiegenden Auswirkungen auf die Soziallagen sowie die alltägliche Arbeitspraxis werden anhand eines Fallbeispiels aus dem Kreativsektor erläutert. Die Fallgeschichte eines solo-selbständigen Musikers zieht sich als roter Faden durch den Bericht. Er bildet den erwerbsbiografischen Hintergrund, um die Neuverhandlungen von selbständiger Arbeit zu beleuchten sowie einen Anker, anhand dessen auch die methodischen Bedingungen von ethnografisch orientierter Forschungspraxis unter pandemischen Bedingungen anzusprechen sind. Dabei berichtet die Autorin aus einem laufenden und zugleich pandemisch ausgebremsten Forschungsprojekt, in dem sie im Rahmen eines kollaborativen Transferprojekts einen Probenraum für darstellende Künstler:innen in Hamburg Barmbek untersucht. Waren die  Arbeitsverhältnisse von Kulturarbeiter:innen schon zuvor unsicher und projektbestimmt, hat sich deren Soziallage während der Pandemie existenziell zugespitzt. Das gilt insbesondere für die 17% Mini-Selbständigen unter ihnen, die kaum Rücklagen für Verdienstausfälle oder die Altersvorsorge bilden können. Befürchtet wird daher eine steigende Quote versteckter Armut unter Kulturarbeiter:innen sowie eine Vertiefung der Spaltung dieses Erwerbsbereiches – trotz Coronanothilfen. Doch es gibt auch gute Nachrichten: Corona könnte sich als Modernisierungsschalter für die soziale Absicherung von Künstler:innen erweisen, während zugleich eine Sachverständigenkommission an der Konzipierung von Mindesthonoraren bzw. fairen Vergütungskriterien für selbstständige Künstler:innen feilt.

Bitte nicht wieder.“, sagt der selbstständige Musiker Helge Hansen auf meine Frage, wie er auf die zwei Pandemiejahre zurückblickt. Er fügt hinzu: „Corona hat so ziemlich alles zerstört, was ich mir in den vergangenen 15 Jahren beruflich aufgebaut habe.“

Wir treffen uns im Januar 2022 zu einem Zoom Interview, während sich draußen die Omikron-Welle auftürmt. Auch unserem Livetreffen hat sie einen Riegel vorgeschoben. Eigentlich waren wir zu einem Kopräsenzgespräch verabredet. Das musste jedoch umdisponiert werden, als eines seiner Kinder mit einem positiven Coronatest aus der Schule kam und sich daraufhin die ganze Familie in Quarantäne begab.

„Kulturarbeiter:innen, die Pandemie und Neuverhandlungen von selbstständiger Arbeit“ weiterlesen

Zur Systemrelevanz interaktiver Arbeit – in der Corona-Krise und darüber hinaus

Die Sektionen der Arbeitssoziologie (ÖGS) und der Arbeits- und Industriesoziologie (DGS) haben auf dem gemeinsamen Kongress von DGS und ÖGS im letzten Sommer im Zusammenhang mit der Corona-Krise die Frage nach dem „Wert der Arbeit“ gestellt. In unserem Beitrag arbeiten wir den besonderen Wert von Dienstleistungsarbeit im Kund*innenkontakt heraus – generell, aber auch unter den Besonderheiten von Dienstleistungskontakten in der Pandemie. Dort geht es um viel mehr als den Austausch von Leistung gegen Geld. In der Arbeit an und mit Menschen wird eine besondere Art von Arbeit geleistet: „interaktive Arbeit“ (Dunkel/Weihrich 2012). Denn Dienstleister*innen und Kund*innen müssen zusammenarbeiten, um ein Dienstleistungsergebnis zu erzielen. Die Herstellung und Aufrechterhaltung einer solchen Kooperationsbeziehung ist eine anspruchsvolle Angelegenheit: Man muss sich unter unbestimmten Voraussetzungen verständigen, Ziele und Vorgehensweisen miteinander aushandeln, Vertrauen aufbauen, Kompromisse machen und Konflikte befrieden – und all das in der Situation selbst und im Angesicht der/des Anderen.

