We ain‘t seen nothing yet

In meinem Blog „Durchbruch der globalen Moderne“ hatte ich geschrieben, der Wandel der letzten 20 bis 30 Jahre übertreffe alles in der bisherigen Geschichte der Moderne Dagewesene. Diese Behauptung lässt sich weiter radikalisieren, indem man den Beobachtungszeitraum etwas weiter ausdehnt. Folgt man einem Schema des Althistorikers und Archäologen Ian Morris (Why the West Rules – For Now, Farrar, Straus and Giroux 2010, S. 583), der das Wandlungsgeschehen seit 1700 graphisch in Form einer Entwicklungskurve darstellt und die gegenwärtigen Trends bis ans Ende des laufenden Jahrhunderts fortschreibt, dann ergibt sich ein Bild, wonach die bis dahin praktisch flach verlaufende Kurve 1820 zwar leicht anzusteigen beginnt, aber erst ab 1900 wirklich sichtbare Veränderungstrends anzeigt. Und wenngleich sie sich in den folgenden 100 Jahren kontinuierlich weiter aufwärts bewegt, verläuft sie selbst im 20. Jahrhundert noch annähernd parallel zur horizontalen Achse. Erst am nächsten Wendepunkt, im Jahr 2000, ändert sich das und schießt sie auf einmal steil nach oben.

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Verschiebung der Kräftezentren

Die globale Wirtschaftsleistung ist in den letzten drei Jahrzehnten stärker gestiegen als je zuvor. Das Wachstum verteilt sich jedoch sehr unterschiedlich auf die Weltregionen. Zwar partizipieren alle Regionen an der Entwicklung, aber von einigen Ausnahmen (wie Teilen Afrikas südlich der Sahara und Südasiens) abgesehen, gilt grundsätzlich, dass die Wachstumsraten in weniger entwickelten Regionen (teils deutlich) über denen der entwickelten Welt liegen. Das entspricht den Erwartungen der ökonomischen Wachstumstheorie. Es spiegelt sich auch in den Pro-Kopf-Einkommen wider. In den USA wuchsen diese nach Berechnungen Alfred Eckes (The Contemporary Global Economy, Wiley-Blackwell 2011, S. 7) zwischen 1980 und 2009 im Durchschnitt um 62 %, in Großbritannien sogar um 74 %. Aber was für sich genommen durchaus beachtlich scheint, verblasst im Vergleich mit Indien (+ 230 %), Südkorea (+ 360 %), der Asien-Pazifik Region (+ 594 %) und vor allem China (+ 1.083 %).

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Epistemologische und methodologische Herausforderungen globaler Modernität

Der globale Durchbruch moderner Sozialstrukturen, Lebensverhältnisse und institutioneller Arrangements stellt Wissenschaft, Politik und Wirtschaft vor neue Herausforderungen. Zu den größten Herausforderungen der Sozialwissenschaften gehören die Abkehr von gewohnten Forschungsroutinen und Deutungsmustern einerseits sowie die systematische Ausweitung des Horizonts wissenschaftlicher Beobachtung andererseits. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein konnte die Soziologie der Moderne sich mit gutem Grund auf den Westen konzentrieren, weil die nichtwestliche Welt die Transition zur Moderne weithin noch vor sich hatte, mithin nur wenig Anschauungsmaterial für Analysen von Modernität bot.

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Durchbruch der globalen Moderne

