Islamfeindlichkeit und Islamkritik

In meinem letzen Beitrag habe ich u.a. die Frage aufgeworfen, warum die Unterscheidung zwischen Islamkritik und Islamfeindlichkeit so schwer fällt. Daher folgen hierzu einige grundlegende Überlegungen und Fragestellungen, die insbesondere für eine sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Problemfeld heute und in der nächsten Zeit von Relevanz sein werden.

Der Prozess der Sälularisierung wurde nicht unwesentlich durch Kritik vorangetrieben (und darüber hinaus durch zunehmende Kriegsmüdigkeit indirekt erkämpft). Diese Kritik ist nicht allein aus dem Christentum selbst entstanden, sondern insbesondere auch durch die Auseinandersetzung von Christen mit antiken Texten (also mit Ideen aus vorchristlichen Zeiten), Ideen anderer Kulturen (auch und insbesondere arabischer Denker) sowie mit (natur)wissenschaftlichen Erkenntnissen. Von zentraler Bedeutung war das Wechselspiel zwischen äußeren Einflüssen und interner Verarbeitung – das galt im Übringen auch für die Ideen von individueller Freiheit und Demokratie.

Religionskritik gegenüber dem Islam ist genauso notwendig, wie sie einst gegenüber dem Christentum war. Sie kann jedoch nicht in gleicher Weise vollzogen werden, denn sie steht vor grundlegend anderen Herausforderungen. Diese lassen sich in mindestens 5 Punkten zusammenfassen:

Erstens kann man die Kritik nicht an eine hierarchisch organisierte Institution richten, da die islamische Tradition diese zentrale Organisationsform nicht in vergleichbarer Weise kennt – das gilt für Muslime in Europa in ganz besonderer Weise. In den größeren Verbänden ist lediglich ein Bruchteil der in Deutschland lebenden Muslime organisiert. Die Kritik kann sich daher nicht an einen organisierten Akteur richten.

Die Kritik läuft daher zweitens immer Gefahr, zu wenige oder zu viele zu erreichen. Denn Muslime sind bereits äußerst divers (positiv formuliert) bzw. gespalten (negativ formuliert). Kritisiert man den Islam insgesamt, dann kritisiert man sehr viele Menschen zu unrecht und erweckt den Eindruck der „Sippenhaft“, wodurch man insbesondere progressive Kräfte in eine defensive Position drängt. Kritisiert man hingegen nur die extremsten Auswüchse, dann findet in aller Regel eine kritische Auseinandersetzung gar nicht statt, etwa mit dem Hinweis, diese hätten mit dem Islam nichts zu tun.

Drittens handelt es sich bei den Muslimen in Deutschland quantitativ um eine Minderheit. Nur etwa 5% der in Deutschland lebenden Menschen lassen sich irgendeiner islamischen Glaubensrichtung zuordnen. Religionskritik gegenüber einer religiösen Diaspora ist hochkomplex und birgt viele Gefahren.

Viertens sind die Angehörigen dieser Minderheit in jedem EU-Staat in einer sozial benachteiligten Position. Die Kritik hat sich also nicht nur gegen einen Teil einer quantitativen Minderheit zu richten, sondern zugleich auch gegen eine tendenziell marginalisierte Gruppe.

Als fünften Punkt könnte man hinzufügen, dass terroristische Organisationen bereits seit den 1990ern sich zum Ziel gemacht haben, die europäischen Muslime von der nicht-muslimischen Bevölkerungsmehrheit durch Angst und Hass zu isolieren, damit sie für Radikalisierung anfällig werden – eine erstaunlich erfolgreiche Strategie, in der die Schwachstellen der offenen Gesellschaften zielsicher erkannt wurden. Die Einflussnahme von Außen (sowohl Regierungen als auch theokratische Strömungen) muss immer mitbedacht werden. (Die Betrachtung internationaler Konflikte und der politisch und sozial prekären Lage vieler arabischer Staaten klammere ich an dieser Stelle aus – auch wenn sie zweifelsfrei von Relevanz ist.)

