In meinem vorletzten Blog-Beitrag möchte ich, wie angekündigt, auf das Verhältnis operativer und semantischer Grenzen von Funktionssystemen zu sprechen kommen. Ich habe in meinem zweiten Beitrag angedeutet, dass die operative Schließung von Funktionssystemen, gewährleistet durch die simple Binarität ihrer Ordnung, nicht gleichbedeutend ist mit semantischer oder organisatorischer Schließung. In meinem dritten Beitrag habe ich dann angedeutet, dass die Schließung der Funktionssysteme gewissermaßen hinter dem Rücken von Akteuren, Organisationen und semantischen Figuren abläuft. Diese verfremdende Beschreibung kann dann zugleich das Verhältnis von operativen und semantischen Grenzen von Funktionssystemen andeuten.
Einseitigkeit – die Dritte
In meinem zweiten Blog-Eintrag habe ich darauf hingewiesen, dass die Theorie funktionaler Differenzierung nicht einfach Perspektivendifferenz oder die Differenz kultureller Wertsphären im Blick hat, auf die man sich womöglich verständigen könnte. Letztlich scheint die moderne Gesellschaft gar keine Kommunikations- und Reflexionsmöglichkeiten dafür zu haben, die Folgen des so simplen Mechanismus codierter Systeme kommunikativ zu bewältigen. Man kann sich dann nur in Narrativen der Gesellschaft einrichten, die selbst wiederum starke Vereinfachungen sein müssen, mit denen man sich einen Reim auf die Komplexität der Gesellschaft macht. Die wirksamsten Narrative waren ohne Zweifel diejenigen, die semantisch die Funktionen des politischen und dann des ökonomischen Funktionssystems in Anspruch genommen haben (mein nächster Beitrag wird das Verhältnis von semantischen und operativen Grenzen von Funktionssystemen in den Blick nehmen).
Einseitigkeit – die Zweite
In meinem ersten Blog-Beitrag habe ich für mehr Einseitigkeit geworben. Ich möchte in diesem zweiten Beitrag nun einige Andeutungen machen, welche Folgen eine solche Einseitigkeit für das hat, was ich im ersten Beitrag referiert habe: bei der theoretischen Bestimmung eines Gesellschaftsbegriffs tatsächlich einseitig differenzierungstheoretisch zu argumentieren. Die Differenzierungstheorie, genauer: die Theorie funktionaler Differenzierung wird meistens nicht als eine theoretische Problemlösungsfigur rezipiert, sondern als so etwas wie eine lebensweltlich anschlussfähige Erfahrung von Perspektivendifferenz, Arbeitsteilung, Gegeneinander von Professionen usw. All das ist der Soziologie lange bekannt – und aus differenzierungstheoretischer Perspektive sind all das gewissermaßen Nebenfolgen dessen, was man systemtheoretisch beschreiben kann.
Mehr Einseitigkeit, bitte!
Ich freue mich, in den Monaten November und Dezember 2012 für dieses Blog schreiben zu dürfen.
Womit beginne ich? Damit: Der DGS-Kongress in Bochum ist nun einige Wochen her. Wie immer war der Kongress eine große Leistungsschau unseres Faches, wie immer war er ebenso pluralistisch, wie wir als Fach sind. Je nach Gusto wird man das als Vorteil einer requisite variety preisen, die genügend Komplexitätschancen bietet, dem einen genialen Gedanken ein evolutionäres Umfeld zu bieten. Oder aber es wird als Beliebigkeit gebrandmarkt, vor allem wohl von denjenigen, die an der Soziologie jenes normalwissenschaftliche Bild vermissen, das wir in geradezu subalterner Weise sogenannten reifen Fächern unterstellen: sich wenigstens asymptotisch an einen wissenschaftlichen Standard heranzuarbeiten, der kontrollierte (und wohl auch: kontrollierbare) Ergebnisse erzielt. Beide Reaktionsweisen sind typisch für komplexe Systeme, die irgendwie mit ihrer Komplexität umgehen müssen, d.h. operativ unwahrscheinliche Formen von Ordnung zu generieren. Die deutschsprachige Soziologie jedenfalls scheint sich dafür entschieden zu haben, die Suche nach einem einheitlichen Verständnis von soziologischer Wissenschaftlichkeit auch nur für eine mögliche evolutionäre Möglichkeit zu halten und ansonsten auf Variation mit geringen Selektions- und Stabilisierungschancen zu setzen. Von diesem Arrangement hat die Soziologie lange profitiert. Insofern lässt sich eine Kontinuität diagnostizieren – und Kontinuität ist ein Mechanismus, der die funktionale Bedeutung von Reflexion einschränkt, der schlicht Reflexionsnotwendigkeiten und –wahrscheinlichkeiten minimiert.
