Helma Lutz, 12. März 2012, für SozBlog, den Blog der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
Die jährliche Zelebrierung des Weltfrauentages scheint nach wie vor eine große symbolische Wirkung in Gesellschaft und Politik zu haben. In diesem Jahr nahm der Bundestag diesen Tag zum Anlass, eine parlamentarische Debatte zum Thema „Frauenquote in Aufsichtsräten’ zu führen. Während die Bundesfamilienministerin eine Quote ablehnt und auf die Selbstverpflichtung der Unternehmen setzt, ist die Arbeitsministerin skeptisch; angesichts der jahrelangen Untätigkeit der betroffenen Firmen, befürwortet sie eine Quote und wird dabei von Frauen (und einigen wenigen Männern) aus dem gesamten Parteienspektrum unterstützt. Die seit Dezember 2011 in Umlauf gebrachte Petition ‚Berliner Erklärung’ (siehe www.berlinererklaerung.de) bestärkt Frau v.d. Leyen in ihrem Anliegen, die Stellung von Frauen in den wichtigsten börsennotierten, mitbestimmungspflichtigen und öffentlichen Wirtschaftsunternehmungen endlich zu verbessern; gefordert wird eine Quote von 30 Prozent, um den Grundsatz der Gleichberechtigung in diesem Bereich endlich umzusetzen. Dass die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Wirtschaft, sowie in allen Bereichen des öffentlichen Lebens ein dringendes Desiderat ist und dass der eigentliche Skandal in der Tatsache der Nichteinlösung dieser uralten Forderungen besteht, wird heute kaum jemand mehr öffentlich bezweifeln. In diesem Sinne ist die Skandalisierung von fehlender Gleichbehandlung mittels einer Petition, die von bekannten deutschen Frauen gestartet wurde, ein wichtiger Schritt, um auf ein ‚unerledigtes Anliegen der Frauenbewegung’ (Gerhard) aufmerksam zu machen; zu Recht wurde darüber in der Öffentlichkeit umfassend berichtet. Allerdings beschlich mich am 8. März 2012, als ich nur wenige hundert Meter vom Reichstag entfernt in der Katholischen Akademie Berlin an einer Tagung zum Thema: Irreguläre Migration und die Arbeit im Privathaushalt (siehe www.katholisch-akademie-berlin.de) teilnahm, das Gefühl, dass wohl noch viele Jahre vergehen werden, bevor ich einer Parlamentsdebatte über die ungleichen Verteilung von Arbeit im Privathaushalt beiwohnen werde. Diese Tagung befasste sich mit irregulärer Beschäftigung in der Mitte der Gesellschaft, im Kernbereich deutscher Familien. In Deutschland ist dieses Phänomen mindestens ebenso verbreitet wie in vielen anderen Industrieländern der Welt. In dem von der Minijobzentrale in Auftrag gegebenen Trendreport ‚Alltag statt Luxus’ (2011 siehe: www.minijob-zentrale.de) wird berichtet, dass zwei Drittel aller Deutschen (67%) eine sogenannte ‚Hilfe’ beschäftigen; der überwiegende Teil dieser Arbeitsverhältnisse ist nicht rechtlich abgesichert – was die meisten Arbeitgeber/innen ‚normal’ finden. „Aufsichtsrätinnen und Care-Arbeiterinnen – Widersprüche und Verwerfungen (SozBlog 2012, Lutz 1)“ weiterlesen