Im Buddhismus wird noch deutlicher als auf der Kumbh Mela, dass Grenzen in der Interaktion sozial konstruiert werden. Das Heilige ist hier nicht ein physisches Objekt (Kirche, Wasser), sondern der Mönch selbst – und anders als die hinduistischen Naga Babas bewegen sich buddhistische Mönche ganz normal durch südostasiatische Städte. Selbst personal ist das Mönchsein nicht abgegrenzt (wohl aber geschlechtlich): Auch wenn es im Buddhismus ebenso wie im Christentum Mönche auf Lebenszeit gibt, können buddhistische Männer mehrmals im Lauf ihres Lebens zwischen dem Status des Mönchseins und dem Status des Alltagsmenschen hin- und herwechseln. Dieses transitorische Mönchsein nimmt oft die Form einer rituellen Reinigung vor einer wichtigen Statuspassage an (Erwachsenwerden, Hochzeit). Obgleich das oberste Ziel des Mönches ist, sich von den irdischen Begierden loszulösen, so ist sein Da-Sein doch zutiefst in den Alltag eingebettet. Die Grenze zwischen Heiligem und Profanen verläuft folglich hier genau zwischen der Raum-Zeit-Koordinate, auf der sich der Mönch findet, und der Umwelt. Wie wird hier die Grenze zwischen Heiligem und Profanen konstruiert?
Zunächst existieren wie bei der Kumbh Mela Zugangsordnungen: Mönch können etwa in Thailand (offiziell) nur gesunde, heterosexuelle Männer werden. Tätowierungen sind nur erlaubt, sofern es sich um religiöse Tätowierungen handelt.
Um Mönch zu werden (selbst wenn es nur für eine kurze Zeit ist), werden zudem spezifische Übergangsrituale vollzogen: Am Vorabend der Ordination veranstaltet die Familie i.d.R. eine große Feier, zu der Verwandte, Bekannte oder gar das ganze Dorf eingeladen werden. Am Tag der Ordination selbst findet zunächst eine Prozession dreimal um das Kloster statt (und es wird ein Vertrag unterzeichnet), bevor die Mönche ordiniert (buchstäblich: eingekleidet) werden und ihre Opferschalen überreicht bekommen.
Ein Mönch soll nämlich keine irdischen Besitztümer begehren und ihnen daher abschwören. Bis auf seine orangene Robe, einen Schirm (gegen Hitze und Regen), eine Almosenschale sowie ein paar Schuhe soll er nichts besitzen. Ein relativ neues Accessoire ist das Handy, das umstritten, aber geduldet wird – da ein Mönch lernen soll und das Internet ein wichtigstes Kommunikationsmedium ist, ist es eine Streitfrage, ob man dazu ein Handy braucht. Das Internet zu nutzen, ist aus denselben Gründen in Ordnung (wenn es auch nicht in Ordnung ist, einen Computer zu besitzen).
Auch für die übrigen Buddhisten existieren Kleidungsregeln, zumindest wenn sie heiligen Boden betreten. Orange ist den Mönchen vorbehalten – die Laien tragen bei besonderen Anlässen Weiß. Bei der Ordination wird der Übertritt vom Alltagsmenschen zum Mönch daher auch markiert durch das Wechseln von weißer zur orangen Kleidung. Wichtig ist aber auch bei Alltagsmenschen, dass die Kleidung ziemlich ist, d.h. der Körper v.a. von Frauen sollte von den Schultern bis zu den Knien bedeckt sein (notfalls mit einem Tuch).
Der Grund ist ein einfacher: Der Mönch soll ja allen irdischen Versuchungen abschwören, und dazu gehört auch die Lust nach einer Frau. Die Höflichkeit gebietet daher, dass die Frau alles tut, damit der Mönch nicht in Versuchung gerät. Neben der unaufreizenden Kleidung gehört hierzu ein absolutes Berührungstabu – wenn eine Frau einem Mönch einen Gegenstand gibt, darf sie ihn daher nie direkt übergeben.