Und Europa?
In seinem Buch „Three Billion New Capitalists” entwirft Clyde Prestowitz (Basic Books 2005, S. 252f.) das fiktive Szenario der ersten Lagebesprechung eines frisch vereidigten US-Präsidenten mit den Geheimdiensten. Die Quintessenz der Botschaft, die dem neuen Amtsinhaber übermittelt wird, lautet, dass die USA vor gewaltigen Herausforderungen stünden, aber (teils aufgrund eigener Versäumnisse, teils aufgrund komplexer geopolitischer Verwicklungen) kaum Möglichkeiten hätten, den Lauf der Dinge in ihrem Sinne zu beeinflussen. Das war als Weckruf an die politischen und intellektuellen Eliten des Landes gemeint und stieß erwartungsgemäß auf wenig Resonanz. Drei Jahre später, im September 2008, ging die Lehman Brothers Bank bankrott und stürzte erst die USA, dann rasch auch Europa in die größte Finanz-, Wirtschafts- und Währungskrise seit 1929. Im November, Barack Obama war soeben zum Nachfolger George W. Bushs gewählt worden, veröffentlichte der Rat der US-Geheimdienste einen Bericht, der sich gleichsam als „Willkommensgruß“ an die neue Administration lesen ließ und diese auf die vor ihr liegenden Aufgaben einstimmte. Die außenpolitische Kernaussage des Berichts fasst der folgende Satz prägnant zusammen: „The international system – as constructed following World War II – will be almost unrecognizable by 2025 owing to (…) an historic shift of relative wealth and economic power from West to East“ (National Intelligence Council, Global Trends 2025: A Transformed World, 2008, S. vi). Oder anders gesagt, die Vorherrschaft des Westens geht zuende, und für „uns“ bedeutet das, dass wir uns auf drastisch verringerte Einflussmöglichkeiten, schrumpfende Handlungsspielräume einstellen müssen. Das war keine Fiktion. Viele der düsteren Vorahnungen von Prestowitz waren schneller eingetreten, als er selbst es befürchtet haben mochte.
Schule der Zukunft
In Singapur trifft man auf einen Schultyp, den es auch andernorts gibt, aber vermutlich nicht in der hier beobachteten Konzentration, Größe, Vielfalt, möglicherweise auch Strahl- und Innovationskraft. Gemeint ist eine spezielle, weder national noch regional gebundene Kategorie von „internationalen“ Schulen, die im Begriff ist, Bildungsprozesse von Programmen der Staatsbürgererziehung, mit denen sie historisch eng verkoppelt waren, abzulösen und konsequent zu globalisieren. Ziel ihrer Bemühungen ist die Heranbildung von Bürgerinnen und Bürgern der Welt, von Weltbürgern („global citizens“), nicht oder allenfalls in zweiter Linie Staatsbürgern. Gewiss, keine dieser Schulen wendet sich gegen die Pflege nationaler Identitäten – im Gegenteil, sie ermuntern aktiv zu deren Kultivierung –, aber soweit die bei ihnen erzogenen Schüler solche Identitäten ausbilden, tragen sie nichts zu ihrer Entstehung bei und verdanken diese sich rein außerschulischen Sozialisationsprozessen.