Diese Rahmenbedingungen weichen grundlegend von jenen vergangener Zeiten ab, wohingegen es inhaltlich sehr viele Gemeinsamkeiten gibt.  Die Anwendung gängiger Methoden der (öffentlichen) Religionskritik kann kaum von Islamfeindlichkeit und Rassismus unterschieden werden. Allein schon die diversen Begifflichkeiten, wie etwa „Islamophobie“, „Islamfeindlichkeit“ oder „Muslimenfeindlichkeit“ sowie „antimuslimischer Rassismus“, allesamt Konzepte mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen und plausiblen Herleitungen, lassen sich auf die komplexen und diffusen Rahmenbedingungen zurückführen. Religionskritik im herkömmlichen Sinne läuft derzeit Gefahr, zu weiterer Ausgrenzung zu führen, wodurch sich die Lage zusätzlich verschärfen kann. Dies gilt unabhängig davon, ob die inhaltliche Kritik berechtigt ist oder nicht. Eine ungünstige Reaktion kann sein, dass Religionskritik ausbleibt. Vielleicht müsste man zeitgleich an der inhaltlichen Kritik und an den schwierigen Rahmenbedingungen arbeiten. Vielleicht müsste man den innerislamischen Dialog stärken. Wie diese „Vielleichts“ umgesetzt werden können oder andere funktionale Formen und Methoden der Religionskritik entwickelt werden können, bleibt auch an dieser Stelle offen.

Aber vielleicht hat der Eine oder die Andere Ideen?

4 Gedanken zu „Islamfeindlichkeit und Islamkritik“

  1. Ihre Ausführungen lassen mich genauso ratlos zurück wie Sie – allerdings in etwas anderer Weise. Obwohl sie auch im Hinblick auf den Islam die Notwendigkeit für Kritik sehen, ergehen Sie sich dann in Gründe dafür, warum man trotzdem keine Religionskritik üben kann. Man könnte es folgendermaßen auf den Punkt bringen: Kritik ist notwendig, aber nicht möglich. Das ist unter vielen Aspekten äußerst problematisch und würde eigentlich eine Replik erfordern, die mindestens doppelt so lang werden würde wie Ihr Text. Dafür habe ich leider keine Zeit und greife nur zwei Punkte hinaus.

    Unter Punkt drei behaupten Sie, dass Kritik nicht möglich sei, weil die Muslime in Deutschland eine Minderheit seien. Ich sehe offen gestanden nicht, wieso man an einer Minderheit keine Kritik üben kann. Sie schreiben lediglich „Religionskritik gegenüber einer religiösen Diaspora ist hochkomplex und birgt viele Gefahren.“ Wieso hoch komplex? Welche Gefahren birgt sie? Ohne die Beantwortung dieser Fragen ist dieser Satz lediglich eine leere Behauptung.

    Unter Punkt vier behaupten Sie, dass Kritik nicht möglich sei, weil die Muslime in Deutschland eine (sie meinen vermutlich sozial) marginalisierte Gruppe seien. Auch hier sehe ich nicht, wie man das als Argument gegen Kritik anführen kann. Ich möchte dazu folgendes zu bedenken gegeben. Auch die sogenannten Islamfeinde oder auch die bekennenden Nazis in Deutschland sind eine Minderheit und einen Großteil könnte man sicherlich als marginalisiert bezeichnen. Würde ich Ihrer Argumentation folgen, würde sich auch gegenüber dieser Gruppe Kritik verbieten. Das wollen Sie ja wohl nicht ernsthaft behaupten. Hier würden doch wahrscheinlich sehr viele zustimmen, dass bei dieser Minderheit Kritik unbedingt notwendig ist. Man könnte umgekehrt auch die Frage stellen, ob diese Minderheit nicht gerade deswegen marginalisiert ist, eben weil sie so kritikunfähig ist. Während auch das wahrscheinlich viele den Nazis und Islamfeinden gerne zugestehen würden, kommen sie bei den Muslimen dann schon wieder ins Zögern.

    Ich hoffe, ich kann Ihnen damit die Zweischneidigkeit Ihrer Argumente vor Augen führen, wer sie für sich vereinnahmen kann und warum sie damit letztlich keine Argumente gegen Kritik sein können. Entweder können alle Minderheiten kritisiert werden oder keine. Alles andere würde darauf hinaus laufen zwischen guten und schlechten Minderheiten zu unterscheiden und nur die schlechten sind kritikwürdig. Und unerwünschte Kritik wird dann als Islamfeindlichkeit denunziert. Leider schwingt genau diese Unterscheidung in ihrer Argumentation mit und Sie ergreifen für die vermeintlich gute Minderheit Partei und wollen sie vor Kritik in Schutz nehmen nur weil sie eine marginalisierte Minderheit ist.

