Nerds, Nerdettes #3 Provokation und Ächtung des Nerd

Könnte es sein, dass die Abwehr gegen die Piratenpartei mehr mit deren Nerdiness als mit Sachpolitik und Programmatik zu tun hat? Die harsche und oft recht emotional begründete Ablehnung der für ihr junges Alter doch vergleichsweise braven Partei wunderte mich schon 2009, als etablierte politische und publizistische Akteure erstaunlich heftig gegen sie zu polemisieren begannen. Doch dazu später mehr: Meine These für den heutigen Beitrag lautet, dass die Provokation, die die Piratenpartei für Manche darstellt, weniger in sachpolitischen Fragen oder in der politischen Konkurrenzsituation begründet liegt, als in der nerdiness der Partei.

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Nerds, Nerdettes #2 Die Anormalität des Nerd

Was bedeutet es, wenn Menschen von sich sagen: „Ich bin ein Nerd.“ Was bedeutet es, wenn Menschen über andere sagen: „Er/sie ist ein Nerd?“ Was bedeutet es, von „den Nerds“ im Plural zu sprechen? Mit dieser Frage will ich mich heute genauer auseinandersetzen.

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Nerds, Nerdettes #1 Eine begriffliche Invasion?

Ist der Nerd eine Sozialfigur, die interessant genug ist, um mit ihr eine Reihe von Blogbeiträgen im SozBlog zu eröffnen? Ich denke schon. In dem schönen Buch „Sozialfiguren der Gegenwart“ von Stephan Moebius und Markus Schroer (2010) tummeln sich unter anderen der Berater, der Hacker, der Amokläufer, der Dillettant und der Bürger/Weltbürger. Wutbürger und Nerd fehlen noch. Den Begriff nerd gibt es schon seit den 1950er Jahren. Er stammt ursprünglich aus einem Kinderbuch. Ab den 1980er Jahren wird er auch benutzt, um Hacker und andere computeraffine Männer zu labeln. In den 1990er Jahren taucht der Nerd vermehrt in amerikanischen Comedy-Serien auf – ich denke bspw. an Steve Urkel aus Familiy Matters.

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Lebensmittel einkaufen. Vertrauen, Konsum und moderne Gesellschaft in Deutschland und Asien

In Deutschland kaufen heute die meisten Verbraucher ihre Lebensmittel im Supermarkt oder in sog. Betrieben des „Außer-Haus-Konsums“, also Gaststätten, Imbissbuden und Kantinen. Produziert wird unser Essen in industrieller Massenproduktion in komplexen, differenzierten, globalisierten Produzenten-Zulieferer-Ketten. Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigt ein Blick nach Asien, und ein Blick in die deutsche Geschichte zeigt, dass unser Konsumverhalten ein relativ neues Phänomen ist. „Lebensmittel einkaufen. Vertrauen, Konsum und moderne Gesellschaft in Deutschland und Asien“ weiterlesen

Nicht jeder isst das Gleiche, oder: Verbrauchertypen und Esstypen

Wie bereits in der Diskussion über den Zusammenhang von Geschlecht, Milieu und Konsum angedeutet, sind nicht alle Verbraucher gleich – „den Konsumenten“ gibt es also nicht. Dennoch lassen sich oft in bestimmten Kulturkreisen, sozialen Milieus, ethnischen, Alters- oder Geschlechtergruppen typische Muster des Konsums identifizieren.

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Der Ernährer und die Hausfrau, oder: Der Arbeitnehmer und die Verbraucherin

Der Konsument und der Produzent sind nicht geschlechtsneutral: Der Arbeitnehmer (= Ernährer) ist historisch gesehen ein Mann, die Verbraucherin (= Hausfrau) eine Frau. Warum? Wie kam es dazu? Und welche Bezüge weisen Konsum- und Wirtschaftssoziologie zur Debatte um das Ernährer-Hausfrau-Modell sowie die weibliche Karrierechancen auf?

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Der Verbraucher und die Rolle des Konsums auf modernen Massenmärkten

Erst der Konsum schließt auf kapitalistischen Märkten den Güter- und Geldkreislauf. Gleichzeitig konstruieren Konsumenten in Interaktion untereinander und mit anderen Marktakteuren den sozialen Wert von Produkten und damit die Marktfähigkeit und den potenziellen Preis eines Produkts. Konsumentenmärkte sind damit zentral für die Entstehung von Produktpräferenzen.

