Zu wenig Soziologie?

Eigentlich wollte ich hier etwas ganz anderes schreiben. Es sollte erst das Thema „Komplexität“, dann „Terror“ und dann (selbstverständlich) „Fuzzy-Logik“ behandelt werden. Dann aber habe ich mich zweimal geärgert: Das erste Mal nach einer Veranstaltung im Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen nach einem Vortrag von Herfried Münkler. Schöner Vortrag! Danach gesellte sich an den Schnittchenstehtisch ein mir bis heute unbekannter Mensch zu uns und fragte zunächst, ob mein von mir sehr geschätzter Gesprächspartner (Prof. Dr. El-Mafaalani) und ich auch Promovenden am KWI seien. Darüber müsste man sich nicht gleich ärgern, sondern könnte das unserem jugendlichen Antlitz zuschreiben und als Kompliment verstehen. Ich fürchte nur, so war es nicht gemeint. Denn wir hatten uns zuvor bereits als Soziologen „geoutet“ – und wenn die dann auch noch lange Haare haben…. Da haben wohl alle Vorurteile direkt getriggert. So ging es direkt dann auch (sinngemäß) weiter mit der Frage, wieso die Soziologie denn der Gesellschaft nichts mehr zu sagen habe und eigentlich sei deren Wissenschaftlichkeit ja in Frage zu stellen, wenn dieser gesellschaftliche Output nicht vorhanden sei. Nun ja, Rückzug, das Gespräch mit Aladin El-Mafaalani über die eigenen Forschungen zu Terrorismus und die Salafistenszene wurde vor der Tür fortgesetzt.

Tage danach hat mich die aktuelle Erkältungswelle erwischt und ich habe fiebrig im Bett liegend Gelegenheit gehabt, mich mehr im Internet auf Facebook, Twitter und diversen Blogs umzugucken. Die Behauptung, die Soziologie sei keine Wissenschaft und sie verdiene es, abgeschafft zu werden, scheint dort Konjunktur zu haben. Da kann man sich direkt wieder ärgern. Bekanntermaßen sind da exemplarisch die Gender Studies brutal in den Mittelpunkt gerückt (auf diese Diskussion möchte und werde ich hier nicht eingehen), aber die Soziologie in Gänze angegriffen worden.

Zweimal ärgern und nun blogge ich hier aus der Perspektive der Soziologischen Theorien, wohl wissend (gerade weil ich weiß), welch seriöse und gute Arbeit mit gesellschaftsrelevanter Reichweite die Kolleginnen und Kollegen in anderen Bereichen dieser Disziplin machen! Vielleicht nicht jede(r) einzelne, aber alle! Hier nun die Frage: Haben die Soziologischen Theorien der Gesellschaft nichts mehr zu sagen?

Oh doch, haben sie! Man beachte nur – das nächste Ärgernis – den „Fall Edathy“ und das, was es dazu an Argumenten und Einlassungen im Internet gibt (von empörten Vergleichen der 5000€, die Edathy zur Einstellung des Verfahrens zu zahlen hat mit zu den 540.000€, die der Fußballer Marco Reus für eine Strafe wegen Fahrens ohne Führerschein zahlen musste; über direkte „Schwanz ab“-Forderungen bis zu Anstiftungen zum Mord). Von der oft gepriesenen „Weisheit der Massen“ ist hier sehr wenig zu spüren, eher dieselbe Brutalität, von der oben schon die Rede war. Es scheint sich Nietzsches Vermutung aus „Menschliches, Allzumenschliches“ zu bestätigen: „Einer Erkenntnis zum Siege verhelfen heißt oft nur: sie so mit der Dummheit verschwistern, daß das Schwergewicht der letzteren auch den Sieg für die erstere erzwingt.“

Es mag sein, dass Diskussionen um das Frame-Selection-Model, die richtige Auslegung von Emergenz oder zur Frage nach der angemessenen epistemologischen Verknüpfung von handlungsfähigen Akteuren und Materialität möglicherweise (!) hier keine direkte Rolle spielen.

Aber Wissen um und über die funktionale Differenzierung der Gesellschaft beispielsweise, an der RWTH Teil der Theorien-Vorlesung im 2. Semester, sollte helfen zu verstehen, dass die Unterscheidung von Recht/Unrecht nicht dieselbe ist wie die von Achtung/Missachtung. Recht ist nicht die Moral der Gesellschaft und umgekehrt – und das ist auch gut so. Derartige Komplexität zu verstehen, dass es heutzutage immer verschiedene Blicke auf ein Ereignis gibt, welche ganz unterschiedliche Welten öffnen, diese Polyoptik lehrt u.a. die Soziologische Theorie. Und auch, welche Probleme es mit sich bringen kann, wenn die eine Welt ungeordnet in eine andere übergreift.

 

Mehr Soziologie für die Massen – vielleicht wird sie dann etwas weiser!

44 Gedanken zu „Zu wenig Soziologie?“

  1. Kompliment ;-). von der frage „zu wenig soziologie?“ zu edathy und reus, erratisch eklektisch… wieso eigentlich nicht

  2. Die im Artikel beobachtete Irritation des Publikums durch den „Fall Edathy“ scheint in Teilen vielleicht doch bereits differenzierungstheoretisch unterfüttert zu sein: offensichtlich wird es als illegitim empfunden, daß man das Verfahren gegen eine Geldzahlung eingestellt hat; Recht ist gar nicht gesprochen worden. „Läßt sich also Recht durch Geld suspendieren?“, so scheint die verärgerte Masse mit Blick auf die Unterscheidung von Recht und Wirtschaft zu fragen. Wie sähe eine theoretisch fundierte Antwort der Soziologie auf diese Frage aus? Die Edathy entgegenschlagende Mißachtung hingegen scheint sich eher auf seinen Status als gewählten Politiker und deren Einstellung zu Kindern zu beziehen – also weniger auf Moral als auf Sittlichkeit.

    1. Vielen Dank, Hans! Interessanter Gedanke! In der Tat spannend, sich dieses Verfahren der Einstellung des Verfahrens anhand von Unterscheidungen anzusehen. Ich bin ja kein Rechtssoziologe, diese mögen mich korrigieren, aber es scheint so, als würde man im Rechtssystem entscheiden, die Unterscheidung von Recht/Unrecht nicht weiter anwenden zu wollen. Man ist quasi im Rechtssystem und mit Vollzug der Zahlung zugleich draußen; es gibt keine Schuld und keine Unschuld (und deshalb: in dubio pro reo). Die Zahlung ist ja auch keine Strafe, sondern “quasi freiwillig”. Und ja, ich denke auch, ein Teil der Empörung rührt daher, dass dies als Freikaufen empfunden wird, obwohl es – und hier würde das Wissen um Differenzierungstheorie abklärend beruhigen können – das Recht ist, welches verfährt. Kurz: Das ist rechtlich ok und wer damit nicht einverstanden ist, der sollte gegen dieses (durchaus übliche) Rechtsverfahren protestieren und nicht gegen Edathy.
      Dass sich die Missachtung auf Edathy als Politiker bezieht, glaube ich weniger, denn da hat man Politikern schon ganz andere Dinge “verziehen”, mindestens im Sinne des Vergessens.

  3. Bisher hatte ich eher ein PR Problem dahinter vermutet, aber vielleicht liegt es auch daran, dass die subjektive Sichtweise zum (alleinigen) Maßstab erkoren wird und damit keine objektive Wissenschaft mehr anerkannt, oder benötigt wird. Ein Problem, was anscheinend die Juristen auch haben.

    1. Hallo Soziobloge! PR-Probleme muss man der Soziologie ja nicht absprechen… Solange die Tagesschau nicht über den Soziologie-Kongress berichtet, so wie etwa über den Kongress der Juristen, würde ich sagen: Wir können uns noch besser verkaufen.
      Eine “Individualisierung der Moral”, ja, sowas scheint man in manchen Fällen beobachten zu können, zumindest ist die Zahl derer, die eine kollektive Perspektive einnehmen, scheinbar geringer. Vielleicht schweigt die Mehrheit nur? Vielleicht ist dies vor allem in den Foren, auf Facebook usw. der Fall? Dort, wo man auch mal locker dem eigenen moralischen Empfinden ohne geistige Rückendeckung freien Lauf lassen darf und häufig genug keinen großen Widerspruch befürchten braucht (denn für die Gegenargumente bräuchte man Zeit und Geduld und hinreichende Lesekompetenz etc.). Die Soziologie kann diese “Individualisierung der Moral” gut beschreiben – aber das hilft erst mal nicht weiter, wenn sie sich selbst eine lautere Stimme verpassen möchte. Dazu bräuchte es vielleicht: bessere PR!

  4. Mich überrascht weder das Verhalten, noch die Fragestellung, ob Soziologie denn noch gebraucht wird ist. Wobei ich beides nicht gut heiße.

    Ein wesentlicher, gern übersehener, Faktor ist dabei das Verhalten der Soziologen. Es ist mir mehr als nur zwei mal passiert, dass Soziologen in ihren Vorlesungen gegenüber Naturwissenschaften übelste Beleidigungen ausgesprochen haben. Ingenieuren und Naturwissenschaftlern wird in schöner Regelmäßigkeit jeder Ansatz von Moral oder gar ethischem Handeln abgesprochen.

    „Belegt“ wird das dann mit willkürlichen, halb verstandenen Beispielen aus Fachbereichen, mit denen sich die jeweiligen Soziologen nie ernsthaft auseinander gesetzt haben. Garniert wird das dann mit dem Unwillen Kritik anzunehmen, wenn man die Verständnisfehler erklärt.

    Das alles führt dann zu Forderungen von Seiten einiger Soziologen, dass ganze Wissenschaftsbereiche ihre Arbeit einzustellen haben – man denke nur an die Gentechnik oder Kernkraft.

    Von den absolut blödsinnigen Auseinandersetzungen zwischen Soziologen und Ökonomen, die ich als Zaungast in Nebenfächern so mitbekommen habe, will ich gar nicht erst reden.

    Dieser Umgang führt dazu, dass sich sehr viele Leute ärgern. Mehr als nur ein paar Mal. Denn die Technik und Naturwissenschaftsfeindliche Einstellung eines erheblichen Teils der Soziologen ist inzwischen gesellschaftlicher Konsens geworden, mit Begründungen die keinem Vergleich mit der Realität standhalten können.

