Zur Empfehlung des DGS-Vorstandes, aus dem CHE-Ranking auszusteigen 3
In meinen beiden vorausgegangenen Blogs habe ich den Effekt der Reduktion von Diversität durch Rankings bearbeitet. Heute soll der Blick auf einen zweiten Effekt gerichtet werden, auf den stratifikatorischen Effekt von Rankings. Sie bilden nicht einfach Leistungsdifferenzen ab, sondern sind selbst ein wesentlicher Teil eines Systems der Produktion und fortlaufenden Reproduktion von sozialer Ungleichheit.
Wo bislang unterschiedliche Forschungs- und Lehrleistungen in Würde nebeneinander existierten und ihren spezifischen Beitrag zum Fortschritt des Wissens und zur Bildung der Studierenden geleistet haben, werden sie jetzt durch Rankings zwangsweise in eine Hierarchie eingestuft. Sachliche Differenzen werden in eine Rangordnung transformiert, bloße Größe und Marktmacht werden durch Rankings symbolisch aufgeladen und in Qualitätsunterschiede transformiert. Nach den von Robert K. Merton (1942/1973) definierten Spielregeln der Wissenschaft handelt es sich dabei um einen illegitimen Akt, der dem genuin wissenschaftlichen Wettbewerb um Erkenntnisfortschritt und Anerkennung durch die wissenschaftliche Gemeinschaft, in dem es keine Sieger und keine Besiegte gibt, einen Kampf um Distinktion aufoktroyiert, der nur wenige Sieger kennt und viele zu Verlierern stempelt. Diese Usurpation von Forschung und Lehre durch den Kampf um Rangplätze hat schwerwiegende Konsequenzen für die Studierenden, die Fachbereiche, die Lehrenden und Forschenden und die Fachdisziplinen insgesamt. Eine durch Rankings konsekrierte Stratifikation reproduziert sich in aller Regel fortlaufend selbst, weil nach dem von Robert Merton (1968) beschriebenen Matthäus-Prinzip einmal vorhandene Wettbewerbsvorteile in die Akkumulation weiterer Wettbewerbsvorteile umgemünzt werden.
Wer hat einen Nutzen von Rankings?
Trotz stets geübter Kritik sind Rankings wie dasjenige von U.S. News & World Report (USN) in den USA zu einer unumstößlichen sozialen Tatsache geworden (Espeland und Sauder 2007; Sauder und Espeland 2009). Man muss also fragen, was sie gegen Kritik immun gemacht und in den Status einer solchen sozialen Tatsache gebracht hat. Die Erklärung dafür liegt darin, dass sich Rankings einen Markt geschaffen haben, auf dem sie Eltern und Studienanfänger darüber informieren, über wieviel Prestige ein Fachbereich verfügt und wieviel Rendite die entsprechende Investition an Studiengebühren abwirft. Durch den Effekt der Reaktivität stellen Rankings zugleich sicher, dass die Investition in dem Sinne nachhaltig ist, dass die Rangordnung über einen langen Zeitraum stabil bleibt. Das heißt im Klartext, dass Rankings maßgeblich dazu beitragen, die hohen Bildungsrenditen der prestigereichen Hochschulzertifikate zu garantieren. Spiegelbildlich dazu gewährleisten sie auch, dass die Bildungstitel im mittleren Segment der staatlichen Universitäten und im unteren Segment der Community Colleges nur mittlere und niedrige Renditen abwerfen und der Abstand zur Spitze gewahrt bleibt. Rankings unterstützen Eltern und Studienanfänger, die in der Lage sind, in prestigereiche Bildungszertifikate zu investieren, weil das dafür erforderliche Volumen an ökonomischem, sozialem und kulturellem Kapital vorhanden ist.
Im Vergleich dazu hat sich die Situation in Deutschland bislang als offener und weniger inegalitär dargestellt. Die Umstellung auf die Differenzierung in Eliteeinrichtungen und Massenausbildungsstätten bringt uns jedoch dem amerikanischen Modell näher. Das CHE-Ranking ist ein Teil dieses Paradigmenwechsels hin zu einer Gesellschaft größerer Ungleichheit. Eliteeinrichtungen stützen sich auf das Prinzip der Exklusivität. Sie müssen sich gegenüber der Masse abschließen. Der Zugang zu ihnen verläuft über frühzeitige Selektionsprozesse, die von einem exklusiven Elternhaus zu einem exklusiven Kindergarten zu einer exklusiven Schule zu einer exklusiven Hochschule und zu einer exklusiven Berufsposition führen. Das impliziert eine hohe Rate der Reproduktion der Elite aus sich selbst heraus. Die Meritokratie – die Zuweisung von Status nach Leistung – verschmilzt mit einer neuen Art der Kastenordnung, der Zuweisung von Status durch die Herkunft (McNamee und Miller 2004).