„Zur Systemrelevanz interaktiver Arbeit – in der Corona-Krise und darüber hinaus“ weiterlesen

Die Auswirkung der Corona-Krise auf berufliche Anerkennung und Compliance mit Anti-Corona-Maßnahmen

Berufliche Anerkennung und die Compliance mit Infektionsschutzmaßnahmen

Nach wie vor wütet Corona und die Frage, welche Faktoren die Befolgung von Infektionsschutzmaßnahmen zur Eindämmung der verheerenden Auswirkungen des Virus beeinflussen wird wichtiger denn je. Dieser Beitrag untersucht den Einfluss drei verschiedener Varianten sozialer Anerkennung – im Einzelnen am Arbeitsplatz, im Beruf sowie durch Anti-Corona-Maßnahmen der Politik – auf drei Indikatoren der Compliance mit Anti-Corona-Maßnahmen:  Die Akzeptanz von Infektionsschutzmaßnahmen am Arbeitsplatz, die Impfbereitschaft und die grundsätzlich wahrgenommene Legitimität der Corona-Politik. Dabei wird die These vertreten, dass alle drei Dimensionen sozialer Anerkennung über mehrere Kanäle auf die unterschiedlichen Aspekte von Compliance wirken, nämlich 1) durch die Stärkung von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, 2) durch eine Stärkung des kollektiven Verantwortungsbewusstseins und 3) vor allem durch eine Bestärkung des Institutionenvertrauens. Alle drei Mechanismen haben sich in der bisherigen Forschung als wesentliche Prädiktoren der Compliance mit Infektionsschutzmaßnahmen erwiesen.

„Die Auswirkung der Corona-Krise auf berufliche Anerkennung und Compliance mit Anti-Corona-Maßnahmen“ weiterlesen

Herausforderungen und Lösungsansätze erwerbstätiger Eltern im verordneten Homeoffice

Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich die Verlagerung mancher Tätigkeiten ins Homeoffice drastisch verstärkt und setzt Familien erheblich unter Druck. Das anfängliche Narrativ der „Krise als Chance“, welches durch das „Zurückgeworfen werden auf das familiäre Umfeld(Will-Zocholl/Klaus 2021) zur Reflexion über die bisherigen Arbeitsbedingungen einlud, wurde dabei schon früh in Frage gestellt. Stellte Homeoffice vorher oftmals ein Privileg dar, erzwingt die Pandemie im verordneten Homeoffice ganz neue Bewältigungsstrategien insbesondere von erwerbstätigen Eltern. Die beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung und Landesregierungen bedeuten seit März 2020 weitreichende Einschränkungen, von denen Familien in mehrfacher Hinsicht betroffen waren respektive sind: Institutionelle Kinderbetreuung sowie flexible Betreuungs-„BackUp“-Systeme fielen (großenteils) weg. Eltern arbeiteten häufiger von zu Hause aus, teilten sich einen Arbeitsbereich und mussten gleichzeitig die Kinderbetreuung und -erziehung gewährleisten. Der durchorganisierte Alltag schien und scheint vielerorts nicht mehr zu funktionieren und sein Gelingen ist für Familien oftmals noch voraussetzungsvoller geworden, als er es vorher bereits war. Dies betrifft auch diejenigen Gruppen, die durch ihre privilegierte Stellung in wissensintensiven Tätigkeiten bereits als sogenannte „Krisengewinner:Innen“ ausgerufen wurden.

„Herausforderungen und Lösungsansätze erwerbstätiger Eltern im verordneten Homeoffice“ weiterlesen

Zwischen Auf- und Abwertung: „Systemrelevante Berufe“ und Care in der Corona-Krise

In der Corona-Krise erleben wir in vielen als systemrelevant eingestuften Tätigkeitsfeldern eine Doppelbewegung von Auf- und Abwertung von Arbeit. Die kurzzeitige Aufwertung spiegelt die gesellschaftliche Notwendigkeit dieser Bereiche wider, steht allerdings im Kontrast zu einer permanenten Abwertung durch niedrige Löhne und schwierige, teils schlechte Arbeitsbedingungen. Im folgenden Blogbeitrag beleuchten wir verschiedene Facetten dieser Doppelbewegung für den Bereich der systemrelevanten Gesundheits-, Pflege- und Sorgearbeit in Krankenhäusern.  Hierfür beziehen wir uns insbesondere auf erste Erkenntnisse aus unserem laufenden Forschungsprojekt „Double Fragility: The Care Crisis in the Corona Crisis“, das im Rahmen der Förderlinie „Corona Crisis and Beyond“ von der VolkswagenStiftung gefördert wird und der Frage nachgeht, wie Eltern in systemrelevanten Berufen Kinderbetreuung und Homeschooling während der verschiedenen Pandemie- und Lockdownphasen organisiert haben und welche betrieblichen Unterstützungsangebote für sie geschaffen wurden (Projektleitung: Alexandra Scheele/Universität Bielefeld, Mitarbeit: Greta Wienkamp/Universität Bielefeld, Kooperationspartnerinnen: Nadja Bergmann/L&R Sozialforschung Wien und Helene Schiffbänker/Joanneum Research Wien, Laufzeit: 03/2021 – 08/2022).

