Laut Georg Simmel gehört zu den Eigenheiten der modernen Gesellschaft ihre Ambivalenz – globale Trends gehen mit lokalen Besonderheiten einher. Ein Beispiel für solche lokalen Beharrlichkeiten ist der thailändische Buddhismus. Wie überall, verliert die Religion im Zuge der Modernisierung auch in Thailand auf den ersten Blick an Bedeutung. Sie verschwindet (scheinbar) aus dem Alltag und wird an den Rand der Gesellschaft gedrängt – räumlich symbolisiert dadurch, dass der moderne Mensch in Großstädten wie Bangkok lebt, während der Mönch klassischerweise in Klöster in Wäldern und Bergen abseits jeglicher Zivilisation pilgert und sich dort zurückzieht. Diese Pilgerschaften werden neuerdings zurück in den öffentlichen Raum inmitten der Stadt geholt – wodurch sich die Frage stellt, wie man in einer modernen Metropole die Grenzen zwischen Heiligem und Profanen zieht.
Schlagwort: Kommunikation
Spielende Chinesen, oder: Sich von der Wirklichkeit überraschen lassen
Ich habe gestern geschrieben, dass ich – anders als Volker H. Schmidt – nicht sicher bin, ob wir es in Asien mit denselben Modernisierungstendenzen wie in Europa zu tun haben, oder ob verschiedene asiatische Regionen eigene Entwicklungspfade beschreiten. Wie immer in der empirischen Sozialforschung besteht die Gefahr, das zu sehen, was man sucht, weshalb ich dafür plädiert habe, dass wir erst einmal viel genauer auf Details zu achten und sich ggf. von der Wirklichkeit überraschen zu lassen. Ein Beispiel für ein solches Überraschungserlebnis ist das in Deutschland medial vermittelte Bild vom ernsthaften, betriebsamen und ständig arbeitenden Chinesen. Schaut man genauer hin, stellt man fest, dass die Chinesen (auch) ein sehr verspieltes Volk sind.
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Mönche und Alltagsmenschen. Grenzziehungspraktiken zwischen Heiligen und Profanen im Buddhismus
Im Buddhismus wird noch deutlicher als auf der Kumbh Mela, dass Grenzen in der Interaktion sozial konstruiert werden. Das Heilige ist hier nicht ein physisches Objekt (Kirche, Wasser), sondern der Mönch selbst – und anders als die hinduistischen Naga Babas bewegen sich buddhistische Mönche ganz normal durch südostasiatische Städte. Selbst personal ist das Mönchsein nicht abgegrenzt (wohl aber geschlechtlich): Auch wenn es im Buddhismus ebenso wie im Christentum Mönche auf Lebenszeit gibt, können buddhistische Männer mehrmals im Lauf ihres Lebens zwischen dem Status des Mönchseins und dem Status des Alltagsmenschen hin- und herwechseln. Dieses transitorische Mönchsein nimmt oft die Form einer rituellen Reinigung vor einer wichtigen Statuspassage an (Erwachsenwerden, Hochzeit). Obgleich das oberste Ziel des Mönches ist, sich von den irdischen Begierden loszulösen, so ist sein Da-Sein doch zutiefst in den Alltag eingebettet. Die Grenze zwischen Heiligem und Profanen verläuft folglich hier genau zwischen der Raum-Zeit-Koordinate, auf der sich der Mönch findet, und der Umwelt. Wie wird hier die Grenze zwischen Heiligem und Profanen konstruiert?
Die Karte als Interaktionsmedium
Die Karte ist ein Interaktionsmedium, das (neben sozialen Praktiken) das Wissen über den Raum transportiert. Sie hilft dem Menschen bei der Syntheseleistung, die Ansammlung von Menschen und Gütern auf bestimmten Raum-Zeit-Koordinaten anzuordnen und zu einem Ort zu verdichten. Sie hat den Vorteil, dass sie die physische Anwesenheit eines Interaktionspartners nicht voraussetzt – dachten wir.
