Kriege, Kriegsgesellschaft, Zeitenwende

Beitrag 8: Der Erste Weltkrieg als paradigmatischer Fall kriegsgesellschaftlicher Transformation (II)

 Wie kann man die aktuelle Lage, die durch Kriege und Kriegsbedrohungen gekennzeichnet ist, soziologietheoretisch erfassen? Gängige soziologische Großtheorien konzipieren moderne Gesellschaft als zivile, also friedensbasierte Gesellschaft und blenden Kriege weitgehend aus.

Die hier vertretene Kriegsgesellschaftstheorie fokussiert hingegen, welche gesellschaftsstrukturellen Dynamiken moderne Kriege entfalten (können). Es geht also nicht um die Ursache, sondern um die Wirkung von Kriegen. Die Kriegsgesellschaftstheorie ist unterkomplex angelegt und versteht sich als heuristischer Rahmen für eine historisch-soziologische, gleichermaßen theoretische wie historische Analyse.

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Kriege, Kriegsgesellschaft, Zeitenwende

Beitrag 7: Der Erste Weltkrieg als paradigmatischer Fall kriegsgesellschaftlicher Transformation (I) – Mobilisierungswettlauf

 Im Beitrag 6 wurden sieben kriegsgesellschaftstheoretische Basistheoreme vorgestellt, welche die Dynamik der kriegsgesellschaftlichen Transformation beschreiben: Krieg als Mobilisierungswettlauf, Mobilisierungswettlauf als Triebkraft der kriegsgesellschaftlichen Transformation, Zentrale Steuerung, Tendenziell diktatorische Spitze, Patriotische Vergemeinschaftung, Kriegsgesellschaftliches Dilemma, Zivilgesellschaftliche Transformation.

Wir müssen zur Analyse der aktuellen Situation unterscheiden erstens zwischen Kriegsgesellschaft und Zivilgesellschaft und zweitens zwischen „reiner“ Zivilgesellschaft ohne Kriegsbeteiligung und äußere Bedrohung und einer Zivilgesellschaft im Krieg mit (indirekter) Kriegsbeteiligung und äußerer Bedrohung. Meine Grundthese ist, dass sich die deutsche Gesellschaft und Politik nach wie vor weitgehend im Modus einer „reinen“ Zivilgesellschaft bewegen. Damit gefährden sie, wie andere westliche Staaten auch, das Überleben der Ukraine im russischen Angriffskrieg. Nach einer Niederlage der Ukraine könnte Russland NATO-Staaten, z. B. die baltischen Länder angreifen, und dann wäre Deutschland wie andere NATO-Staaten zu militärischem Beistand verpflichtet, wäre also Kriegspartei mit eigenen Streitkräften.

Um dem vorzubeugen, müsste die Bundesrepublik Deutschland von einer „reinen“ Zivilgesellschaft zu einer Zivilgesellschaft im Krieg werden. Eine Zivilgesellschaft im Krieg unterstützt eine Kriegsgesellschaft. Anders gesagt: Die Zivilgesellschaft im Krieg steht in einer symbiotischen Beziehung mit der unterstützten Kriegsgesellschaft. Um die Beziehung zwischen beiden zu verstehen, befassen wir uns zunächst historisch mit den Kriegsgesellschaften des Ersten Weltkriegs.

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Soziologie und aktuelle Kriege

Die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland in der „Zeitenwende“

Beitrag 4: Über Kriegsgesellschaftstheorie (I)

Im vorangegangenen Beitrag wurde vorgeschlagen, die „Zeitenwende“ als eine kleine Transformation von einer „reinen“ Zivilgesellschaft, ohne äußere Bedrohung oder nationale Kriegsbeteiligung, zu einer „Zivilgesellschaft im Krieg“ zu verstehen. Letztere unterstützt eine Kriegsgesellschaft z. B.  mit Waffenlieferungen, ohne sich mit eigenen Streitkräften am Krieg zu beteiligen. Zentral ist der Begriff der „Kriegsgesellschaft“, aus dem sich der Begriff der „Zivilgesellschaft im Krieg“ ergibt. Fundamental dafür ist die Theorie von Herbert Spencer.

