Der Nutzer als Mitentwickler – „Ja, wo laufen sie denn?“

Wir hatten in unserem vorletzten Beitrag bereits Bezug auf Infrastrukturen genommen und angedeutet, dass mit sozialen, zeitlichen und räumlichen Entgrenzungen durchaus Begrenzungen einhergehen. In unserem heutigen Beitrag wollen wir uns mit einer Debatte befassen, die an der Schnittstelle von Cultural Studies und STS angesiedelt ist (siehe bereits Mackay and Gillespie) und unter verschiedenen Labeln und Teildisziplinen mal aus einer technologisch-ökonomischen Perspektive als „Web 2.0“, mal aus einer noch stärker die Nutzenden in den Blick rückenden Perspektive als „participatory culture“ und letztlich auch aus einer Innovations-Genese Perspektive als „democratizing innovation“ diskutiert wird. Im Anschluss daran stellt sich für uns dann die Frage, welche Voraussetzungen an Beteiligung (sowohl hinsichtlich der technologischen Infrastruktur als auch in der Medienarchitektur) bzw. an gestalterischen Eigenleistungen von Userinnen und Usern damit eigentlich impliziert sind?

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Das Web und die Soziologie

Liebe Leserin, lieber Leser,

als ich vor einigen Monaten gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, für zwei Monate den Soziologie-Blog zu bestreiten, habe ich spontan zugesagt. Bislang habe ich keinerlei Erfahrung mit der Praxis des Bloggens. In den letzten Semestern haben mir aber die Studentinnen und Studenten klar gemacht, dass dies ein „professionelles Manko“ sein könnte. „Das Web und die Soziologie“ weiterlesen

Vom Buchdruck zum Social Web: Medien zwischen Subversion und Reproduktion

Von Benjamin Köhler

Medienentwicklung (als technischer Wandel) und Veränderungen gesellschaftlicher Strukturen (als kultureller Wandel) bedingen sich immer wechselseitig (vgl. Ogburn 1957, Gillwald 2000), wobei neue soziale Praktiken und Techniken einen langen Weg des Aushandelns und Ausprobierens gehen (vgl. Jäckel 2005; Rammert 2007). Techniken und Medien werden dabei von Menschen entworfen, routinisiert und langfristig so in die alltäglichen Praktiken verinnerlicht, dass sie zum festen Teil des Menschseins werden und einerseits Umbrüche provozieren, andererseits, etablierte Praktiken und Institutionen aufrechterhalten können. Die Pioniergeneration hat immer zu Beginn der Nutzung neuer Medien die Chance, vorübergehende Gegenöffentlichkeiten zu schaffen und gegenwärtige Herrschaftsstrukturen zu irritieren oder sogar fundamental in Frage zu stellen (vgl. Wimmer 2008; Winter 2010). In meinem zweiten Beitrag möchte ich mich eher mediensoziologisch mit dem Wandel von Medien im Spannungsfeld zwischen Subversion und Reproduktion beschäftigen und dabei den Buchdruck, das Fernsehen und das Social Web in den Vordergrund rücken.

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Sense and Sensibility #1 Der Grundsatz der Anonymität unter digitalen Bedingungen

In diesem und dem nächsten Beitrag will ich zwei forschungsethische Probleme behandeln, die für meine aktuellen soziologischen Arbeit eine Rolle spielen. Ich habe (leider) keine Lösungen, sondern nur sehr viele Fragen anzubieten, die aber sicher nicht nur mich betreffen.

In der Hoffnung darauf, dass Reflexion an und für sich einen Wert hat, soll es heute zunächst um die Frage gehen, ob und wie sich der Grundsatz der Anonymisierung unter digitalen Bedingungen verändert.

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Kommentiert! (Weshalb ein Blog kein Oberseminar ist)

Bevor ich in den kommenden Beiträgen wieder zu soziologischen Beobachtungen komme, ist es mir ein Anliegen, noch einen weiteren Meta-Artikel abzusetzen. Und zwar zum Thema der Nichtnutzung der Kommentarfunktion aus Gründen der Zurückhaltung.