    Ein weiteres und aus meiner Sicht viel größeres Problem, was sich für mich aus dieser Argumentation ergibt, ist, dass Sie den Muslimen in Deutschland und Europa auf diese Weise die Kritikfähigkeit absprechen. Was wollen Sie denn damit sagen, dass die Muslime eine marginalisierte Minderheit sind? Sind die deswegen zu doof mit Kritik umzugehen? Da frage ich mich, ob Sie nicht selbst, obwohl es Ihnen vermeintlich um den Unterschied zwischen Islamkritik und Islamfeindlichkeit geht, einem weit verbreiteten Vorurteil von Muslimen auf den Leim gehen? Nicht dem rechten negativen Vorurteil, sondern dem linken, tendenziell positiv besetztem Vorurteil vom armen Opfer. Wobei man dazu sagen muss, dass dieses Vorurteil als Selbstbeschreibung von einigen Muslimen gerne mal bedient wird. Dadurch wird es aber nicht besser, weil es letztlich nur die Unfähigkeit zu etwas in Anspruch nimmt, was man von Deutschen oder Europäern als selbstverständlich erwartet – nämlich Kritikfähigkeit. Das ist in meinen Augen im Prinzip genauso rassistisch und diskriminierend, wie die rechten Vorurteile gegenüber Muslimen.

    Wie wäre es denn damit, Muslime einfach wie ganz normale Menschen zu behandeln, die genauso viel oder wenig kritikfähig sind, wie alle anderen Menschen? Die positive Beantwortung dieser Frage würde letztlich auch die anderen von Ihnen genannten Punkte entweder aufheben oder zumindest abschwächen. Im Punkt eins machen Sie auf einen beachtenswerten Aspekt aufmerksam, der aber nur deutlich macht, wie sehr die Verantwortung bei jedem einzelnen im Alltag liegt. Was jedoch nicht heißen soll, nicht auch die Verbände in die Pflicht zu nehmen. Wenn wir uns einig sind, dass Islamkritik geboten und notwendig ist und Ihre Punkte letztlich nicht gelten gelassen werden können, weil sie den Muslimen die Kritikfähigkeit abspricht, dann bleibt nur noch die Schlussfolgerung, dass Kritik heute selbst zu einer hohen Kunst geworden ist, die nicht jeder beherrscht, aber im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens beherrschen sollte. Dann gilt aber auch, wer berichtigte Kritik nicht annimmt, der wird nicht ausgegrenzt, sondern der grenzt sich selber aus und muss dann auch mit den Konsequenzen leben.