Der stratifikatorische Effekt von Rankings
Das Ranking von USN ist direkt und unverkennbar in die Stratifikation amerikanischer Bildungstitel involviert. Das CHE-Ranking befindet sich erst auf dem Weg in eine solche zentrale Position der Statuszuweisung. Das Ranking von amerikanischen Law Schools durch USN bezieht sich auf vier allgemeine Faktoren, die wiederum auf einer Reihe von einzelnen, gewichteten Indikatoren basieren. Es handelt sich (1) um die durch Befragung von Experten ermittelte Reputation, (2) die Selektivität bei der Zulassung von Studienanfängern (Verhältnis Zulassungen zu Bewerbungen), (3) die Platzierung von Absolventen in beruflichen Positionen und (4) die verfügbaren Ressourcen, insbesondere die Quote der Studierenden pro Professor. Man sieht daran unmittelbar, dass sich alle vier Faktoren auf Exklusivität konzentrieren. Diese wird in einen Rangplatz umgesetzt, der wiederum auf das Prestige zurückwirkt. Das Ranking ist das zentrale Instrument, mit dessen Hilfe die Studienanfänger auf mehr oder weniger prestigereiche Law Schools verteilt werden, die sie wiederum mit mehr oder weniger prestigereichen Zertifikaten verlassen. Diese mehr oder weniger prestigereichen Zertifikate werden wiederum in mehr oder weniger hoch bezahlte Jobs transformiert, aus denen sich mehr oder weniger hohe Bildungsrenditen ergeben. Diese unterschiedlich hohen Bildungsrenditen verleihen den titelgebenden Law Schools mehr oder weniger Prestige, womit sei wiederum mehr oder weniger gut mit Humankapital ausgestattete Studienanfänger rekrutieren können. So schließt sich der Kreis.
In dieser Position befindet sich das CHE-Ranking noch nicht. Für die Soziologie-Rangliste verwendet es aktuell die folgenden Indikatoren: (1) Studiensituation insgesamt, (2) Studierbarkeit, (3) Methodenausbildung, (4) internationale Ausrichtung, (5) Forschungsgelder pro Wissenschaftler, (6) Forschungsreputation. Es fehlen hier die für die USA typischen harten Indikatoren der Statuszuweisung, nämlich die Selektivität bei der Aufnahme von Studienanfängern, die Zahl der Studierenden pro Professor und die Platzierung der Absolventen auf dem Arbeitsmarkt, die allesamt von der Ausstattung mit Kapital (Prestige und Geld) abhängen. Allerdings können auch die vom CHE ermittelten Indikatoren in eine Prestigehierarchie umgesetzt werden, die sich im Zusammenspiel von Rankings und Aufnahme von Studienanfängern fortlaufend selbst reproduziert. Die Kritik an den eingesetzten Indikatoren könnte zusammen mit der im Gang befindlichen Bewegung hin zu einer Differenzierung in Elite- und Massenausbildungsstätten dazu führen, dass auch das CHE auf die härteren und reliableren Indikatoren von USN umsteigt. Zu diesem Zeitpunkt wäre die Annäherung an das amerikanische Modell wachsender sozialer Ungleichheit und der Transformation einer Meritokratie in eine neue Kastenordnung erreicht. In der Folge würde sich auch die in Deutschland schon zunehmende Segmentierung der Gesellschaft in Klassen, Schichten und Milieus weiter beschleunigen, so insbesondere in der Herausbildung homogener Nachbarschaften. Eine aktuelle Erscheinung dieser nachbarschaftlichen Segmentierung ist die Gentrifizierung attraktiver Innenstadtbezirke, die von der Immobilienbranche als „Premiumsegmente“ vermarktet werden. Für die dort neu angesiedelte Elite der Gesellschaft gilt, dass man zeigt, was man hat und es zugleich gut bewachen lässt (Rühle 2012).
