Fack ju, Sohziologie!? Eine Bemerkung zum Verhältnis von Schule und Soziologie

Die Ökonomisierung des Sozialen ist eine vielfach konstatierte und diskutierte, hier und da auch heftig beklagte Tatsache: Wirtschaftliche Paradigmen, Leitcodes, Werte durchdringen die anderen gesellschaftlichen Teilsysteme oder Bereiche und zwingen sie unter die Knute von Profit und Effizienz. Seit etlichen Jahren gibt es entsprechende Veränderungen der schulischen Lehrpläne, der Schulbuchinhalte und der Lehramtsausbildungen. Weil die Kinder und Jugendlichen keine ausreichenden Wirtschaftskenntnisse hätten, so heißt es, brauche es mehr ökonomische Bildung – die, das zeigt die Empirie (und das monierte auch Reinhold Hedtke jüngst in diesem Blog), ohne soziologische Fundierung, gar ohne jegliche soziologische Beteiligung und Expertise in die Schulbücher, Curricula und Kompetenzrahmen eingezogen ist.

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Soziologie im Lehramtsstudium: vom Nutzen einer Bildungswissenschaft

Der Begriff nimmt es schon vorweg: Soziologie im Lehramtsstudium muss sich mit Bildung auseinandersetzen und zwar nicht in dem Sinn, dass alles soziologische Wissen Bildung sei und damit immer irgendwie mit Schule zusammenhänge. Vielmehr muss im Zentrum der Soziologie für Lehramtsstudierende das Feld des Berufes der Lehrerin, des Lehrers stehen – also: die Schule.

Damit ist ausdrücklich jene Soziologieausbildung adressiert, die alle Lehramtsstudierenden absolvieren müssen. Seit den KMK-Bildungsstandards ist die Soziologie wieder als Bildungswissenschaft anerkannt und wurde mittlerweile in den meisten Bundesländern auch (zum Teil wieder) als Pflichtfach im Lehramtsstudium etabliert. Das Lehramtsstudium unterscheidet sich in einem zentralen Punkt von den „normalen“ Bachelorstudiengängen. Die Studierenden entscheiden sich vor Studienbeginn nicht für ein Fach, sondern für ein Berufsziel. Daher hat das Lehramtsstudium auch mehr gemein mit ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen oder auch der Medizin als mit den gängigen akademischen Disziplinstudiengängen.

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Ökonomische Aufklärung durch soziologische Bildung

Wer von Gesellschaft nichts versteht, der bleibt ein ökonomischer Analphabet oder kommt doch über ökonomische Halbbildung nicht hinaus. Wer keine soziologischen Zugänge zu Wirtschaft kennt, dem fehlt wesentliches Wissen über Wirtschaft und sein Verstehen wirtschaftlicher Phänomene bleibt unterkomplex. Wer die Schule verlässt, ohne einige basale soziologische Denkweisen gelernt zu haben, dessen Orientierungskompetenz in Sachen Geld, Arbeit/Beruf und Konsum, Markt, Unternehmen und Wirtschaftspolitik bleibt bescheiden. Desorientiert bleibt auch, wer die Wirtschaftswelt betritt und glaubt, in Deutschland gäbe es keinen Kapitalismus, weil Ludwig Erhard ihn mit der sozialen Marktwirtschaft abgeschafft habe.

Soziologisch informierte ökonomische Bildung tut also not!

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The women’s march is (and isn’t) feminist

Neulich war ich eingeladen, mit Ihnen einige Gedanken über der Stand der US-Politik aus soziologisch-feministischen Sicht mitzuteilen. I’ve decided that I am less likely to mislead if I pick my words carefully in English rather than venture off in my sometimes miserable German. Aber es wird mich sehr freuen, wenn Sie etwas dazu zu schreiben möchten, entweder auf deutsch oder englisch, wie auch Sie wollen.
Also, los!

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Islamfeindlichkeit und Islamkritik

In meinem letzen Beitrag habe ich u.a. die Frage aufgeworfen, warum die Unterscheidung zwischen Islamkritik und Islamfeindlichkeit so schwer fällt. Daher folgen hierzu einige grundlegende Überlegungen und Fragestellungen, die insbesondere für eine sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Problemfeld heute und in der nächsten Zeit von Relevanz sein werden.

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Wie kann es eigentlich sein, dass sich die Soziologie kaum für Flucht und Grenzen interessiert (hat)?