  2. Wir scheinen uns lediglich darin einig zu sein, dass die Religionskritik bisher nicht „funktioniert“, vielleicht sogar eher negative Effekte zeigt. Meine Schlussfolgerung war aber ausdrücklich nicht(!), dass inhaltliche Kritik ausbleiben soll, sondern dass sie anders als bisher umgesetzt werden müsste.
    Ich nehme Ihre Hinweise zum Anlass für ergänzende Ausführungen:
    Zu Punkt 3: Eine Minderheit lässt sich zunächst viel leichter ausgrenzen. Zudem besteht immer das Risiko, dass eine Minderheit gegen die sich Kritik richtet, stärker zusammenhält – insbesondere wenn die Kritik von außen und zudem von einer wahrgenommenen Mehrheit kommt. Hinzu kommt dann noch Punkt 4, nämlich dass Muslime gehäuft in prekären Lebenslagen leben und aufwachsen. Benachteiligte Menschen haben kaum einen Zugang zu abstrakten Diskussionen (und das ist Religionskritik häufig), weil sie täglich ganz konkrete Probleme zu bewältigen haben. Zudem ist es ein bekanntes strukturelles Problem, dass benachteiligte Gruppen an gesellschaftlichen Diskursen gar nicht beteiligt sind. Damit ist Punkt 2 bereits berührt, nämlich dass die Muslime in Deutschland enorm divers sind – in vielerlei Hinsicht diverser als die Nicht-Muslime. Nationale Herkünfte und Sprachen: u.a. Türkei, arabische Staaten, Afghanistan, Iran, Bosnien, Albanien. Hinzu kommen Konvertierte mit und ohne Migrationshintergrund. Ohnehin gibt es diverse Konfessionen. Das Religionsverständnis und die Bedeutung der Religion weisen quer durch diese Unterscheidung eine beträchtliche Varianz auf. Etwa die Hälfte der Muslime hat die deutsche Staatsbürgerschaft. Muslime sind zunehmend in allen sozialen Schichten und Milieus vertreten (mit den üblichen Milieugrenzen über die hinweg kaum Austausch stattfindet). Selbst die muslimischen Gemeinden haben häufig kaum etwas miteinander zu tun, sehen sich zum Teil als Konkurrenten (sind manchmal sogar zerstritten). Muslime als Gruppe anzusprechen funktioniert also offenbar nicht. Und damit wären wir bei Punkt 1: Es gibt (noch) keinen Ansprechpartner bzw. Adressaten für Kritik.
    Das Problem hat meiner Meinung nach mit der Gesamtkonstellation zu tun – jeder einzelne Punkt lässt sich noch bewältigen… Diese Konstellation wird grundlegend geprägt durch zeitliche, soziale und sachliche Ungleichmäßigkeiten. Und dennoch soll diese Darstellung keine Argumentationsbasis gegen inhaltliche Religionskritik sein (und schon gar nicht dafür, Religionskritik zu untersagen), sondern eher für ein Erklärungsversuch für die derzeitige Situation. Es ist darüber hinaus kein Versuch, jemanden in Schutz zu nehmen, sondern danach zu fragen, weshalb Religionskritik so schwer fällt – und zunehmend am rechten Rand stattfindet.
    Die Gruppe der Muslime ist im Übrigen gerade nicht mit Rechtsextremen zu vergleichen. Und zwar u.a. aufgrund der Diversität, u.a. im Hinblick auf ihre Einstellungen sind sie sehr unterschiedlich und sie halten sich in der großen Mehrheit an das Recht. Und es geht keineswegs darum, dass sie nicht kritikfähig sind. Kritikfähigkeit ist überhaupt nicht die zentrale Kategorie. Vielmehr fehlt ein Diskurs. Für diesen bräuchte es Sprecher, die für die Gruppe(n) sprechen, und es bräuchte Räume für einen Diskurs (innerhalb der Muslime und auch nach außen). Das sind strukturelle Probleme, die mit individueller Kritikfähigkeit zunächst gar nichts zu tun haben… Wir leben in einer Gesellschaft, in der praktisch nur organisierte Akteure an Diskursen teilnehmen können. Man kann alles kritisieren, aber wirksame Kritik richtet sich bisher doch immer gegen ansprechbare Akteure: Nicht den Glauben, sondern die Kriche(n) kritisieren wir wirksam; nicht die Wirtschaft, sondern bestimmte Unternehmen; nicht die Demokratie, sondern Parteien oder die Regierung. Man kann natürlich auch die Wirtschaft kritisieren, aber wer fühlt sich dann angesprochen?
    Ihre Idee, jeden Muslim als „normalen“ Menschen zu betrachten, zeigt die Schwierigkeit doch auf grundlegende Weise: Was wollen sie dann kritisieren? Wie wollen sie 4 Millionen Menschen bewerten? Wer bewertet den Einzelnen? Und wie kann man dann über die erhöhte Anfälligkeit für Radikalisierung sprechen, wenn fast alle sagen: „Ich bin nicht radikal und kritisiere gewalttätiges Verhalten selbst. Das sind für mich keine Muslime.“ Genau das passiert derzeit doch. Religionskritik läuft so ins Leere oder erzeugt vielleicht sogar den Eindruck von „Sippenhaft“.
    Kurz: Es ist ein strukturelles Problem, dass sich weder durch Individualisierungen, noch durch Generalisierungen bewältigen lässt (und für das ich selbst auch keine realistischen Lösungsvorschläge habe).

    1. Sehr geehrter Herr Dr. Aladin El-Mafaalani,

      ich denke, dass ich jetzt verbeamteten Troll-Spezialisten und anderen genügend Raum gelassen habe, Ihre „wissenschaftlichen Erklärungen“ oder andere tiefsinnige Kommentare zu Ihrem Thema abzugeben!?