    Die Soziologie hat wichtige Aufgaben und sie hätte auch wichtige Aufgaben in der Technik und den Naturwissenschaften. Aber die Soziologie sollte sich bewusst sein, dass das ein hartes Brot ist. Ein Soziologe der solche Themen behandeln will, muss sich in der jeweiligen Technologie oder Wissenschaft detailliert auskennen. Nicht auf dem Niveau, auf dem man neue Forschung betreibt, aber auf einem Niveau das detailliertes Verständnis voraussetzt und den Soziologen überhaupt erst einmal fachlich kritikfähig macht. (Sonst wird er nicht einmal verstehen, weshalb die vorgebrachte Kritik für seine Schlussfolgerungen relevant sein könnte.)

    Die Arroganz, die Soziologen bei Naturwissenschaftlern feststellen, ist in vielen Fällen eine Reflexion der Arroganz im eigenen Verhalten.

    1. Guten Abend, tp1024! Was soll man da sagen? Es tut mir leid, dass Sie diese Erfahrungen machen mussten! Ich habe eigentlich immer Soziologen und Soziologinnen kennengelernt, die der Technik aufgeschlossen gegenüberstanden (solange sie diese selbst nicht anwenden müssen). Nicht nur an der RWTH. Ich kann mir aber selbstverständlich auch Personen imaginieren, deren sozial- oder kulturwissenschaftliche Hybris gerne mal durchbricht. Umgekehrt habe ich ähnliche Erfahrungen gemacht, sowohl mit sozialwissenschaftlich aufgeschlossenen „Technikern“ (Ingenieuren, Informatiker usw.), aber auch mit solchen, denen sich das Konzept sozialer Konstruktion wohl niemals erschließen wird und die das alles für „Laberei“ halten.
      Ich frage mich also eher, wie man darauf kommt, dass es das Verhalten „der“ Soziologen ist, auf das hier geschlossen wird? Wie im richtigen Leben gibt es hüben wie drüben Ignoranten, aber deshalb würde man in eben diesem Leben doch auch nicht alle xxx (hier kann man jetzt beliebige Personengruppen eintragen: Professorinnen, Studenten, Polizistinnen, Handwerker, Frauen, Männer usw.) über einen Kamm scheren, nur weil man einige wenige schlechte Erfahrungen gemacht hat, oder? So einfach generalisiert der kluge Mensch doch nicht (er könnte nämlich Nützliches verpassen)! Und die Soziologie erklärt auch weshalb: Weil die Fallzahl zu niedrig ist, um valide generalisieren zu können. Bitte, versuchen Sie es vielleicht noch mal und hören Sie sich ein paar von den technikaffinen Kollegen und Kolleginnen an! Zur Not empfehle ich gerne welche ;-)

      1. Eins vorweg: Ja, mein Kommentar war zu pauschal formuliert, aber die Formulierung resultierte auch aus pauschalen Aussagen. Ich würde hier nicht kommentieren, wenn ich nicht auch positive Erfahrungen mit Soziologen gemacht hätte! Aber die mit Abstand einprägsamsten waren eben jene negativen, zumal sie sich auch mit vielen öffentlichen Diskussionen in den Medien decken.

        Die Wirkung der Soziologie auf die Gesellschaft und die Politik ist weitaus größer, als es das Lamento über die schlechte PR der Soziologie erscheinen lässt. Soziologie ist PR.

        Schon allein Ulrich Beck hatte mit seiner Beschreibung einer „Risikogesellschaft“ einen sehr großen Einfluss auf alle Bereiche der Gesellschaft, mit Reaktionen die weit über jedes gerechtfertigte Maß hinaus gehen und oft auch den Blick auf die gelebte Praxis vermissen lassen. Zumindest wenn es nicht darum geht, die Vorurteile der Nachlässigkeit und Fahrlässigkeit zu bestätigen – sondern sie kritisch zu überprüfen und möglicherweise auch zu widerlegen.

        Man merkt es z.B. in der Diskussion um Fukushima Daiichi. Die Sicherheitsvorkehrungen in Japan waren nach deutschen Maßstäben skandalös, bestenfalls auf dem Stand der 70er Jahre. Anders als in Japan (und teilweise auch den USA) gab große Veränderungen in den Sicherheitsvorkehrungen während der 80er und 90er Jahre in (West-)Europa. Der Verlauf des Unfalls in Fukushima Daiichi wurde schon in den 60er Jahren so vorausgesehen (bei identischen Bautypen in den USA), aber das Risiko damals akzeptiert. (Konkret wurde gesagt, dass es bei einer Kernschmelze keine größere Zahl von Toten geben würde und eine Größenordung von 1000 Quadratkilometer rel. stark kontaminiert würde.) In Europa ist diese Akzeptanz seit den 80er Jahren nicht mehr gegeben. Entsprechend wurden Gegenmaßnahmen entwickelt und implementiert.

        Das ist übrigens ganz klar eine soziologische Entwicklung hier in Europa, aber sie wurde in allen soziologischen Diskussionen die ich kenne praktisch vollständig ignoriert. Genauso ignoriert wurde das Gegenstück in Japan, wo der gesellschaftliche Stillstand auch in einem weitgehenden Stillstand der Sicherheitstechnik resultierte. Die Filter, die in Deutschland oder Frankreich eine Kontaminierung der Umgebung bei einer Kernschmelze verhindert hätten, wurden in Japan erst 2013 zu Vorschrift. In Frankreich und Deutschland war das 1988 der Fall.

        Ich muss nicht erwähnen, dass nichts dergleichen diskutiert wurde. Vielmehr sah man den Unfall völlig unabhängig vom Hergang, technischen Hintergrund und dem katastrophalen Auslöser als Bestätigung einer kategorischen Unsicherheit, der Unbeherrschbarkeit der Technik durch die Gesellschaft, ganz nach Ulrich Becks „Risikogesellschaft“.

        Die soziologische Argumente und Vorurteile haben in der Diskussion von Wissenschaft und Technik eine fast unantastbare Diskurshoheit erlangt, vor allem in den Medien. Naturwissenschaftliche und technische Argumente müssen regelmäßig hinter soziologischen zurück stehen, selbst wenn diese seit Jahrzehnten auf sehr solider Basis ruhen, gut begründet und praktisch überprüfbar sind und überprüft wurden.

        Entsprechend entstehen die Reaktionen auf soziologische Haltungen aus einer Position der objektiven Schwäche heraus. Selbst die stärkste Argumente die auf rigorosen wissenschaftlichen Standards ruhen, können mit einem „das hat man schon immer so behauptet“ vom Tisch gewischt werden.

        In der Diskussion hier und auch anderswo beobachte ich, dass sich viele Soziologen in der alltäglichen Praxis ihrer zunehmend übermächtigen Stellung im gesellschaftlichen Diskurs nicht im Ansatz bewusst sind. Und das führt dann zu den Spannungen wie sie hier beschrieben wurden.

        Neu ist das natürlich auch alles nicht. C.P.Snow hatte bereits 1959 von zwei Kulturen gesprochen, die sich entsprechend der Naturwissenschaft und Technik auf der einen Seite und den Gesellschafts- und Geisteswissenschaften („humanities“/“liberal arts“ etc.) auf der anderen Seite spalten.

        Zur Zeit hat die letztere ganz klar die Oberhand gewonnen, was genauso schlecht ist, wie wenn es mit der ersteren passiert. (Wie es 1959 sicherlich der Fall war.) Später schrieb Snow von der Notwendigkeit einer dritten Kultur, die beides vereint. Aber damit diese Entstehen kann, müssen sich Vertreter beider Kulturen ernsthaft mit der jeweils anderen auseinander setzen.

        Die aufgeschlossensten Soziologen, die ich bisher kennengelernt habe und dieser dritten Kultur am ehesten entsprachen, waren solche, die aus der Naturwissenschaft oder Technik kamen und später wechselten. Ich denke hier vor allem an einen früheren Agrarwissenschaftler.

        1. Hallo tp1024,
          ich wünschte ja fast, Sie hätten recht mit Ihrer Diagnose, dass die Soziologie „ein fast unantastbare Diskurshoheit“ erlangt hat. Ich sehe die Soziologie eher nahezu unsichtbar zwischen den Gesängen der Ökonomen, Neurowissenschaftlern, Philosophen und Psychologen. Und das, obwohl die Soziologie am spezifischsten dafür ausgerüstet scheint, sich im Gegensatz zu diesen Disziplinen selbst mit in den Blick zu nehmen in ihrer Wirkung auf das, was sie als Gesellschaft adressiert.

          Wenn ich es richtig verstehe, beklagen Sie, man müsse dem technischen Sachverstand mehr Diskursgewicht einräumen, kombiniert mit dem Argument, als Soziologe habe man ja keine Ahnung von diesen technischen Dingen. Und Sie exemplifizieren das anhand von AKWs. Nun, ich habe da tatsächlich eine ganz andere Wahrnehmung und würde sogar fordern, weniger auf die technischen Expertisen zu setzen. Der Grund hat mit Komplexität zu tun und wird als Anlass für den nächsten Blog-Beitrag genommen ;-)

          1. Es ist schade, dass sich nun doch meine früheren Erfahrungen wiederholen.

            Von einer technischen Anlage zu sprechen und über sie zu urteilen, ohne den ernsthaften Versuch die Anlage zu verstehen, ist genauso als würde man über eine Gesellschaft sprechen und über sie urteilen, ohne den ernsthaften Versuch die Gesellschaft zu verstehen.

            Wenn man dazu noch ohne diesen ernsthaften Versuch des ein Anlage zu verstehen erklärt, dass das Verständnis der Anlage für das gesamte Problem unwichtig ist, dann ist das eine von Arroganz geprägte Haltung, die an Hybris grenzt.

            Übrigens eine Haltung, der ich mich selbst umgekehrt schuldig gemacht habe, bevor ich mich mit Soziologie auseinander gesetzt habe.

            Komplexität ist kein magisches Wort. Es reicht nicht auf Komplexität zu verweisen um Unbeherrschbarkeit zu beweisen. Schon gar nicht reicht es, auf die Komplexität einzelner Anlagen zu verweisen um die Unbeherrschbarkeit einer ganzen Technologie zu beweisen.

            Das fängt an mit der Frage, von was für eine Art von Kernkraftwerk man eigentlich spricht. Ein Urteil über eine Technologie zu fällen heißt nicht, ein Urteil über alle vorhandenen Kernkraftwerke zu fällen, sondern ein Urteil über alle überhaupt möglichen Kernkraftwerke zu fällen.

            Ohne die Technologie zu verstehen, wird dieses Urteil notwendigerweise falsch ausfallen. Denn das Verständnis der Technologie ist keine Beschreibung der Anlagen, sondern eine Beschreibung des gesamten Raumes der Möglichkeiten solche Anlagen zu bauen – und der geht weit über alles hinaus, das sie jemals gesehen haben oder sich auch nur vorstellen können.