„Zwischen Auf- und Abwertung: „Systemrelevante Berufe“ und Care in der Corona-Krise“ weiterlesen

Die Corona-Pandemie und der Wert der Arbeit

Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben in der Arbeitswelt sehr unterschiedliche Folgen. Während manche Berufe als „systemrelevant“ diskutiert und hervorgehoben wurden, gerieten andere völlig aus dem Blick. Manche Berufe waren und sind unter hohen Druck geraten, andere wurden zwangsentschleunigt oder ihnen die Verlagerung in das Home Office verordnet. Die aktuellen Entwicklungen haben dabei auch alte Debatten um die Bewertung von Arbeit und die ungleiche Betroffenheiten von Krisen neu entfacht. Wenngleich abschließende Betrachtungen bislang noch nicht stattfinden können, gibt es bereits eine Reihe interessanter Überlegungen und Forschungsergebnisse, die die Veränderungen in der Arbeitswelt und ihr weiteres Entwicklungspotential begleiten.

„Die Corona-Pandemie und der Wert der Arbeit“ weiterlesen

Care und Corona. Zeit für Vernetzung?!

Karin Jurczyk

Ist die Corona-Pandemie die große Chance für eine öffentliche und politische Sichtbarmachung von Care und ihre Anerkennung und faktische Aufwertung? Oder bleibt es nach den impliziten und teilweise expliziten Versprechungen, die sich vor allem an das Zauberwort der „Systemrelevanz“ von Care-Arbeit geknüpft haben, bei warmen Worten? Die Einschätzungen hierzu sind kontrovers.

„Care und Corona. Zeit für Vernetzung?!“ weiterlesen

Verschärfte Normalität im Ausnahmezustand. Transnationale Care-Arbeit in Privathaushalten unter COVID-19

Sarah Schilliger

Wenn COVID-19 etwas aufgedeckt hat, dann ist es die Fragilität des kollabierenden Gesundheits- und Pflegesystems. Das Virus wirft ein Licht auf die unterfinanzierte Care-Infrastruktur, den Mangel an Personal in Spitälern und Pflegeheimen und auf die belastenden und häufig prekären Arbeitsbedingungen von jenen Menschen, die lebensrelevante Care-Arbeit leisten (Dück 2020). Ein weiterer Aspekt, der uns im Zuge der Corona-Krise deutlich vor Augen geführt wurde: Die Abhängigkeit unseres Gesundheits- und Pflegesystems von migrantischen Care-Arbeiter*innen. In der Schweiz, wo laut OECD (2019) 47 Prozent der Ärzt*innen nicht in der Schweiz geboren sind und wo auch beim Pflegepersonal der Migrationsanteil überdurchschnittlich hoch ist, wurde deutlich, dass die Intensivstationen ohne Migrant*innen nicht funktionieren würden. Das Gesundheitssystem beruht zu einem hohen Prozentsatz auf zugewanderten Arbeitskräften und ausländischem Fachwissen – ohne sie wäre die Corona-Pandemie gar nicht zu bewältigen.

„Verschärfte Normalität im Ausnahmezustand. Transnationale Care-Arbeit in Privathaushalten unter COVID-19“ weiterlesen

Der schmale Grat zwischen Schutz, Selbstbestimmung und In-Dienstnahme

Eva Fleischer

Mit Beginn der ersten politischen Regulierungen im Rahmen der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 wurden von vielen Regierungen alle Personen jenseits der 65 unabhängig von ihrem persönlichen gesundheitlichen Zustand und ihrer körperlichen Fitness pauschal als „Risikogruppe“ kategorisiert. Diese Kategorisierung, die noch weitreichenderen Empfehlungen medizinischer Fachinstitutionen wie der WHO oder des RKI (Robert-Koch-Institut) folgte, zog einschneidende Maßnahmen nach sich. Der Kontakt mit Personen über 65 sollte vermieden werden und in Institutionen wurde die Selbstbestimmung von Care-Empfänger*innen massiv eingeschränkt.

