Über die Standardisierung von Lebensmitteln, oder: Wie Schafe und Kühe zu 250g-Schnitzeln im Supermarktregal werden

Im Supermarkt kaufen wir typischerweise ganz bestimmte Mengen – 250 g Butter, 1kg Mehl, 6 Eier, Joghurt im 500g-Glas oder im 250g-Plastikbecker, 150 bis 250g Fleisch pro Person und Mahlzeit usw. Die meisten Konsumenten wollen auch gar keine größeren Mengen, weil sie entweder alleine, mit Partner oder in einer Kleinfamilie leben und gar nicht mehr verbrauchen können. Nun ist es bei einem Pack Butter oder einem Glas Joghurt noch einsichtig, dass es – da diese Lebensmittel ja ohnehin in Fabriken produziert werden – relativ egal ist, in welchen Mengen es abgepackt wird. Aber wenn man sich Hühner, Puten, Schafe, Ziegen, Schweine oder Rinder anschaut, haben sie doch sehr unterschiedliche Größen, und es gibt ja auch kleine und große Schafe, was so überhaupt nicht zu den Anforderungen der modernen Massenproduktion passt – die Koordination der zahlreichen Produktionsstufen kann nur funktionieren, wenn die Produkte hochgradig standardisiert sind. Damit stellt sich die Frage, wie aus einem Schaf, Schwein oder Rind ein 250g-Schnitzel im Supermarkt wird.

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Produzenten-Zulieferer-Netzwerke auf Lebensmittelmärkten (Differenzierung 3)

Die Bio-Eier wurden von niedersächsischen Landwirten falsch deklariert. Das Aflatoxin kam über verseuchtes Futtermittel aus Serbien in die Milch. Das Pferdefleisch aus Großbritannien, Rumänien, Polen, Italien und den USA fand – als Rindfleisch deklariert – seinen Weg ins Dosengulasch, Fleischklopse, Burger, Lasagne und Pasta. In den Halal-Produkten der Firma Kuraas AS landete Schweinefleisch. Das antibiotikabelastete Putenfleisch aus Rumänien wurde in Münster zu einem Tandoori-Fertiggericht weiterverarbeitet und an Kantinen verschiedener Länder weiterverkauft … man bekommt das Gefühl, dass keiner mehr den Überblick hat. Und wahrscheinlich ist das auch so – und das wäre, ehrlich gesagt, kein Wunder: Durch den Wettbewerb von Unternehmen haben sich nicht nur die Zahl der Arbeitsschritte pro Produktionsstufe vergrößert, so dass etwa Joghurt heute in Fabriken hergestellt wird, sondern auch die Produktionskette hat sich zunehmend differenziert, so dass heute in komplexen Produzenten-Zulieferer-Netzwerken (Windeler 2001) produziert wird.

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Fabrikproduktion von Lebensmitteln (Differenzierung 2)

Wie sprechen in der Soziologie immer wieder von „Differenzierung“, aber was heißt das ganz genau? Wie ich gestern geschrieben habe, bedeutet dies im Bereich der Wirtschaft u.a., dass sich die Zahl der Arbeitsschritte pro Produktionsstufe immer mehr zunimmt, so dass der Produktionsprozess selbst heute extrem komplex geworden ist. Der Wandel der Produktionstechnik auf dem Joghurtmarkt zwischen den 1950ern und den 2000ern illustriert exemplarisch, wie wenig die moderne Lebensmittelproduktion mit werbevermittelten Botschaften von „natürlichen Produkten” gemein hat.

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Konkurrenzvermeidung. Wettbewerbsstrategien von Unternehmen als Treiber der Marktentwicklung (Differenzierung 1)

Einmal etablierte kapitalistische Märkte haben eine immanente Tendenz zur Selbstzerstörung, bedingt durch eines ihrer Wesensmerkmale – den Wettbewerb (Baur 2001: 98-127). In Abgrenzung zum neoklassischen Modell betonen soziologische Markttheorien, dass Märkte dynamisch sind und diese Dynamiken räumlich variieren können. Gleichzeitig haben Märkte eine Tendenz zur Ausdehnung im Raum (Globalisierung bzw. Internationalisierung) und zur Differenzierung. Der Treiber dieser Prozesse ist das Wettbewerbsverhalten von Unternehmen.

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Was ist eigentlich ein Markt?

Ich habe in den letzten zwei Wochen über verschiedene Märkte (den Arbeitsmarkt, den Medienmarkt, den Lebensmittelmarkt) geschrieben. Andere Autoren haben hier die Entwicklungen auf dem Finanzmarkt kommentiert (Prisching 2012, Nassehi 2012, Reichertz 2013) oder über den europäischen Binnenmarkt geschrieben (Münch 2012). Dabei wird deutlich, dass nicht immer ganz klar ist, was mit dem Begriff „Markt“ eigentlich gemeint ist. Was also ist eigentlich ein Markt?