In einem Kommentar zu einem der vorausgegangenen Blog-Einträge hat der geschätzte Kollege Albert Scherr folgende Fragen aufgeworfen, die ich hiermit aufgreifen möchte:

„Die „Flüchtlingskrise“ kann als Bewährungsprobe für die Soziologie verstanden werden, als Herausforderung an ihre Begriffsbildung, ihr analytisches Instrumentarium und ihr Selbstverständnis. Was wäre kritische Soziologie im Kontext der Flüchtlingsdiskurse? Beim Kongress entstand bei mir der Eindruck, dass sie jedoch schlicht als ein Feld unter anderen, ggf. als eine neue spezielle Soziologie kleingearbeitet und eingegrenzt wird. Verweigert die Soziologie die Auseinandersetzung mit der Herausforderung, die in der „Flüchtlingskrise“ deutlich wird, weil sie sich erfolgreich als nationale Sozialwissenschaft etabliert hat? Diese Frage bedarf m.E. der Diskussion.“

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„Kampf der Kulturen“ revisited

Ein Highlight des Kongresses war für mich der Vortrag von Andreas Reckwitz. Ohne das Themenfeld Flucht anzusprechen, behandelt er die Rahmenbedingungen der hitzigen Debatten und entwickelt ein Modell, mit dem sich die derzeitigen Diskurse einordnen lassen. Unter dem Titel „Kultur als Modus der Öffnung und Schließung in der Spätmoderne“ rekonstruiert er eine idealtypische Konfliktlinie in der gegenwärtigen nationalen und internationalen Auseinandersetzung mit kulturellen Unterschieden. Dabei seien zwei Regime der Kulturalisierung spezifisch für die Postmoderne. Den Begriff der Kulturalisierung versteht er zunächst in Opposition zum Begriff Rationalisierung. Während es bei der Rationalisierung als zentrales Strukturmerkmal der Moderne um Optimierung und Standardisierung (im Sinne des Mittels zum Zweck) geht, meint Kulturalisierung das Bewerten von Dingen, Werten und Symbolen (Valorisierung). Es geht also um die Konstruktion von Eigenwerten und Schützenswertem und infolgedessen um die Intensivierung von Affekten.

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Das Thema FLUCHT auf dem DGS Kongress

Aufgrund gesundheitlicher Probleme setze ich erst heute die Berichterstattung zum Soziologie-Kongress fort. Etwas spät, aber vielleicht lassen sich mit dem zeitlichen Abstand von etwa einer Woche die vielen Eindrücke übersichtlicher darstellen. Die Vielzahl parallel laufender Veranstaltungen erlaubte es lediglich einen Bruchteil der Vorträge zu hören. Daher sei vorab gesagt, dass es deutlich mehr Auseinandersetzungen mit dem Thema Flucht gab, als ich selbst beobachten konnte.

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Die Eröffnungsveranstaltung in Bamberg

Feierliche Eröffnungsveranstaltungen sind so eine Sache. Wissenschaftliche Kongresse sind keine Parteitage, bei denen die Eröffnungsreden die Richtung vorgeben und eine gewisse Stimmung erzeugen. Was bei der Eröffnung passiert ist mehr oder weniger unabhängig von dem, was vorab von Sektionen und Vortragenden vorbereitet wurde. Daher sollte man nicht zu viel erwarten. Andererseits wurden die Soziologinnen und Soziologen vom Krisenjahr 2015 kalt erwischt – es gibt keine etablierte soziologische Flüchtlingsforschung in Deutschland. Daher war ich durchaus gespannt, inwieweit es bei der Eröffnung gelingen kann, auf ein bisher wenig berücksichtigtes Themenfeld zu reagieren.  „Die Eröffnungsveranstaltung in Bamberg“ weiterlesen

Auf dem Weg nach Bamberg…

 