Raum ist nicht (nur) sozial konstruiert. Globalisierung und die räumliche Differenzierung der Produktionskette (Differenzierung 4)
Bei der Lektüre vieler sozial- und kulturwissenschaftlicher Texte gewinnt man manchmal den Eindruck, dass im Zuge der Globalisierung und der zunehmenden Bedeutung des Internets der (physische) Raum keinerlei Bedeutung mehr habe und der Raum eine reine sozialen Konstruktion sei. Auch wenn auch ich glaube, dass Raum sozial überformt wird und Grenzen sozial konstruiert werden (Baur 2005: 80-82; 165-172), so bin ich doch der Ansicht, dass viele raumsoziologische Arbeiten die soziale Wirksamkeit des physischen Raumes unterschätzen.
Glückliche Kühe auf blühenden Weiden und Aflatoxin in der Milch. Der Beitrag der Medien zur Risikoproduktion auf anderen Märkten
Medien haben nicht nur eine wichtige Funktion für die Bildung der öffentlichen Meinung, sondern sie sind – wie der Arbeitsmarkt – immer auch ein besonderer Markt, weil sie ein wichtiger Marktakteur auf anderen Märkten sind, insbesondere auf Konsumgütermärkten. Dabei spielen sie eine ambivalente Doppelrolle, wodurch sie ganz wesentlich zur Risikoproduktion auf diesen Märkten beitragen.
Die Insolvenz der Frankfurter Rundschau. Die gesellschaftlichen Folgen der Konzentration auf dem Medienmarkt
Weil das Online-Geschäft lukrativer ist, trennt sich Time Warner vom TIME Magazine, Rupert Murdoch vom Wall Street Journal. In Deutschland ist die Frankfurter Rundschau (FR) das jüngste Opfer der Konzentrationsprozesse auf dem Medienmarkt infolge des Preiswettbewerbs – wie der Presse zu entnehmen ist, wird sie demnächst von der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) übernommen. Na und – könnte man sagen. Das ist eben das Resultat normaler Konkurrenz in Marktwirtschaften. Das Problem ist aber, dass Medien eben nicht nur eigene Märkte sind, sondern auch wesentliche gesellschaftliche Funktionen übernehmen.
Spiegel Online als Aldi des Zeitungswesens. Marktmechanismen und Preiswettbewerb auf dem Medienmarkt
Auch wenn wir sie im Alltag Medien hauptsächlich zur Unterhaltung und Informationsgewinnung nutzen, sind auch die Medien ein Markt. Seit Anfang der 1990er können wir hier eine zunehmende Konzentration und in Deutschland insbesondere ein massives Zeitungssterben beobachten. Jüngstes Opfer ist die FR, die nach ihrer Insolvenz zwar von der FAZ übernommen wurde – allerdings nicht ohne massive Personalkürzungen von 420 auf 28 Mitarbeiter (Bigalke/Riehl 2013). Eine der Hauptursachen für diese Entwicklung ist ein Preiswettbewerb, der ähnlich hart ist wie auf dem Lebensmittelmarkt – vorangetrieben wird er nicht von Aldi, sondern von Spiegel Online.
Public Sociology. Über die Soziologie als Krisenwissenschaft
Auf diesem Blog wurde mehrmals die Frage gestellt, worin der Sinn des Bloggens oder – allgemeiner – der Sinn der Soziologie liege. Dies ist keine neue Frage – in der Tat stellt sich die Soziologie diese immer wieder selbst und muss sie sich vielleicht als „ewig jugendliche Wissenschaft“ (Weber 1904: 206 [1]) immer wieder stellen.
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Bloggen als Arbeits- oder als Ausdrucksmedium oder als was?
Die Reaktionen auf meinen ersten Blog-Artikel haben mich sehr überrascht. An sich hatte ich nur vor, meine begrenzten Vorstellungen über das Bloggen auszudrücken und mir meine Vorbehalte gegenüber dem Bloggen von der Seele zu schreiben, um so sowohl einen Kommunikationskontakt mit ähnlich denkenden Lesern und Leserinnen zu bekommen, aber auch, um mir selbst über das Medium klarer zu werden. Denn nur wenn man eine ungefähre Vorstellung davon hat, welches Kommunikationsmediums man sich gerade bedient und wer die möglichen Leser sind, kann man überhaupt schreiben.