            Das mag wie eine ungeheure Behauptung klingen. Aber das gleiche hätte man auch über mich vor 6 oder 7 Jahren sagen können, bevor angefangen habe mich ernsthaft mit der Technologie von Kernkraftwerken zu beschäftigen – und ich hätte mir damals tatsächlich nicht im Ansatz die Vielfalt der Möglichkeiten vorstellen können.

            Warum nenne ich keine technischen Details?

            Weil sie die technischen Details in meinem letzten Post kommentarlos übergingen und stattdessen darauf hinwiesen, dass sie unwichtig wären. Was exakt dem Verhalten von Soziologen entspricht, das ich schon in meinem ersten Posting kritisiert habe. Ich verbitte mir also jede Andeutung, dass die Aussagen zur Technik in diesem Posting zu vage wären – ich kann sie jederzeit sehr konkret machen.

            Wenn sie ernsthaft verstehen wollen, weshalb es zu den Erfahrungen kommt, die sie hier im Blog geschildert haben, dann gebe ich ihnen einen ernst gemeinten Ratschlag:

            Akzeptieren sie, dass ihr Verständnis von Technik nicht nur unzureichend ist um die konkrete Technik zu verstehen. In Anbetracht dessen sollten sie ernsthaft überdenken, ob ihr Verständnis ausreicht, die Relevanz technischer Expertise insgesamt beurteilen zu können.

            Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mir die Kompetenz einräumen würden, über die Relevanz der Soziologie urteilen zu können.

            Was verleitet sie dazu, das im umgekehrten Fall mit einer solche Pauschalität zu tun? Warum verwundern sie die negativen Reaktionen derart abgeurteilter Menschen?

          2. Guten Morgen tp1024,
            es erstaunt mich, wie rasch Sie Ihre persönlichen Bewertungen hier den Argumenten überstülpen. Ich hatte ja lediglich geantwortet: Ich bin nicht Ihrer Meinung und das hat mit Komplexität zu tun, wozu ich den nächsten Blog-Beitrag plane. Ich habe nichts (!) darüber gesagt, was mit Komplexität gemeint ist und was nicht. Ich habe also nur auf Zeit gespielt. Das kann man kritisieren, haben Sie aber gar nicht getan, sondern sind gleich wertend in die Sachdimension gewechselt. Im Einzelnen:
            – Sie sprechen von einer „Haltung“ (gemeint ist wohl: Urteilen ohne Sachverstand). Meinen Sie mich? Wo habe ich ohne Sachverstand geurteilt? Der genannte Verweis auf Komplexität kann ja nun nicht gemeint sein, gerade weil ich ja mitgeliefert habe, dass die Begründung später, im nächsten Blog-Beitrag geplant ist. Da Sie unnötig aggressiv von „Hybris“ und „Arroganz“ schreiben, bin ich schon sehr gespannt auf Ihre Antwort an dieser Stelle.
            – Wo habe ich von Unbeherrschbarkeit gesprochen?
            – Woher wissen Sie, was ich mir alles an „Möglichkeitsraum“ vorstellen kann?
            – Wo habe ich einen Menschen abgeurteilt?

            Obwohl Ihr Tonfall etwas von einem Verhör hat: Ich akzeptiere selbstverständlich gerne, dass mein Verständnis von Technik (in dem von Ihnen genannten Bereich, nicht in allem, was man unter „Technik“ fassen kann) unzureichend ist, um die konkrete Technik zu verstehen. Ich denke gleichsam: das ist auch gar nicht notwendig!

            Ich weise aber nur darauf hin, dass das, was Sie schreiben, sinngemäß immer schon von Experten gesagt wurde, zu allen Zeiten, immer wenn es darum ging, eine neue, riskante Technologie einzuführen. Sie haben ja Recht: Man muss den technischen Stand der Dinge mitberücksichtigen! Und nun können wir auf Ulrich Beck zurückgreifen: Vor allem Technik- und Naturwissenschaften definieren – meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit – den „Stand der Technik“ und alles, was diesem nicht entspricht, ist riskant. Der Stand der Technik widerlegt aber zugleich die damit suggerierte Kontrollsicherheit, weil dem Stand der Technik immer ein Moment der Vorläufigkeit innewohnt. Was heute dem Stand der Technik entspricht, ist nicht nur de facto spätestens Morgen, sondern schon im Augenblick der Geltung potentiell veraltet. Die Technik bleibt deshalb immer riskant – dieser Verweis auf zukünftige Überalterung macht ja den Sinn der Rede vom Stand der Technik aus: Der Stand der Technik beruht auf Wissen, welches auch das Wissen um das Nicht-Wissen umfasst. Genau deshalb werden jene Sicherheiten, die die Risikoerzeuger anbieten, als „wahrscheinliche Sicherheiten“ eingeführt, die selbst durch Katastrophen nicht widerlegbar sind.

          3. Herr Kron,

            > Ich habe nichts (!) darüber gesagt, was mit Komplexität gemeint ist und was nicht.

            Aus dem Zusammenhang heraus und meiner Beschäftigung mit dem, was andere Soziologen zu dem Thema gesagt haben, haben sie sehr viel darüber gesagt. Was sie hier tun ist so, als würde ein Mathematiker behaupten, er hätte gar nicht gesagt, was er mit dem Satz des Pythagoras meint und was nicht.

            > Sie sprechen von einer “Haltung” (gemeint ist wohl: Urteilen ohne Sachverstand). Meinen Sie mich? Wo habe ich ohne Sachverstand geurteilt?

            Dazu brauche ich nur das nächste Zitat von ihnen anzufügen:

            > Ich akzeptiere selbstverständlich gerne, dass mein Verständnis von Technik (in dem von Ihnen genannten Bereich, nicht in allem, was man unter “Technik” fassen kann) unzureichend ist, um die konkrete Technik zu verstehen. Ich denke gleichsam: das ist auch gar nicht notwendig!

            Und brauche mich an der Stelle auch nicht mehr dafür zu rechtfertigen, dass ich „unnötig aggressiv von ‚Hybris‘ und ‚Arroganz‘ schreibe“. Sie maßen sich an zu sagen, dass sie einen Gegenstand gar nicht verstehen müssen um über ihn urteilen zu können. Das Urteilen ohne die Notwendigkeit von Sachverstand anzuerkennen schließt ein Urteilen ohne Sachverstand mit ein, geht aber weit darüber hinaus.

            Und noch höher hinaus geht es in Sachen Arroganz nicht. Der Begriff Hybris ist nicht da unnötig aggressiv, sondern das letzte sprachliche Mittel um zu beschreiben, was sie hier tun. Es das non-plus-ultra. Der Gipfel der Arroganz.

            > Wo habe ich einen Menschen abgeurteilt?

            An dem Punkt, an dem sie alles Wissen über einen Gegendstand für unnötig erklären um über ihn urteilen zu können, urteilen sie andere Menschen ab.

            > Woher wissen Sie, was ich mir alles an “Möglichkeitsraum” vorstellen kann?

            Weil ich selbst einmal an dem Punkt war, an dem ich von der Kerntechnik keine Ahnung hatte, aber glaubte alles nötige Verstanden zu haben. Weil ich weiß, was ich seit dem gelernt habe und was nötig war um auch nur die existierenden Konstruktionen zu verstehen.

            So wie ein Anfänger im Schach wird auch keine Meisterpartien spielen kann und noch nicht einmal die einfachsten Züge verstehen wird, so ist man ohne ernsthaftes Verständnis nicht in der Lage zu sagen, welche Möglichkeiten es gibt Kernreaktoren zu bauen.

            Sie treten hier gerade auf wie ein Schachanfänger der einem Meisterspieler sagt: Woher willst du denn wissen, wie gut ich Schach spiele? Ihr Auftreten ist kindisch bis lächerlich.

            > Vor allem Technik- und Naturwissenschaften definieren – meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit – den „Stand der Technik“

            Ich habe alles, was ich über Kernkraft gelernt habe aus öffentlich zugänglichen Quellen gelernt. Nur um einmal ein Beispiel zu zeigen: https://www.oecd-nea.org/nsd/docs/1988/csni88-148.pdf

            (Die Proceedings einer Konferenz in Paris, als 1988 die Filteranlagen vorgestellt wurden, mit denen Kernkraftwerke in Deutschland, Frankreich und Schweden ausgestattet wurden. In Japan gab es nichts dergleichen. Zu den Konstruktionen und der Untersuchung gibt es noch wesentilch detailliere Quellen.)

            > Der Stand der Technik widerlegt aber zugleich die damit suggerierte Kontrollsicherheit, weil dem Stand der Technik immer ein Moment der Vorläufigkeit innewohnt. Was heute dem Stand der Technik entspricht, ist nicht nur de facto spätestens Morgen, sondern schon im Augenblick der Geltung potentiell veraltet. Die Technik bleibt deshalb immer riskant

            Unser Bild von der Welt ist auch immer falsch und immer vorläufig. Früher glaubte man, die Erde sei eine Scheibe. Das war falsch. Dann glaubte man, sie sei eine Kugel. Das war falsch. Dann glaubte man, es sei eine durch Rotation abgeplattete Kugel, aber auch das war falsch. Daraufhin hieß es, die Erde hätte eine birnenförmige Auswölbung im Süden, wegen des größeren Anteils dünner ozeanischer Kontinentalplatten dort. Aber auch das war falsch. Gravitationsvermessungen zeigen große und unsymmetrische Beulen in der Form der Erde, aber auch dieses Bild ist falsch.

            Aber ist das erste Bild von der Erde als Scheibe so falsch wie das von der Kugel oder Erde mit unsymmetrischen Beulen? Wohl kaum.

            Es gibt sehr klare Grenzen, in denen sich die Unsicherheit bewegen kann. Wer einen Eimer Wasser auf einen Kegel kippt weiß nicht, welchen Weg welche Wassermengen nach unten fließen werden. Aber es wird entlang der Kegeloberfläche nach unten fließen, darüber gibt es keinerlei Unsicherheit – unter allen Bedingungen die flüssiges Wasser zulassen.

            Es reicht nicht zu sagen: „Es gibt Unsicherheit! Also kann alles mögliche passieren!“ Denn darauf zielt ihre Argumentation ab. Es kann nicht *alles* mögliche passieren, sondern nur das was im Rahmen des gegebenen Systems möglich ist. Darüber hinaus gibt es kein Risiko. Diese Grenzen zu kennen, das ist Sachverstand.