Der Gegenstand muss vorher entweder durch die Hände eines (Alltags-)Mannes gehen, oder er wird in die Opferschale gelegt (ohne sie zu berühren).
Alternativ wird die Gabe auf ein Tuch gestellt, und der Mönch nimmt ihn dann, nachdem der Gegenstand die Hände der Frau verlassen hat.
Dieses Berührungstabu ist so stark internalisiert, dass es in Südostasien selbst in der dichtesten Menge fast nie zu versehentlichen Berührungen von Mönchen und Alltagsmenschen kommt – die Menge weicht unbewusst aus, und sollte ein unbedarfter Tourist dem Mönch zu nahe kommen, geht dieser fast beiläufig einen Schritt zu Seite.
Sollte es übrigens versehentlich zu einer Berührung kommen, muss das nicht notwendig eine Transgression sein – es hängt von der geistigen Feste des Mönches ab, ob die Berührung eine Versuchung darstellt (dann ist sie auch eine Transgression) oder nicht. Gerade in Klöstern mit vielen Ausländern haben deshalb v.a. oft sehr erfahrene Mönche Kontakt mit Touristen, weil Erstere durch die Unbedarfheit und Tölpeligkeit Letzterer nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen sind und sie besser interaktiv ausgleichen können. Es wird folglich vorausschauend eine peinliche Situation vermieden.
Sollte es trotzdem zu einer Transgression kommen, passiert der Frau übrigens gar nichts – es ist der Mönch, der sich aufwändiger Reinigungsrituale unterziehen muss (weshalb es eben, wie gesagt, die Höflichkeit umso mehr gebietet, dies mit allen Mitteln zu verhindern, weil ja der Andere die Folgen des eigenen Fehlverhaltens tragen muss).
Neben dem Berührungstabu festigen weitere Rituale die Grenze zwischen Heiligem und Profanen: Die Gläubigen sollen den Kopf niedriger halten als der Mönch (daher knien sie üblicherweise – und um es den Gläubigen leichter zu machen, sitzen die Mönche oft erhöht auf Podesten). Wie bei der Kumbh Mela soll der Gläubige die Schuhe ausziehen, wenn er heiligen Raum betritt – hier nicht das Wasser, sondern der Aufenthaltsort des Mönches, symbolisiert durch die Türschwelle des Klosters (die im Übrigen überschritten und nicht betreten werden sollte).
Auch wenn Gebäude nicht erforderlich sind, so unterstützen sie doch die Trennung zwischen den Welten – die Klostertür ist eine Schwelle zu einem Raum, in dem besondere Rituale vollzogen werden. Das Kloster ist zunächst der Rückzugsort der Mönche, in dem sie in Ruhe meditieren und beten können und insofern ein geschützter Raum.
Diese Geschütztheit wird ebenfalls nicht baulich, sondern interaktiv hergestellt – die Klostertüren sind fast immer offen, und die Mönche sitzen zwar i.d.R. abseits oder etwas höher, aber es gibt keine physischen Barrieren, die sie abtrennen. Und auch wenn es durchaus verbotene Bereiche gibt, so ist doch sehr viel mehr zugänglich als etwa in einem deutschen Kloster. Dem Mönch soll es ja egal sein, ob die Gläubigen da sind, und er soll über den Dingen stehen.
Es ist schlicht so, dass die Gläubigen die Mönche nicht bei ihren Tätigkeiten stören und z.B. auch nicht in die Wohnbereiche der Mönche gehen. Man weiß einfach, wo man nicht hingeht. Gläubige und Mönche vollziehen im Kloster – wie durch eine unsichtbare Mauer getrennt, die nur der Mönch überschreiten kann – parallel ihre Rituale. Für die Gläubigen heißt das: Sie können mit dem Mönch interagieren, wenn er dazu bereit ist (sich segnen lassen, spenden usw.). Es ist aber der Mönch, der Interaktionen mit den Gläubigen eröffnet. Die Interaktionsbereitschaft wird etwa durch das sitzende Warten an bestimmten Orten markiert.