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Der SozBlog als Zeitvergeudung für Schreiber und Leser/innen?
Zu schreiben, dass ich mich freuen würde, in den nächsten zwei Monaten den SozBlog der DGS gestalten zu dürfen, wäre eine glatte Lüge. ‚Unbehagen’ wäre eher die zutreffende Bezeichnung des Gefühls, das aufkommt, wenn ich daran denke, in den kommenden zwei Monaten erstmals in meinem von Medien mitgeprägten Leben als Wissenschaftler bloggen zu sollen. Dass ich überhaupt mich an dieser von mir bislang noch nicht genutzten Text- und Mediensorte versuche, hat damit zu tun, dass man sich als Soziologe, der in einem kommunikationswissenschaftlichen Institut arbeitet, nicht lange mit guten Gründen dagegen sperren kann („Du als Kommunikationswissenschaftler musst doch bloggen!“), dieses Medium aktiv und reflektiert mit Leben (und Sinn) zu erfüllen.
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Mikroblogging: kurz, schnell und unberechenbar (3/3)
Der Versuch einer soziologischen Interpretation des Phänomens Mikroblogging im letzten Post hatte zu drei Thesen geführt, die mit den Schlagworten „Häppchenkommunikation“, „Subjektivierter Stil“ und „Ultrabeschleunigung“ überschrieben wurden. Mit vier weiteren Thesen soll das Bild komplettiert werden. Dies kann und will insgesamt nicht mehr sein als eine erste Annäherung an dieses eigenwillige Medium auf Basis persönlicher Erfahrungen (als ein „Selbstversuch“ begleitend zu einem Forschungsprojekt). Ein Medium, das sich derzeit mit großer Dynamik verbreitet, deren Konsequenzen noch kaum abschätzbar sind. Wenn man regelmäßig ‚twittert‘, kann man regelrecht zuschauen, wie sich die Formen entwickeln und der Kreis der Nutzer sprunghaft erweitert und dabei verändert. „Mikroblogging: kurz, schnell und unberechenbar (3/3)“ weiterlesen
Mikroblogging: kurz, schnell und unberechenbar (2/3)
Nachdem im ersten Teil des Posts der Mikrobloggingdienst Twitter mit einigen seiner Besonderheiten und etlichen Beispielen vorgestellt wurde, soll es im Folgenden um den Versuch einer soziologischen Interpretation gehen. Leitende Annahme dabei ist, dass Twitter als paradigmatisches Beispiel für zentrale Momente des Wandels gesellschaftlicher Kommunikation im Übergang zur spätmodernen Gesellschaft verstanden werden kann, an dem sich zugleich wichtige Aspekte des allgemeinen sozialen Strukturwandels studieren lassen. Dazu einige Andeutungen. Da die Thesen relativ ausführlich geraten sind, werden sie auf die Einträge dieser und nächster Woche verteilt – ich hoffe, das ist im Sinne der Leser:
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Mikroblogging: kurz, schnell und unberechenbar (1/3)
Als ich vor eineinhalb Jahren zu „tweeten“ begann, wusste ich eigentlich nicht wirklich, auf was ich mich da einlasse. Ein Forschungsprojekt zur Arbeit im Web2.0 hatte den Anstoß dazu gegeben, selber im Feld der Social Media primäre Erfahrungen sammeln zu wollen– und da bot es sich an, gleich das neueste Medium auszuprobieren. Erst mit der Zeit lernte ich, damit umzugehen. Inzwischen erlebe ich die Beschäftigung mit Twitter als anregende persönliche und nicht zuletzt auch soziologische Erfahrung, aber gelegentlich kann sie auch anstrengend werden (z.B. wenn man glaubt, die Follower regelmäßig ‚bedienen‘ zu müssen, weil sie einem sonst ‚untreu‘ werden könnten – was passieren kann).
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