Ich selbst bin eine passive Blogleserin. Ich kommentiere selten und noch seltener schreibe ich mehr als eine Zeile Kommentar. Artikel, die mir gefallen, empfehle ich via Facebook oder Twitter weiter. Über Artikel, die mir missfallen, ärgere ich mich still oder lästere darüber in Personal Messages mit Freund*innen. Daher habe ich mich sehr über die vielen Kommentare, die ich bekomme, gefreut. Die Kommentarsituation ist aufregend, weil es schnelles Feedback gibt und ich mit Leuten diskutieren kann, deren theoretischen und praktischen Hintergrund ich nicht kenne, mit denen ich ohne diesen Blog vielleicht nie ins Gespräch gekommen wäre. Manche Menschen schreiben so bedacht und aufwändig, dass sie Stunden dafür gebraucht haben müssen. Das ist ein großes Geschenk. Ich war also von Anfang an sehr glücklich mit „meinen“ Kommentator*innen und habe mir gar nicht weiter Gedanken dazu gemacht…

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Für mehr #Soziologie auf Twitter #2

Zunächst will ich schreiben, wie sehr ich mich über all die #Soziologie-Tweets gefreut habe. Ich habe aufgegeben, die Posts, zu zählen, von der mageren Ausbeute vor einer Woche sind wir aber meilenweit entfernt. Außerdem findet sich auf der DGS-Seite nun ein Reiter (wenn sie etwas runterscrollen und den Blick rechts ausrichten, sehen sie ihn), der die #soziologie-Posts für all jene dokumentiert, die keinen Twitterzugang haben oder haben wollen. Très chic. In diesem Beitrag will ich – bevor ich mich in den nächsten Tagen wieder anderen Themen zuwende – einige der in der angeregten Diskussion in den Kommentaren zum ersten Beitrag gefallenen Argumente versammelt aufgreifen. Ich will dabei nochmal präziser herausarbeiten, weshalb ich der Meinung bin, dass Soziologinnen und Soziologen von der Beschäftigung mit Social Media profitieren können.

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Für mehr #Soziologie auf Twitter #1

Es ist nicht zu übersehen, dass die etablierte deutschsprachige Soziologie sich der Nutzung digitaler Medien weithin enthält. Ein Beispiel hierfür: die wenigen #Soziologie-Posts im Microblogging-Dienst Twitter. Twitter ist ein Medium, dass es ermöglicht, kurze Nachrichten von 140 Zeichen abzusetzen, mit Links und Hashtags (#-Zeichen) zu versehen. Der Hashtag #Soziologie ermöglicht es beispielsweise, alle Nachrichten, die so ausgezeichnet wurden, zu betrachten, #SozBlog wäre der Hashtag für diesen Blog. Die Nutzung des Hashtag ermöglicht es, auch Nachrichten von Nutzerinnen und Nutzern zu sehen, denen man nicht direkt „folgt“ – deren Nachrichten man also nicht abonniert hat. Ich selbst habe das Medium durch eine Forschungsarbeit über politische Kommunikation kennen gelernt und bin seither sehr fasziniert von seiner potentiellen Reichweite und Schnelligkeit.

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SozBlog als Mittel für Public Sociology?

Vor zwei Monaten habe ich geschrieben, dass ich zwar finde, dass die Soziologie – im Sinne der „Public Sociology“ – der Öffentlichkeit Deutungsangebote bereitstellen sollte, dass ich aber nicht sicher bin, ob Blogs hierfür die geeignete Form sind und dass ich es (für mich) schlicht ausprobieren muss. Heute – an meinem letzten Tag auf diesem Blog – möchte ich diese Frage noch einmal aufgreifen und mit einer Bitte an die Leser um Feedback verbinden – insbesondere an die Nicht-Soziologen unter Ihnen, an diejenigen, die regelmäßig gelesen haben sowie diejenigen, die sonst nie etwas kommentieren (sozusagen die schweigende Mehrheit).

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Public Sociology. Über die Soziologie als Krisenwissenschaft

Auf diesem Blog wurde mehrmals die Frage gestellt, worin der Sinn des Bloggens oder – allgemeiner – der Sinn der Soziologie liege. Dies ist keine neue Frage – in der Tat stellt sich die Soziologie diese immer wieder selbst und muss sie sich vielleicht als „ewig jugendliche Wissenschaft“ (Weber 1904: 206 [1]) immer wieder stellen.

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Bloggen als Arbeits- oder als Ausdrucksmedium oder als was?

Die Reaktionen auf meinen ersten Blog-Artikel haben mich sehr überrascht. An sich hatte ich nur vor, meine begrenzten Vorstellungen über das Bloggen auszudrücken und mir meine Vorbehalte gegenüber dem Bloggen von der Seele zu schreiben, um so sowohl einen Kommunikationskontakt mit ähnlich denkenden Lesern und Leserinnen zu bekommen, aber auch, um mir selbst über das Medium klarer zu werden. Denn nur wenn man eine ungefähre Vorstellung davon hat, welches Kommunikationsmediums man sich gerade bedient und wer die möglichen Leser sind, kann man überhaupt schreiben.