Die Größenordnung und Tragweite des sozialen und technologischen Wandels, der sich in den letzten ca. zwei bis drei Jahrzehnten zugetragen hat, übersteigt in mehreren Dimensionen diejenige aller vergleichbaren Phasen früheren Wandels; in manchen den kumulativen Effekt bzw. Entwicklungsertrag der voranliegenden 150 Jahre. So ist beispielsweise der Wert des globalen Sozialprodukts zwischen 1820 und 1985 um 22 Billionen US$ gestiegen, in den darauf folgenden 25 Jahren aber um sage und schreibe 30 Billionen. Auch die durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen sind in dieser Phase rapider gewachsen als je zuvor. Berechnet in konstanten US Dollars, lagen diese 1870 (also etwa 50 Jahre nach Beginn des Zeitalters des modernen Wirtschaftswachstums) bei 870 US$. In den nächsten 110 Jahren sind sie um gut 5.000 Dollar gestiegen (auf 5.949 US$ in 1980), haben dann aber in nur 30 weiteren Jahren um nochmals 3.500 Dollar zugelegt (auf 9.514 US$ in 2009). Die globale Mittelschicht wird bei konservativer Schätzung heute auf knapp das Doppelte der Weltbevölkerung von 1820 taxiert – auf ca. 1.8 Milliarden Menschen, von denen knapp die Hälfte (800 Millionen) erst nach 1990 in die „consumer class“, wie sie auch genannt wird (weil sie im Unterschied zu den „global poor“ über diskretionäre Einkommen verfügt), aufgestiegen ist, und wenn die Trends der zurückliegenden Jahrzehnte sich fortsetzen, dann könnte sie 2020 bereits 3 Milliarden Menschen umfassen. Zum Vergleich: 1820 war, legt man einen Standard von kaufkraftbereinigt weniger als 2 Dollar pro Tag an disponiblem Einkommen zugrunde, 90 Prozent der Weltbevölkerung absolut arm. Ähnlich spektakulär verlief die Entwicklung in anderen Bereichen, insbesondere in der Wissenschaft und im Bildungssektor. Konnte bis Anfang der 1970er Jahre noch jede zweite Person weder lesen noch schreiben, so liegt der betreffende Wert heute bei unter 20 % der Erwachsenen. Ursache der Entwicklung ist der massive Ausbau der Elementarbildung, deren Teilnehmerzahlen gerade im letzten Jahrzehnt gemäß Unesco regelrecht „explodiert“ sind. Aber auch das sekundäre und das tertiäre Bildungswesen haben enorm zugelegt. Um nur ein Beispiel aus dem tertiären Bereich zu nennen: Die Population der Hochschulstudenten, die 1970 bei knapp 30 Millionen lag, hat sich bis 2000 mehr als verdreifacht (auf ca. 100 Millionen). Das ist eine beträchtliche Steigerung. Aber dann schwoll sie binnen lediglich 7 Jahren um nochmals 50 Millionen an (auf 152.5 Millionen in 2007), und eine Abflachung der Aufwärtsbewegung ist nicht in Sicht. Gemessen an der Zahl publizierter Artikel, die zwischen 1980 und 2009 von 450.000 auf 1.500.000 pro Jahr gestiegen ist, verzeichnete auch das Wissenschaftssystem eine Expansion, die, absolut gesehen, eine Beschleunigung des Wissenszuwachses markiert, für die es historisch keine Parallele gibt.

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Bericht aus der Ferne: Erfahrungen und Eindrücke eines Asienmigranten

Als ich im Februar 2000 zu einer dreitägigen Vorstellungsreise nach Singapur aufbrach, ahnte ich nicht, wie sehr diese Reise mein Leben und mein Denken verändern würde. 10 Monate später erfolgte der Umzug in eine Region, die mir bis dahin gänzlich unvertraut war, und im Januar 2001 hielt ich meine erste Vorlesung an der National University of Singapore: über klassische soziologische Theorie.

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Triumph des Szientismus. Ist ein neuer Positivismusstreit fällig?

Vor fünfzig Jahren wurde in der deutschen Soziologie über den Positivismus gestritten. Die Frankfurter Kritiker Adorno und Habermas haben vor der Halbierung der Vernunft durch den Szientismus gewarnt (Adorno et al. 1969). Das ist lange her und scheint uns kaum noch etwas zu sagen. Oder doch? Immerhin können wir in der Gegenwart einen starken Schub einer Umstellung demokratischen Regierens auf ein Regieren durch Zahlen beobachten, zu dem gerade auch sozialwissenschaftliche Forschung einen wachsenden Beitrag leistet. Diese Art des Regierens folgt der Intention, politische Kontroversen in sachlich lösbare Probleme zu transformieren. Expertenwissen soll den politischen Meinungsstreit auf Grundsatzfragen reduzieren. Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Siegeszug der Bildungsforschung und der Unterrichtstechnologie im Kielwasser des internationalen PISA-Leistungsvergleichs von 15-jährigen Schülern in Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaft. Man erhofft sich, die bloß „anekdotische“ Evidenz des Erfahrungswissens von Pädagogen durch datenbasierte wissenschaftliche Evidenz ersetzen zu können. Diese Programmatik gerät allerdings genau in diejenigen Fallstricke des Szientismus, die Adorno und Habermas schon vor fünfzig Jahren identifiziert haben. Deshalb erscheint es mir angebracht, daran zu erinnern und die aktuellen Erfolge der Bildungsforschung im Lichte der alten Kontroverse zu betrachten.

