#NoPressure

Pünktlich zum Wochenbeginn ist es nun soweit – unser erster Eintrag quasi als heads-up steht in den Startlöchern. Kaum ausgewandert, werden wir, namentlich Tilo Grenz und Heiko Kirschner, versuchen, ihnen und euch Einblicke in das schöne Wien und unseren universitären Alltag zu gewähren. Der rote Faden, der uns vorschwebt und zum Teil durch das Programm führen soll, zieht sich entlang unserer bisherigen Erfahrungen im Umgang mit Organisationen („Passierschein A38 anyone?„) sowie Beobachtungen in der Stadt und dem universitären Umfeld.

Wir freuen uns schon sehr, ihnen und euch in den nächsten zwei Monaten ein hoffentlich anregendes Programm bieten zu können (#NoPressure) und hoffen, sie alle mit unseren Texten in unseren Bann ziehen zu können.

Obligatory Hypno Cat:

HypnoCat

 

Fuzzy denken!

In meinem ersten Beitrag wurde gefordert, dass die Gesellschaft mehr Soziologie wagen sollte. Der zweite Beitrag richtete sich an die Soziologie, mehr und gezielter Komplexität aufzunehmen.

Jetzt möchte ich Gesellschaft und Soziologie adressieren und beide auffordern, fuzzy-logisch zu denken. Damit ist gemeint, die Welt nicht nur in sich ausschließenden Gegensatzpaaren zu beobachten, sondern die Möglichkeit zu berücksichtigen, dass etwas sachlich und sozial zugleich seinem Gegenteil entsprechen kann. Buddha statt Aristoteles – oder wie es Ulrich Beck genannt hat: inklusives statt exklusives Unterscheiden.

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Zu komplex!

Ich hatte in meinem ersten Beitrag „mehr Soziologie“ gefordert, ein Kommentar auf Twitter dazu lautete: „Mehr Soziologie wagen!“ – so schön hätte ich es auch gerne ausgedrückt. An dem Fall Edathy hatte ich zu zeigen versucht, dass die Soziologie zur gesellschaftlichen Abklärung beitragen kann. Und sie sollte es auch tun!

Aus den Kommentaren habe ich die Hinweise entnommen, dass die Soziologie sich erstens auch um ihr wissenschaftstheoretisches Fundament bemühen sollte. Mein Eindruck ist, dass das geschieht und dass dies aber nichts ist, was als PR-Maßnahme besonders geeignet ist. Kurz: Das sind öffentlich schwierig vermittelbare wissenschaftliche Diskurse, die man auch besser zunächst in der Wissenschaft belässt.

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Zu wenig Soziologie?

Eigentlich wollte ich hier etwas ganz anderes schreiben. Es sollte erst das Thema „Komplexität“, dann „Terror“ und dann (selbstverständlich) „Fuzzy-Logik“ behandelt werden. Dann aber habe ich mich zweimal geärgert: Das erste Mal nach einer Veranstaltung im Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen nach einem Vortrag von Herfried Münkler. Schöner Vortrag! Danach gesellte sich an den Schnittchenstehtisch ein mir bis heute unbekannter Mensch zu uns und fragte zunächst, ob mein von mir sehr geschätzter Gesprächspartner (Prof. Dr. El-Mafaalani) und ich auch Promovenden am KWI seien. Darüber müsste man sich nicht gleich ärgern, sondern könnte das unserem jugendlichen Antlitz zuschreiben und als Kompliment verstehen. Ich fürchte nur, so war es nicht gemeint. Denn wir hatten uns zuvor bereits als Soziologen „geoutet“ – und wenn die dann auch noch lange Haare haben…. Da haben wohl alle Vorurteile direkt getriggert. So ging es direkt dann auch (sinngemäß) weiter mit der Frage, wieso die Soziologie denn der Gesellschaft nichts mehr zu sagen habe und eigentlich sei deren Wissenschaftlichkeit ja in Frage zu stellen, wenn dieser gesellschaftliche Output nicht vorhanden sei. Nun ja, Rückzug, das Gespräch mit Aladin El-Mafaalani über die eigenen Forschungen zu Terrorismus und die Salafistenszene wurde vor der Tür fortgesetzt.