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Mikroblogging: kurz, schnell und unberechenbar (3/3)

Der Versuch einer soziologischen Interpretation des Phänomens Mikroblogging im letzten Post hatte zu drei Thesen geführt, die mit den Schlagworten „Häppchenkommunikation“, „Subjektivierter Stil“ und „Ultrabeschleunigung“ überschrieben wurden. Mit vier weiteren Thesen soll das Bild komplettiert werden. Dies kann und will insgesamt nicht mehr sein als eine erste Annäherung an dieses eigenwillige Medium auf Basis persönlicher Erfahrungen (als ein „Selbstversuch“ begleitend zu einem Forschungsprojekt). Ein Medium, das sich derzeit mit großer Dynamik verbreitet, deren Konsequenzen noch kaum abschätzbar sind. Wenn man regelmäßig ‚twittert‘, kann man regelrecht zuschauen, wie sich die Formen entwickeln und der Kreis der Nutzer sprunghaft erweitert und dabei verändert. „Mikroblogging: kurz, schnell und unberechenbar (3/3)“ weiterlesen

Mikroblogging: kurz, schnell und unberechenbar (2/3)

Nachdem im ersten Teil des Posts der Mikrobloggingdienst Twitter mit einigen seiner Besonderheiten und etlichen Beispielen vorgestellt wurde, soll es im Folgenden um den Versuch einer soziologischen Interpretation gehen. Leitende Annahme dabei ist, dass Twitter als paradigmatisches Beispiel für zentrale Momente des Wandels gesellschaftlicher Kommunikation im Übergang zur spätmodernen Gesellschaft verstanden werden kann, an dem sich zugleich wichtige Aspekte des allgemeinen sozialen Strukturwandels studieren lassen. Dazu einige Andeutungen. Da die Thesen relativ ausführlich geraten sind, werden sie auf die Einträge dieser und nächster Woche verteilt – ich hoffe, das ist im Sinne der Leser:

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Wen bedrohen die webaffinen Enterhorden?

Piraten  galten lange als historisches Relikt. Sie waren nur noch ein Thema für kleine Jungs (manchmal auch Mädels), kitschige Hollywoodschinken und Spielzeughersteller – bis vor Somalia eine unerwartete Welle von neuartigen Freibeutern wieder einmal zum Ärgernis für den Welthandel wurde (mehr). Aber spätestens seit diesem Wochenende haben auch noch die letzten Ignoranten gemerkt, dass wir im eigenen Land von oft schwarzgekleideten politisch einäugigen Enterhorden bestürmt werden – und alle fragen sich, was das ist?

Die neue Partei ist selbstredend ein Thema für die unmittelbar politisch bedrohten Konkurrenten – vor allen für diejenigen, aus deren Stammklientel sich die in nun virtuellen Gewässern herumtreibenden neuen Piraten rekrutieren, allen voran die Grünen, teilweise auch die in Berlin regelrecht zerlegte FDP und die sich laut schnaufend über Wasser haltende SPD.

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Mikroblogging: kurz, schnell und unberechenbar (1/3)

Als ich vor eineinhalb Jahren zu „tweeten“ begann, wusste ich eigentlich nicht wirklich, auf was ich mich da einlasse. Ein Forschungsprojekt zur Arbeit im Web2.0 hatte den Anstoß dazu gegeben, selber im Feld der Social Media primäre Erfahrungen sammeln zu wollen– und da bot es sich an, gleich das neueste Medium auszuprobieren. Erst mit der Zeit lernte ich, damit umzugehen. Inzwischen erlebe ich die Beschäftigung mit Twitter als anregende persönliche und nicht zuletzt auch soziologische Erfahrung, aber gelegentlich kann sie auch anstrengend werden (z.B. wenn man glaubt, die Follower regelmäßig ‚bedienen‘ zu müssen, weil sie einem sonst ‚untreu‘ werden könnten – was passieren kann).

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„Die DGS hat jetzt einen Blog“ …

… wurde neulich von einigen soziologisch interessierten Tweetern verbreitet. Für die einschlägige Community war diese Neuigkeit  vermutlich nicht besonders aufregend, wurde aber immerhin mit Interesse registriert. Der/die Eine oder Andere aus dem soziologischen Umfeld mag aber ob dieser Initiative der DGS irritiert die Stirn gerunzelt haben.

Dass ich das Vorhaben sehr begrüße, lässt sich an meiner Bereitschaft erkennen, die ehrenvolle Einladung anzunehmen, erster Autor zu sein. Mehr noch: die Übernahme der ja nicht ganz risikolosen Aufgabe (man setzt nicht nur erste Vorgaben, sondern macht vielleicht auch die ersten Fehler …) kann sogar als dezidiertes Plädoyer verstanden werden: „„Die DGS hat jetzt einen Blog“ …“ weiterlesen