Vom handelnden Subjekt zur Agency?

In einem früheren Blog hatte ich bereits behauptet, dass bedingt durch die technischen Aufzeichnungsmedien in der qualitativen Sozialforschung schon sehr früh aus dem komplexen kommunikativem Handeln ein ‚Text’ wurde. Dies führte, so die hier vertretene These, sowohl zur Ausbildung eines ‚dünnen’ Handlungsbegriffs als auch zur Ausbildung eines ‚dünnen’ Akteursbegriffs als auch zum weitgehenden Verschwinden des Situationsbegriffs aus der Sozialforschung.

Handeln wurde nämlich reduziert auf den Modus ‚eine Wirkung haben’ und der Akteur wurde reduziert auf den Ausgangspunkt dieser Wirkungsentfaltung. Vor allem diese doppelte Ausdünnung (im Zusammenspiel mit einer intentionalistischen Sprache und der Belebung von Strukturen und Systemen in der theoretischen Soziologie) machte es möglich, dass in der aktuellen Sozialforschung (auch in der qualitativen Sozialforschung) die Ansicht vertreten wird, auch andere ‚Entitäten’ (z.B. Dinge) könnten sowohl Akteure sein als auch zu handeln. Den Zäunen wurde ihr Stehen und den Flugzeugen ihr Fliegen als Handlung zugerechnet.

Den Begriff des Akteurs wurde so ausgedünnt (als Agency), dass er jetzt auch noch auf viele andere Entitäten passt und der Begriff des Handelns wurde so entleert, dass er jetzt für viele Operationen passt. Nicht die Dinge und das Handeln haben sich geändert oder zeigen sich aufgrund von neuem Wissen in einem neuen Licht, sondern die Dinge und das Handeln werden neu subsummiert, weil sich die Definition der Kategorien geändert haben.

Menschlich Subjekte sind jedoch immer mehr als ‚Akteure’, die etwas bewirken (wollen). Sie lassen sich nur unter Einbüßung der Angemessenheit der Beschreibung auf ihr Akteur-Sein reduzieren. Menschliche Subjekte sind immer auch mehr, sie sind in soziale Beziehungen und soziale Situationen eingebettete Individuen, die fühlen, hoffen und fürchten, denken, entscheiden und sich dem Leben hingeben bzw. von ihm gebeutelt werden. Gegenstand der qualitativen Sozialforschung ist also nicht die Handlungs-Einheit, die etwas bewirkt (sonst wäre ihr Gegenstand der Körper), sondern ihr Gegenstand ist immer die leiblich-geistige Einheit, die sinnhaft handelt, also aufgrund des sozialen Sinns, den die Welt und die anderen für diese Einheit hat.

 

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