„Der schmale Grat zwischen Schutz, Selbstbestimmung und In-Dienstnahme“ weiterlesen

Die dunkle Seite von Care – Care und Gewalt

Margrit Brückner

  1. Care und die Welt der Gefühle

Care bzw. Sorgen ist gesellschaftlich mehr denn je notwendig – wie uns die Corona Pandemie deutlich vor Augen führt. Allerdings verbirgt sich hinter Sorgen bisher eine geschlechtlich aufgeladene, wenig beachtete und schlecht bezahlte Arbeit von Frauen. Diese Arbeit wird sowohl in privaten Haushalten als auch im öffentlichen Raum geleistet und ist mehrdimensional angelegt: handlungsbezogen (taking care of), Gefühle auslösend (caring about) und geprägt von einer Zusammengehörigkeit der Sorge für andere und der Selbstsorge (take care of yourself), auch wenn letzteres wenig Beachtung findet (Brückner 2018). Die Gefühlsebene des Sorgens zeigt sich für Sorgegebende (care-giver) und Sorgenehmende (care-receiver) in der Art und Weise des Ge- oder Misslingens einer hinreichenden Kontaktherstellung und Verständigung, die viel mit Sympathie zu tun hat, aber auch mit Ängsten vor Überforderung respektive vor Abhängigkeit einher gehen kann. Sorgen verweist auf zwischenmenschliche Angewiesenheit und macht Verletzbarkeit als menschliche Bedingtheit sichtbar (Nussbaum 2003). Zwar wird Sorgen von allen Menschen in verschiedenen Lebensphasen benötigt, steht aber dem Ideal männlich konnotierter Autonomie entgegen und bildet den Antipoden zur neoliberalen Maxime der Selbstoptimierung. Da Sorgetätigkeiten – auch wenn sie von Männern ausgeübt werden – noch immer weiblich konnotiert sind, kann die als Abhängigkeit empfundene Angewiesenheit emotional gegen Frauen gerichtet werden und zur gesellschaftlichen Abwertung von Frauen beitragen. Sorgen vermag bei Sorgenehmenden Gefühle der Aufgehobenheit und Nähe ebenso wie Bedürfnisse nach mehr oder weniger aggressiv gefärbter Abgrenzung auszulösen, wenn die eigene Hilfsbedürftigkeit als narzisstische Kränkung empfunden wird. In Letzterem haben möglicherweise auch die vehementen Proteste der Querdenker ihre Wurzeln, die ihre eigene Verletzbarkeit leugnen.

„Die dunkle Seite von Care – Care und Gewalt“ weiterlesen

Care-Arbeit zu Hause in der Pandemie – systemrelevant oder was sonst?

Maria S. Rerrich

Über den unverzichtbaren gesellschaftlichen Beitrag von Beschäftigten in der Krankenpflege, in der Altenpflege, in den Kitas wissen seit Corona nicht mehr nur feministische Sozialwissenschaftlerinnen und –wissenschaftler Bescheid, die seit Jahren darüber forschen. Wer in der Pflege und im Gesundheitsbereich arbeitet, gilt inzwischen als ‚heldenhaft‘ und ‚systemrelevant‘. Diese Menschen werden vor den Krankenhäusern beklatscht, und man vermisst sie schmerzlich, wenn sie nicht zur Verfügung stehen.

„Care-Arbeit zu Hause in der Pandemie – systemrelevant oder was sonst?“ weiterlesen

Der Markt wird’s nicht richten – Löhne in der Care Ökonomie

Claudia Gather

Care-Arbeiten, insbesondere solange sie unbezahlt im Haushalt stattfinden, kommen in den ökonomischen Mainstream-Theorien nicht vor. Sie werden als selbstverständliche Vorbedingung für die eigentliche wirtschaftliche Tätigkeit auf dem Markt ausgeblendet. „Die Versorgung der Menschen mit dem zum (guten) Leben Notwendigem muss jedoch zentraler Gegenstand der Ökonomie sein“, so feministische Ökonominnen wie z.B. Ulrike Knobloch (2019: 18). Ohne eine absolut „grundlegenden Paradigmenwechsel lässt sich „weder die Care-Krise noch die Klima-Krise lösen“, so auch Uta Meier-Gräwe (2020: 28). Der notwendige Paradigmenwechsel ist allerdings ein großer Schritt und ein langer Weg.

