Mediale Darstellungen von Vätern in Elternzeit

Gefällt mir? – Mark Zuckerberg in Elternzeit.

Kurz vor der Geburt seiner Tochter Maxima gab Mark Zuckerberg im November 2015 bekannt, dass er Elternzeit nehmen wird. Medienvertreter_innen und Facebook-Nutzer_innen griffen sowohl seine Ankündigung, als auch die Bilder, die er aus seiner Elternzeit postete, begeistert auf. Hat es nur etwas mit dem Teile-alles-mit-allen-Medium Facebook zu tun, dass uns Zuckerberg so schön teilhaben lässt an seiner „involvierten Vaterschaft“ oder ist das (Elternzeit-)Papa-Sein tatsächlich „hipp“ geworden? Gehen „echte Männer“ heute in Elternzeit?

Nachdem meine Kollegin Luisa Streckenbach in ihrem Beitrag die mediale Darstellung von drei hippen Papas in Berlin betrachtet hat, schaue ich mir in diesem Beitrag die Kommentare rund um einen spezifischen Elternzeit-Vater an: Mark Zuckerberg.

Das Posting Elternzeit zu nehmen ist einerseits eine private Entscheidung – da schließe ich mich Zuckerberg an, der in seinem Posting von einer „very personal decision“ spricht. Aber spätestens die zweite Frauenbewegung machte darauf aufmerksam, dass das Private immer auch Politisch ist. Und wenn eine so prominente Figur wie Mark Zuckerberg Elternzeit ankündigt, dann ist ein Medienecho garantiert und höchstwahrscheinlich auch kalkuliert.

Zuckerbergs Verweis, dass die Entscheidung für die Elternzeit eine sehr persönliche gewesen sei, klingt wie der Versuch kritischen Stimmen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das Private als Rückzugsort, als Sphäre in der nichts erklärt werden muss und sich kritischen Anmerkungen entzogen werden kann. Kritisch fragen kann man dennoch, warum Zuckerberg sich auf zwei Monate Elternzeit beschränkt, obwohl sein Unternehmen erst kurz vor der Geburt seiner Tochter verkündet hat, dass die bezahlte Elternzeit für Väter und Mütter auf vier Monate erhöht wird. Womit Facebook in den USA, in denen bezahlte Elternzeit weder Vätern noch Müttern gesetzlich zugesichert ist, neben einer Reihe anderer Internet-Unternehmen, eine Vorreiter-Rolle einnimmt. Das Signal, das Zuckerberg mit seiner zwei-, statt vier-monatigen Elternzeit sendet, ist jedoch uneindeutig. Auf der einen Seite regt er die Diskussion um Elternzeit an, er kann als Inspiration dienen und trägt möglicherweise dazu bei, dass Väter in Elternzeit irgendwann eine Normalität darstellen. Gleichzeitig nimmt Zuckerberg nicht die volle Zeit in Anspruch – und entmutigt damit möglicherweise Väter die eine längere Elternzeit als die obligatorischen zwei Monate anstreben und ohnehin Bedenken haben (hier mehr zu Bedenken). Wird Zuckerberg damit der Vorbildfunktion die ihm Medienvertreter_innen zuschreiben gerecht?

Die Medienvertreterinnen In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG spricht Barbara Vorsamer beispielsweise, hinsichtlich Zuckerbergs zwei Monate dauernder Elternzeit, von einem Akt mit „große[r] Symbolwirkung“ angesichts zwei Drittel aller Väter in Deutschland, die die „‚Vätermonate‘ einfach verfallen“ lassen.

Ähnlich euphorisch wertet Inga Michler von DIE WELT die Elternzeit-Ankündigung Zuckerbergs und prognostiziert, Zuckerberg stoße „Amerika’s Väter-Revolution an“. Auch Vätern in Deutschland, die Elternzeit nehmen, traut Michler zu, dass sie die „Gesellschaft an den Wurzeln“ verändern. Im Anschluss schränkt sie die radikale Wirksamkeit der Väter jedoch wieder ein und verdeutlicht, dass für eine Veränderung gesellschaftlicher Strukturen, die Dauer der Elternzeit entscheidend ist.

