“Sport and politics don’t mix”, oder etwa doch?

Die Fußball-WM der politischen Symbolik

Eine bei der Hymne schweigende iranische Mannschaft; englische Fußballer, die sich zum Anpfiff gegen Rassismus niederknien; Dänen, die in schwarzen Shirts trainieren, der Farbe der Trauer; die DFB-Elf, die sich den Mund zuhält; zahlreiche arabische Zuschauer*innen mit „Free Palestine“-Zeichen – so viele politische Gesten wie bei dieser WM gab es selten irgendwo im Spitzensport. Und obwohl bereits die letzte WM in Russland in stärkerem Maße politisiert war, erleben wir aktuell nochmals eine Zuspitzung. Selten zuvor wurde medial so ausgiebig über politische Symbolik berichtet. Der Mythos vom „unpolitischen Sport“ bzw. der Satz „Sport and politics don’t mix“ – aktuell scheint beides nicht mehr zu gelten. Für uns ist das ein Anlass auch hier im Blog die Frage aufzugreifen: Dürfen oder sollen Fußballer die globale Bühne des World Cup für politische Äußerungen benutzen?

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„Sportswashing“: Mit der Fußball-WM zur Imageverbesserung – ein kluger Scha[i]chzug?

Der Spitzensport als „Waschmittel“ für ein sauberes Image

Im Zusammenhang mit der Fußball-WM in Katar fällt immer häufiger der Begriff „Sportswashing“. Ursprünglich nutzten vor allem NGOs wie Amnesty International den Begriff. Inzwischen hat er sich aber auch in den Medien etabliert. In der Sportwissenschaft ist der Begriff ebenfalls angekommen, wird aber im Hinblick auf seine analytische Tragfähigkeit und seine Trennschärfe gegenüber ähnlichen Begriffen kritisch diskutiert.

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Korrupt, aber stabil: Die FIFA als „politische Maschine“

Eine WM in Katar: Wie konnte es dazu kommen?

Als der Weltfußballverband FIFA die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2022 nach Katar bekanntgab, machte sich bei vielen Beobachter*innen Ungläubigkeit breit. Das kleine Ausrichterland war kaum als Fußballhochburg bekannt, die klimatischen Bedingungen machten ein Großsportereignis während der Sommermonate unmöglich, die FIFA-internen Berichte bewerteten Katar als Gastgeberland ebenfalls vergleichsweise schlecht. Mittlerweile ist gut belegt, dass Katar die WM durch Bestechung und weitere fragwürdige Praktiken erlangt hat. Während die Medien diese Vorgänge ebenso wie die eklatante Verletzung von Menschenrechten berechtigterweise skandalisieren, liefert die FIFA für Sozialwissenschaftler*innen hervorragendes Anschauungsmaterial für die Gültigkeit grundlegender organisationssoziologischer Einsichten. Bereits Philip Selznick hat in seinem Klassiker von 1949 „TVA and the grassroots“ demonstriert, dass interessierte Akteure Organisationen „übernehmen” und sie für ihre Ziele entgegen dem ursprünglichen Organisationszweck instrumentalisieren können. Trotz dysfunktionaler Zielverschiebungen überleben solche Organisationen, solange sie sich auf eine ausreichend große Unterstützerkoalition verlassen können. So stellt die FIFA auch ein Lehrstück für die Dynamik transnationaler Organisationen dar.

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Schauen oder nicht schauen, das ist hier die Frage: Die kontroverseste Fußball-WM aller Zeiten steht uns bevor

Ein globales „Mega-Event“?

Der FIFA World Cup gehört unbestritten zu den wenigen wirklich globalen Ereignissen. Rund 3,2 Milliarden Menschen auf diesem Planeten, so schätzt die FIFA, werden einschalten, wenn ab 20. November in Katar gegen den Ball getreten wird. Diese mediale Reichweite ist beeindruckend. Auch andere Dimensionen der WM sind gewaltig: Einschließlich der Stadionbauten hat Katar knapp 150 Milliarden Euro für die Ausrichtung des Turniers verplant – das ist mehr als die letzten fünf Endrundenturniere gemeinsam gekostet haben. Hinzu kommen dreistellige Milliardenbeträge für Infrastrukturprojekte, wie z.B. ein Autobahnring um Doha oder neue U-Bahnlinien. Bisherige Weltmeisterschaften haben bis zu 3 Millionen ausländische Tourist*innen angezogen. Schätzungen zufolge werden diesmal nur halb so viele Menschen in das kleine Golfemirat reisen. Trotzdem: Nimmt man einen Klassifikationsvorschlag für Großereignisse, den Michael Müller in seinem Beitrag „What makes an event a mega-event?“ macht, als Bezugspunkt, dann ist der FIFA World Cup in Katar gar kein Mega-Event, sondern noch mehr: ein „Giga-Event“. Größer geht es nicht.

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