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Glückliche Kühe auf blühenden Weiden und Aflatoxin in der Milch. Der Beitrag der Medien zur Risikoproduktion auf anderen Märkten

Medien haben nicht nur eine wichtige Funktion für die Bildung der öffentlichen Meinung, sondern sie sind – wie der Arbeitsmarkt – immer auch ein besonderer Markt, weil sie ein wichtiger Marktakteur auf anderen Märkten sind, insbesondere auf Konsumgütermärkten. Dabei spielen sie eine ambivalente Doppelrolle, wodurch sie ganz wesentlich zur Risikoproduktion auf diesen Märkten beitragen.

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Gesundheitstage. Kantinenessen, Lebensmittelpreise und gesunde Ernährung

Unsere Universität macht regelmäßig Gesundheitstage, durch die wir lernen sollen, wie wir Stress reduzieren und eine bessere Work-Life-Balance herstellen. Insbesondere soll unser Bewusstsein für mehr Bewegung und gesünderes Essen gestärkt werden, um z.B. Adipositas, Diabetes und anderen ernährungsbedingten Krankheiten vorzubeugen.

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Die Preissenkungsspirale. Der Einfluss der Discounter auf die sinkenden Lebensmittelpreise in Deutschland

Ich habe Verwandtschaft aus Frankreich, die jedes Mal, wenn sie für ein paar Tage nach Deutschland kommt, ihre eigenen Nahrungsmittel mitbringt, weil sie sagt, dass an den deutschen Lebensmitteln einfach etwas faul sein müsse – Essen könne einfach nicht so billig sein. Umgekehrt geht es mir im Ausland oft so, dass ich viele Lebensmittel recht teuer finde. Wie ein Kommentator meines gestrigen Beitrags geschrieben hat: Vielleicht nicht das einzige, aber auf jeden Fall ein Problem sind Discounter wie Aldi und Lidl. Die Macht der Discounter ist so groß, dass der deutsche Lebensmittelmarkt als der härteste der Welt gilt. Selbst ein Unternehmen wie Walmart, das ein ähnliches Geschäftskonzept verfolgen wie Aldi, zog sich 2006 aus dem deutschen Markt zurück, weil es (preislich gesehen) nicht einmal mit „normalen“ deutschen Supermärkten wie Edeka miithalten konnte. Wie kommt es, dass die Discounter in Deutschland – obwohl ihre Macht immer wieder beklagt wird – so einen Einfluss auf den Lebensmittelmarkt haben? Und warum ist das im Ausland anders?

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Billiges Essen. Der Handel und der Preiswettbewerb auf dem Lebensmittelmarkt

Bei jedem Lebensmittelskandal wird wieder der böse Verbraucher beschworen, der nicht bereit sei, vernünftige Preise für Essen zu zahlen. Nun ist es richtig, dass ein Hauptproblem des (deutschen) Lebensmittelmarkts ist, dass die Preise so niedrig sind, dass viele Produkte de facto unter den Herstellungskosten verkauft werden und dass dadurch gewisse Anreize entstehen, den Verbraucher zu täuschen (etwa Meerrettich als Wasabi, konventionell hergestellte Eier als Bio-Eier oder Pferde- als Rinder- oder Schweinefleisch zu deklarieren) und auch verdorbene oder minderwertige Ware zu verkaufen (Gammelfleisch im Döner, mit Aflatoxin verseuchte Milch). Was aber nicht unbedingt richtig ist, ist, dass „der Konsument“ nicht bereit sei zu zahlen.

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Pferdefleisch in der Lasagne. Über Lebensmittelskandale, Ernährungsrisiken und moderne Massenmärkte

Frostschutzmittel im Wein (1985), Fadenwürmer im Fisch (1987, 1997), Gammelfleisch (1993, 2004, 2006), BSE (1997), Nitrofen, Dioxin, Östrogene und Antibiotika und EHEC im Essen (2001, 2002, 2003, 2010), Mäusekot und Würmer im Mozzarella (2008), EHEC in Sprossen (2011), falsche Etikettierung von Bio-Eiern (2013), Pferdefleisch in der Lasagne (2013), Aflaxotin in der Milch (2013) – seit Mitte der 1980er werden wir, momentan in zunehmender Frequenz, immer wieder von Lebensmittelskandalen überrascht… nein: nicht überrascht, sondern eher heimgesucht. Was vielleicht überrascht, ist die Ohnmacht, mit der wir auf diese Skandale reagieren, und dass trotz dieser Skandalfrequenz nach einer kurzen Phase der Aufregung immer Alles beim Alten zu bleiben scheint. Lebensmittelskandale selbst sind ja nichts Neues, im Gegenteil – sie haben eine Jahrhunderte alte Tradition:

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