Alternativ können die Gläubigen im Kloster mit den dort platzierten Artefakten interagieren (Gold auf Buddha-Statuen kleben, Räucherstäbchen anzünden, Blumen niederlegen usw.).
Umgekehrt tritt der Mönch regelmäßig aus dem Kloster in die Welt heraus, um mit dem Weltlichen zu interagieren, d.h. auch hier eröffnet er die Interaktion durch Signalisieren der Interaktionsbereitschaft. Ritualisiert ist dies v.a. in Formen von Almosengängen, die selbst in Städten wie Bangkok jeden Morgen stattfinden. Diese haben einen doppelten Zwecke: Einerseits soll der Mönch ja nichts begehren, nichts besitzen, nichts anstreben. Es obliegt daher der Gemeinde, ihn zu ernähren und ihn einzukleiden, und da Mönche fast ausschließlich Männer/Söhne sind, sind es v.a. die Frauen/Mütter, die so das Tun der Mönche unterstützen. Dies ist aber das Nebensächliche – hauptsächlich erweist der Mönch dem Alltagsmenschen eine Gnade, weil er ihm die Möglichkeit gibt, über das Opfer Gutes zu tun. Gleichzeitig wird genau dadurch die Grenze zwischen Heiligem und Profanen interaktiv (re)produziert und dadurch gefestigt.
Die Grenze zwischen Heiligem und Profanen ist im Buddhismus folglich zwar scheinbar fließend (weil v.a. interaktiv hergestellt), aber gleichzeitig sehr fest. Das sieht man v.a. dann, wenn man die für unsere Verhältnisse sehr verblüffenden Grenzüberschreitungen bzw. Brüche beobachtet.
So ist es für den thailändischen Buddhisten kein Problem, wenn er in die Ruinen von Ayutthaya (die alte Königsstadt und ein Weltkulturdenkmal) zum Sightseeing geht, die alte Klosteranlagen gleichzeitig zwischendurch zur Ausübung der Religion zu verwenden.
Ebenso ist es kein Problem, im Kloster selbst während eines Rituals wie der Ordination zwischendurch zu telefonieren oder fotografieren (solange man Andere nicht dabei stört) – und auch die Mönche sieht man durchaus beim Fotografieren.
Schließlich wird in ländlichen Gegenden von Laos etwa das Kloster immer noch ausschließlich von der Bevölkerung versorgt, aber in Städten wie Bangkok versorgen sich die Mönche durch aus selbst – und kaufen z.B. von den Opfergaben ein. Das sind v.a. religiöse Artefakte wie Amulette, können aber auch Lebensmittel sein.
Es handelt sich hier, in ihrer wunderbaren Beschreibung aber um den Theravada – Buddhismus. Welcher auch Hinajana ( das kleine Fahrzeug ) genant wird, neben dieser, ältesten Form gibt es.auch noch Mahajana- und Vashrajana-Buddhimus, welche als Weiterentwicklung betrachtet werden und sich nicht mehr nur auf die eigene Erlösung konzentrieren, sondern dem wohl des ganzen Kosmos gewidmet ist. Und sich in der Praxis erheblich von einander unterscheiden können, auch kulurelle Einflüsse spielen eine große Rolle, was die äussere Form betrifft.
(auch wenn es nur ein „Wikipedia -Artikel“ ist, ist er diesbezüglich, doch sehr informativ.)
Wiso es mir nicht gelang einen Link zu positionieren, ist mir Schleierhaht, meinem Nachvolger gelang es doch auch ? Zweiter Versuch: http://de.wikipedia.org/wiki/Buddhismus und wenn es wieder nicht gelang, für Interessierte, einfach mal bei Wikipedia unter Buddhismus nach fragen.
Lieber Emsell,
mir geht es due Hälfte der Zeit genauso – momentan kommt nich dazu, dass die Webseite umgestellt wird – vielleicht liegt es daran.
Vielen Dank jedenfalls für den Link.
Herzliche Grüße,
Nina Baur