Schule. Befürworter einer lebensweltlich verwurzelten Sozialforschung werden mit Wohlgefallen zur Kenntnis nehmen, dass ich das Thema Schule in meinen Lehrveranstaltungen mit einem gehörigen Maß kritischer Schärfe anspreche. Aus biografischen Gründen entkomme ich der schönen Tradition nicht, die von großen Namen unseres Fachs in diesem Zusammenhang begründet worden ist. Denken Sie beispielsweise an Bourdieu, denken Sie aber auch an Luhmann – der implizite Rückblick auf die eigene Schulzeit schleicht sich in ihre Auseinandersetzung mit pädagogischen Fragen bald mehr, bald weniger aufdringlich ein. Volkmar Sigusch hat sinngemäß einmal geschrieben, dass die Zeit des Schulbesuchs in der nachträglichen Betrachtung für viele Menschen die Phase der größtmöglichen Freiheitsberaubung war. Dahingehend befragt, erhalte ich von Studierenden, jenen also, denen es mittlerweile besser geht, manchmal geradezu reflexartige Widerworte: Gerne würde man noch einmal die Schuljahre durchleben, es war interessant, lehrreich, hat Spaß gemacht usw., und wenn ich lange genug frage, wird mir vermutlich bald jemand erzählen, die Schule habe noch dazu ‚den Charakter gebildet‘.
Ordnung vor dem Ende
Wer vom sozialen Wandel spricht, darf vom Tod nicht schweigen. Immer wieder einmal wird, oft vermutlich schulterzuckend angesichts neu hereinflatternder Schreibaufgaben und -anfragen, die Devise „publish or perish“ zitiert oder wenigstens kurz angedacht. Richtiger wäre doch wohl, beides zusammen zu bringen. Publish and perish ist die adäquatere Beschreibung, schließlich wird uns allen, Ihnen wie mir, genau dieses Schicksal drohen. Fleißiges Publizieren wird den physischen Tod nicht aufschieben. Am Ende bleiben die Regalplätze in der Unibibliothek oder irgendwann eben die PDF- oder was auch immer-Datei in der Online-Datenbank. Der Text lebt – und man selbst durch ihn nicht weiter. Unter anderem bei Roland Barthes und Michel Foucault wurde die Debatte geführt, ob der Autor mit/für/nach/in dem/ohne den Text stirbt, zumal – man denke an die Kulturgeschichte des flüchtigen Schriftstücks auf der Strecke vom Flugblatt zum Flyer – der AutorInnenname ja nicht unabdingbar ist. Man wird ihn aus Gründen sowohl der Ökonomie, der Logistik und der Eitelkeit natürlich nachträglich nicht streichen, obwohl zumindest die Toten von diesen Angelegenheiten unbehelligt zu sein scheinen. Zugegeben, angesichts solcher Publikationszombies wie Niklas Luhmann, der sich auch zwanzig Jahre nach Ausfüllen des Totenscheins regelmäßig als profitabler Autor von Nachlassschriften erweist, komme ich ins Grübeln; auf ihn, wie auf viele andere wird nach wie vor verwiesen, in den akademischen Diskursen existiert er also weiter. Vermutlich befeuert er einschlägige Diskussionen postmortal sogar besser als die meisten lebendig Mitwirkenden. Nachtödliche Debattenkultur – wieso eigentlich nicht? Den meisten Soziologinnen und Soziologen wird es, wenn das Gröbste (das Leben) vorbei ist, allerdings anders gehen. Viel Rummel ist nicht zu erwarten, zumal sich das professionelle Sterben bei vielen schon mit dem Ruhestand ankündigen dürfte. ‚Ruhe in Frieden‘ werden die letzten wesentlichen Keywords zu sein.
Aufbau durch Zerstörung
Mein letzter und zugleich erster Blogeintrag war dem schreibenden Reflektieren über das reflexive Schreiben gewidmet. Ich habe vieles außer Acht gelassen, unter anderem den wichtigen Punkt, dass der Umweg der Verschriftlichung uns allen, die wir in ‚Feldern‘ unterwegs sind, das vielleicht Beste, Schönste, Spannendste empirischer Forschung wegnimmt, ganz gleich, wie versiert wir uns beim zusammenbastelnden Schildern und Nacherzählen anstellen. Clifford Geertz nennt die Vorstellung, man könne bruchlos in Worten beschreiben, was man in der Forschungspraxis erlebt und gedacht hat, ‚Textpositivismus‘. Wenn solche schweren Beleidigungen wie das P-Wort ausgesprochen werden, muss das Thema ernst sein.