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Die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland in der „Zeitenwende“

Beitrag 3: Deutschland in der „Zeitenwende“: Von der reinen Zivilgesellschaft zur Zivilgesellschaft im Krieg

Zu Beginn des Angriffskriegs von Russland gegen die Ukraine hat die Politik rasch dessen epochale Bedeutung erfasst. Die Außenministerin erklärte schon am ersten Kriegstag: „Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht“. Wenige Tage später prägte der Bundeskanzler den Begriff der „Zeitenwende“. Wenn wir es nun mit einer „anderen Welt“ und einer „Zeitenwende“ zu tun haben – in welcher Gesellschaft leben wir jetzt eigentlich?

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Die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland in der „Zeitenwende“

Beitrag 2: Die neoimperiale Politik Russlands als sicherheitspolitische Herausforderung für die Bundesrepublik Deutschland

Abstract

Große, langdauernde, tendenziell totale Kriege nach Art der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts führen zu einer gesellschaftlichen Transformation, insbesondere zu einer Marginalisierung der Basisstrukturen Markt und Parlamentarische Demokratie zugunsten zentraler Steuerung und einer tendenziell diktatorischen Spitze. Das Ergebnis dieser Transformation nenne ich Kriegsgesellschaft. Als Gegenstück dazu kann die reine Zivilgesellschaft gelten, ohne Kriegsbeteiligung, ohne (wahrgenommene) äußere Bedrohung, „von Freunden umzingelt“ (Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe). Diesem Typus entsprach die deutsche Gesellschaft seit den 1990er Jahren bis zum 24. 02. 2022. Angesichts der nunmehr wahrgenommenen Bedrohung durch die neoimperialen Politik Russlands entwickelt sich die deutsche Gesellschaft in Richtung eines dritten Typus, der Zivilgesellschaft im Krieg. Als sanktionierende Macht gegenüber dem Aggressor, als unterstützende Macht der angegriffenen Ukraine ist sie von den gesellschaftsverändernden Imperativen großer Kriege betroffen, aber eher in einem miniaturhaften Format. Das Ergebnis ist keine fundamentale gesellschaftliche Transformation, wohl aber ein erheblicher Wandel in Gesellschaft und Politik. „Zeitenwende“ bedeutet gesellschaftstheoretisch: Wandel von einer reinen Zivilgesellschaft zu einer Zivilgesellschaft im Krieg.

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Soziologie und aktuelle Kriege

Beitrag 1: Die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland in der „Zeitenwende“

Abstract

Große, langdauernde, tendenziell totale Kriege nach Art der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts führen zu einer gesellschaftlichen Transformation, insbesondere zu einer Marginalisierung der Basisstrukturen Markt und Parlamentarische Demokratie zugunsten zentraler Steuerung und einer tendenziell diktatorischen Spitze. Das Ergebnis dieser Transformation nenne ich Kriegsgesellschaft. Als Gegenstück dazu kann die reine Zivilgesellschaft gelten, ohne Kriegsbeteiligung, ohne (wahrgenommene) äußere Bedrohung, „von Freunden umzingelt“ (Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe). Diesem Typus entsprach die deutsche Gesellschaft seit den 1990er Jahren bis zum 24. 02. 2022. Angesichts der nunmehr wahrgenommenen Bedrohung durch die neoimperialen Politik Russlands könnte sich die deutsche Gesellschaft in Richtung eines dritten Typus entwickeln, der Zivilgesellschaft im Krieg. Als sanktionierende Macht gegenüber dem Aggressor, als unterstützende Macht der angegriffenen Ukraine ist sie von den gesellschaftsverändernden Imperativen großer Kriege betroffen, aber eher in einem miniaturhaften Format. Das Ergebnis ist keine fundamentale gesellschaftliche Transformation, wohl aber ein erheblicher Wandel in Gesellschaft und Politik. „Zeitenwende“ bedeutet (kriegs)gesellschaftstheoretisch: Wandel von einer reinen Zivilgesellschaft zu einer Zivilgesellschaft im Krieg.

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