Lerngelegenheiten
Mit dem Durchbruch der globalen Moderne wird auch die Annahme hinfällig, praxisrelevantes Orientierungswissen lasse sich nur im Westen gewinnen bzw. nur dort etablierten Sozialformen ablesen. Zu den Folgen dieses Durchbruchs zählt nämlich auch eine Verlagerung, vor allem aber Multiplikation von Zentren sozialer und technologischer Innovation. Individuelle und kollektive Akteure, die Einfluss auf das globale Wandlungsgeschehen nehmen, lassen sich damit vermehrt in allen Weltgegenden beobachten.
We ain‘t seen nothing yet
In meinem Blog „Durchbruch der globalen Moderne“ hatte ich geschrieben, der Wandel der letzten 20 bis 30 Jahre übertreffe alles in der bisherigen Geschichte der Moderne Dagewesene. Diese Behauptung lässt sich weiter radikalisieren, indem man den Beobachtungszeitraum etwas weiter ausdehnt. Folgt man einem Schema des Althistorikers und Archäologen Ian Morris (Why the West Rules – For Now, Farrar, Straus and Giroux 2010, S. 583), der das Wandlungsgeschehen seit 1700 graphisch in Form einer Entwicklungskurve darstellt und die gegenwärtigen Trends bis ans Ende des laufenden Jahrhunderts fortschreibt, dann ergibt sich ein Bild, wonach die bis dahin praktisch flach verlaufende Kurve 1820 zwar leicht anzusteigen beginnt, aber erst ab 1900 wirklich sichtbare Veränderungstrends anzeigt. Und wenngleich sie sich in den folgenden 100 Jahren kontinuierlich weiter aufwärts bewegt, verläuft sie selbst im 20. Jahrhundert noch annähernd parallel zur horizontalen Achse. Erst am nächsten Wendepunkt, im Jahr 2000, ändert sich das und schießt sie auf einmal steil nach oben.
Verschiebung der Kräftezentren
Die globale Wirtschaftsleistung ist in den letzten drei Jahrzehnten stärker gestiegen als je zuvor. Das Wachstum verteilt sich jedoch sehr unterschiedlich auf die Weltregionen. Zwar partizipieren alle Regionen an der Entwicklung, aber von einigen Ausnahmen (wie Teilen Afrikas südlich der Sahara und Südasiens) abgesehen, gilt grundsätzlich, dass die Wachstumsraten in weniger entwickelten Regionen (teils deutlich) über denen der entwickelten Welt liegen. Das entspricht den Erwartungen der ökonomischen Wachstumstheorie. Es spiegelt sich auch in den Pro-Kopf-Einkommen wider. In den USA wuchsen diese nach Berechnungen Alfred Eckes (The Contemporary Global Economy, Wiley-Blackwell 2011, S. 7) zwischen 1980 und 2009 im Durchschnitt um 62 %, in Großbritannien sogar um 74 %. Aber was für sich genommen durchaus beachtlich scheint, verblasst im Vergleich mit Indien (+ 230 %), Südkorea (+ 360 %), der Asien-Pazifik Region (+ 594 %) und vor allem China (+ 1.083 %).
Epistemologische und methodologische Herausforderungen globaler Modernität
Der globale Durchbruch moderner Sozialstrukturen, Lebensverhältnisse und institutioneller Arrangements stellt Wissenschaft, Politik und Wirtschaft vor neue Herausforderungen. Zu den größten Herausforderungen der Sozialwissenschaften gehören die Abkehr von gewohnten Forschungsroutinen und Deutungsmustern einerseits sowie die systematische Ausweitung des Horizonts wissenschaftlicher Beobachtung andererseits. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein konnte die Soziologie der Moderne sich mit gutem Grund auf den Westen konzentrieren, weil die nichtwestliche Welt die Transition zur Moderne weithin noch vor sich hatte, mithin nur wenig Anschauungsmaterial für Analysen von Modernität bot.