Schreiben über das Schreiben
Für die DGS zu bloggen, ist ein ‚erstes Mal‘ für mich. Das Bedürfnis, unbekannten Lesern Überlegungen zuzumuten, die sie nicht angefordert haben, habe ich bislang in traditionellen Publikationsformaten ausgelebt. Es erscheint mir bequemer, so zu schreiben, als gäbe es lediglich buch- oder artikellesende Rezipienten, schließlich richte ich mich auf diese Weise an eine ominöse Gruppe, von der Rückmeldungen zunächst einmal nur in geringen Dosierungen zu erwarten sind. Die Arg- und Wehrlosigkeit des anonymen Publikums gibt mir die Freiheit, unbeschwert zu sein, handelt es sich von meiner Warte aus doch um (k)eine spezifische Leserschaft: präsent in Abwesenheit, zunächst namenlos und nur hin und wieder in Erscheinung tretend – als Lesende, Belesene, als diejenigen, die gelesen haben bzw. bald gelesen haben werden.
„Schreiben über das Schreiben“ weiterlesen„Man darf sich nie von seinem Gegner den Grad der Radikalität des eigenen Denkens und Handelns vorschreiben lassen“. Hans Paul Bahrdt und die „68er“-Bewegung. Ein Gespräch mit Wolfgang Eßbach (Teil 2)
Römer:
Für einen phänomenologisch orientierten Soziologen wie Bahrdt stand immer die Frage nach alltäglichen Handlungsvollzügen und sozialen Praktiken im Mittelpunkt. Insofern ist es naheliegend, hier genauer nach den konkreten Veränderungen im Alltag des Göttinger Soziologischen Seminars zu fragen, die sich in der Zuspitzung der Studentenbewegung ergaben. Es ist ja gemeinhin bekannt, dass sogar linke Hochschullehrer spätestens im Jahr 1968 mit erheblichen Problemen zu kämpfen hatten. Über die Situation in Berlin und Frankfurt wissen wir vieles, aber auch im „roten“ Marburg, dem einzigen Universitätsstandort, an dem die Soziologie fast schon „monopolistisch“ durch marxistisch orientierte Wissenschaftler vertreten wurde, entluden sich zum Teil heftige Spannungen zwischen Lehrenden und Studierenden. Bahrdt, der sich selbst als Liberaler bezeichnete und den wir aufgrund seiner politischen Haltung sicherlich dem sehr heterogenen linksbürgerlichen Spektrum in der Bundesrepublik zuordnen können, schreibt, er sei damals von der Plötzlichkeit des Ausbruchs überrascht worden. Gleichwohl beschreibt er die Göttinger Studentenbewegung als eine Bewegung von „geringer Heftigkeit“, wenn auch in ihren Folgen „zäh und nachhaltig“. Wie sehr standen in Ihrer Erinnerung die Göttingen und Bahrdt selbst im Fokus der Studentenbewegung? „„Man darf sich nie von seinem Gegner den Grad der Radikalität des eigenen Denkens und Handelns vorschreiben lassen“. Hans Paul Bahrdt und die „68er“-Bewegung. Ein Gespräch mit Wolfgang Eßbach (Teil 2)“ weiterlesen
„Man darf sich nie von seinem Gegner den Grad der Radikalität des eigenen Denkens und Handelns vorschreiben lassen“. Hans Paul Bahrdt und die „68er“-Bewegung. Ein Gespräch mit Wolfgang Eßbach (Teil 1)
Römer:
Lieber Herr Eßbach, im Rahmen des 39. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) werden Sie über den Kriegsheimkehrer und Soziologen Hans Paul Bahrdt reden und Bahrdts Weg zur Soziologie in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg skizzieren. Bereits im Wintersemester 2015/16 haben Sie einen autobiographisch orientierten Vortrag über Ihre Zeit in Göttingen von 1966 bis 1986 gehalten, in dem auch Bahrdt eine wichtige Rolle spielte. Es liegt deshalb nahe, in einem Gespräch auf die Verknüpfungen zwischen beiden Vorträgen etwas ausführlicher einzugehen. Bahrdt selbst war ja in den 1960er Jahren neben dem aus Wilhelmshaven gekommenen Max Ernst Graf zu Solms Roedelheim das professorale Gesicht des Göttinger Soziologischen Seminars. Zugleich hatte Bahrdt schon in den späten 1950er Jahren mit