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Die Koppelung von Arbeitsmarkt und Sozialstaat über das Ernährer-Hausfrau-Modell

Einer der stärksten politisch regulierten Märkte ist der Arbeitsmarkt. Arbeitsmarkt und Sozialstaatsind in fast allen Industrieländern eng miteinander gekoppelt, d.h. gesetzliche Rahmenbedingungen fördern bestimmte Lebensformen (und erschweren damit gleichzeitig andere). In West-Deutschland weisen diese institutionellen Arrangements (die nach der Wende zumindest teilweise auf Ostdeutschland übertragen wurden) seit Mitte der 1960er zusätzlich eine Geschlechterkomponente auf (Baur 2007, Hofmeister et al. 2009). Wie sieht diese spezifische Koppelung aus?

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Konsumgütermärkte als komplexe Interaktionsketten. Ein Zwischenfazit

Anfang März hatte ich mir das Ziel gesteckt, meine Zeit auf diesem Blog einerseits zu nutzen, um verschiedene Textformate auszuprobieren, andererseits in dieser Zeit (im Sinne der „Public Sociology“, die Soziologie als Krisenwissenschaft deutet, die Deutungsangebote bereitstellt) ein aktuelles Thema herauszugreifen und zu diskutieren. Da ich selbst mich sehr stark für Märkte interessiere, habe ich angesichts der Lebensmittelskandale der vergangenen Monate den Lebensmittelmarkt als konkretes Beispiel einen Konsumgütermarkt ausgewählt, mit der Absicht, einen Beitrag zu dem Versuch leisten, moderne (Lebensmittel-)Märkte und die Risikoproduktion auf diesen Märkten besser verstehen. Da ich jetzt ungefähr bei der Hälfte meiner Schreibzeit angekommen bin und am Montag (zumindest hier in Berlin) die Vorlesungszeit anfängt, ist dies ein guter Zeitpunkt, um ein Zwischenfazit zu ziehen: Was habe ich bisher gemacht? Wie ordnen sich die bisherigen Beiträge in das Gesamtgefüge ein? Und was plane ich noch, in den nächsten Wochen zu schreiben?

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Grenzen inmitten der Stadt einziehen. Die Konstruktion des Heiligen im öffentlichen Raum

Laut Georg Simmel gehört zu den Eigenheiten der modernen Gesellschaft ihre Ambivalenzglobale Trends gehen mit lokalen Besonderheiten einher. Ein Beispiel für solche lokalen Beharrlichkeiten ist der thailändische Buddhismus. Wie überall, verliert die Religion im Zuge der Modernisierung auch in Thailand auf den ersten Blick an Bedeutung. Sie verschwindet (scheinbar) aus dem Alltag und wird an den Rand der Gesellschaft gedrängt – räumlich symbolisiert dadurch, dass der moderne Mensch in Großstädten wie Bangkok lebt, während der Mönch klassischerweise in Klöster in Wäldern und Bergen abseits jeglicher Zivilisation pilgert und sich dort zurückzieht. Diese Pilgerschaften werden neuerdings zurück in den öffentlichen Raum inmitten der Stadt geholt – wodurch sich die Frage stellt, wie man in einer modernen Metropole die Grenzen zwischen Heiligem und Profanen zieht.

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Deutsche Wirtschaftsregionen. Über die Regionale Variation der Lebenschancen in Deutschland

Nachdem ich nun Einiges über die soziale Konstruktion des Raumes geschrieben habe, möchte ich zurückkehren zum Wechselverhältnis von Wirtschaft und Raum. Wie ich bereits angedeutet habe, sind diese auf vielerlei Weise miteinander verbunden, etwa über die Verlängerung der Produktionsketten, die sich u.a. in Standortverlagerung und Globalisierung auswirkt. Gleichzeitig sind regionale Disparitäten eine altbekannte Dimension sozialer Ungleichheit. Die Sozialstrukturanalyse geht dabei klassischerweise von absoluten Raumvorstellungen des Behälterraums aus, d.h. sie nimmt Räume als gegebenen Handlungsrahmen. Dabei fallen u.a. gravierende Unterschiede der Lebens- und Arbeitsmarktchancen, d.h. es macht einen großen Unterschied, an welchem Ort man geboren wurde bzw. lebt.