Die Kastenordnung der Bildung
Rankings überstülpen dem Forschungs- und dem Bildungsprozess eine ihnen selbst nicht innewohnende, ihnen an sich fremde Logik der Distinktion. Sie entfesseln Distinktionskämpfe im Forschungs- und Bildungsprozess. Dadurch tritt ganz in den Vordergrund, dass Bildung ein Positionsgut ist. Umso härter muss um den Wert dieses Gutes gekämpft werden. In den USA ist das Ranking von Departments bzw. Professional Schools durch USN ein Instrument, das Universitäten nutzen, um eine bestmögliche Selektion von Studierenden zu erreichen, die selbst schon viel kulturelles Kapital mitbringen und damit garantieren, das Zertifikat einer hochrangigen Universität auf dem Arbeitsmarkt in höchstmögliche Bildungsrenditen umzusetzen. Mit ihren hohen Bildungsrenditen können die Absolventen von Harvard, Yale & Co. ihre Kinder schon in die Kindergärten bringen, die ihnen den Weg bis zur Eliteuniversität schon von Anfang ihres Lebens an ebnen. Ein so stark stratifiziertes System bietet wenig Chancen für Spätentwickler, denen nicht das nötige kulturelle Kapital in die Wiege gelegt wurde. Ein noch so umfangreiches Stipendiensystem ändert daran nicht viel, wie entsprechende Untersuchungen nachweisen (Karabel 2005; Douglas 2007; Soares 2007; Stevens 2007). Rankings bringen demnach nur denjenigen Studierenden einen Nutzen, die schon über viel kulturelles Kapital verfügen, um es dann noch weiter zu veredeln und in hohe Bildungsrenditen umzusetzen. Die Masse der Absolventen von mittleren und unteren Einrichtungen muss spiegelbildlich sogar schrumpfende Bildungsrenditen hinnehmen. Ihre Bildungsanstrengungen werden mit sinkenden Bildungsrenditen entgolten, gerade weil der von Rankings befeuerte Kult der Elite dazu geführt hat, dass die Spitzeneinkommen auf Kosten der mittleren und unteren Einkommen explodiert sind (Brown et al. 2011; Kim und Sakamoto 2008; Mouw und Kalleberg 2010; Münch 2012: 146-162). Und für die Absolventen von Universitäten, die nicht zur Spitze gehören, ist es umso schwerer geworden, aufzusteigen, weil es zum Signum der Elite eben gehört, ein Zertifikat einer Spitzeneinrichtung vorweisen zu können. Was durch Rankings erzeugt wird, ist demnach keine Meritokratie, sondern in der Tat ein neues Kastensystem.
Die Kastenordnung der Forschung
Die Auswirkungen des neuen Kastensystems auf Forscher und Lehrer sind dieselben wie auf die Studierenden. Was immer sie tun, es wird klassifiziert und in eine Rangordnung gebracht. Die einen werden durch ein unverwüstliches Überlegenheitsgefühl beflügelt, die anderen durch Unterlegenheitsgefühle gelähmt. Die Entscheidung darüber fällt spätestens bei der Aufnahme in ein Promotionsstudium an einer hoch-, mittel- oder niederrangigen Universität. In Deutschland kann man bis heute an einer kleinen, neugegründeten Universität in der Provinz promoviert und habilitiert werden und eventuell über eine Zwischenstation im reiferen Alter zu einer Position an einer Traditionsuniversität gelangen. In den USA sind solche Aufstiege nicht möglich, wie Val Burris (2004) in einer aufschlussreicheen Studie für Soziologie, Politikwissenschaft und Geschichte nachgewiesen hat. Die jungen Talente sind in Deutschland immer noch über eine Vielzahl von Standorten verstreut. Das ist ein großes Potential und erhält die Vielfalt von Forschungsprogrammen. Man kann das z.B. an den Tabellen des Volkswirte-Rankings im Handelsblatt ablesen. Während die 100 in Fachzeitschriften sichtbarsten Volkswirte unter vierzig Jahren über 55 Einrichtungen verstreut sind, verteilen sich die Positionen beim Lebenswerk nur noch auf 33, wobei eine Konzentration auf fünf Fachbereiche zu beobachten ist (Münch 2011: 197-205). Sollte das CHE-Ranking in dieselbe Stellung gelangen wie das Ranking von USN, dann würde sich in Deutschland ein ähnliches Kastensystem wie in den USA herausbilden.
Übergangserscheinungen: Etikettenschwindel mit Elitetiteln
Beim Ranking von Hochschulen befindet sich Deutschland noch in einem Übergangsstadium. Wir leben noch in dem Widerspruch, dass Universitäten in Ränge eingestuft werden, aber außerhalb des Numerus Clausus jeder Abiturient bzw. jede Abiturientin unabhängig von weiteren Qualifikationen an jeder beliebigen Universität ein Studium aufnehmen kann. Das führt zu der Merkwürdigkeit, dass die von der Exzellenzinitiative als Tribut an die mediale Logik der Erzeugung von Sichtbarkeit gekürten Exzellenz- oder gar Eliteuniversitäten alle Studienplatzbewerber aufnehmen müssen, solange sie Studienplätze frei haben. Das entscheidende Merkmal einer Eliteeinrichtung besteht jedoch genau darin, bei der Zulassung von Studierenden höchst selektiv vorgehen zu können. In diesem Punkt handelt es sich bei der mediengerechten Vergabe von Exzellenz- bzw. Elitetiteln an deutsche Universitäten noch um einen glatten Etikettenschwindel. In welche Richtung dieser Widerspruch aufgelöst wird, in die elitäre oder in die egalitäre, darum drehen sich die vom Wissenschaftsrat initiierten Kämpfe um die horizontale und vertikale Differenzierung der Hochschullandschaft.