            Dieser Sachverstand erlaubte es auch schon 1975 genau zu beschreiben, wie sich ein BWR Mark I Containment im Fall einer Kernschmelze verhalten kann – es gab schlicht keine Möglichkeit nach der es hätte dicht bleiben können, die Unsicherheit beschränkte sich nur darauf, welche Dichtungen unter welchen Bedingungen des Unfallhergangs zuerst undicht werden würden. (*) Genauso wie man wegen der physikalischen und chemischen Eigenschaften sagen konnte, welche radioaktiven Stoffe dennoch im Containment eingeschlossen bleiben würden und welche nicht. Iod, Cäsium und Edelgase kommen frei, alle anderen Stoffe gelangen nicht in wesentlichen mMengen in die Atmosphäre.

            Hätte man in Japan ein Filtersystem eingebaut wie in Deutschland oder Schweden (Frankreich hat keine vergleichbaren Reaktoren), wäre die erste undichte Stelle die Berstscheibe vor der Filteranlage gewesen (wenn nicht zuvor schon das Ventil per Hand geöffnet wurde).

            Im übrigen gibt es auch Reaktorkonstruktionen, die nichts dergleichen brauchen. In denen also der Raum der Möglichkeiten im Betrieb und auch im Fall eines Stromausfalls, Kühlungslecks oder ähnlichem keine größere Freisetzung beinhaltet, weil sie schlicht den entstehenden Temperaturen widerstehen können. Das schließt auch Flugzeugabstürze mit ein, weil die Bauart unterirdisch ist.

            (*) Das schließt auch die Möglichkeit von Wasserstoffexplosionen im Gebäude außerhalb des Containments mit ein, sobald der Wasserdampf kondensiert ist. Mit Wasserstoffrekombinatoren oder schlichter Belüftung, wie im Reaktorblock 2 von Fukushima Daiichi, wäre die Wasserstoffkonzentration rechtzeitig gesunken, bevor der Wasserdampfkondensieren kann und ein explosives Gemisch zurück lässt. Man wollte das Gebäude möglichst geschlossen halten, um radioaktive Partikel darin einzuschießen – was ohne die Rekombinatoren ein Explosives Gemische erlaubt. Erkenntnisse, die Jahrzehnte alt sind, aber wegen der offenbar mangelnden Sicherheitskultur der dortigen Gesellschaft nicht verbreitet waren.

            Warum weder die Sicherheitseinrichtungen noch das Sicherheitstraining in Japan ordnungsgemäß durchgeführt wurden, das wäre in der Tat ein angemessenes Betätigungsfeld für Soziologen und eine wichtige offene Frage. Es bedarf auch nicht dem gleichen Maß an technischer Expertise, wie ein Urteil über die gesamte Kerntechnik.

          4. Weiter geht’s:

            Aus dem Zusammenhang heraus und meiner Beschäftigung mit dem, was andere Soziologen zu dem Thema gesagt haben, haben sie sehr viel darüber gesagt. Was sie hier tun ist so, als würde ein Mathematiker behaupten, er hätte gar nicht gesagt, was er mit dem Satz des Pythagoras meint und was nicht.

            Der Zusammenhang, in dem ich von Komplexität geschrieben habe, war bislang ausschließlich die genannte Polyoptik. Sie basteln nun das hinein, was andere gesagt haben. Da wird die Argumentation schon schwierig. Wenn Sie andeuten, dass das, was unter „Komplexität“ verstanden wird, ähnlich einheitlich und formal eindeutig dargelegt ist wie der Satz des Pythagoras, dann ist das wohl schlicht falsch.

            Sie maßen sich an zu sagen, dass sie einen Gegenstand gar nicht verstehen müssen um über ihn urteilen zu können.

            Das ist falsch. Sie zitieren ja selbst, dass ich mein Verständnis unzureichend ist, um die konkrete Technik, die Sie anführen, zu verstehen. Das ist etwas anderes als „gar nicht verstehen“.
            Auch habe ich nicht die Notwendigkeit von Sachverstand aberkannt! Wo Sie doch so genau hinsehen: ich habe von weniger technischer Expertise gesprochen, nicht von keiner Expertise.

            Sie konstruieren Argumente, die ich so nicht aufgebracht habe, durch Ihre eigene Konstruktion sowie andere Autoren und bewerten das als „Gipfel der Arroganz“. Das finden Sie tatsächlich in Ordnung?

            An dem Punkt, an dem sie alles Wissen über einen Gegendstand für unnötig erklären um über ihn urteilen zu können, urteilen sie andere Menschen ab.

            Ich habe, ich wiederhole, nicht „alles Wissen für unnötig“ erklärt. Ist das der Pappkamerad, den Sie benötigen? Wieso?

            Ihr Auftreten ist kindisch bis lächerlich.

            Das mag Ihre Meinung sein. Die Bewertung meiner Person gehört aber nicht in diesen Blog. Das dürfen Sie mir gerne persönlich mitteilen. Für die Zukunft also bitte unterlassen!

            Sie gestehen zu, dass der Stand der Technik immer veraltet ist, so wie unser Bild der Welt vermutlich auch. Über den Grad der Falschheit kann man selbstverständlich diskutieren. Auch in Bezug auf Hochrisikotechnologie.

            Es kann nicht *alles* mögliche passieren, sondern nur das was im Rahmen des gegebenen Systems möglich ist.

            Jaja, die Frage ist dann erstens, um welche Art System es sich handelt, um den Möglichkeitsraum zu bestimmen. Und zweitens, was man zu einem „gegebenen“ System hinzurechnet. Auch beim AKW sind es – Sie werden mich sicherlich korrigieren – nicht nur technische Elemente, oder?

  5. Mehr Soziologie für die Massen – vielleicht wird sie dann etwas weiser!

    Ich fürchte, mit Slogans wie diesem ist der feindlichen Haltung, die in Teilen der Blogosphere gegenüber Soziologie besteht, nicht mehr beizukommen. Wie wäre es statt dessen, mit dem von Habermas so popularisierten Dialog mit den „Massen“. So ganz unberechtigt ist die Kritik an Soziologie ja auch nicht, denn vieles von dem, was in Soziologie (war das nicht die Wissenschaft, die soziale Fakten zum Gegenstand hat) geforscht oder meisten nicht mehr geforscht, sondern gleich verkündet wird, hat mit Wissenschaft nur noch am Rande zu tun, sofern man Wissenschaft als einen kumulativen Prozess des Erkenntnisgewinns ansieht, was voraussetzt, dass Ergebnisse, die von Soziologen produziert werden, nachprüfbar und falsifizierbar sein müssen, um überhaupt als wissenschaftlicher Beitrag angesehen werden zu können. Insofern muss die Frage „Was hat die Soziologie der Gesellschaft zu sagen“, ja nicht zu Ärger Anlass geben, man kann sie auch produktiv wenden und ein Vermittlungsdefizit auf der eigenen Seite sehen, ein leicht zu lösendes Problem: Wenn z.B. dieses Blog hier dazu genutzt würde, Forschungsergebnisse aus der Soziologie nebst dem, der sie produziert hat, vorzustellen und deren Nutzen für die Gesellschaft zu beschreiben, dann wäre schon etwas gewonnen und es gäbe eine Link für all diejenigen, die Soziologie als Wissenschaft nicht aufgeben wollen.

    Etwa so einen:
    http://sciencefiles.org/2014/12/04/genderisten-sind-keine-wissenschaftler-rettet-die-soziologie/

    Ich fürchte nur, dazu muss man auch im eigenen Stall kehren…

    1. Hallo Michael Klein,

      ich fürchte, Sie liegen richtig mit Ihrer Diagnose, dass der feindlichen Haltung so nicht beizukommen ist. Ich vermute aber auch, an einer „Einigung“ ist einigen der Personen, die sich mitunter hasserfüllt äußern, gar nicht gelegen. Denn um Kritik aufzunehmen, müsste man wohl gewaltfreier kommunizieren. Verbale Schlägereien bringen ja nicht weiter.

      Ich begrüße Ihren Vorschlag, das produktiv zu wenden! Dass „Ergebnisse, die von Soziologen produziert werden, nachprüfbar und falsifizierbar sein müssen, um überhaupt als wissenschaftlicher Beitrag angesehen werden zu können“, könnte dabei ein Ausgangspunkt sein. Das dürfte für viele soziologische Erkenntnisse völlig unproblematisch sein. Genau dazu gibt es ja u.a. die peer-review-Verfahren in den Zeitschriften oder den Begutachtungsprozess etwa der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Aber man kann auch in Blogs von den Ergebnissen berichten oder was ich gut fände: eine eigene, professionell gemachte Zeitschrift, in der soziologische Ergebnisse verständlich präsentiert werden. Kurz: Da kann man noch was tun, ich habe gleichsam nicht den Eindruck, als gäbe es da gar nichts.

      Dass das nur ein Ausgangspunkt sein könnte, aber nicht muss, verweist auf den Hinweis von Gerhard Schwartz. Ab wann ist eine Erklärung eine Erklärung (in der Soziologie, aber auch generell)? Ich lasse das hier mal offen und bitte, mir das nicht nun auch gleich um die Ohren zu hauen. Alles auf einmal geht leider nicht!

      Ach ja, die Debatte um die Gender-Studies werde ich hier nicht aufgreifen. Der Grund ist, dass dieser Diskurs scheinbar kaum mehr ohne möglich ist, ohne dass jene Höflichkeitsregeln des Diskurses verletzt werden, welche meine Eltern sich bemüht haben mir beizubringen. Das gilt auch u.a. für den von Ihnen im verlinkten Beitrag anempfohlenen „Autor“, der ohne ein Argument auskommt, z.T auch für den verlinkten Beitrag selbst. Das hilft m.E. überhaupt nicht weiter.

    2. „Mehr Soziologie für die Massen – vielleicht wird sie dann etwas weiser!“

      steht dem Slogan

      „Mehr Soziologie für die Massen – vielleicht wird sie dann etwas weiser!“

      in nichts nach, im Gegenteil.

      Genderisten sind keine wissenschaftler rettet die Soziologie/

  6. Lieber Herr Kron,

    ich finde es schon bemerkenswert wie leichtfertig Sie die Einwände von tp1024 beiseite wischen, denn im Prinzip speisen sie sich aus derselben Verärgerung, wie die, die Sie in Ihrem Beitrag beschreiben, nämlich das Ärgernis unqualifizierter Kommentare in hochspezialisierten Fachdiskussionen.

    Sie sind der Meinung, dass weniger Expertise gebraucht wird, statt mehr? Was wäre denn die Alternative? Noch mehr soziologischer Wortmagie, wie der Verweis auf Komplexität?

    Stellen Sie sich nun mal vor, dass Sie sich in eine Diskussion von Chemikern, Biologen oder Physikern mit dem Verweis auf Komplexität einmischen. Faktisch machen Sie damit nichts anderes als die Fachkompetenz und die Berechtigung der Disziplinen abzuwerten. Nichts anderes hatte der Unbekannte gemacht, der sich in Ihr Gespräch mit einem anderen Prof. einmischte. Was glauben Sie, wieviel Verständnis Sie bei den Chemikern, Physikern oder Biologen mit so einem Beitrag ernten werden?