      Die Aubeute ist ja relativ dürftig, wie so oft im Blog, wenn es nicht gerade um so fundamentale soziologische Themen wie die „Fuzzy-Logik“ geht.
      Diese überwältigende Kommunikationsdichte an der Schnittstelle zwischen der universitären, sozial-politisch engagierten, sozialkonstruktivistischen Soziologie und der Öffentlichkeit/Fachöffentlichkeit ist übrigens auch ein interessantes Thema für eine sozialrealistische Soziologie.

      Deshalb nun ein Blick auf die Grenzen und den Rahmen des sozialkonstruktivistischen Paradigmas der Soziologie am Beispiel Ihres Themas.

      Warum dominiert Islamfeindlichkeit gegenüber rationaler Islamkritik?

      Eine sozialrealistische Soziologie z.B. auf der Basis meiner „Soziologie des Unbewussten“ führt zu folgender wissenschaftlichen Fragestellung:

      Warum nimmt die Islamfeindlichkeit in Deutschland und Europa zu (Verhaltensverteilung)?
      Welche Strukturen führen dazu, dass Islamkritik immer wahrscheinlicher in Islamfeindschaft umschlägt?

      Theoretische Prämisse:

      „Soziale Prozesse werden im Normalfall durch Macht/Gewalt (psychisch und physisch, individuell und strukturell) gesteuert.“

      Hypothesen:

      1.) „Es handelt sich um einen Kulturkampf zwischen der liberalistisch-sozialistischen Ideologie des Westens und dem Islam, insbesondere dem politischen Islam.“
      2.) „Die sozialkonstruktivistische Soziologie ist selbst ein Produkt der liberalistisch-sozialistischen Ideologie und verfügt über keine Theorie/Wissenschaftstheorie/Methodologie um die Differenz zwischen „Kritik“ und „Feindschaft“ sozialrealistisch zu begreifen.“
      3.) „Zentraler, fundamentaler Werte-Konflikt betrifft z.B. das Verhältnis Mann/Frau und das Verständnis von Familie, das sogar in der modernen, moslemischen Familie eine andere Struktur behält.“

      Eine Gegenüberstellung von Sozialkonstruktivismus/Sozialrealismus macht das Dilemma der Beamten-Soziologie deutlich:

      Sozialkonstruktivismus

      1.)normativ-synthetisch an Ausnahme-MÖGLICHKEITEN orientiert

      2.)gesinnungsethisch-moralistisch-bewertend

      3.)ignoriert soziale Naturgesetze

      4.)Methodologischer Individualismus/-Interaktionismus

      5.)Komplexitätsideologie/operativer Konstruktivismus

      6.)Gender-Studies (exemplarisch)/ Emanzipation

      Sozialrealismus

      Ad 1.) analytisch-wissenschaftlich an Regel-WAHRSCHEINLICHKEITEN orientiert

      Ad 2.) verantwortungsethisch-forschend

      Ad 3.) sucht nach sozialen Naturgesetzen

      Ad 4.) Methodologischer Strukturalismus

      Ad 5.) kritischer Realismus, Ontologie/Erkenntnistheorie

      Ad 6.) identifiziert als einen soziologischen Kern des politischen Islam den
      ideologisch/religiösen Zugang zum Verhältnis Mann/Frau/Familie

      Der Sozialkonstruktivismus geht, emotional-ideologisch für ihn naheliegend, von einer liberalistischen Aufklärung des politischen Islam aus und hofft auf eine Säkularisierung und Entmachtung wie sie das Christentum erlebt hat (Beispiel Reformation).

      Der Sozialrealismus geht davon aus, dass sich der Macht- und Kulturkampf zwischen der liberalistisch-sozialistischen Ideologie und dem politischen Islam zuspitzen wird, weil die liberalistische Ideologie des Westens selbst zunehmend schwächer wird und dem politischen Islam eine lohnenswerte Angriffsfläche bietet.

      Markantestes sozialrealistisch-objektives Datum an dieser Stelle ist die demographische Überlegenheit des Islam weltweit und die Selbstsabotage der liberalistisch-kapitalistischen Ideologie durch die familienfeindlichen Ergebnisse und ihre abnehmende Geburtenrate.

      Eine weitere grundlegende Schwäche der liberalistisch-sozialistischen Systeme im Westen, die sie ANGREIFbarer machen als historisch jemals zuvor sind der bürokratische Sozialstaatswahn, der die Menschen immer abhängiger und unselbständiger macht, der Gleichheitswahn mit seinen menschenverachtenden Wirkungen und Illusionen und die theoretische und politische Ignoranz und Blindheit der liberalistischen Ideologie gegenüber PSYCHISCHER Macht/Gewalt, die das soziale Verhalten der Masse/Mehrheit der Menschen in Medien-Gesellschaften steuert.