Soziologische Beobachtungen haben in aller Regel einen bestimmten Anlass – eine Forschungsfrage oder eine Problemstellung. Nimmt man sich nun vor, den 38. Soziologie-Kongress der DGS in Bamberg zu beobachten, dann wird eine spezifische Fragestellung umso notwendiger, denn es handelt sich um eine 5-tägige Veranstaltung mit etwa 2000 Teilnehmenden, mit etlichen Vorträgen von hunderten Personen, die zu beobachten wären. Naheliegend wäre es, sich zu fragen, was denn diesen Kongress von anderen Veranstaltungen unterscheidet. Den Vergleichshorizont könnten etwa 70 Tagungen und Kongresse bilden, an denen ich im Jahr 2016 bereits teilgenommen habe. Dabei handelte es sich um ganz unterschiedliche Vergleichsveranstaltungen, darunter etwa jene von Fachgesellschaften (u.a. Erziehungswissenschaft und Psychologie), Universitäten und Instituten im In- und Ausland (u.a. Israel, Kanada, Indien), Verbänden, Unternehmen, Kommunen, Ministerien und Parteien. Fast alle hatten gemein, dass – auf extrem unterschiedlichem Niveau – Fragen rund um das Themenfeld „Flucht“ aufgeworfen wurden. Und an dieser Stelle könnte man meinen, dass die Soziologie auf ihrer Hauptveranstaltung, zumal unter dem Rahmenthema „Geschlossene Gesellschaft“, hier die entscheidenden Fragen in unnachahmlicher Weise aufwirft und bearbeitet. Dieser Erwartung könnte man gegenüberstellen, dass man mit gutem Willen auf (vielleicht) eine Hand voll Veranstaltungen in den letzten Jahren verweisen könnte, in denen das Themenfeld „Flucht“ ernsthaft diskutiert wurde. Dieser Befund ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass die letzten Kongressthemen – aus heutiger Perspektive – genauso gut in die derzeitige Flüchtlingssituation gepasst hätten („Routinen der Krise – Krise der Routinen“, „Vielfalt und Zusammenhalt“, „Transnationale Vergesellschaftungen“). „Auf dem Weg nach Bamberg…“ weiterlesen

Einladung zur Mittelbauversammlung 2016

Liebe Soziolog*innen,

hier im Blog der DGS haben wir, die Initiative „Für Gute Arbeit in der Wissenschaft“, in den letzten zwei Monaten Facetten der Arbeits- und Lebenssituation  des sog. akademischen Mittelbaus vorgestellt. Neben der fachlichen Auseinandersetzung mit Beschäftigungsbedinungen und -praktiken in der Wissenschaft und deren Auswirkungen auf die wissenschaftliche Praxis geht es uns insbesondere darum, die bestehenden Strukturen zu verändern. Einen Anfang stellen hier die Gremien der DGS dar, in welchen der Mittelbau nicht repräsentiert ist, obwohl er die Mehrheit der DGS-Mitgliedschaft stellt. Aus diesem Grund wird auf dem diesjährigen DGS-Kongress erstmalig eine Mittelbauversammlung stattfinden, um sich über Interessen und Ziele des Mittelbaus in der DGS zu verständigen.

Dienstag, 27. September 2016, 18 – 20.00 Uhr,
Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie,
Audimax der Universität Bamberg

Ein konkretes Anliegen dieser Mittelbauversammlung ist es, Vorschläge für ein Wahlprozedere in der DGS zu diskutieren, das eine Vertretung des Mittelbaus in den Gremien sicherstellt. Erste Vorschläge hierzu wurden auf der Tagung „Soziologie als Beruf. Wissenschaftliche Praxis in der soziologischen Reflexion“ im Februar 2016 vorgestellt und stehen seit letzter Woche auf dem SozBlog zur weiteren Diskussion (bitte Kommentarfunktion nutzen!). „Einladung zur Mittelbauversammlung 2016“ weiterlesen

Diskussion: Wahlverfahren zu den DGS-Gremien

Vorschläge zur Reform des Wahlverfahrens und zur Repräsentation des Mittelbaus in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS)

Eines der wichtigsten Ziele unserer Initiative ist eine größere demokratische Legitimation der Gremien und eine breitere Partizipation der Mitgliedschaft in den Strukturen der DGS.

Das bisherige Wahlverfahren der Gremien der DGS ist intransparent und sorgt bisher dafür, dass von den insgesamt 37 Personen in Vorstand und Konzil 36 Professor*innen sind. Weder der akademische Mittelbau, der den Großteil der DGS-Mitglieder ausmacht noch die Studierenden sind vertreten. Für mehr Inklusion, Partizipation, Demokratie und Interessenvertretung bisher noch nicht oder schlecht repräsentierter Gruppen hat die Initiative „Für Gute Arbeit in der Wissenschaft“ Vorschläge zur Reform des Wahlprozederes von Vorstand und Konzil der DGS erarbeitet. Für die Umsetzung dieser Vorschläge müssten sowohl die Satzung, als auch die Wahlordnung der DGS geändert werden.