In Deutschland lässt sich aktuell ein starker Trend zur 2-Monats-Elternzeit erkennen: Entschieden sich 2007 noch 65% der Väter für lediglich zwei Monate, waren es im ersten Quartal 2014 bereits 79%. Das bedeutet, rund ein Drittel der Väter in Deutschland wagen zwar mittlerweile das Abenteuer Elternzeit; die überwiegende Mehrheit, vier von fünf Vätern, beschränkt sich dabei jedoch auf die kurzmöglichste Elternzeitdauer von zwei Monaten. Zu langfristigen Veränderungen in der Aufteilung der Hausarbeit zwischen Müttern und Vätern kommt es laut der Familienforscherinnen Pia Schober und Gundula Zoch jedoch erst ab circa einem Jahr Väter-Elternzeit (hier zu den ausführlichen Ergebnissen). Die von Michler in Aussicht gestellte Revolution bleibt damit wohl vorerst eher Utopie als Realität.

Barbara Vorsamer spricht, in ihrem bereits erwähnten Artikel, einen weiteren Aspekt des „Vorbilds“ Mark Zuckerberg an, indem sie argumentiert: wenn sich Zuckerberg für zwei Monate rausziehen kann, „dann kann das wohl jeder“. Der Vergleich von Zuckerberg zu anderen Vätern hinkt jedoch offensichtlich. Denn neben Verantwortung, bringt es auch Privilegien mit sich, Gründer und Geschäftsführer eines erfolgreichen Unternehmens zu sein. So mag Inga Michlers „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“ für Mark Zuckerbergs berufliche Situation gelten, sicher aber nicht für alle Väter. Denn die Furcht um den Arbeitsplatz und die Angst sich die Karriere zu verbauen, hält die meisten Väter noch immer vom Füttern und Wickeln fern (hier zu einem Bericht von SOWITRA). Viele Väter sehen sich, wenn sie sich für Elternzeit entscheiden, mit dem Vorwurf konfrontiert, ihre Karriere sei ihnen nicht wichtig. Ein Vorwurf, mit dem Mütter seit Jahrzehnten konfrontiert werden.

Nun kann eingeworfen werden, dass das Argument der Erwerbsarbeit auch gerne vorgeschoben wird, wenn Väter eigentlich kein Interesse daran haben sich intensiver in die Kinderpflege einzubringen. (dazu Barbara Vorsamer die das eigentlich auch „in Ordnung“ findet) Dennoch bekundet ein beträchtlicher Anteil von Vätern in Umfragen den Wunsch mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Laut einer Auswertung der Zeitverwendungsstudie für 2012/13 wünschen sich rund 30% der Väter mehr Zeit für ihre Kinder.

Meist spielt in der Entscheidung um Elternzeit auch die finanzielle Situation der Paare eine Rolle. Frauen verfügen aufgrund des Gender Pay Gap zumeist über weniger Einkommen. Während der Elternzeit des Vaters steht also, im Verhältnis, meist weniger Einkommen zur Verfügung. Dazu kommt verstärkend, dass das Selbstverständnis der Mütter heute als Frau und als „gute Mutter“ noch immer stark an die fürsorgliche Betreuung des Kindes gebunden ist. Schweben Schlagworte wie Rabenmutter und Ernährer-Männlichkeit auch heute noch als Wegweiserinnen zur traditionellen Rollenverteilung über Paaren mit Kindern?

 

Die Bilder – Spannend sind neben Äußerungen von Medienvertreterinnen zu Zuckerbergs Elternzeit, auch Zuckerbergs eigene Kommentare aus der Elternzeit – seine „Schnappschüsse“ mit ihm und seiner Tochter. Seit der Geburt hat Zuckerberg mehrere Bilder von sich und seiner Tochter Maxima gepostet. Berührende Bilder. Lustige Bilder. Normative Bilder. Bilder die Werbebildern ähneln und die nahelegen, dass es sich nicht um Familienschnappschüsse, sondern um wohl überlegte und arrangierte Blicke auf Mark Zuckerberg als Vater handelt. Auch wenn die Bilder vermutlich vor allem Image-Bilder für Zuckerberg und somit für sein Unternehmen Facebook sind – sie funktionieren auch als Werbebilder für involvierte Vaterschaft.