  3. Es mag ja sein, dass die strukturellen Probleme sich so gestalten. Ich bin mir aber schon nicht sicher, ob das wirklich als Erklärungsversuch reicht, denn Ihre Wahrnehmung, dass ein Diskurs fehlen würde, kann ich nicht teilen. Schon seit längerem wird doch auf verschiedenen Ebenen ausgiebig über den Islam gesprochen. Zudem finde ich Ihre Wahrnehmung zu sehr auf Stellvertreterdiskussionen verengt. Deswegen betonte ich, dass die Verantwortung in der interkulturellen Kommunikation heute auch bei jedem Einzelnen liegt. Man kann sie nicht nur auf die verschiedenen Repräsentanten abschieben, speziell wenn diese nicht mal den Anspruch erheben können für alle zu sprechen.

    Möglicherweise liegen wirksame Ansatzpunkt für Kritik nicht in einer historischen, theologischen oder soziologischen Argumentation, sondern darin die Konfliktpotentiale im Alltag aufzuzeigen, die sich aus bestimmten Erwartungshaltungen ergeben, seien sie nun islamischen Glaubensinhalten oder vorislamischen Traditionen geschuldet. Letztlich geht es dabei um die Förderung des wechselseitigen Verständnisses, warum sich jemand so verhält, wie er oder sie es tun. Dabei kann es auch nicht ausbleiben inakzeptables Verhalten zu benennen, zu begründen warum es inakzeptabel ist und gegebenenfalls zu sanktionieren. Ziel muss es letztlich sein, deutlich zu machen, dass man den Glauben nicht dazu benutzen kann, um irgendwelche Sonderrollen oder Privilegien für sich einzufordern. Das gilt letztlich natürlich für den Umgang mit allen Religionen, nicht nur für den Islam. Deswegen ist Religion in westlichen Gesellschaften heute eben nur noch Privatsache.

    Mein grundsätzliches Problem mit Ihrer Argumentation ist, dass Sie zwar zunächst Islamkritik befürworten, dann durch fünf Abers dieses Ja zu Islamkritik so stark einschränken, dass am Ende praktisch ein Nein steht. Ihre Ergänzungen bekräftigen dieses Nein sogar noch. Damit bieten Sie lediglich eine Problemdefinition an, die allerdings keine Lösungsmöglichkeiten zulässt. Somit liefert sie letztlich nur Gründe, warum Islamkritik nicht möglich ist. Als Arbeitsgrundlage bzw. Ausgangspunkt für eine Islamkritik, die nicht in Islamfeindlichkeit umschlägt, ist Ihre Problemdefinition daher äußerst unbefriedigend, um nicht zu sagen ungeeignet. Es stellt sich sogar die Frage, ob sie gerade weil sie letztlich keine wirksamen Ansatzpunkte für Kritik und Veränderung aufzeigt, nicht sogar noch Islamfeindlichkeit fördert. Was glauben Sie denn damit zu bezwecken, wenn Sie keine Möglichkeiten für Kritik aufzeigen können? Dann kann doch Ihre Problembeschreibung nur dazu dienen Islamkritik zu demotivieren. Das weckt genau die Verdachtsmomente, die ich in meinem ersten Kommentar geäußert habe. Hinzu kommt, dass Sie durch diese Problemdefinition den Muslimen die problematische Sonderrolle als von Kritik Unberührbaren zuweisen – ob Sie wollen oder nicht. Davon ausgehend wäre dann eine diskursive Eskalation so gut wie vorprogrammiert.

    Insofern kann Ihr Erklärungsversuch höchstens Aspekte aufzeigen, die man bei der wirksamen Kritik des Islams berücksichtigen sollte. Sie können aber keine Gründe dafür sein, warum man den Islam nicht kritisieren kann. Was Sie schreiben klingt erstmal hoch komplex. Sie machen es sich aber ziemlich einfach, wenn Sie lediglich zu dem Schluss „weder noch“ kommen. So lässt sich keine Lösung finden. Ich sage dagegen „sowohl als auch“. Da fängt es erst an auch bei der Lösungssuche komplex zu werden.

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