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Das internationale Kräftemessen. Neo-Paternalismus als Instrument der Leistungssteigerung im Wettbewerbsstaat

Die Olympischen Spiele in London gehören schon der Vergangenheit an. Die Medaillen sind vergeben, die Rangliste der Nationen im Medaillenspiegel steht endgültig fest. In den Verbänden werden nun Schlüsse gezogen, was gut gemacht wurde und was verbessert werden muss, um beim nächsten Mal besser abzuschneiden. Das Kräftemessen der Nationen beschränkt sich indessen keineswegs mehr auf den Sport. Mit Hilfe globaler Statistiken hat das internationale Kräftemessen inzwischen ein Ausmaß erreicht, dass kaum noch ein Lebensbereich frei vom Leistungswettbewerb um Rangplätze geblieben ist (vgl. Heintz und Werron 2011). Es wird gemessen und gerankt, international und national.

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Mehr Wettbewerb für bessere Bildung und mehr Olympia-Medaillen. Geht diese Rechnung auf?

In Großbritannien hat eine Feststellung des Vorsitzenden der Britischen Olympischen Gesellschaft, Lord Colin Moynihan, eine Debatte über das britische Schulsystem ausgelöst (Catuogno 2012). Er hat festgestellt, dass die Hälfte der britischen Medaillengewinner eine Privatschule besucht hätte, obwohl diese nur sieben Prozent aller Jugendlichen aufnähmen. Für die einen ist das ein Beweis dafür, wie weit die britische Klassengesellschaft in den olympischen Sport hineinwirkt. Sie verweisen darauf, dass die Kommunen massenhaft Schulsportstätten verkauft hätten, sodass die staatlichen Schulen keinen angemessenen Sportunterricht bieten könnten. Für die anderen ist es der Beweis für die mangelnde Leistungsfähigkeit eines nach wie vor von sozialistisch gesinnten Lehrergewerkschaften geprägten leistungsfeindlichen Denkens an den staatlichen Schulen. Für den internationalen Bildungsdiskurs ist das eine überraschende Einschätzung des britischen Schulsystems. Großbritannien gehört nämlich zu den Ländern, die seit den 1980er Jahren mehr Wettbewerb in ihr Schulsystem hineingebracht haben, um mehr Jugendliche zu besserer Bildung zu führen. Margaret Thatcher hat dafür das Startsignal gegeben. Tony Blair hat diese Politik konsequent fortgeführt. Großbritannien ist damit zu einem Vorreiter einer weltweiten Welle von Reformen geworden.

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Lernen für den Test: Wie der Wettbewerb um Olympia-Medaillen und PISA-Rangplätze das paternalistische Bildungsregime in Asien zum Vorbild macht

Bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking konnte alle Welt mit Staunen beobachten, zu welchen Spitzenleistungen die chinesischen Sportler fähig sind. Bei den zur Zeit in London stattfindenden Spielen bestätigen die chinesischen Sportler ihre Leistungsstärke auf eindrucksvolle Weise. China führte nach 207 von 302 Entscheidungen vor den USA, Großbritannien und Südkorea den Medaillenspiegel an. Für das ganz große Erstaunen sorgte die erst 16 Jahre alte Schwimmerin Ye Shiwen, als sie die 400 Meter Lagen in neuer Weltrekordzeit gewann und dabei die letzten 50 Meter schneller schwamm als der kurz zuvor gekürte Olympiasieger der Männer über 400 Meter Lagen, Ryan Lochte. Wie üblich in solchen Fällen kam der Verdacht auf Doping auf, zumal chinesischen Schwimmern schon Ende der 1990er Jahre und noch einmal 2009 Doping nachgewiesen wurde. Die Schwimmerin selbst meinte in der anschließenden Pressekonferenz nur, dass sie in China ein sehr gutes Training hätten.