den gemeinsam mit Heinrich Popitz, Ernst August Jüres und Hanno Kesting durchgeführten empirischen Untersuchungen in der Hüttenindustrie des Ruhrgebiets als Industriesoziologe auf sich aufmerksam gemacht – eine Untersuchung, die nicht nur wichtige methodologische Innovationen bot, sondern auch in der zwischen Soziologie, Sozialdemokratie und westdeutscher Linker ausgetragenen Diskussion über die Klassenstruktur der Bundesrepublik intensiv zur Kenntnis genommen wurde. Mit dem 1961 erschienenen Buch „Die moderne Großstadt“ wirkte Bahrdt über eine engere Fachöffentlichkeit hinaus in andere Berufsfelder wie zum Beispiel Architektur und Stadtplanung. Er machte Mitte der 1960er Jahre außerdem eine Sendereihe für das Fernsehen, um die Soziologie einem breiteren Publikum zu präsentieren und war Impulsgeber für die Gründung des Soziologischen Forschungsinstituts (SOFI) in Göttingen.
Kurzum: Bahrdt war ein öffentlicher Soziologe, wie er im Bilderbuch steht, und in der Zeit, in der Sie nach Göttingen kamen, auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft und Bekanntheit. „„Man darf sich nie von seinem Gegner den Grad der Radikalität des eigenen Denkens und Handelns vorschreiben lassen“. Hans Paul Bahrdt und die „68er“-Bewegung. Ein Gespräch mit Wolfgang Eßbach (Teil 1)“ weiterlesen
Was haben Soziologie und DDR-Philosophie miteinander zu tun? Einige projektive Überlegungen aus Anlass der Eröffnung des 39. DGS-Kongresses in Göttingen
Als der Ost-Berliner Philosoph Peter Ruben Anfang der 1980er Jahre zunächst unter Revisionismus-Verdacht und schließlich in ein SED-Parteiausschlussverfahren gerät, wendet er sich mit einem Artikel an die Deutsche Zeitschrift für Philosophie, der den Titel „Das Arbeitskonzept und die materialistische Dialektik. Bemerkungen zu einem Meinungsstreit“ trägt. Diese Verteidigung gegen die Vorwürfe seiner wissenschaftlichen Gegner sollte vor dem Untergang der DDR nicht mehr erscheinen. Über die näheren Beweggründe dieser Zensur äußert sich schließlich Manfred Buhr, Leiter des Zentralinstituts für Philosophie in Ost-Berlin in einem internen Briefwechsel: Ruben verschiebe die „Angelegenheit“ und mache aus der Sache einen „Meinungsstreit“. Unabhängig davon, dass die Veröffentlichung der Ruben-Replik einer von Buhr wohl insgeheim befürchteten Blamage der DDR-Philosophie gleichgekommen wäre, ist diese Aussage auch deshalb entlarvend, weil sie veranschaulicht, dass es in der Causa Ruben – einem der letzten „Schauprozesse“ in der DDR – gerade nicht um wissenschaftliche, sondern um politische Fragen ging. Ruben hatte sich eingemischt und seine Kompetenzen als Mitarbeiter der Abteilung „dialektischer Materialismus“ weit überschritten, indem er etwa nach wissenschaftlichen Kooperationen mit Ökonomen oder Kommunikationswissenschaftlern suchte, damit aber das dogmatische Schema materialistischer Weltanschauung sowie die Arbeitsteilung am Zentralinstitut unterminiert. Schmerzlich zu Bewusstsein kam dies der DDR-Philosophie, als Hans Jörg Sandkühler im Westen eine Sammlung von Aufsätzen Rubens („Arbeit und Dialektik“) herausgab, aus deren Zusammenhang die Entwicklung einer eigenständigen Konzeption objektiver Dialektik erkennbar wurde. Der einerseits um seine wissenschaftliche Karriere besorgte, andererseits mit großen politischen Realitätssinn um die Verhältnisse in der DDR ausgestattete Manfred Buhr wusste um die Brisanz von Rubens mit der einschlägigen marxistisch-leninistischen Lehrbuchliteratur nicht mehr zu bändigenden Denken, dem in der Folge klare objektive Grenzen gesetzt wurden: Ruben wurde mit Reise- und Publikationsverbot belegt und damit als öffentlicher Philosoph in der DDR erledigt.