    Sie schreiben, dass Komplexität bedeutet, dass es mehrere Perspektiven auf ein Ereignis oder einen Sachverhalt gibt. Interessanterweise sind Sie jedoch nicht bereit andere Perspektiven, wie die von tp1024, zur Kenntnis zu nehmen, sondern beharren lieber auf Ihrem eigenen Eindruck. Dann frage ich mich allerdings, was Sie glauben, wie der Verweis auf Komplexität eigentlich von anderen Personen verstanden werden soll? Wie soll man den Verweis auf andere Perspektiven verstehen, wenn er nur dazu dient auf der eigenen Perspektive zu bestehen und andere abzuwerten?

    Anscheinend hat sich in der Luhmann-Rezeption ein sehr verkürztes Verständnis von Komplexität durchgesetzt, so als ob es schon irgendwas erklären würde auf Komplexität zu verweisen. Komplexität, so wie ich Luhmann verstehe, ist eine Problembeschreibung. Damit ist noch nichts erklärt. Als soziales Problem bedeutet Komplexität, dass die Spezialisierung der Kommunikation, bekannt als funktionale Differenzierung, Einschränkungen für die Partizipation bedeutet. Potentiell kann jeder mitmachen, faktisch tun es immer nur einige Personen, weil sie erst die jeweilige Spezialsprache lernen müssen. Wer allerdings glaubt, sich nicht die Mühe machen zu müssen, diese Spezialsprachen zu lernen, der braucht sich auch nicht zu wundern, wenn ihm sehr schnell die Grenzen der Partizipation aufgezeigt werden. Vor diesem Hintergrund muss schon ein bißchen mehr kommen als der Verweis auf Komplexität, wenn er am Ende nur dazu dient die Perspektive der Experten abzuwerten und zu delegitimieren, während man auf der eigenen Expertise besteht. Bei so einem performativen Widerspruch braucht man sich über die Abwehrreaktionen gegen die Soziologie nicht zu wundern.

    In diesem Sinne bin ich schon auf Ihren kommenden Beitrag über Komplexität gespannt.

    1. Hallo Beobachter der Moderne,

      auch Sie möchte ich bitten, mir kurz darzulegen, welcher Kommentar unqualifiziert gewesen ist. Wie auf tp1024 geantwortet: Mit Hinweis auf Komplexität habe ich auf Zeit gespielt. Mehr nicht. Wo ist das unqualifizierte Argument?

      Ich habe übrigens meine Ansicht von Komplexität noch gar nicht dargelegt. Die Polyoptik, von der oben die Rede gewesen ist, ist ein Teil davon. Polyoptik ist nicht alles, was m.E. Komplexität ausmacht, das habe ich allerdings auch nicht behauptet. Ich stimme Ihnen zu, das wäre ein verkürztes Verständnis von Komplexität.

      Mir ist schleierhaft, wie Sie dazu kommen, dass ich nicht bereit sei, „andere Perspektiven zur Kenntnis zu nehmen“? Nur weil man nicht sofort und unmittelbar auf alles eingeht? „Vor diesem Hintergrund muss schon ein bißchen mehr kommen als der Verweis auf Komplexität, wenn er am Ende nur dazu dient die Perspektive der Experten abzuwerten und zu delegitimieren, während man auf der eigenen Expertise besteht.“ Aber genau das wurde doch angekündigt: es kommt noch mehr! Kann es sein, dass Sie sehr ungeduldig sind und diese Ungeduld hier wertend kenntlich machen? Nun, Sie schreiben ja freundlicherweise, dass auf den kommenden Beitrag entsprechend gespannt sind. Das freut mich!

      Wo ist die Alternative zu weniger Expertise? Gute Frage, Danke sehr! Eine Antwort könnte sein: Mehr soziologische Begutachtung der Expertise im Prozess der politischen Entscheidung beispielsweise. Man denke bspw. an die Science and Technology Studies, die zu der Entstehung von Experten-Erkenntnis einiges herausfinden, wodurch deutlich wird, dass das so objektiv ja nun nicht ist, was da passiert. Es wäre m.E. wichtig, die soziale Konstruktion der Expertise (und damit der Risiken, Schwellenwerte usw.) ebenfalls (mehr) in Öffentlichkeit, Politik und Entscheidungsprozesse hineinzutragen, damit gar nicht erst der Eindruck entsteht, es gäbe „Sicherheit“.

      1. Herr Kron,

        Wie wäre es, wenn wir Soziologische Konstrukte ebenfalls (mehr) in Öffentlichkeit, Politik und Entscheidungsprozesse hineintragen, damit gar nicht erst der Eindruck entsteht, es gäbe “Soziologie”?

        Außerdem sollte man mehr gesellschaftliche Begutachtung der Soziologie im Prozess der politischen Entscheidung fordern. Man denke bspw. an das Beispiel hier über die Entstehung von soziologischen Erkenntnissen, wodurch deutlich wird, dass das so objektiv ja nun nicht ist, was da passiert.

        1. tp1024, lieber Herr Kron,

          Sie, tp1024, sprechen genau aus der Perspektive der Technik das an, was ich grundsätzlich aus wissenschfaftstheoretischer und methodologischer Sicht kritisiere. Die Soziologie bietet unverantwortliches Soziotainment und Textproduktionen auf der Basis eines Pluralismus-Fetischismus, den sie als Wissenschaft verkauft, mit verheerenden Wirkungen auf die Gesellschaft.

          Das habe ich in meinem Artikel „Die Komplexitäts-Ideologie“ (August-Ausgabe 2012/ soziologie-heute) genauer beschrieben.

          Die Dominanz des radikalen Konstruktivismus, maßgebend durch meinen Lehrer Luhmann in die Soziologie eingeführt, hat den WISSENSCHAFTLICHEN Zugang zur sozialen Realität verbaut. Versuche, soziale Protzesse zu ERKLÄREN, (Ursache-Wirkung) sind psychiatrieverdächtig geworden.

          Der „neue ontologische Realismus“ in der Philosophie spricht zu Recht von der aufgeblasenen Rhetorik (Markus Gabriel) des Konstruktivismus, der sich selbst widerspricht.

          Searle zeigt in der Philosophie Wege, wie soziale Tatsachen jenseits des konstruktivistischen Relativismus begriffen werden können.

          Jede ernstzunehmende Wissenschaft orientiert sich am Ideal der Vereinheitlichung und Vereinfachung ihrer Grundlagen. In der Physik ist die Integration von Quantenphysik und Relativitätstheorie das entscheidende theoretische Thema. Kein Physiker würde auch nur auf die Idee kommen, sich auf Dauer mit dieser Zweiteilung und den Widersprüchen zufrieden zu geben.

          Kuhn hat diese Prozesse in seiner „Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“ wunderbar beschrieben. Pluralismus, zunehmende Ad-Hoc-Erklärungen und die Erhöhung von Komplexität sind Anzeichen für zukünftige qualitative Sprünge, die den bisherigen Rahmen sprengen, Komplexität REDUZIEREN und einen umfassenderen Rahmen für die nächste Phase „normaler Wissenschaft“ zur Verfügung stellen. Der Widerstand der jeweils etablierten Wissenschaftler und der emotional-ideologischen Komfortzone ist jeweils gewaltig.

          Aber in der Soziologie ist das selbstverständlich etwas vollkommen anderes. Wie Herr Kron schon provokativ fragt, warum sollte man die naturwissenschaftlichen, die sozialwissenschaftlichen und die kulturwissenschaftlichen Aspekte menschlichen Verhaltens wissenschaftlich integrieren!!??

          Was soll es da an offenen Grundlagen Themen geben. Ist doch alles geklärt, oder!!??

          Die läppischen Frage: Wie kann man soziales Verhalten in der Gesellschaft jenseits der hilflosen individualistischen und interaktionistischen Versuche ERKLÄREN? Wie entstehen soziale STRUKTUREN? Welche WIRKUNG haben sie auf die Verteilung sozialen Verhaltens? Welche Rolle spielt die a-rationale Basis menschlichen Verhaltens jenseits der liberalistischen Rationalitäts-IDEOLOGIE, die Ausnahme-MÖGLICHKEITEN menschlichen Handelns zu WAHRSCHEINLICHKEITEN menschlichen Verhaltens hochstilisiert?

          Als Soziologie-Beamter muss man daran kein Interesse haben, das verstehe ich, aber als engagierter Soziologe sollte man es haben.

          Dass der „methodologische Individualismus“ und die „Systemtheorie“ keinerlei Zugang zum Unbewussten haben, das z.B. vom Neuromarketing gnadenlos als das Implizite (nette ideologieferne Formulierung) wirtschaftlich ausgebeutet wird, spielt natürlich für die emotional-ideologisch gefestigte Soziologie keine Rolle.

          Ein Kollege vom BDS hat mich als Fossil identifiziert und müde gelächelt, als ich ihm mitteilte, dass „Propaganda“ und massenpsychologische Manipulation eine zentrale Rolle in meiner „Soziologie des Unbewussten“ spiele. Der größte Witz, dieser Kollege beschäftigt sich mit der „Soziologie des Verkaufs“

          Herr Kron, es ist eine unverschämte Arroganz, die es mir kaum ermöglicht, höflich zu bleiben, wenn Sie als Soziologie-Beamter einem nicht-universitären Soziologen, einem Außenseiter, „Eigenwerbung“ unterstellen, wenn er sich engagiert und der degenerierten Soziologie ein Angebot macht, wissenschaftstheoretisch und methodologisch aus der Sackgasse zu kommen, die sie selbst konstatiert, wie ich in dem Zitat belegt habe.

          Was glauben Sie, wer hat einen besseren theoretischen Zugang zur sozialen Realität? Ein Professor für Soziologie, der durch die Quantität seiner Textproduktionen Karriere gemacht hat, oder ein Soziologe, gleiche theoretische Begabung, Interesse und Abstraktionsfähigkeit vorausgesetzt, der die unterschiedlichsten sozialen Bereiche an maßgeblicher Stelle praktisch kennengelernt hat?

          Hier noch ein WERBEBLOCK für Interessierte: https://soziologiedesunbewussten.blogspot.be

          1. Lieber Herr Schwartz,
            Sie stellen viele Behauptungen auf, Argumente finde ich hier kaum und selbst auf eine einfache Frage antworten Sie nicht bzw. mit einer Gegenfrage, welche dann mit Unterstellung arbeitet. Nun gut, ich warte mal die Resonanz der Diskussion auf Ihren Vorschlag einfach ab. Denn wenn schon ein solcher Integrationsvorschlag wie der Ihre vorliegt, der die „degenerierte Soziologie“ rettet, dann werden doch wenigstens die Nicht-Soziologie-Beamten hier engagiert genug sein, um das aufzugreifen, was doch so offensichtlich ist.