„Der Markt wird’s nicht richten – Löhne in der Care Ökonomie“ weiterlesen

Großputz! Care nach Corona neu gestalten. Eine Blog-Reihe zum Positionspapier des Initiativkreises care-macht-mehr.com aus Deutschland, Österreich und der Schweiz

Barbara Thiessen

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie im Care-Bereich sind nicht überraschend. Aber für manche doch. Hier hat sich Sars-CoV-2 als Meister der Enthüllung erwiesen. Soziale und geschlechterpolitische Missstände, die in einer sich sozialliberal verstehenden Gesellschaft gerne unter den Teppich gekehrt werden, sind nun unübersehbar geworden. Dazu zählen

  • die anhaltende Entwertung professioneller wie privat geleisteter Care-Arbeiten,
  • die durch vermehrte Frauenerwerbsarbeit aufgeworfenen strukturellen Care-Lücken, die bislang nur notdürftige und partielle Reformen erfahren haben,
  • die sich als resistent erweisenden Geschlechterhierarchien in privaten Beziehungen sowie auf dem Arbeitsmarkt, trotz des allgegenwärtigen Wunsches nach und Bekenntnis für Geschlechtergerechtigkeit,
  • die sich hieraus ergebenden Symptome von Überforderung und Erschöpfung auf individueller Ebene, vor allem bei care-aktiven Menschen,
  • die Nutzung weltweiter Ungleichheitslagen und Migrationsbewegungen für den Bedarf an kostengünstigen Care-Arbeitskräften in Kliniken, Heimen und privaten Haushalten ungeachtet eines erheblichen Care Drain in den Herkunftsländern,
  • die Verschärfung dieser Krisenphänomene spätestens mit Beginn des 21. Jahrhunderts durch die marktorientierte Rationalisierung von Care und die Öffnung der Care-Ökonomie für Renditeziele.

„Großputz! Care nach Corona neu gestalten. Eine Blog-Reihe zum Positionspapier des Initiativkreises care-macht-mehr.com aus Deutschland, Österreich und der Schweiz“ weiterlesen

Was heißt Systemrelevanz?

Im politischen Diskurs hat sich in der Corona-Krise die Unterscheidung systemrelevanter/nicht-systemrelevanter Berufe hierzulande durchgesetzt. Im Zuge des Lockdowns wurde offensichtlich, welche Berufsgruppen und welche Institutionen unverzichtbar sind, um die Gesellschaft am Laufen zu halten. Im Fokus steht pandemiebedingt der gesamte Gesundheitssektor, von Gesundheitsämtern über Krankenhäuser hin zu stationären und mobilen Pflegediensten. Systemrelevant sind in diesem Sinne alle Bereiche der Daseinsvorsorge, die sogenannte kritische Infrastruktur. Die derzeitige Krise macht die Bedeutung von Infrastrukturen, die normalerweise geräuschlos funktionieren, insofern sichtbar und bestätigt somit umgekehrt die These von Bowker/Leigh Star, dass Infrastrukturen „becomes visible upon breakdown“. Zu den Bereichen der Daseinsvorsorge gehört vorrangig die Lebensmittelversorgung (landwirtschaftliche Erzeugung inkl. Spargelstechen (!), Verarbeitung und Vertrieb sowie der Lebensmittelhandel). Aber auch das Transport- und Verkehrswesen, die Abfallwirtschaft, Informations- und Kommunikationstechnik, Energieversorgung, Sicherheit und Katastrophenschutz wie Polizei und Feuerwehr sowie Post- und Paketzustelldienste zählen dazu [i]. „Was heißt Systemrelevanz?“ weiterlesen

Diversitätsprobleme im Expertentum: Die Coronakrise als Kontrastmittel für Schieflagen im Wissenschaftssystem

Führt man sich den Entstehungsprozess der Leopoldina-Stellungnahme vor Augen, den Heike Schmoll in der FAZ inzwischen erläutert hat, fragt man sich, weshalb man sich überhaupt die Mühe einer wissenschaftssoziologischen Analyse gemacht hat, wenn es von Seiten der Autorinnen nur heißt, sie waren selbst erstaunt, dass aus diesem kollaborativen Arbeitsauftrag „ein so vergleichsweise rationaler Text“ ad hoc zustande gekommen ist, selbst wenn er nicht allen internen „Ansprüchen gerecht werden konnte“. Der Politik scheint es so aber ausgereicht zu haben, denn sie ist den Empfehlungen an einer besonders umstrittenen Stelle bekanntlich gefolgt. „Diversitätsprobleme im Expertentum: Die Coronakrise als Kontrastmittel für Schieflagen im Wissenschaftssystem“ weiterlesen