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Der Kampf um die Autonomie der Wissenschaft. Wie Rankings die Wissenschaft für externe Interessen instrumentalisieren und die wissenschaftlichen Fachgesellschaften herausfordern

Zur Empfehlung des DGS-Vorstandes, aus dem CHE-Ranking auszusteigen 4

Im Oktober des vergangenen Jahres habe ich an einem Workshop über University Rankings an der Universität Helsinki teilgenommen. Der Workshop war geprägt von kritischen Beiträgen, die sich mit den methodischen Mängeln und den fatalen Effekten von Rankings für Forschung und Lehre an den Universitäten beschäftigten. Am Abend gab es einen Empfang beim Vizerektor für Forschung, der die international bedeutende Position der Universität Helsinki in Forschung und Lehre herausgehoben hat und darüber berichtete, dass die Universität alle Anstrengungen unternehmen wird, um im Shanghai-Ranking der 500 sichtbarsten Universitäten der Welt von gegenwärtig Platz 68 auf einen Platz unter den ersten 50 aufzusteigen. Über Sinn und Zweck globaler und nationaler Universitätsrankings hat der Vizerektor kein Wort verloren, methodische Mängel waren nicht im Fokus seiner Ansprache. Vielmehr erhoffte er sich, dass wir in unserem Workshop die richtigen Strategien für einen solchen Aufstieg herausfinden würden. Beim anschließenden Gespräch sagte ich ihm, das sei gar nicht so schwierig. Die sicherste Strategie sei doch, wenn die Regierung den anderen finnischen Universitäten ein Viertel ihrer Grundausstattung wegnähme und der Universität Helsinki das eingesammelte Kapital übergäbe, damit sie die weltweit reputiertesten, im Web of Science sichtbarsten Forscher berufen könne. Er meinte, dass sich die anderen Universitäten natürlich dagegen wehren würden und dieser Weg für seine Universität verschlossen sei. Stattdessen wolle man auf Schwerpunkte der Forschung setzen und für sie mehr Drittmittel einwerben, wodurch sich natürlich langfristig doch eine verstärkte Konzentration von Ressourcen auf die Universität Helsinki ergäbe.

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Die akademische Kastenordnung. Wie Rankings Bildung und Forschung hierarchisieren

Zur Empfehlung des DGS-Vorstandes, aus dem CHE-Ranking auszusteigen 3

In meinen beiden vorausgegangenen Blogs habe ich den Effekt der Reduktion von Diversität durch Rankings bearbeitet. Heute soll der Blick auf einen zweiten Effekt gerichtet werden, auf den stratifikatorischen Effekt von Rankings. Sie bilden nicht einfach Leistungsdifferenzen ab, sondern sind selbst ein wesentlicher Teil eines Systems der Produktion und fortlaufenden Reproduktion von sozialer Ungleichheit.

Wo bislang unterschiedliche Forschungs- und Lehrleistungen in Würde nebeneinander existierten und ihren spezifischen Beitrag zum Fortschritt des Wissens und zur Bildung der Studierenden geleistet haben, werden sie jetzt durch Rankings zwangsweise in eine Hierarchie eingestuft. Sachliche Differenzen werden in eine Rangordnung transformiert, bloße Größe und Marktmacht werden durch Rankings symbolisch aufgeladen und in Qualitätsunterschiede transformiert. Nach den von Robert K. Merton (1942/1973) definierten Spielregeln der Wissenschaft handelt es sich dabei um einen illegitimen Akt, der dem genuin wissenschaftlichen Wettbewerb um Erkenntnisfortschritt und Anerkennung durch die wissenschaftliche Gemeinschaft, in dem es keine Sieger und keine Besiegte gibt, einen Kampf um Distinktion aufoktroyiert, der nur wenige Sieger kennt und viele zu Verlierern stempelt. Diese Usurpation von Forschung und Lehre durch den Kampf um Rangplätze hat schwerwiegende Konsequenzen für die Studierenden, die Fachbereiche, die Lehrenden und Forschenden und die Fachdisziplinen insgesamt. Eine durch Rankings konsekrierte Stratifikation reproduziert sich in aller Regel fortlaufend selbst, weil nach dem von Robert Merton (1968) beschriebenen Matthäus-Prinzip einmal vorhandene Wettbewerbsvorteile in die Akkumulation weiterer Wettbewerbsvorteile umgemünzt werden.