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Infrastrukturen als gesellschaftliche Weichensteller

Heute melde ich mich zum letzten Mal. Ich möchte in meinem letzten Beitrag nochmals das Thema der Infrastrukturen aufnehmen und ein bisschen erweitern. Infrastrukturen werden bislang kaum soziologisch beforscht, obwohl sie gesellschaftlich und politisch gegenwärtig viel  Aufmerksamkeit erfahren. Blättert man politische Verlautbarungen, Medienbeiträge, Forschungsausschreibungen, Feuilletonbeiträge etc. durch, gewinnt man schnell den Eindruck: So viel Infrastruktur gab es nie. Offenbar Beliebiges wird zur Infrastruktur erklärt. Nicht nur klassische Einrichtungen wie Eisenbahn, Brücken, Wasserleitungen und die Nahversorgung mit Lebensmittelgeschäften rubrizieren darunter, auch Friseure, Tankstellen, Dorfgasthäuser, Zeitungshändler oder „Schlecker“-Filialen werden immer häufiger als „daseinsvorsorgende Infrastruktur“ (Kersten et al. 2012) qualifiziert. „Mentale“ und „intellektuelle Infrastrukturen“ sind neuere Wortschöpfungen des Feuilletons, worunter dort „betonierte Bahnen“ des Denkens verstanden werden, die nicht nur in der Gegenwart wirken, sondern auch die Denkbarkeit von Zukunft beschränken würden. „Infrastrukturen als gesellschaftliche Weichensteller“ weiterlesen

Soziologie und wissenschaftliche Infrastrukturen

Nun brechen schon die letzten Wochen der zwei Monate an, die ich für den SozBlog schreibe. Vermutlich werde sich einige Leser_innen gewundert haben, dass ich die Soziologie und das Web ins Zentrum meiner Ausführungen gerückt habe. Heute möchte ich offenlegen, was mich an dieser Thematik interessiert. Zentral für die Soziologie sind Fragen, ob sich mit dem Web neue Formen der Sozialität entwickeln, wie sie sich mit etablierten sozialen Formen verbinden und wie dies alles theoretisch verstanden und methodisch erfasst werden kann. Mich persönlich interessiert etwas anderes: Um das Web soziologisch zu erschließen, sind einerseits neue Forschungsinstrumente erforderlich, andererseits eröffnet das Web selbst neue Forschungszugänge: „Soziologie und wissenschaftliche Infrastrukturen“ weiterlesen

Sozialität im Web (2)

Heute möchte ich nochmals auf die Fragen zurückkommen, die ich zu Beginn unter der Überschrift „Nos réseaux de sociabilité“ versucht habe zu behandeln. Sie lauteten: Ob sich eine neue Art der Sozialität mit dem Web konstituiert? Ob man das Web versteht, wenn man es mit früheren Formen der Sozialität vergleicht? Mein Zurückkommen hat verschiedene Gründe. Einer liegt darin begründet, dass, wie einige Kommentare zu Recht kritisiert haben, ich die Fragen nicht zufriedenstellend beantwortet habe. Dies werde ich auch dies Mal nicht leisten. Ein weiterer Grund ist, dass ich – nicht zuletzt durch Leser_innen des Blogs – auf einige Studien zum Themenkomplex „Soziologe und Web“ aufmerksam gemacht wurde. Herzlichen Dank für die Lektüre und die Lesehinweise. Drei Untersuchungen möchte ich Ihnen heute kurz vorstellen. Dabei interessiere ich mich dafür, wie sich die Studien dem Web soziologisch nähern, beispielsweise als empirische Quelle, als Erhebungsort, als Ort mit eigener Sozialität etc. „Sozialität im Web (2)“ weiterlesen

Und die soziologische Lehre?