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Mönche und Alltagsmenschen. Grenzziehungspraktiken zwischen Heiligen und Profanen im Buddhismus

Im Buddhismus wird noch deutlicher als auf der Kumbh Mela, dass Grenzen in der Interaktion sozial konstruiert werden. Das Heilige ist hier nicht ein physisches Objekt (Kirche, Wasser), sondern der Mönch selbst – und anders als die hinduistischen Naga Babas bewegen sich buddhistische Mönche ganz normal durch südostasiatische Städte. Selbst personal ist das Mönchsein nicht abgegrenzt (wohl aber geschlechtlich): Auch wenn es im Buddhismus ebenso wie im Christentum Mönche auf Lebenszeit gibt, können buddhistische Männer mehrmals im Lauf ihres Lebens zwischen dem Status des Mönchseins und dem Status des Alltagsmenschen hin- und herwechseln. Dieses transitorische Mönchsein nimmt oft die Form einer rituellen Reinigung vor einer wichtigen Statuspassage an (Erwachsenwerden, Hochzeit). Obgleich das oberste Ziel des Mönches ist, sich von den irdischen Begierden loszulösen, so ist sein Da-Sein doch zutiefst in den Alltag eingebettet. Die Grenze zwischen Heiligem und Profanen verläuft folglich hier genau zwischen der Raum-Zeit-Koordinate, auf der sich der Mönch findet, und der Umwelt. Wie wird hier die Grenze zwischen Heiligem und Profanen konstruiert?

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Raum als Syntheseleistung, oder: Die vielen Gesichter Chinas

Zur sozialen Konstruktion von Raum bedarf es u.a. einer Syntheseleistung: Menschen fassen bestimmte Menschen- und Güteransammlungen zu Räumen – also zu einer Sinneinheit – zusammen, nehmen sie als solche wahr, stellen sie sich als solche vor und erinnern sich an sie auf diese Art und Weise (Löw 2001: 159, 263; Elias 1969). Dabei fassen wir durchaus auch recht Unterschiedliches und Heterogenes zusammen. So lesen wir etwa in der Presse immer wieder von „Deutschland“, „Frankreich“, „Großbritannien“ oder „China“, und wir gehen implizit dabei vom nationalstaatlichen institutionellen Rahmen sowie einer „kulturelle Einheit“ oder „Ähnlichkeit“ innerhalb des Raumes aus. Wie brüchig diese Konstruktion von Einheitlichkeit ist, wird am Beispiel von China deutlich.

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Spiegel Online als Aldi des Zeitungswesens. Marktmechanismen und Preiswettbewerb auf dem Medienmarkt

Auch wenn wir sie im Alltag Medien hauptsächlich zur Unterhaltung und Informationsgewinnung nutzen, sind auch die Medien ein Markt. Seit Anfang der 1990er können wir hier eine zunehmende Konzentration und in Deutschland insbesondere ein massives Zeitungssterben beobachten. Jüngstes Opfer ist die FR, die nach ihrer Insolvenz zwar von der FAZ übernommen wurde – allerdings nicht ohne massive Personalkürzungen von 420 auf 28 Mitarbeiter (Bigalke/Riehl 2013). Eine der Hauptursachen für diese Entwicklung ist ein Preiswettbewerb, der ähnlich hart ist wie auf dem Lebensmittelmarkt – vorangetrieben wird er nicht von Aldi, sondern von Spiegel Online.

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Managergehälter und Armutsbericht. Der Arbeitsmarkt als Mittler zwischen Wirtschaft und Gesellschaft

Während derzeit einerseits die öffentliche Empörung über zu hohe Managergehälter so weit geht, dass diskutiert wird, diese zu beschränken, berichtet der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, dass trotz relativ geringer Arbeitslosenquoten etwa jeder siebte Bundesbürger von Armut bedroht ist. Dies verweist auf die besondere Rolle, die der Arbeitsmarkt in modernen Gesellschaften – und die Soziologie – hat.

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