            Zu guter Letzt sei gestattet: Luhmann, wie wir lesen dürfen: Ihr Lehrer! – hat ja darauf hingewiesen, dass Menschen für die Autopoiesis der Wissenschaft aus systemtheoretischer Sicht einen anderen Stellenwert erhalten, als man dies üblicherweise zugesteht. Den wissenschaftlichen Schriften sieht man die Menschen einfach nicht. Wie kommen Sie eigentlich dann als Luhmann-Schüler darauf anzunehmen, dass Sie irgendetwas über mich als Person wüssten, gleichsam unterstellen, dass ich keine Erfahrung in unterschiedlichsten sozialen Bereichen habe? Luhmann konnte das bei Wil Martens nicht, Sie können das aber offensichtlich bei mir. Ich bin wirklich gespannt!

            Und wenn Sie in verschiedenen Blog-Beiträge auf Ihr Buch verweisen, ist das dann keine Eigenwerbung (für die ich übrigens eine gewisse Sympathie hätte)?

            Ach ja, und der Pluralismus in der Soziologie, den Sie kritisieren – das wäre ein Thema, das man hier weiterverfolgen könnte und vielleicht sollte -, das sieht man in der Soziologischen Theorie ganz ähnlich. Auch werden Integrationsversuche diskutiert, aber irgendwie haben Sie dazu gar nichts gesagt, höchstens pauschal abgeurteilt.

        2. Wie wäre es, wenn wir Soziologische Konstrukte ebenfalls (mehr) in Öffentlichkeit, Politik und Entscheidungsprozesse hineintragen, damit gar nicht erst der Eindruck entsteht, es gäbe “Soziologie”?

          Hm, soll das Polemik sein? Ich fürchte, das müssen Sie erläutern und vielleicht sagen Sie dazu, welches soziologische Konstrukt Sie meinen.

          1. Lieber Herr Kron,

            so können wir noch Jahre lang intelligent aneinander vorbei schreiben.

            Sie gehen mit keinem Wort auf meine Hinweise zu WISSENSCHAFTLICHEN Grundlagen (Searle/Naturwissenschaft/Kuhn) und zu den gfundamentalen Fragen, zu deren Beantwortung die Soziologie angetreten ist, ein.

            Müssen Sie auch nicht! Aber dann beenden wir eben in gegenseitigem Einverständnis das Gespräch, weil wir keine vernünftige Basis finden, die wir BEIDE akzeptieren.

            Bei Luhmann habe ich wie gesagt mit Begeisterung studiert, als er noch eine belächelter Exot bzw. ein angefeindeter Konservativer war. Jetzt erlaube ich mir, 30 Jahre später seinen Ansatz zu relativieren und über die kausalwissenschaftlich Implikationen seiner funktionalistischen Sozialphilosophie, seinen letztlich doch interaktionistischen Zugang zu sozialen Systemen und die radikal-konstruktivistischen Dimensionen seines Ansatzes, die wie gesagt zu einer Komplexitäts-Ideologie durch die Popularisierung geführt haben, kritisch nach zu denken!

            Aber zurück zum Thema „Wissenschaftstheorie“ und „Methodologie“!

            SIE betreiben aktuell soziologische Wissenschaft in der Universität.

            Auf welcher wissenschaftstheoretischen und methodologischen Basis machen Sie das?

            Aber antworten Sie mir bitte auf der Basis „methodologischer Individualismus“, „Systemtheorie“ usw., nicht auf der Basis „grounded theory) oder anderen „mittleren Reichweiten“. Mir geht es um das MÖGLICHE tragfähigere FUNDAMENT. Wenn Sie das nicht interessiert oder sie die Suche danach für unwesentlich halten, dann sagen Sie das. Oder wenn Sie eine ontologische und logische Hierarchisierung soziologischer Themen ablehnen und einen horizontalen Relativismus bevorzugen!?

            Auf welchem Menschenbild (soziologische Anthropologie) basiert Ihre Arbeit?

            Dann werde ich gerne konstruktiv und konkret ihren wissenschaftstheoretischen und methodologischen Grundlagen meine Kritik und Alternativvorschläge unterbreiten.

          2. Ich beantworte Ihnen die Frage gerne: Ich bevorzuge den erkenntnistheoretischen Relativismus wie ihn Renate Mayntz vertritt. Meines Erachtens geht es der Soziologie dann nicht mehr darum, ihre Erklärungen auf Letzt-Elementen – seien dies Akteure, Praxen, Systeme oder dergleichen – zu gründen. Wie schon Simmel formulierte: „„das Erkennen muss nach einem ganz anderen Strukturprinzip begriffen werden, nach einem, das dem gleichen äußeren Erscheinungskomplex eine ganze Anzahl verschiedenartiger, aber gleichmäßig als definitiv und einheitlich anzuerkennender Objekte des Erkennens entnimmt.“ Es geht um „‚Standpunkte’, die sich nicht wie Wirklichkeit und Abstraktion zueinander verhalten, sondern die, als Arten unserer Betrachtung, beide von der ‚Wirklichkeit’ abstehen – von der Wirklichkeit, die als solche überhaupt nicht Wissenschaft sein kann, sondern erst vermittels solcher Kategorien die Form der Erkenntnis annimmt.“ (auch Simmel)

            Nur nebenbei: Die Wissenschaftstheorie ist ja ebenfalls on der „multiplen Paradigmastase“ befallen, so wie Sie das der Soziologie ankreiden. Eine einheitliche Anschauung, welches Fundament man den Sozialwissenschaft zugrundelegen muss, gibt es da auch nicht. Ihre Forderung potenziert das Problem nur.

  7. Ich denke, den Weg nach draußen zu suchen und sich dort weiter unter SoziologInnen fachlich auf dem richtigen Niveau zu unterhalten, ist der falsche Weg. Wäre doch besser, die Soziologie würde mal ehrlich in den Spiegel schauen, der ihr vorgehalten wird.
    Wann war die Soziologie historisch denn immer von gesellschaftlich großer Bedeuteung? Doch genau dann, wenn sie nicht versucht fat eine exakte Wissenschaft zu sein; nein, immer dann wenn sie sich getraut hat auch unbequeme Ideen in die Öffentlichkeit zu tragen.
    Und was ist die heutige Soziologie? Doch vor allem eine von vielen Karrierewege an der Uni. Ich denke, die Soziologie wird nur gewinnen können, wenn sie sich wieder auf ihren Kern besinnt – kritische Sozialphilosophie – gerade heute mehr denn je gebraucht.

    1. Hallo Interessierte,

      schließt sich exakte Wissenschaft und Kritik denn aus? Ich glaube nicht. Und unbequeme Ideen hat die Soziologie doch mehr als genug. Hier scheint mir das genannte PR- oder Vermittlungsproblem relevant.

  8. Die Verantwortung der Soziologie für die Wirkung von Strukturen!???

    Endlich eine lebendige Diskussion, die in Richtung Grundlagen führt!

    Die formal-wissenschaftliche Produktion von zusammenhanglosen Texten reicht für eine ernst zunehmende Wissenschaft nicht!

    TP1024:„Entsprechend entstehen die Reaktionen auf soziologische Haltungen aus einer Position der objektiven Schwäche heraus. Selbst die stärkste Argumente die auf rigorosen wissenschaftlichen Standards ruhen, können mit einem “das hat man schon immer so behauptet” vom Tisch gewischt werden.“
    Die Tatsachen, dass Soziologie als Gesellschaftswissenschaft IMMER einen dramatischen Einfluss auf die Gesellschaft hat, auch wenn sie den größten Unsinn produziert, und gleichzeitig über kein wissenschaftstheoretisches und methodologisches Fundament verfügt, das ihr objektiv eine vernünftige Position auf Augenhöhe zur Naturwissenschaft verschafft, haben heute einen verheerenden Einfluss auf die gesellschaftliche Wirklichkeit.
    Den „Absturz der Soziologie“ hat Gerhard Wagner deutlich formuliert:
    „Das (dass keine aktuellen Publikationen zum aktuellen Stand der Forschung soziologischer Wissenschaftstheorie zu finden sind, G.Sch.) ist kein Zufall, denn im Unterschied zu anderen Einzelwissenschaften findet man in diesem Fach noch nicht einmal annähernd eine facheinheitliche Konzeption von Gegenstand und Methode, die man referierend vorstellen könnte. Was man findet, sind viele widersprüchliche Positionen (Braun,2008), die überblicksartig vorzustellen müßig wäre. Man würde damit nur einen Missstand dokumentieren, der offenbar für den Missstand des ganzen Fachs verantwortlich ist. ‚Es gibt in diesem Fach derzeit keinen Stand der Erkenntnis‘, lautet die öffentlichkeitswirksame (Hervorhebung .G. A. S.) Kritik anlässlich des Jubiläumskongresses, den die Deutsche Gesellschaft für Soziologie zur Feier ihres 100-jährigen Bestehens 2010 in Frankfurt am Main ausgerichtet hatte ( Kaube 2010).
    Als wollten sie dieses vernichtende Urteil ( Hervorhebung G.A.S.) bestätigen, ließen kurz darauf Fachvertreter in einer Befragung durchblicken, dass es tatsächlich keinen ‚Konsens über das Grundwissen der Disziplin‘ gibt, was sich in erster Linie mit einer ‚fehlenden gemeinsamen wissenschaftstheoretischen Vororientierung im Fach‘ erklären lässt (Braun & Ganser 2011:171)
    Da die Soziologie offenbar wie ein Computer abgestürzt ist,…“ (Wagner 2012:1)

    Der methodologische Individualismus einerseits und die zur Komplexitäts-DEOLOGIE verkommene Systemtheorie Luhmanns, bei dem ich begeistert die Relativierung überkommener dogmatisch-ideologischer Positionen um 1980 studiert habe, bilden kein tragfähiges Fundament, sondern blockieren den Weg der jungen Soziologie zu einer erwachsenen Wissenschaft. Die hilflosen Versuche, den Pluralismus zum neuen Paradigma der Soziologie zu deklarieren, als Alternative zu einem tragfähigen wissenschaftstheoretischen und methodologischen Fundament ist schlicht lächerlich.

    Es fehlt die Integration der naturwissenschaftlichen, der sozialwissenschaftlichen und der kulturwissenschaftlichen Aspekte menschlicher Gesellschaften, wie die Aufgabenstellung am Ende der Weimarer Republik treffend formuliert wurde.

