Qualitative Forschung / Forschungsethik / Streitpunkt: Digitale Archivierung

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich bin dafür, aber nicht als Standard, sondern als Option.

Aber erst mal einen Schritt zurück: worum geht es in der Debatte und wo liegt das Problem? Die digitale Archivierung von sozialwissenschaftlichen Forschungsdaten ist mittlerweile alltägliche Praxis – in der quantitativen Forschung sowieso, und auch in der qualitativen Forschung gibt es kaum noch Sozialwissenschaftler/innen, die nicht am Computer arbeiten und zumindest einen Teil ihrer Daten digital speichern und auf die eine oder andere Weise „archivieren“. Der Punkt, um den gestritten wird, ist die Frage, ob alle Forschungsdaten, inklusive die verschiedenen Varianten empirischen Materials in der qualitativen Forschung, formal und standard-mäßig digital archiviert und für Dritte zugänglich aufbewahrt werden sollten.

Das Thema wird schon seit einigen Jahren kontrovers diskutiert und im letzten Jahr hat sich die Debatte im deutschsprachigen Raum verdichtet – es gab eine entsprechende Resolution von DGS-Sektionen, sowie mehrere Beiträge und Veranstaltungen. Nun hat der Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) eine Stellungnahme veröffentlicht, in der er empfiehlt „auch im Bereich der qualitativen Sozialforschung grundsätzlich eine Kultur der Datenbereitstellung zu fördern.“ (S.1)

Dass der Rat zu diesem Thema eine Stellungnahme veröffentlicht, ist grundsätzlich zu begrüßen. Außerdem fällt positiv auf, dass fachkundige, qualitative Expertise in die Stellungnahme eingeflossen ist: Kritische Einwände werden adressiert und es ist ein klares Bemühen ersichtlich, die Besonderheiten der qualitativen Forschung angemessen zu berücksichtigen und ein differenziertes Vorgehen zu propagieren. Das ist gut. Wo liegt also das Problem?

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„Race“-Kategorien re/visited

Ein Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, Sie melden sich zu einer Fortbildung an und füllen ein Formular aus. Sie machen Angaben zu Ihrem Namen, Geschlecht, Alter, Ausbildung, Rasse, Beruf, … ups – wie bitte, zu was? Zu meiner „Rasse“?? Während die anderen aufgeführten Kategorien Ihnen evtl. nicht unproblematisch erscheinen, so finden sie doch im deutschen Sprachraum allgemein Verwendung – sowohl im Alltagsleben als auch in Statistik und Wissenschaft. „Race“-Kategorien sind dagegen höchst unüblich und werden in Deutschland seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr verwendet. In Südafrika dagegen schon – und das o.g. Gedankenexperiment basiert auf einem realen Formular (siehe Foto), das ich in meinen Konferenzunterlagen fand, als ich Anfang Juli (wie in meinem letzten Blogeintrag beschrieben), eine internationale HIV-Konferenz in Stellenbosch besuchte (der rote Kreis hebt die Antwortmöglichkeiten zu „Race“ auf dem Formular hervor: „Black“, „Asian“, „Coloured“, „White“).

registration form fpd südafrika
Registration Form FPD School of Health Sciences (short course in medical ethics)

Auf der Konferenz hielt Jonathan Jansen eine Eröffnungsrede über Rassismus und den Stellenwert der „race“-Kategorien im heutigen Südafrika. Jansen ist Präsident des South African Institute of Race Relations und Vizekanzler und Rektor der Free State Universität. Er sprach über die vier Kategorien, die üblicherweise gebraucht werden (in seinen Worten: „African“, „White“, „Coloured“, „Indian“) und legte anschaulich dar, wie stark diese Kategorien nicht nur die amtliche Statistik, Politik und Wissenschaft, sondern auch das Alltagshandeln prägen: „Unless South Africans can put you in one of these boxes, they don’t know how to behave towards you.“

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Internationale, qualitative HIV-Forschung

Vom 6.-9. Juli 2015 fand in Stellenbosch, Südafrika, eine internationale Konferenz zu sozialwissenschaftlicher HIV-Forschung statt („Rhetoric and Reality“). Die Konferenz wurde von ASSHH (Association for the Social Sciences and Humanities in HIV) veranstaltet und fand in dem Tagungszentrum des Stellenbosch Institute for Advanced Study (STIAS) statt. Ich hatte bereits an der letzten ASSHH-Konferenz vor zwei Jahren in Paris teilgenommen und war nun das erste Mal in meinem Leben in Südafrika.

Das Besondere an ASSHH-Konferenzen (im Unterschied zu anderen internationalen HIV-Konferenzen) besteht in dem Fokus auf dezidiert sozialwissenschaftlichen Zugängen zur HIV-Forschung, die kritisch und theoretisch informiert sind und methodologische Ansätze beinhalten, die in klinisch-biomedizinisch dominierten Kontexten oft nur wenig Beachtung finden. Viele der vorgestellten empirischen Studien basieren auf qualitativer Forschung, Mixed-Method-Designs und partizipativer Forschung; Theoriebezüge werden zu einem breiten Spektrum von Ansätzen und Disziplinen hergestellt (v.a. Anthropologie, Cultural Studies, Gender Studies, Literaturwissenschaft, Postcolonial Studies, (Sozial-)Psychologie, Soziologie und Politikwissenschaften). „Internationale, qualitative HIV-Forschung“ weiterlesen

Bloggen in der Sommerpause

Social Media sind ein ‚mixed bag‘: sie eröffnen faszinierende Möglichkeiten für Austausch, Information, Vernetzung und Forschung und sind doch auch etwas unheimlich, da sie Momente des Ungewissen und Unkontrollierbaren einschließen und starke Dynamiken entfalten (können). Ich bin gespannt auf die Erfahrung, hier zu bloggen. In den kommenden Wochen werde ich insbesondere über Konferenzbesuche schreiben, z.B. über eine sozialwissenschaftliche HIV-Konferenz in Südafrika, das Berliner Methoden-Treffen und die ESA-Konferenz in Prag. Dabei greife ich einzelne Aspekte heraus, die mir vor dem Hintergrund meiner eigenen Forschung besonders relevant erscheinen. Es wird also um qualitative Forschung gehen, um die Auseinandersetzung mit „race“ und Ethnizitäts-Kategorien und um Fragen der Forschungsethik. Ich möchte zudem darauf hinweisen, dass es eine kleine Pause geben wird, da ich vom 28.7. – 13.8. nicht online bin. Ich freue mich auf Ihre Kommentare…