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Durchbruch der globalen Moderne
Die Größenordnung und Tragweite des sozialen und technologischen Wandels, der sich in den letzten ca. zwei bis drei Jahrzehnten zugetragen hat, übersteigt in mehreren Dimensionen diejenige aller vergleichbaren Phasen früheren Wandels; in manchen den kumulativen Effekt bzw. Entwicklungsertrag der voranliegenden 150 Jahre. So ist beispielsweise der Wert des globalen Sozialprodukts zwischen 1820 und 1985 um 22 Billionen US$ gestiegen, in den darauf folgenden 25 Jahren aber um sage und schreibe 30 Billionen. Auch die durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen sind in dieser Phase rapider gewachsen als je zuvor. Berechnet in konstanten US Dollars, lagen diese 1870 (also etwa 50 Jahre nach Beginn des Zeitalters des modernen Wirtschaftswachstums) bei 870 US$. In den nächsten 110 Jahren sind sie um gut 5.000 Dollar gestiegen (auf 5.949 US$ in 1980), haben dann aber in nur 30 weiteren Jahren um nochmals 3.500 Dollar zugelegt (auf 9.514 US$ in 2009). Die globale Mittelschicht wird bei konservativer Schätzung heute auf knapp das Doppelte der Weltbevölkerung von 1820 taxiert – auf ca. 1.8 Milliarden Menschen, von denen knapp die Hälfte (800 Millionen) erst nach 1990 in die „consumer class“, wie sie auch genannt wird (weil sie im Unterschied zu den „global poor“ über diskretionäre Einkommen verfügt), aufgestiegen ist, und wenn die Trends der zurückliegenden Jahrzehnte sich fortsetzen, dann könnte sie 2020 bereits 3 Milliarden Menschen umfassen. Zum Vergleich: 1820 war, legt man einen Standard von kaufkraftbereinigt weniger als 2 Dollar pro Tag an disponiblem Einkommen zugrunde, 90 Prozent der Weltbevölkerung absolut arm. Ähnlich spektakulär verlief die Entwicklung in anderen Bereichen, insbesondere in der Wissenschaft und im Bildungssektor. Konnte bis Anfang der 1970er Jahre noch jede zweite Person weder lesen noch schreiben, so liegt der betreffende Wert heute bei unter 20 % der Erwachsenen. Ursache der Entwicklung ist der massive Ausbau der Elementarbildung, deren Teilnehmerzahlen gerade im letzten Jahrzehnt gemäß Unesco regelrecht „explodiert“ sind. Aber auch das sekundäre und das tertiäre Bildungswesen haben enorm zugelegt. Um nur ein Beispiel aus dem tertiären Bereich zu nennen: Die Population der Hochschulstudenten, die 1970 bei knapp 30 Millionen lag, hat sich bis 2000 mehr als verdreifacht (auf ca. 100 Millionen). Das ist eine beträchtliche Steigerung. Aber dann schwoll sie binnen lediglich 7 Jahren um nochmals 50 Millionen an (auf 152.5 Millionen in 2007), und eine Abflachung der Aufwärtsbewegung ist nicht in Sicht. Gemessen an der Zahl publizierter Artikel, die zwischen 1980 und 2009 von 450.000 auf 1.500.000 pro Jahr gestiegen ist, verzeichnete auch das Wissenschaftssystem eine Expansion, die, absolut gesehen, eine Beschleunigung des Wissenszuwachses markiert, für die es historisch keine Parallele gibt.
Bericht aus der Ferne: Erfahrungen und Eindrücke eines Asienmigranten
Als ich im Februar 2000 zu einer dreitägigen Vorstellungsreise nach Singapur aufbrach, ahnte ich nicht, wie sehr diese Reise mein Leben und mein Denken verändern würde. 10 Monate später erfolgte der Umzug in eine Region, die mir bis dahin gänzlich unvertraut war, und im Januar 2001 hielt ich meine erste Vorlesung an der National University of Singapore: über klassische soziologische Theorie.
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Triumph des Szientismus. Ist ein neuer Positivismusstreit fällig?