    Die Erfahrungen in und mit dem Nationasozialismus haben die Soziologie bis heute derart traumatisiert, dass sie in der theoretischen und methodologischen Sackgasse stecken bleibt.

    Die universitäre Soziologie hat sich andererseits in ihrer emotional-ideologischen Komfortzone wunderbar eingerichtet und produziert formal-wissenschaftliche Texte am laufenden Band, die natürlich auch in einigen Fällen die gesellschaftliche Realität zufällig treffen, aber ansonsten zusammenhanglos nebeneinander stehen.

    Da ist es nicht verwunderlich, dass im Normalfall ein intelligentes Aneinander-Vorbeischreiben oder nette Lobhudeleien innerhalb der emotional-ideologischen Komfortzone die gesellschaftliche Verantwortungslosigkeit für die Wirkung von Strukturen entscheidend mit prägen.

    In der von mir angedeuteten „Soziologie des Unbewussten“ und dem „methodologischen Strukturalismus“ mache ich ein Angebot für diese Integration, die aber selbstverständlich den formal-wissenschaftlichen Ansprüchen der Karriere fördernden Text-Produktionen in Verbindung mit den Prämissen der liberalistisch-individualistischen emotional-ideologischen Komfortzone nicht entspricht.

    1. Hallo Herr Schwartz,

      vielen Dank für den Kommentar! Ein schwieriges Feld, diese wissenschaftstheoretischen Grundlagen! Ich gestatte mir ein paar Einwürfe:
      – Es ist falsch, dass die Soziologie kein wissenschaftstheoretisches und methodologisches Fundament verfügt. Es gibt nur mehrere (auch gute) Angebote. Dies kann man natürlich kritisieren. Macht die Soziologie (!) auch immer wieder, was dazu führt, dass weitere Angebote hinzugefügt werden. Work in Progress, würde ich sagen.
      – Jede Wissenschaft produziert notwendigerweise Blödsinn, wenn damit etwas gemeint ist, das nicht der Wahrheit entspricht, also falsifiziert ist.
      – Haben denn die Naturwissenschaften ein über kein wissenschaftstheoretisches und methodologisches Fundament? Ich hatte oft genug den Eindruck, als erklärt gilt dort dann etwas, wenn es funktioniert.
      – Sie haben bestimmt noch ein paar Argumente, weshalb „Versuche, den Pluralismus zum neuen Paradigma der Soziologie zu deklarieren, als Alternative zu einem tragfähigen wissenschaftstheoretischen und methodologischen Fundament […] schlicht lächerlich [ist]“! Welche?
      – „Es fehlt die Integration der naturwissenschaftlichen, der sozialwissenschaftlichen und der kulturwissenschaftlichen Aspekte menschlicher Gesellschaften“. Wem fehlt diese und warum? Na gut, so müsste ich jetzt auch bei den weiteren Einwänden weiterfragen, die das tun, was sie kritisieren.

      „In der von mir angedeuteten „Soziologie des Unbewussten“ und dem „methodologischen Strukturalismus“ mache ich ein Angebot für diese Integration, die aber selbstverständlich den formal-wissenschaftlichen Ansprüchen der Karriere fördernden Text-Produktionen in Verbindung mit den Prämissen der liberalistisch-individualistischen emotional-ideologischen Komfortzone nicht entspricht.“

      Mhhh, abgesehen von der Werbung, was ist damit gemeint?

  9. Eine weitere Frage in diesem Zusammenhang wäre evtl. ja auch: Was leistet die Soziologie eigentlich gerade? Hilft sie dabei eine wieder schwerer zu verstehende Welt interpretieren zu können?
    Ich habe den Verdacht, dass dies nur sehr eingeschränkt der Fall ist. Meine Vermutung ist dabei, dass die Soziologie dabei im Kern folgendes Problem hat:
    1. Die Soziologie als universitäre Wissenschaft – Mittlerweile sind ohne Frage viele sehr fähige und leistungsbereite Menschen in der Wissenschaften Soziologie untergekommen und machen dort respektable Karrieren. Es finden fast wöchentlich Tagungen, Workshops etc statt – fachintern natürlich, es existieren zahllosen Zeitschriften und die Publikationsdichte der Wissenschaft ist enorm. Die öffentliche Resonanz steht dazu aber in einem eklatanten Widerspruch. Wie kann das sein? Wenigsten 90% der soziologischen Tagungen, Zeitschriftartikel und Buchveröffentlichungen scheinen doch im Grunde nur nich einen einzigen Grund zu haben: Die Vita der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Imperativen der universitären Karrierelogiken anzupassen. Was heute in den Soziologie fehlt sind Biographien und Denkansätze die vom wissenschaftlichen Standard abweichen, sind Gedanken, die sich nicht den marktkonformen Wissenschaftsmechanismen anpassen. Auch wenn ich nicht das Lied der guten alten Zeit siegen würde: In der Vergangenheit hat es zumindest in den Randgebieten der Soziologie immer auch Platz für Abweichler und kreative Querköpfe gegeben.

  10. Heijeijei,

    schade eigentlich, dass sich hier kaum ein Blogger äußern kann, ohne sich zum dumm-naiven Vollpfosten degradieren lassen zu müssen. Obwohl dies zwischenzeitlich durchaus einen gewissen Unterhaltungscharakter hat, ist es doch bedauerlich, dass immer wieder soviel Argumentationskraft gegenüber vorher schon fest stehenden, und daher wohl kaum veränderungsbereiten, Meinungen verschleudert werden muss. Mir wäre es lieber, diese könnte zur Ausbreitung und der respektvollen Diskussion des jeweiligen Themas aufgebracht werden. In diesem Sinne warte ich auf die Fuzzy-Logik!

    1. Hallo Katharina, herzlichen Dank!

      Ich halte es ebenfalls für sehr hinderlich, sich mit solchen Spielchen aufzuhalten und durch Personen angegangen zu werden, die kaum die grundlegenden Spielregeln wissenschaftlicher Auseinandersetzungen akzeptieren. Man ist nahezu permanent gezwungen, sich dieses Niveau nicht aufdrängen zu lassen und mitzumachen, Angriffspunkte gäbe es ja hinreichend. Aber: So ist die Blog-Welt offensichtlich, nicht nur hier. In der realen Welt der Wissenschaft kommt dies offensichtlich signifikant weniger vor, man darf Gründe vermuten. Ich freue mich aber, wenn hier weiter – auch gerne hart, aber wie Sie schreiben: respektvoll – Argumente ausgetauscht werden! Demnächst dann auch sehr gerne zur Fuzzy-Logok.

  11. Herr Kron,

    da sie standhaft behaupten, dass ihr Wissen über die Kerntechnik zumindest ausreichend ist, um ein Urteil über ihre Nutzung zu fällen, machen sie das doch bitte konkret.

    Welche technischen Kriterien muss die Kerntechnik erfüllen können, um sie nutzbar zu machen?

    Ich möchte sie davor warnen:
    1) Zirkelschlüsse einzubauen. (Das sie dagegen sind, wissen wir schon.)
    2) Kriterien später hinzuzufügen.
    3) Kriterien später abzuändern.
    4) Ihre Kriterien so eng zu fassen, dass man Länder wie Finnland oder Schweden wegen der erhöhten natürlichen Hintergrundstrahlung sofort evakuieren müsste. Sowohl Lebenserwartung als auch Krebsraten in diesen Ländern sind mit Deutschland in jeder Hinsicht vergleichbar.

    Wenn sie keine Kriterien anführen können, muss ich davon ausgehen, dass sie ihr Urteil losgelöst von technischen und naturwissenschaftlichen Kriterien fällen.

    Bitte bedenken sie auch, dass ich die gleichen Kriterien auch auf andere Bereiche der Technik und Gesellschaft anwenden werde um sie auf Tragfähigkeit zu überprüfen. In dem Zusammenhang sollten sie auch den von ihnen gewählten Begriff der „Hochrisikotechnologie“ überdenken.

    Wir haben in der Geschichte der Bundesrepublik über eine halbe Million Tote durch den Autoverkehr zu beklagen, sowie etwa 400.000 Verletzte pro Jahr. Jedes Jahr kommen weltweit über 1,2mio Menschen durch Autoverkehr ums leben und wenigstens 20mio werden verletzt. Das ist eine Hochrisikotechnologie.

    1. Nun, da Sie meine Antwort oben auf Sie komplett ignorieren und keine Frage beantworten, handhabe ich das hier genauso.

      1. Sie haben 4 Fragen gestellt. Die erste ist rein rhetorisch, wieso sollte ich sie beantworten?

        Die zweite und dritte sind:

        „Ich habe, ich wiederhole, nicht ‚alles Wissen für unnötig‘ erklärt. Ist das der Pappkamerad, den Sie benötigen? Wieso?“

        Genau darauf bezieht sich meine Aufforderung hier an sie. Sie sollen belegen, dass sie dem Wissen über Technik und Naturwissenschaft tatsächlich einen Wert beimessen. In ihren Beiträgen mag diese Formulierung nicht explizit vorkommen, aber implizit lässt sie sich aufgrund des Ausschlussprinzips kaum vermeiden.

        Wo ist denn technisches und naturwissenschaftliches Wissen für ihr Urteil noch notwendig, nachdem sie es aus so vielen Bereichen schon ausgeschlossen haben?

        Die letzte Frage kommt hier vor:

        „Jaja, die Frage ist dann erstens, um welche Art System es sich handelt, um den Möglichkeitsraum zu bestimmen. Und zweitens, was man zu einem ‚gegebenen‘ System hinzurechnet. Auch beim AKW sind es – Sie werden mich sicherlich korrigieren – nicht nur technische Elemente, oder?“

        Auch diese Frage ist rein rhetorisch, sie wollen damit aussagen, dass es auch soziologische Elemente gibt. Gut. Geschenkt. Das sagen sie hier schon die ganze Zeit. Wieso sollte ich also auf diese rhetorische Frage antworten?

        Ich habe immer wieder auf die Notwendigkeit soziologischer Betrachtungen über die Technologie hinaus hingewiesen, damit auch auf die Notwendigkeit meine Perspektive zu erweitern. Sie hingegen haben immer wieder die technische und naturwissenschaftlichen Perspektive abgewertet und gefordert, die gesamte Betrachtung auf ihren Fachbereich zu verengen.

        Ich möchte jetzt wissen, worin denn in ihrem Urteil noch der Restwert der Technischen und Naturwissenschaftlichen Expertise besteht. Wir benutzen in unserer Gesellschaft eine vielzahl von Technologien und sie fordern nicht alle Technologien zu verbieten. Sie sagen auch, dass es Sicherheit nicht geben kann. Also kann es Sicherheit auch in anderen Technologien nicht geben, dennoch werden sie angewendet.