Betrachtet man die von Zuckerberg geposteten Bilder, so wird deutlich, dass nicht nur die Fotografien perfekt inszeniert sind, sondern auch die diversen Settings. Es scheint als lege Zuckerberg in mehreren Akten fest, was erwartet wird von einem Vater in Elternzeit, als liefere er in seinen Posts bildliche Ausschnitte zeitgemäßen Vater-Seins. Was bedeutet Vater-Sein heute? Was hat man als Vater zu leisten? Wie hat man sich zu verhalten? Welche Aufgaben oder Herausforderungen gilt es zu erfüllen, um eine gelungene Vaterschaft bzw. eine gelungene Elternzeit darzustellen? Eine ausgewogene Mischung aus Zärtlichkeit und Unternehmungen, Verantwortung und Spaß.

Stellt das Bild des kuschelnden, windelwechselnden Vaters das „Update“ der Familien-Ernährer-Männlichkeit dar? Dieses fungierte lange Zeit als Paradebeispiel für verantwortungsvolle Männlichkeit. Ist jetzt eine Männlichkeit gefragt, die Verantwortung, nicht nur für das Einkommen, sondern auch für Pflege und emotionales Wohlergehen des Kindes übernimmt? Der Vater, der zärtlich ist im Umgang mit dem Kind, der mit dem Kind zur Ärztin geht, beim Schwimmen die ersten Plantscher in unbekanntem Terrain begleitet, und dennoch das Kind-im-Manne nicht vergessen hat, sein Kind in ein StarWars-Kostüm steckt oder ihm ein gefaktes Buch zu „Quantenphysik für Kinder“ vorliest.

Es scheint als explizieren die Bilder implizite Erwartungen an zeitgenössische Vaterschaft.

Full of joy with little Max_20151208©Facebook

Das erste Bild, das ich betrachten möchte, scheint in ruhigen Erdtönen das Thema „bonding“ zu veranschaulichen. Bonding, als Wunsch eine eigenständige, innige Beziehung zum Kind aufzubauen, ist neben der Entlastung der Partnerin, ein häufiges Argument für Väter Elternzeit zu nehmen.

Zuckerberg begibt sich im Bild auf Augenhöhe mit seiner Tochter, die Gesichter sind einander zugewandt und Zuckerberg hält die Augen geschlossen während er versonnen lächelt. Eine Hand liegt auf Maximas Brust. Seine Hand auf ihrer bloßen Haut verweist auf Nähe und Berührung, Körperlichkeit und Zärtlichkeit. Das Bild strahlt Ruhe aus und es scheint vermitteln zu wollen, dass er sich Zeit nimmt, für sein Kind. Doch was wir auch sehen ist, dass tatsächliche körperliche Nähe nur verhalten dargestellt ist. Im Vergleich zu Bildern in denen die Kinder auf der Brust der Väter schlafen um Nähe herzustellen, ist die Berührungsfläche zwischen Vater und Kind hier eher gering. Steht das Bild damit symptomatisch für 2-Monate-Elternzeit-Väter? Zärtlichkeit im Blick, als Absicht, Nähe herzustellen, aber mit wenigen Berührungspunkten im Alltag – so wie auch Zuckerberg seine Tochter nur mit der Handfläche berührt.

One more down, thousands to go_20151211©Facebook

Das zweite Bild: Ein Windeln-Bild, das so clean aussieht wie dieses, erinnert irgendwie an Tampon-Werbung in der keine rotbraune Masse sondern eine mundwasserähnliche, hellblaue Flüssigkeit den Tampon tränkt. Ja nicht die Idee aufkommen lassen es ginge beim Windeln tatsächlich um Ausscheidungen, um Exkremente, die auch bei Kindern erstaunlich intensiv riechen können und nicht immer in dem für sie vorgesehenen Rahmen bleiben. Pflege und Fürsorge ist oft messy. Bei diesem Bild in weichem Grauweiß taucht die stinkende, schmutzige Windel nicht auf. Platz ist hier nur für Lächeln und Sauberkeit. Ebenso idyllisch wie die Weltkarte für Kinder im Hintergrund.

Windeln funktioniert als Symbolbild für involvierte Vaterschaft. Kaum ein qualitatives Interview, dass ich mit Elternzeit-Vätern im Rahmen des Forschungsprojekt „Care-Praxen von Vätern in Bayern“ geführt habe, in dem nicht von Vätern darauf verwiesen wurde, dass „selbstverständlich“ Windeln gewechselt werden – häufig mit dem Hinweis: „Mein Vater hat das nicht gemacht“. Auch wenn dabei manchmal Darstellung und Realität der Wickelhäufigkeit nicht ganz übereinstimmen, wie eine unterhaltsamen Szene in Vatertage, einem Dokumentarfilm zu Vollzeit-Vätern von Anni Seitz, verdeutlicht: auch hier betont der Vater, dass er seine Tochter als Baby, anders als sein Vater, gewickelt hat. Es dauert einen Moment, dann ergänzt die Frau, dass dies nur zwei- oder dreimal der Fall war – bis ihn beim Wickeln die Exkremente im Gesicht getroffen haben und er erstmal ausgesetzt hat.