Der Kommentar von „Ein Soziologe“ regte das vorletzte Mal an, zu überlegen, welche Herausforderungen sich für die soziologische Lehre aus der Analyse des Webs und den Digital Humanities ergeben. Ob Studiengänge zu “computational sociology” – wie beispielsweise in den USA – zu entwickeln sind. Auch ich finde diese Frage wichtig, weil sie das disziplinäre Selbstverständnis der Soziologie berührt. Dies möchte ich heute an drei Aspekten, darunter die Lehre, verdeutlichen. „Und die soziologische Lehre?“ weiterlesen

Digital Humanties ohne Soziologie?

Bevor ich auf diese Frage eingehe, möchte ich versuchen, die Frage von Gina Atzeni zu beantworten. In ihrem Kommentar fragt sie, was es konkret heißt, dass das Interesse der Web Science darauf konzentriert ist, „Muster in großen Datenmengen zu visualisieren“. Zunächst basiert dieses Interesse auf der Annahme, dass sich durch die Auswertung großer Datenmengen Muster entdecken lassen, die bislang nicht sichtbar waren oder sich bei weniger großen Daten nicht „entdecken“ lassen. Für ein Beispiel, was mit solchen Visualisierungen „entdeckt“ werden kann, schauen Sie sich am besten ein Demo des L3S-Forschungszentrums an. Dort können Sie neben einer Visualisierung auch noch weitere Anwendungen studieren. Für spannende Forschungsfrage in diese Richtung finden Sie bei den Kolleg_innen vom L3S immer ein offenes Ohr. Sie forschen gerne zusammen mit Soziolog_innen und suchen nach Möglichkeiten, ihre Methoden mit interessanten soziologischen Forschungen zu verknüpfen. „Digital Humanties ohne Soziologie?“ weiterlesen

Streetart im Web

Das letzte Mal habe ich angekündigt, dass ich von dem Projekt berichten möchte, dass Axel Philipps gemeinsam mit dem L3S – dem Web Science Institut – an unserer Uni durchgeführt hat. In meinen vorangegangenen Ausführungen habe ich unsere Begegnung mit den Kolleg_innen vom L3S und unsere Überlegungen zur Bildersuche geschildert, um beispielhaft darzustellen, welche theoretischen und methodischen Probleme auftreten können. Keineswegs möchte ich mit meinen Berichten beanspruchen, Antworten und Lösungen parat zu haben, ganz im Gegenteil will ich eher unbewältigte Herausforderungen benennen. Allerdings vermute ich, dass auch andere Soziolog_innen, die das Web als Forschungsgegenstand erschließen wollen, mit diesen und ähnlichen Problemen konfrontiert sind. „Streetart im Web“ weiterlesen

Soziologie begegnet Informatik

In meinem letzten Eintrag habe ich anhand der französischen Studie von Rémy Rieffel zu neuen Formen von Sozialität im Web mit der Frage geendet, wie man die vorgefundene Sozialität im Web adäquat untersuchen kann. Ich habe selbst keine zufriedenstellende Antwort auf diese Frage parat. Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich aber um die Schwierigkeit, mein soziologisches Forschungsinteresse mit den Möglichkeiten des Web zu vereinbaren. Ich befasse mich als Ungleichheitssoziologin, wie vielleicht einige von Ihnen wissen, seit geraumer Zeit mit bildlichen Repräsentationen der Sozialstruktur. So habe ich deutsche und US-amerikanische Sozialstrukturbilder vergleichend analysiert. Anfangs habe ich die Bilder „zufällig“ gefunden, was nicht gerade zufriedenstellend ist. Danach habe ich systematisch Schulbücher und Lehrbücher durchgeschaut, um auf diese Weise zu einem Sample zu gelangen, das methodisch besser zu verantworten ist. Aber dies bedeutete wiederum eine enorme Einschränkung, weil es sich um quasi „offizielle“ bildliche Repräsentationen handelt, womit beispielsweise kritische, humorvolle oder künstlerische selten erfasst werden. „Soziologie begegnet Informatik“ weiterlesen