        Welche technischen Eigenschaften muss die Kerntechnik also aufweisen, damit diese in den offenbar vorhandenen „Kanon der akzeptablen Technologien“ aufgenommen werden kann?

        Soziologische Betrachtungen sind gänzlich wertlos, wenn sich diese nicht im Rahmen der technologischen Realität bewegen. Ein klassisches Beispiel war der Maoistische Glaube, dass große Hochöfen in der Stahlproduktion lediglich ein kapitalistisches Konstrukt sind, durch das die breite Bevölkerung der Produktionsmittel beraubt wird. Also forderte man, kleine Hochöfen in allen Dörfern zu bauen und damit Stahl herzustellen.

        Nur ist es so, dass diese gesellschaftstheoretische Analyse die technologische Realität ignoriert, dass ein kleiner Hochofen aus thermodynamischen Gründen nicht die Temperaturen eines großen Hochofens erreichen kann und für die Stahlherstellung nicht geeignet ist. Große Hochöfen sind kein Komplott der Profitmaximierung und Entziehung von Produktionsmitteln, sondern eine technologische Notwendigkeit. Der „Große Sprung nach Vorn“ scheiterte am Fehlen des Verständnisses der Technologie über die man urteilte.

        Sie sollen beweisen, dass sie wenigstens ein Minimum des Aufwandes betrieben haben der nötig ist, um einen solchen Fehler vermeiden zu können. Ohne das, ist ihr Urteil wertlos.

        1. Sie sollen belegen, dass sie dem Wissen über Technik und Naturwissenschaft tatsächlich einen Wert beimessen.

          Sie möchten nicht, sondern verlangen, dass ich, das, was ich gesagt habe, auch „tatsächlich“ so meine! Selbstverständlich nach den von Ihnen festgelegten Kriterien! Auf alle anderen Frage und besonders auf die Frage nach den Elementen des Systems reagieren Sie mit der Phrase, es handle sich immer um eine rhetorische Frage, um diese dann wiederum nicht zu beantworten. Es geht mit in der Tat um soziale Elemente (nicht soziologische, das ist was anderes) als Teile des Systems, in welchem Sie auf der technischen Ebene verbleiben. Nicht nur als Betrachtung, als Teil.
          Zudem bleiben Sie bei den Falschdarstellungen:

          Sie hingegen haben immer wieder die technische und naturwissenschaftlichen Perspektive abgewertet

          Nein, habe ich nicht getan! Ich halte diese Perspektiven für wichtig. Das kommt aber nicht bei Ihnen an.

          und gefordert, die gesamte Betrachtung auf ihren Fachbereich zu verengen

          Völlig absurd.

          Ich beende damit die Diskussion an dieser Stelle mit Ihnen, sie ergibt keinen Sinn!

          1. „Sie hingegen haben immer wieder die technische und naturwissenschaftlichen Perspektive abgewertet“

            Nein, habe ich nicht getan! Ich halte diese Perspektiven für wichtig. Das kommt aber nicht bei Ihnen an.

            Dann sagen sie bitte ENDLICH worin diese Wichtigkeit für sie besteht.

            Die Beteuerung, dass ihnen etwas wichtig ist, ist bedeutungslos, wenn ihr Handeln dem widerspricht.

  12. Lieber Herr Kron,

    da haben Sie etwas gründlich missverstanden. Ich habe lediglich versucht Ihnen begreiflich zu machen, wie man Ihre Äußerungen verstehen kann. Sie beschreiben in Ihrem Ausgangspost ein Ärgernis, das durch etwas ausgelöst wurde, was ich etwas salopp als „unqualifizierten Kommentar“ bezeichnen würde. Dann habe ich versucht Sie aufzufordern, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass es tp1024 bei einigen Ihrer Äußerungen gehen könnte, wie Ihnen in der beschriebenen Situation. Dies ist zunächst alles im Konjunktiv gehalten und soll noch nicht heißen, dass ich Ihre Ausführungen für unqualifiziert halte.

    Gleichwohl kann ich tp1024 durchaus verstehen. Auch ich finde Ihre Einlassungen zu weniger technischer Expertise nicht unproblematisch. In Ihrer Antwort auf meinen Kommentar machen Sie den Vorschlag:

    „Mehr soziologische Begutachtung der Expertise im Prozess der politischen Entscheidung beispielsweise.“

    Das Problem lässt sich an diesem Satz gut verdeutlichen. Denn die Frage, die sich für mich aus Ihrem Vorschlag ergibt lautet: Wer begutachtet die soziologische Expertise zur Begutachtung der technischen Expertise? Daran schließt sich die Frage an, wer die Expertise dieser Gutachter wiederum begutachtet und immer so weiter. Das würde in einen unendlichen Regress führen. Da sich kaum jemand gerne seine Expertise absprechen lässt, befürchte ich, dass Ihr Vorschlag in der Praxis vor allem sehr viel Streit produzieren wird. Am Ende sprechen sich alle nur noch gegenseitig die Expertise ab. Wenn man aber davon ausgeht, dass Expertise nur eine Konstruktion ist – und das gilt ja für soziologische Expertise ebenso wie für technische – , dann hat niemand eine sichere Grundlage, auf der man es wagen könnte jemand anderem die Expertise abzusprechen. Auf derselben fehlenden Grundlage läuft gerade Ihre Auseinandersetzung mit tp1024 ab. Für mich ergibt sich daraus der Schluss, dass man, obwohl Expertise nur eine Konstruktion ist, man diese Tatsache trotzdem nicht als Argument gegen Expertise anführen kann. Denn dann stellt sich wiederum die Frage, auf der Grundlage welcher Expertise man dies behaupten kann, ohne dass dieses Argument auf einen selbst zurückfällt.

    Wenn es Ihnen darum geht die Assoziation von Expertise und Sicherheit aufzulösen, würde ich es für sinnvoller halten, die Prozesse zu hinterfragen, in denen die wissenschaftliche Expertise dazu benutzt wird ein von der Politik wahrgenommenes Sicherheitsbedürfnis zu befriedigen. Mit anderen Worten, ich denke wissenschaftliche Expertise ist der falsche Ansatzpunkt. Wäre nicht vielmehr das naive Verständnis der Politiker von wissenschaftlicher Expertise zu hinterfragen?

    Mir ist natürlich klar, dass Sie noch mehr zu Komplexität zu sagen bzw. schreiben haben, als es sich bisher in Ihren bisherigen Ausführungen andeutete. Ich hab nur schon mal etwas vorgegriffen. Es bot sich einfach an gesellschaftliche Komplexität anhand der laufenden Diskussion schon mal zu verdeutlichen. Sie lässt das hohe Konfliktpotential, das in gesellschaftlicher Komplexität steckt, erahnen.

    1. Vielen Dank! Und Entschuldigung, wenn ich das missgedeutet habe! Sie haben recht, vielleicht kommt hier etwas von dem, was ich schreibe, als unqualifiziert an. Ich versuche dies dann zu korrigieren.

      „Mehr soziologische Begutachtung der Expertise im Prozess der politischen Entscheidung beispielsweise.“

      Das Problem lässt sich an diesem Satz gut verdeutlichen. Denn die Frage, die sich für mich aus Ihrem Vorschlag ergibt lautet: Wer begutachtet die soziologische Expertise zur Begutachtung der technischen Expertise?

      Ich möchte nur darauf verweisen, dass es ja einen Begutachtungsprozess der in Wissenschaft tätigen Professoren Soziologe*innen gibt! Jede Berufungskommission besteht aus mehreren Experten (auch aus anderen Disziplinen), die über eine Berufung mitentscheiden. Dasselbe gilt für Expertise, die sich in Publikationen äußert. Eine Publikation in der Zeitschrift für Soziologie etwa wurde durch mindestens sieben Fachleute begutachtet. Damit möchte ich nur sagen: Es gibt durchaus eine endogene Begutachtung, an welcher nicht nur Soziologen beteiligt sind, auch wenn es um Soziologen geht.

      Ich stimme zu, dass es eine sicherere Grundlage für Expertise nicht gibt. Ich stimme nicht zu, dass ich tp1024 die Expertise abgesprochen habe. Nein, im Gegenteil, ich habe dem zugestimmt, aber die Conclusio nicht geteilt.

      Dem Weiteren stimme ich auch zu, kann man machen. Ich lasse das so stehen – ohne das weiter zu bewerten.

      1. Sie sagen, dass sie mir die Expertise nicht absprechen. Aber jedes einzelne mal, an dem es konkret wird, an dem sie sagen sollen worin genau der Wert naturwissenschaftlicher und technischer Expertise besteht, sagen sie in der einen oder anderen Form „Nein, darin besteht er nicht“.

        Sie kennen das Mittel der reduktio ad absurdum. Und dieses Mittel sagt hier zu diesem Zeitpunkt jedem Beobachter, dass sie de facto der technischen und naturwissenschaftlichen Expertise keinerlei Wert zumessen.

        Sie können den Gegenbeweis jederzeit antreten.

  13. @ Thomas Kron

    Wenn sich Soziologen untereinander bewerten, ist ja auch nichts dagegen zu sagen. Untereinander dürften die Kriterien, nach denen sie sich gegenseitig bewertet werden, ja bekannt sein. Das ist ja nicht der Punkt, wenn Sie die soziologische Bewertung technischer Expertise fordern. Die Probleme gehen los, sobald Fachfremde an solche Begutachtungen beteiligt werden sollen, die diese Kriterien nicht teilen. Hand aufs Herz, würden Sie ihre Fachkompetenz von einem Gremium begutachten lassen, dass nur aus Naturwissenschaftlern besteht?

    1. Hallo Beobachter,
      dass ist eine freundliche Bewertung von Ihnen, dass die Kriterien der Bewertung immer so offenkundig wären ;-)
      Mein Antwort ist selbstverständlich: Nein, das würde ich nicht wollen. Das hat weniger mit Emotionen zu tun, sondern mit der Frage: weshalb auch, welcher Gewinn wäre zu erwarten, wenn ausschließlich Naturwissenschaftler Soziologen begutachten würden? Der Sinn erschließt sich mir nicht. Meine Empfehlung war ja auch nur: Mehr Soziologie und das bedeutet ja überhaupt nicht (wie mir hier unterstellt wurde): nur Soziologie.
      Hier ist die Verbindung zum Eingangsbeitrag: Ich würde der Polyoptik stattgeben wollen! Und hier sollte die Soziologie eine Beobachterperspektive einbringen, auch und vielleicht gerade wenn es um Technik geht.

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