Die Diskussion zur Reform des Wahlverfahrens soll hiermit eröffnet werden, Alternativen müssen gegeneinander abgewogen werden. Deshalb ist Eure und Ihre Meinung zu unseren Vorschlägen zu Veränderungen in den Gremien sowie dem Wahlprozedere hier im Blog gefragt. Basierend auf dieser Diskussion soll ein überarbeiteter Entwurf sowohl auf der Mittelbauversammlung als auch der Mitgliederversammlung während des 38. Kongresses der DGS Ende September 2016 in Bamberg vorgestellt werden. „Diskussion: Wahlverfahren zu den DGS-Gremien“ weiterlesen

Die Rolle von Fachgesellschaften im Kampf für gute Arbeit in der Wissenschaft – am Beispiel der DVPW

Ein Gastbeitrag von Antonia Schmid, Berlin, und Thorsten Thiel, Frankfurt am Main

 

Zu diesem fortgeschrittenen Zeitpunkt in der Blogserie möchten wir den Blick noch einmal weg von den Diagnosen lenken – wie sie von Peter Ullrich, Richard Münch, Tino Heim und Silke van Dyk/Tilman Reitz so nachdrücklich geleistet wurden – und stattdessen auf die Frage der Organisation von prekär beschäftigten Akademiker*innen zu sprechen kommen. Dieser Punkt wurde von Peter Ullrich auch bereits im zweiten und dritten Teil seines Beitrags thematisiert (und er war auch Thema der Beiträge zu studentischen Hilfskräften und Mitarbeiter*innen sowie Lars Frers Überlegungen zum Streik). Die Perspektive, die wir hier einnehmen wollen, ist aber eine sehr viel konkretere: Wir fokussieren die Rolle der Fachgesellschaften bei der Repräsentation prekär beschäftigter Akademiker*innen und fragen nach deren Aufgaben und Möglichkeiten. Wir werden hierfür unsere Erfahrungen in einer der Schwestergesellschaften der DGS reflektieren, der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW), deren Vorstand (Thorsten Thiel) und Beirat (Antonia Schmid) wir seit 2015 angehören (Thorsten Thiel war zudem bereits in der Amtsperiode 2012-2015 Mitglied des Beirats).

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Für eine kompromisslose Diskussion der Modi von Wissensarbeit

Ein Gastbeitrag von Tino Heim, Dresden

 

Politische und akademische Debatten um die Krise der Wissensarbeit reproduzieren seit Jahren die gleichen Argumente und versanden in Symptom-Skandalisierungen, Mitleidsbekundungen für den ‚Nachwuchs‘ und Verheißungen ‚planbarer Karrieren‘. Diskutiert wird dabei mit Begriffen, die bestenfalls ideologische Funktion haben. Die gesellschaftliche Relevanz einer sich oft als ‚kritisch‘ attribuierenden Soziologie muss sich auch daran erweisen, ob diesbezügliche Diskurse in der DGS analytisch radikaler geführt werden und die Hinterfragung akademischer Hierarchien einschließen. „Für eine kompromisslose Diskussion der Modi von Wissensarbeit“ weiterlesen

Projektförmige Polis und akademische Prekarität im universitären Feudalsystem (Teil 2)

Zwei Diagnosen und eine Fünf-Jahres-Perspektive

Ein Gastbeitrag in zwei Teilen von Silke van Dyk und Tilman Reitz, Jena

Dies ist die Fortsetzung von Teil 1 vom 09. Juni.

 

Wettbewerbsregimes und akademischer Neofeudalismus

Inwiefern sind angesichts dieser gegenwärtig gebliebenen Vergangenheit soziologische Diagnosen der Refeudalisierung von Ökonomie und Klassenstruktur im Finanzmarktkapitalismus hilfreich, um Strukturen und Wandlungsprozesse im Wissenschaftsbetrieb zu analysieren? Einerseits scheinen sich Analogien aus zwei Gründen zu verbieten: Das akademische Feld funktioniert erstens aller Ökonomisierung zum Trotz nach anderen Maßgaben als die Sphäre des Finanzmarktkapitalismus; zweitens ist mehr als fraglich, ob mit Blick auf Statuspositionen, persönliche Abhängigkeiten und ständische Mitbestimmungsregeln überhaupt je von einer Ent-Feudalisierung des Wissenschaftsbetriebs die Rede sein konnte. Andererseits ist gerade angesichts der Gleichzeitigkeit von fortgesetzten Feudalstrukturen und zunehmendem Wettbewerb die Analyse des Hochschulsystems als Neo-Feudalismus reizvoll. „Projektförmige Polis und akademische Prekarität im universitären Feudalsystem (Teil 2)“ weiterlesen