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Die Reaktivität von Rankings. Reduktion von Diversität durch mediale Ereignisproduktion

Zur Empfehlung des DGS-Vorstandes, aus dem CHE-Ranking auszusteigen 2

Thomas Kerstan geht in seinem Kommentar zu meinem Essay über die Kolonisierung von Bildung und Wissenschaft durch Rankings davon aus, dass die Entscheidung für einen Studienort durch das CHE-Ranking objektiviert wird, die Studienanfänger nicht nur auf Papa und Mama angewiesen sind, sofern diese überhaupt studiert haben. Ist das wirklich so? Und welche Evidenzen gibt es für die Reduktion von Diversität durch Rankings? Das soll im Folgenden weiter vertieft werden.

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Die Kolonisierung von Bildung und Wissenschaft durch Rankings: Einschränkung von Diversität und Behinderung des Erkenntnisfortschritts

Zur Empfehlung des DGS-Vorstandes, aus dem CHE-Ranking auszusteigen 1

Die Empfehlung des DGS-Vorstandes, aus dem CHE-Ranking auszusteigen, hat beim CHE Alarm ausgelöst. Das CHE sieht sich unberechtigter Kritik ausgesetzt und verweist auf das Informationsbedürfnis von Studierwilligen, Hochschulleitungen und Ministerien, das durch das CHE-Ranking befriedigt wird. Ich möchte hier aufzeigen, dass die Art, wie Rankings diese Informationsbedürfnisse befriedigen, Forschung und Lehre so tiefgreifend deformieren, dass sie ihre genuine Funktion für die Gesellschaft nicht mehr erfüllen können. Die Empfehlung des DGS-Vorstandes verdient deshalb vorbehaltlose Unterstützung.

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Europa in der Schuldenkrise. Ein mittelfristig zu bewältigender Betriebsunfall oder Ausdruck eines tiefer greifenden Dilemmas der europäischen Integration?

Die Schuldenkrise in den südlichen Ländern des Euro-Raumes sowie in Irland hat einer wesentlichen Triebkraft des europäischen Einigungswerkes einen schweren Schlag versetzt. Es ist der bis dahin ungebrochene Glaube, dass die wirtschaftliche Integration Europas Frieden und Prosperität für alle in gleicher Weise garantiere. Der europäische Binnenmarkt und darüber hinaus das noch ehrgeizigere Projekt der Währungsunion sollten der Garant für diese segensreiche Entwicklung sein. Reiche und arme Länder, reiche und arme Menschen innerhalb der Länder sollten allesamt davon profitieren. Die ökonomische Lehre der komparativen Kostenvorteile weist nach, dass es sich dabei um keine Wunschvorstellung handelt, sondern um eine wissenschaftlich gut abgesicherte Voraussage. Allerdings sagen die Ökonomen auch, dass eine Währungsunion ohne eine Wirtschaftsunion nicht funktionieren kann, weil sonst diejenigen Verwerfungen auftreten, die nun tatsächlich zum Problem geworden sind.

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Die Misshandlung des Brühwürfels

Dieser Tage[1] kommt mir ein Interview zu Augen: Jean-Jacques Rousseau, soeben 300 Jahre alt geworden. Das dürfen Qualitätsmedien natürlich nicht verpassen, und so suchen sie Rousseau-Fachleute, zum Beispiel Literaturwissenschaftler. Einer von ihnen, der sich sprachgewaltig auch mit anderen „Gespenstern“ (recht unterhaltsam) auseinandergesetzt hat, wird befragt, warum man heute noch Rousseau lesen sollte. Die pointierte Antwort: Der Mann ist wie ein Brühwürfel.

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