Was hat diese Geschichte aus der Wissenschaft eines nahen und doch so fernen Staates mit dem 39. Kongress der deutschen Gesellschaft für Soziologie zu tun? Blickt man auf die Beiträge der Eröffnungsveranstaltung in der Göttinger Lokhalle, so ließe sie sich möglicherweise als eine erhellende Parabel auf die Probleme lesen, mit denen sich die Soziologie heutzutage herumschlägt. „Was haben Soziologie und DDR-Philosophie miteinander zu tun? Einige projektive Überlegungen aus Anlass der Eröffnung des 39. DGS-Kongresses in Göttingen“ weiterlesen
Wir und die anderen. Der DGS-Kongress 2018 beginnt.
It’s this time of the year again: Morgen beginnt an der Universität Göttingen der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Irgendwo zwischen Sektionen, Festvorträgen, Mitgliederversammlung und Kongress-Party ist die Tagung ein jahrgangsübergreifendes Wiedersehen und Kennenlernen mit jungen und alten Soziolog*innen. Die Anmeldungen gehen in den vierstelligen Bereich, die Göttinger Hotelindustrie hat eine gute Zeit und heute und morgen begeben sich überall in Deutschland Personen mit Rucksack und Rollkoffer zum nahen Bahnhof.
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Bodies and Names that (don’t) matter
Gewalt, (Un)Gleichheit, Gesellschaft – keepin‘ it real
Das Oberthema des ISA-Kongresses in Toronto lautet „Power, Violence and Justice: Reflections, Responses and Responsibilities“. Und tatsächlich habe ich in den letzten Tagen zahlreiche Veranstaltungen besucht, mehr oder weniger bewusst aus den Dutzenden Möglichkeiten pro slot gewählt, die sich ausdrücklich insbesondere mit Macht und Gewalt befassten.
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Völkerschau – Ambivalenz aushalten
Kanada stelle sich gern tolerant, multikulturell differenzversiert, freundlich dar. Aber, diese Selbstdarstellung sei nicht ganz akkurat. Mit dieser Feststellung stieg die Präsidentin der Canadian Sociological Association, Myrna Dawson, in ihre Einführungsrede ein. Auch Leid, Gewalt, Entrechtung gehörten zu Canada. Sichtbar darum bemüht, sich nicht allzu selbstgerecht als den guten gutmütigen Nachbarn der bösen kleingeistigen USA zu stilisieren, aber auch anknüpfend an eine schon seit Jahren etablierte Tradition, rang die Eröffnungsveranstaltung des ISA Kongresses um symbolische Sichtbarkeiten und Anerkennung. So begann der Abend mit einem „WELCOME TO TURTLE ISLAND„, dargebracht von The Red Urban Project, Montreal First Nations dancers aus Québec and Ontario, die (so das Programmbuch) viele „Indigenous Nations“ across Turtle Island – known today as North America – repräsentieren. Wir hören: Folklore. Wir sehen: Federschmuck, bunte Gewänder, bemalte Gesichter. Tausende Kolleg_innen halten ihre Smartphones in die Höhe und fotografieren das bunte, sehr ernsthaft dargebrachte Treiben auf der Bühne, manche lächeln sichtlich gerührt. Völkerschau.
DGS goes ISA
vom 15.-22. Juli 2018 bin ich, Paula-Irene Villa, für die DGS – und, na klar, aus Fachinteresse sowie mit zwei eigenen Vorträgen – beim ISA Welt-Kongress der Soziologie in Toronto. http://isa toronto 2018 call for papers
Über meine Eindrücke werde ich hier berichten.
Vom Einander-Verstehen und der Besetzung von Begriffen
Es geht stark auf Weihnachten zu, da wird es Zeit über gegenseitiges Verstehen nachzudenken (das sollte ja eine Kernkompetenz jedes Soziologen sein).
