Diversitätsprobleme im Expertentum: Die Coronakrise als Kontrastmittel für Schieflagen im Wissenschaftssystem

Führt man sich den Entstehungsprozess der Leopoldina-Stellungnahme vor Augen, den Heike Schmoll in der FAZ inzwischen erläutert hat, fragt man sich, weshalb man sich überhaupt die Mühe einer wissenschaftssoziologischen Analyse gemacht hat, wenn es von Seiten der Autorinnen nur heißt, sie waren selbst erstaunt, dass aus diesem kollaborativen Arbeitsauftrag „ein so vergleichsweise rationaler Text“ ad hoc zustande gekommen ist, selbst wenn er nicht allen internen „Ansprüchen gerecht werden konnte“. Der Politik scheint es so aber ausgereicht zu haben, denn sie ist den Empfehlungen an einer besonders umstrittenen Stelle bekanntlich gefolgt. „Diversitätsprobleme im Expertentum: Die Coronakrise als Kontrastmittel für Schieflagen im Wissenschaftssystem“ weiterlesen

Pflegepolitik und die Frage nach gesellschaftlicher Fürsorgeverantwortung

Angesichts vielfältiger gesellschaftlicher und politischer Transformationsprozesse werden die Fragen nach den Rahmenbedingungen, Möglichkeiten und Grenzen von bezahlter und unbezahlter Pflegearbeit immer wichtiger. Im Gegensatz zu dem breit diskutierten (vermeintlichen) Wandel im Leitbild der Familienpolitik wird die Debatte um die Zuständigkeit für die Versorgung pflegebedürftiger Menschen und die damit verbundenen Strukturen sozialer Ungleichheit allenfalls in Fachkreisen und unter „Betroffenen“ geführt. So baut das deutsche Pflegesystem auf häusliche Versorgungsarrangements, die in erster Linie durch familiäre oder ehrenamtliche Netzwerke, sowie prekär beschäftigte Pflegekräfte getragen werden. Unser Beitrag wirft einen Blick auf die wohlfahrtsstaatliche und politökonomische Organisation der Pflege und die daraus resultierenden Strukturen der Ungleichheit und fragt, wer eigentlich für die Versorgung pflegebedürftiger Menschen verantwortlich ist und sein sollte.  „Pflegepolitik und die Frage nach gesellschaftlicher Fürsorgeverantwortung“ weiterlesen

„Family Business“ – Ein Kommentar zum Dokumentarfilm von Christiane Büchner

Family als business? Family durch business? Family neben business? Ja, irgendwie alles. In dem ab 28. Januar in den Kinos laufenden Dokumentarfilm von Regisseurin Christiane Büchner geht es um eine polnische Pflegekraft, die zu Beginn zwei Monate, später einen Monat am Stück bei einer deutschen Rentnerin lebt um sie rund um die Uhr zu pflegen. „„Family Business“ – Ein Kommentar zum Dokumentarfilm von Christiane Büchner“ weiterlesen

Care – das ewig gleiche Lied?

Die einen sagen, es war früher vieles besser in Familien – Beziehungen waren verlässlicher, Ehen wurden seltener geschieden, es gab mehr gemeinsame Zeiten, Eltern und Kinder standen nicht so unter Leistungsdruck, der Alltag war weniger kompliziert. Und das stimmt auch irgendwie. Aber nur irgendwie, denn ebenso stimmt das Gegenteil. Wer will schon bestreiten, dass früher vieles auch schlechter war, von der medizinischen Versorgung der Säuglinge bis zur extremen ökonomischen Abhängigkeit der Frauen (die in der Folge in längst gescheiterten Ehen ausharren mussten)? Gemeinsame Anwesenheit in einem Haushalt bedeutete noch lange keine Zuwendung, und Gewalt gegen Kinder und Frauen waren nicht nur verbreitet, sondern rechtens. Zudem galt noch vor kurzem: Wer nicht traditionellen Mustern des privaten Lebens entsprach, wurde gesellschaftlich geächtet. Die Wortwahl sagt schon vieles – noch vor wenigen Jahrzehnten sah man herab auf ‚gefallene Mädchen‘ mit ihren ‚Bankerts‘ ebenso wie auf die ‚Scheidungswaisen‘ in den ‚unvollständigen Familien‘ bis hin zu den ‚Schlüsselkindern‘ der berufstätigen ‚Rabenmütter‘ . Von homosexuellen Verbindungen ganz zu schweigen – § 175 StGB wurde erst 1994 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. „Care – das ewig gleiche Lied?“ weiterlesen

Geschlechtersoziologisch betrachtet: Die Quote

[Ein Blog lebt von seiner Aktualität. Die DGS-Seiten migrierten am vergangenen Wochenende. Das dauerte länger als geplant, weshalb dieser Eintrag einige Tage in der Pipeline schmorte. Ich freue mich darauf, in den nächsten Wochen für den DGS-Blog die Welt feministisch-geschlechtersoziologisch kommentieren zu dürfen.]

Auf einer der politischen Nebenbühnen der Re­publik stritten in den vergangenen Wochen an­lässlich des „Quotengipfels“, auf dem die Bun­desregierung mit den Dax-30-Unternehmen  wieder einmal „den Dialog über die Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen“ pflegte (BMFSJ), die beteiligten Ministerinnen erneut über die Sinnhaftigkeit gesetzlicher Vor­gaben, um eben diesen Frauenanteil in Auf­sichtsräten und Vorständen zu steigern.

Das ist eigentlich schon keine Meldung mehr wert, werden hier doch seit Jahr und Tag die immergleichen Positionen ausgetauscht, einzig wechselnd ist allein das (partei-)politische Per­sonal, das diese Positionen vertritt. Umso er­staunlicher ist es daher, wie viel Beunruhigung die Forderung nach dieser Quote immer noch und immer wieder auslöst. Denn nicht nur die Ministerinnen streiten sich, auch im Netz bei­spielsweise ist der Streit um diese Forderung ein Dauerbrenner. Da provoziert schon ein femini­stischer Umtriebe ansonsten unverdächtiger ZEIT-Artikel, der pro Quote argumentiert, locker 600 Kommentare binnen Wochenfrist – eine Quote, von der der DGS-Blog nur träumen kann. Und dabei handelt es sich bei der weitaus größe­ren Zahl dieser Kommentare um teils ebenso aufwändig konstruierte wie verschwurbelt for­mulierte antifeministische Traktate. „Geschlechtersoziologisch betrachtet: Die Quote“ weiterlesen