Nos réseaux de sociabilité (1)

Heute habe ich einen französischen Titel gewählt, um meine Solidarität mit Charlie Hebdo und den Angehörigen der Opfer der Attentate auszudrücken. Als ich mich an den Computer setzte, den Blog öffnete, fragte ich mich, ob ich meine ursprüngliche Planung, zwei Monate mit Ihnen über die Soziologie und das Web zu diskutieren, aufgeben sollte. Verpflichten die technischen Möglichkeiten eines Blog nicht dazu, in „Echtzeit“ zu reagieren? Gewiss, trotzdem möchte ich wie geplant fortfahren. „Nos réseaux de sociabilité (1)“ weiterlesen

Das Web und die Soziologie

Liebe Leserin, lieber Leser,

als ich vor einigen Monaten gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, für zwei Monate den Soziologie-Blog zu bestreiten, habe ich spontan zugesagt. Bislang habe ich keinerlei Erfahrung mit der Praxis des Bloggens. In den letzten Semestern haben mir aber die Studentinnen und Studenten klar gemacht, dass dies ein „professionelles Manko“ sein könnte. „Das Web und die Soziologie“ weiterlesen

„Von uns selber reden wir“ (frei nach M. Kohli)

1981 veröffentlichte der Soziologe Martin Kohli einen Aufsatz zu Wissenschaftler(auto)biografien: „Von uns selber schweigen wir“. Wissenschaftler als Personen kämen in solchen biografischen Texten kaum vor, lautete seine zentrale These. Der Grund: „Es ist für die Selbstdeutung der modernen Wissenschaften zentral, daß es in ihnen um die ‚Sache‘ gehe und nicht um die ‚Person‘. Daraus erwächst für diese — strenggenommen — eine Schweigepflicht; zumindest ist das Reden von sich selber problematisch“. In einem Film des Instituts für den wissenschaftlichen Film in Göttingen kann man dieses Schweigegebot regelrecht sehen. Das Institut hatte mehrere Historiker vor die Kamera gebeten, 1965 unter anderem den alten Gerhard Ritter. Der saß steif vor der Kamera und las hölzern seinen Text vom Papier. Ein Blatt fiel ihm unterdessen auf die Erde. Und sein Credo lautete: „Ein Professor soll durch seine Schriften wirken, die für sich selbst sprechen müssen, nicht aber sich selbst gewissermaßen auf die Bühne stellen und vor unbekannten und unsichtbaren Betrachtern produzieren. Das Persönliche ist unwichtig, das wissenschaftliche Werk allein wichtig“. „„Von uns selber reden wir“ (frei nach M. Kohli)“ weiterlesen

„cross over“ (D/CH 1996)

Ich habe diesen Film das erste Mal 1997 im Tübinger „Arsenal“ gesehen, seitdem hat er mich nicht mehr losgelassen. „Cross over“ ist kein Dokumentarfilm, sondern ein Filmessay über das Verhältnis von Tradition und Moderne. Er beginnt in Basel und führt in einem weiten Bogen den Rhein entlang über Kärnten und das Appenzeller Land zurück nach Basel. Ein Roadmovie, bei dem Bild und Tonspur, Musik und die Sprecherstimme von Stefan Kurt ein ästhetisch überwältigendes, poetisches Gemälde bilden. Es geht um Grenzüberschreitungen und Rückkoppelungen, die Erfindung von Traditionen in der Moderne und die Integration der Moderne in die Tradition. Linie und Kreis: 1958 verließ der Bauer Gsellmann seinen Hof, um das Brüsseler Atomium zu besuchen. Zurück, begann er unverzüglich mit dem Bau einer Weltmaschine, in die er die Artefakte des andauernden Fortschritts integrierte und in eine Kreisform zwang. „Cross over als Lebenswerk“ (Filmausschnitt 1). „„cross over“ (D/CH 1996)“ weiterlesen