Also: Verstehen wir einander noch? Zunächst: Wie komme ich auf diese Frage? Liest man die bisherigen Papiere aus dem Akademie-Gründungsprozess, dann fallen immer wieder Begriffe auf, die dort einerseits zentral zu sein scheinen, weil sie in schöner Regelmäßigkeit wiederholt werden. Es fällt aber auch auf, dass sie wie selbstverständlich verwendet werden und – mehr noch – so, als sei zweifelsfrei festgestellt, was sie bedeuten. Und zwar für die Soziologie insgesamt. Diesen Sprach-Duktus finden wir auch anderswo: In der Psychologie ist es der naturwissenschaftlich orientierten Test-Psychologie erschreckend gut gelungen, die klinische und kritische Psychologie einschließlich der Sozialpsychologie zu marginalisieren. In der Erziehungswissenschaft beobachten wir gerade die Anfänge einer ähnlichen Bewegung, wenn die Empirische Bildungsforschung mit dem Argument der Evidenzbasiertheit ihrer Befunde immer mehr Raum und Ressourcen im Fach beansprucht. Dort hat man immerhin den Anstand, das eigene Tun mit einem spezifischen Label zu benennen und nicht die Bezeichnung Erziehungswissenschaft engzuführen. Allerdings finden wir auch im Fall „Vom Einander-Verstehen und der Besetzung von Begriffen“ weiterlesen
Organisation und Repräsentation
Die Tatsache, dass die Initiatorinnen der Akademie dieser das Wort „Soziologie“ beigesellen, hat für viel Verdruss gesorgt, selbst bei wohlmeinenden Kollegen, die den umgekehrten Verdruss der Akademie-Gründerinnen über die aktuelle Verfassung der DGS und ihrer Gremien in größeren Teilen nachvollziehen konnten, aber sich und ihre Art Soziologie zu treiben in der Akademie nicht wiederfinden. Hätte sich eine „Akademie für standardisierte Sozialforschung“ gegründet, hätten sich manche vielleicht gefragt: Wofür brauchen wir so etwas? Empörung wäre aber vermutlich nicht aufgekommen.
What’s in a name? Mir fiel dazu kürzlich ein Zitat des Begründers der Tübinger Soziologie, Ralf Dahrendorf, in die Hände:
„Soziologie ist das, was die Leute, die sich Soziologen nennen, tun, wenn sie von sich sagen, daß sie Soziologie betreiben. Mehr nicht. Die Suche nach ‚der Soziologie‘, als sei sie ein Ding, gar ein Ding an sich, ist reine Metaphysik, boden- und hoffnungslos zugleich. … Gewiß ‚darf man fragen, ob eine wissenschaftliche Disziplin ‚im Kern‘ so etwas wie eine ‚innere Einheit‘ darstellt‘; nur eine Antwort auf die Frage darf man nicht erwarten. Es gibt keinen Kern von Fachdisziplin und auch keine innere Einheit, sondern nur deren historisch gewachsene äußere Mehr-oder-minder-Einheit. Alle weiteren Fragen sind empirisch: was verbindet die Leute, die sich zugehörig fühlen, wenn sie ihr Tun mit dem Namen des Faches zieren?“ [1]
Es können also, mit Dahrendorf gesprochen, Leute etwas tun, was sie Soziologie nennen, und dann ist es auch Soziologie. Nun würden wir vermutlich „Organisation und Repräsentation“ weiterlesen
Soziologie und Politik: Geht da was?
Rund um die Akademie-Gründung wurde immer wieder einmal mit negativen Konnotationen auf Phänomene der Politisierung der Soziologie verwiesen und dabei gelegentlich mit dem Finger auf den DGS-Vorstand gezeigt. Hier muss aber sorgsam differenziert werden, welche Dimension des Politischen gemeint ist, denn sie sind unterschiedlich zu bewerten:
Der Anspruch der Soziologie, kritische Wegbegleiterin von Gesellschaft(en) zu sein, erscheint mir unverzichtbar. Kritische „Gesellschaftsbeobachtung“ ist eine politisch verantwortliche wissenschaftliche Aufgabe der Soziologie. Eine allerdings, die nicht von der Notwendigkeit entbindet, „Soziologie und Politik: Geht da was?“ weiterlesen