Vor fünfzig Jahren wurde in der deutschen Soziologie über den Positivismus gestritten. Die Frankfurter Kritiker Adorno und Habermas haben vor der Halbierung der Vernunft durch den Szientismus gewarnt (Adorno et al. 1969). Das ist lange her und scheint uns kaum noch etwas zu sagen. Oder doch? Immerhin können wir in der Gegenwart einen starken Schub einer Umstellung demokratischen Regierens auf ein Regieren durch Zahlen beobachten, zu dem gerade auch sozialwissenschaftliche Forschung einen wachsenden Beitrag leistet. Diese Art des Regierens folgt der Intention, politische Kontroversen in sachlich lösbare Probleme zu transformieren. Expertenwissen soll den politischen Meinungsstreit auf Grundsatzfragen reduzieren. Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Siegeszug der Bildungsforschung und der Unterrichtstechnologie im Kielwasser des internationalen PISA-Leistungsvergleichs von 15-jährigen Schülern in Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaft. Man erhofft sich, die bloß „anekdotische“ Evidenz des Erfahrungswissens von Pädagogen durch datenbasierte wissenschaftliche Evidenz ersetzen zu können. Diese Programmatik gerät allerdings genau in diejenigen Fallstricke des Szientismus, die Adorno und Habermas schon vor fünfzig Jahren identifiziert haben. Deshalb erscheint es mir angebracht, daran zu erinnern und die aktuellen Erfolge der Bildungsforschung im Lichte der alten Kontroverse zu betrachten.
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Das internationale Kräftemessen. Neo-Paternalismus als Instrument der Leistungssteigerung im Wettbewerbsstaat
Die Olympischen Spiele in London gehören schon der Vergangenheit an. Die Medaillen sind vergeben, die Rangliste der Nationen im Medaillenspiegel steht endgültig fest. In den Verbänden werden nun Schlüsse gezogen, was gut gemacht wurde und was verbessert werden muss, um beim nächsten Mal besser abzuschneiden. Das Kräftemessen der Nationen beschränkt sich indessen keineswegs mehr auf den Sport. Mit Hilfe globaler Statistiken hat das internationale Kräftemessen inzwischen ein Ausmaß erreicht, dass kaum noch ein Lebensbereich frei vom Leistungswettbewerb um Rangplätze geblieben ist (vgl. Heintz und Werron 2011). Es wird gemessen und gerankt, international und national.
Mehr Wettbewerb für bessere Bildung und mehr Olympia-Medaillen. Geht diese Rechnung auf?
In Großbritannien hat eine Feststellung des Vorsitzenden der Britischen Olympischen Gesellschaft, Lord Colin Moynihan, eine Debatte über das britische Schulsystem ausgelöst (Catuogno 2012). Er hat festgestellt, dass die Hälfte der britischen Medaillengewinner eine Privatschule besucht hätte, obwohl diese nur sieben Prozent aller Jugendlichen aufnähmen. Für die einen ist das ein Beweis dafür, wie weit die britische Klassengesellschaft in den olympischen Sport hineinwirkt. Sie verweisen darauf, dass die Kommunen massenhaft Schulsportstätten verkauft hätten, sodass die staatlichen Schulen keinen angemessenen Sportunterricht bieten könnten. Für die anderen ist es der Beweis für die mangelnde Leistungsfähigkeit eines nach wie vor von sozialistisch gesinnten Lehrergewerkschaften geprägten leistungsfeindlichen Denkens an den staatlichen Schulen. Für den internationalen Bildungsdiskurs ist das eine überraschende Einschätzung des britischen Schulsystems. Großbritannien gehört nämlich zu den Ländern, die seit den 1980er Jahren mehr Wettbewerb in ihr Schulsystem hineingebracht haben, um mehr Jugendliche zu besserer Bildung zu führen. Margaret Thatcher hat dafür das Startsignal gegeben. Tony Blair hat diese Politik konsequent fortgeführt. Großbritannien ist damit zu einem Vorreiter einer weltweiten Welle von Reformen geworden.