In solchen Momenten treffen Vorstellung (aus cleanen Bildern wie dem oberen) auf intensiv riechende Tatsachen und die Differenz zwischen Vorstellung und Realität muss bewältigt werden. Das Ideal das Zuckerberg hier inszeniert heißt „als Vater macht man alles“ – wie das dann in der Realität aussieht, wenn‘s schmutzig wird zeigen diese Bilder nicht (dafür aber in extremer wenn auch unterhaltsamer Weise diese hier – auf die bereits im Beitrag „…Elter sein dagegen sehr“ hingewiesen wurde).

Das Fazit Elternzeit-Väter sind in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen, mit diesem Fazit lassen sich die Beiträge zu Medialen Darstellungen von Vätern in Elternzeit zusammenfassen. In ihrer Vielfalt, mit Ängsten, Herausforderungen und Freuden. Seltener als Vollzeit-Papa, immer häufiger als 2-Monats-Elternzeit-Papa. Und es wird ihnen viel zugetraut: von der Revolution, der radikalen Veränderung der Gesellschaft bis zu Kochen, Putzen, Wäsche waschen. Manches schaffen sie – anderes nicht. Manchmal reichen zwei Monate um ihnen das Krönchen „involvierter Vater“ aufzusetzen. Ein Krönchen das ungemein wichtig ist, ein Krönchen ohne dass es auf dem Weg zur reflektierten Gleichstellung der Geschlechter keinen Schritt weitergehen wird. Doch wir müssen aufmerksam bleiben. Paare und Arbeitgeber_innen sollten sich nicht mit „maximal“ zwei Monaten Elternzeit des Vaters einrichten. Väter sollten, in Absprache mit den Müttern, in der Wahl der Anzahl der Monate frei sein und sich nicht an das Konstrukt der „Vätermonate“ gebunden fühlen.

Auch die Sorgen von Elternzeit-Vätern, die Angst vor beruflichen Nachteilen, sollten ernst genommen werden und es müssen Schritte unternommen werden um diese Ängste zu mildern. Doch gleichzeitig sollte auch klar sein: Mütter haben diese Ängste auch, seit Jahrzehnten. Väter, die sich für Elternzeit entscheiden spüren zunehmend, wie sich der Platz zwischen den Vollzeit-Stühlen Erwerbsarbeit und Elternschaft anfühlt. Einen Platz, den Mütter seit vielen Jahren aushalten und gestalten. – Möglicherweise stoßen die Erfahrungen von Vätern an, dass einige weitere Stühle, mit diversen Ausrichtungen zwischen Erwerbsarbeit und Elternschaft, hinzu gestellt werden. Wie diese neuen Stühle dann in medialen Darstellungen aussehen werden, davon lassen wir uns gerne überraschen!

 

Kathrin Peltz, M.A.,  hat in Wien, Basel und Oldenburg Soziologie und Kulturwissenschaften studiert und promoviert derzeit an der LMU München. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt „Care-Praxen von Vätern in Bayern“ an der HAW Landshut.

Autor: ForGenderCare

Der Forschungsverbund ForGenderCare untersucht den Zusammenhang von Gender (Geschlecht) und Care (Fürsorge) theoretisch wie empirisch vor einem interdisziplinären Horizont. Dem bayerischen Forschungsverbund ForGenderCare gehören 12 Projekte an unterschiedlichen Forschungsstandorten in ganz Bayern an. Die Sprecherinnen des Verbunds ForGenderCare sind Prof. Dr. Barbara Thiessen (HAW Landshut) und Prof. Dr. Paula-Irene Villa (LMU München). Die LMU München ist Sprecheruniversität des Verbundes, die Geschäftsstelle ist dem Lehrstuhl Prof. Villa an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der LMU zugeordnet. Der Verbund wird gefördert durch das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst und gehört dem der Bayerischen Forschungsallianz BayFor an.