Ungewollte Garfinkeliaden

Ein Umzug bringt Vieles mit sich, vor allem aber drängt sich mit ihm eindrucksvoll auf, was eigentlich alles passiert, wenn stillschweigende Vorannahmen und Gewohnheiten plötzlich nicht mehr greifen, wenn eben der „cake of custom“ – wie Robert E. Park das nannte –  bricht. Nun weiß man bzw. hat so seine vagen Vorahnungen, dass sich ein solcher Wechsel, gerade in ein anderes Land, nicht ohne den einen oder anderen Stolperstein gestalten lässt. Aus dieser verzwickten Situation einer bruchstückhaften Antizipation weist die Vorkehrung: Vermutlich kein Umzügler bricht völlig unvorbereitet, und ohne sich durch allerlei Vorbereitungen zu wappnen, auf zu neuen Orten. Uns – im terminus technicus übrigens: „Auslanddeutsche“ – zum Beispiel beschäftigt anhaltend unser so lieb gewonnenes ‚Bündel‘ medientechnischer Gerätschaften, die uns in unserem Alltag über Jahre hinweg so selbstverständlich geworden sind.

Deswegen verwundert es wohl kaum, dass wir in weiser Voraussicht schon vor unseren beiden Umzügen dafür gesorgt hatten, dass immerhin eines in unseren leeren Zimmern und Wohnungen gesichert sein wird: der funktionierende Internetanschluss! Frei nach Maslow 2.0 lautete die Devise also:

„was interessiert es denn ob ich einen Kühlschrank habe, Hauptsache das Internet funktioniert.“

Auswandern bringt nun – bekanntermaßen – eine ganze Reihe an Neuerungen mit sich und präsentiert sich geradezu als Multioptionskarrussel, das, hat man es erst einmal selbst in Gang gesetzt, seine ganz eigene Geschwindigkeit entwickelt, mit der man entweder mithält oder, wenn nicht, auf Probleme stößt. Es ist schon beeindruckend, wie viele Gelegenheiten sich da auftun, um Möglichkeitsräume inklusive deren riskanter Freiheitsgrade aufzutun, zu umschiffen – oder an ihnen zu verzweifeln. Und dies zeigt sich eben nicht nur, aber ganz maßgeblich, an den technologischen Grundlagen ganz alltäglicher Verrichtungen. Und erst in Phasen der Veränderung – wie einem Umzug ins Ausland – bemerken wir die komplexen und auch komplizierten Akteure und Abläufe, die im Hintergrund deren Funktionieren dirigieren und koordinieren, erfahren wir sozusagen am eigenen Leibe, was es bedeutet, „Infrastrukturen als gesellschaftliche Weichensteller“ zu verstehen.

Jedenfalls fanden zumindest wir uns unfreiwillig hineingeworfen in eine ganze Kaskade an Garfinkeliaden, die mit solchen doch einigermaßen störanfälligen, sagen wir mal, nicht immer wirklich grenzübergreifenden Infrastrukturen zu tun hatten. Nehmen wir ein Beispiel: Beim Online Banking gehört man vermutlich keineswegs mehr zur Avantgarde, wenn man nicht mehr auf die gute alte papierne Tan-Liste setzt, sondern sein Smartphone nutzt, um TAN-Nummern für Überweisungen per SMS zu erhalten. Etwas misslich wird nun die ehemals so komfortable Lage, wenn man sich dazu entscheidet, den Handyvertrag aus dem Herkunftsland (bei uns also Deutschland) gegen einen aus der neuen Heimat (also Österreich) zu tauschen. Dies ist im Übrigen keineswegs leicht getan, denn ein österreichischer Handyvertrag erfordert es, dass man bereits drei Monate im Land und damit im Besitz einer Daueraufenthaltsbestätigung ist. Jedenfalls stellt man dann, wenn man also eine österreichische Handnummer hat, schnell fest, dass TANs per SMS nicht an Mobilfunknummern aus dem Ausland versendet werden. Sicherlich hat das gute Gründe der Sicherheit. Da mittlerweile, zumindest im Falle der betreffenden Bank, auch TAN-Listen nicht mehr, oder zumindest nicht ins Ausland verschickt werden, bleibt lediglich eine Option: Sich gegen eine entsprechenden Gebühr ein Gerät mit neuen Eigenheiten ins Haus zu holen; einen so genannten Chip-Tan-Generator, bei dem keinerlei Daten durch irgendwelche Mobilfunk- oder Inter-Netze geschickt werden. Back to the roots … oder anders ausgedrückt:

Panda

Ein Gedanke zu „Ungewollte Garfinkeliaden“

  1. Wenn man umzieht, ändern sich Dinge. Das ist doch endlich mal eine richtig wertvolle soziologische Erkenntnis. Die habe ich so ähnlich (sogar in ähnlichem Duktus, nur ohne gezwungene Bezugnahme auf Internetmeme) in der Kolumne meiner regionalen Tageszeitung gelesen. Jaja, der Kolumnist kann auch mit spitzer Feder den Alltag bis zur Kenntlichkeit entstellen. Vorzüglich! Köstlich! Wie dieser Blog.

    So mancher Schwurbelsoziologe könnte mit genügend Garfinkelexegese aus dieser Erkenntnis sicher eine 400-seitige Monographie zaubern. Die DGS belohnte ein solches Meisterwerk bestimmt auch mit irgendwelchen Preisen. Wissenschaft ist schließlich Mist. Es lebe die Regionalzeitungskolumne.

Kommentare sind geschlossen.