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Feldforschung mit Menschen in der Situation der Wohnungslosigkeit

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(@Sabine Felber)
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Im Februar 2020 begann ich die erste Feldforschung zu meiner Promotionsarbeit, in der ich von jungen Erwachsenen in der Situation der Wohnungslosigkeit mehr über ihre Werte erfahren möchte. Die qualitative Untersuchung wird von der Universität Hildesheim betreut.

Seit 2017 baute ich den Kontakt zu jungen Menschen, die sich in der Situation der Wohnungslosigkeit befanden oder befinden über das „housing first“ Projekt landeinwärts im Bahnhof Jamlitz/Brandenburg ( https://www.demokratiebildung.info/) – eine WG konzipiert für bis zu acht Personen – auf. Zusammen mit der Leiterin, einer Traumapädagogin und einer ehemaligen Wohnungslosen, die ihr Studium gerade angefangen hat, haben wir junge Erwachsene motivieren können, an der qualitativen Untersuchung teilzunehmen.

Ich arbeite mit digitalen Geschichten, photo voice und narrativen Interviews. Digitale Geschichten als sozialwissenschaftliches Erhebungsinstrument zu nutzen, ist in Deutschland nicht verbreitet, deshalb habe ich eine besonderes Interesse an der Evaluierung des Ansatzes im Forschungsprozess. In Gruppensitzungen finden Teilnehmende Geschichten, die wichtige Aspekte ihres Lebens für sich und andere öffnen. Diese werden in Erzählform von den Teilnehmenden eingesprochen und mit Bildmaterial kombiniert. Es entstehen kurze Videos.

Im Februar/ März/ April/ Mai 2020 sollte die Planung und Vorbereitung der ersten Feldphase abgeschlossen werden. Dazu gehörte das Treffen mit Fachkräften von landeinwärts im Februar 2020.
Dieses Treffen konnte wie geplant stattfinden und wir vereinbarten Termine für die ersten Workshops digitales Geschichtenerzähler im Juni, Juli und August 2020 mit sieben Teilnehmenden.

Ab dem 14. März 2020 reagierte landeinwärts auf die Umstände der Pandemie: Mitarbeiterinnen waren nur noch einzeln vor Ort. Drei junge Erwachsene blieben zeitweise in der schwach betreuten Wohngemeinschaft, die nicht von Fremden besucht werden durfte.
Der durch das Coronavirus verursachte Lockdown machte es für mich unmöglich, den persönlichen Kontakt zu den jungen Erwachsenen aufzunehmen beziehungsweise auszubauen. Auch die professionellen Mitarbeiterinnen der Einrichtung verloren zeitweise den intensiven Kontakt zu den Menschen in der Situation der Wohnungslosigkeit.

Um die Erhebungsphase dennoch beginnen zu können, vereinbarte ich mit der Leiterin von landeinwärts und dem Träger – KARUNA Zukunft für Kinder und Jugendliche in Not International –, dass ich Zutritt zu dem weitläufigen Freigelände bekommen und jeweils einzeln mit den in der WG verbliebenen jungen Erwachsenen im Freien arbeiten kann.
So war es möglich, dass ich ab dem 5. Mai mit drei jungen Erwachsenen die Feldphase beginnen konnte. Ausführliche Einzelgespräche im Freien dienten als Vorbereitung für die eigentliche Erhebung.

Die veränderten Forschungsbedingungen brachten mich dazu, mein Vorgehen neu zu konzipieren. Das Format „Workshop“ wird mindestens im Jahr 2020 nicht stattfinden können. Also nutze ich den viel intensiveren Kontakt, der sich aus den Einzelsitzungen ergibt, um möglichst dichte Daten zu erheben. Ich arbeite mit einer Person an einer digitalen Geschichte, was sehr zeitaufwendig ist. Es entsteht ein Vertrauensverhältnis, was im Gruppenprozess so nicht entstanden wäre. Andererseits fehlt der Austausch der Workshop-Gruppe, was zu „tiefen“ Ergebnissen führen kann. In einer telefonischen Beratung Anfang März 2020 plädierte Prof. Dr. Christine Walsh von der University of Calgary, die eine Feldforschung mit wohnungslosen Frauen unter anderem mit digitalen Geschichten durchgeführt hat, für ein Workshop-Format mit vier bis sieben Personen.
Das ist momentan so nicht möglich.
Vielleicht ergibt sich nach der ersten Datenauswertung, dass der stärkere Kontakt den Gruppeneffekt ausgleicht.

Mit einer weiteren Person, die zwischenzeitlich nicht mehr bei landeinwärts lebt, treffe ich mich alle zehn Tage in einer nahegelegenen Stadt und führe narrative Interviews. Das sollte eigentlich der zweite Schritt nach der Erstellung der digitalen Geschichte im Gruppenprozess sein.

Die dritte Person erwies sich als nicht geeignet für dieses spezielle Forschungsvorhaben, da zu viele persönliche Aspekte unsagbar bleiben mussten.

Glücklicherweise konnte ich eine weitere am Forschungsvorhaben interessierte Person finden. Eine junge Frau, die in der Situation der Wohnungslosigkeit lebte, jetzt aber gerade eine Wohnung bezogen hat, schreibt an ihrer Geschichte. Ich begleite sie dabei online. Die Tonaufnahme und Video-Bild-Erstellung versuchen wir gerade auch online zu organisieren.

Meine Erfahrungen mit den veränderten Forschungsbedingungen sind vielfältig und ich begreife sie als interessanten Schritt zur Veränderung des Forschungsdesigns.
Die Umstände machen es notwendig, den Prozess des digitalen Geschichtenerzählens in Einzelsitzungen zu organisieren. Ein narratives Interview führe ich, ohne vorher eine digitale Geschichte mit der Person produziert zu haben. Und eine Probandin ist nur online zu erreichen.

Was kann Feldforschung, wenn die Menschen nicht mehr in ihren alltäglichen Bezügen zusammenleben und erreichbar sind oder teilnehmend beobachtet werden können?

Für meine Forschungsvorhaben waren die Bedingungen im Feld von Anfangt an mit besondere Herausforderung verknüpft: Menschen in der Situation der Wohnungslosigkeit sind eher mit unsteten Bezugspunkten – volatil – unterwegs.
Für mich ist es ein Abenteuer, die Erhebungsmethoden derart frei zu kombinieren, ein Abenteure mit ungewissem Ausgang.

 

 

 


   
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