Literatur
Brown, Phillip, Hugh Lauder und David Ashton. 2011. The Global Auction. The Broken Promises of Education, Jobs and Incomes. Oxford: Oxford University Press.
Burris, Val. 2004. „The academic caste system. Prestige hierarchies in PhD exchange networks“. In: American Sociological Review 69 (April), S. 239-264.
Douglas, John A. 2007. The Conditions for Admission. Access, Equity and the Social Contract of Public Universities. Stanford, CA: Stanford University Press.
Espeland, Wendy N. und Michael Sauder. 2007. „Rankings and reactivity. How public measures recreate social worlds“. In: American Journal of Sociology 113(1), S. 1-40.
Karabel, Jerome. 2005. The Chosen: The Hidden History of Admission and Exclusion at Harvard, Yale, and Princeton. Boston: Houghton Mifflin Company.
Kim, Chang Hwan und Arthur Sakamoto. 2008. „The rise of intra-occupational wage inequality in the United States, 1983 to 2002.“ American Sociological Review 73 (1), S. 129-157.
McNamee Stephen J. und Robert K. Miller. 2004. The Meritocracy Myth. Lanham, MD: Rowman & Littlefield.
Merton, Robert K. 1968. „The Matthew-effect in science“. In: Science 159 (3810), S. 56-63.
Merton, Robert K. 1942/1973. „The normative structure of science“. In: Robert K. Merton: The Sociology of Science. Chicago: University of Chicago Press, S. 267-278.
Mouw, Ted und Arne L. Kalleberg. 2010. „Occupations and the Structure of Wage Inequalities in the United States, 1980s to 2000s.“ American Sociological Review 75 (3), S. 402-431.
Münch, Richard. 2011. Akademischer Kapitalismus. Zur Politischen Ökonomie der Hochschulreform. Berlin: Suhrkamp.
Münch, Richard. 2012. Inclusion and Exclusion in the Liberal Competition State. The Cult of the Individual. London und New York: Routledge.
Rühle, Alex. 2012. „Aber sicher!“ Süddeutsche Zeitung 68, Nr. 161, 14./15. Juli 2012, Wochenende, S. 1.
Sauder, Michael und Wendy N. Espeland. 2009. „The discipline of rankings: tight coupling and organizational change“. In: American Sociological Review 74 (1), S. 63-82.
Soares, Joseph A. 2007. The Power of Privilege: Yale and America’s Elite Colleges. Stanford, CA: Stanford University Press.
Stevens, Mitchell. 2007. Creating a Class. College Admissions and the Education of Elites. Cambridge, MA: Harvard University Press.
Sehr geehrter Herr Professor Münch,
da haben Sie wiederum ein interessantes Thema am Wickel. Für mich stellen sich aber ein paar Fragen:
1. Darf man überhaupt über die Qualität (ganz unabhängig von Rankings) eines Fachbereichs, einer Uni berichten, also Transparenz schaffen? Ihrer Argumentation zufolge sicher nicht, denn viele Studien zeigen in der Tat, dass sich sozial bessergestellte Eltern stärker um die Bildungskarriere ihrer Kinder kümmern, also auch eher solche Informationen zu Rate ziehen, als sozial schwächere Eltern. Gerechtigkeit durch Intransparenz? Zumindest ein Dilemma.
2. Was sagen Sie zur Wirkung des informellen Rankings, das unter Eltern mit akademischem Hintergrund kursiert? (und zu dem sozial benachteiligte Eltern keinen Zugang haben) Studien, die ich ernst nehmen kann, müssten die zur Abgrenzung einbeziehen.
3. Wie müsste die optimale Studieninformation aussehen, um mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen?
Ich bin gespannt auf Ihre Antworten.
Beste Grüße, Thomas Kerstan
Sehr geehrter Herr Kerstan,
vielen Dank für Ihre Fragen. Sie helfen, mehr Klarheit zu schaffen. Ich antworte der Reihenfolge nach:
1. Natürlich ist es Aufgabe der Medien, mit ihren spezifischen Instrumenten in alle Bereiche der Gesellschaft hineinzuleuchten und auf diese Weise für mehr Transparenz zu sorgen. Wir dürfen dabei aber nicht die mediale Darstellung mit der Sache selbst verwechseln. Dass die entsprechenden Informationen ungleich genutzt werden und die digitale Kluft vergrößern ist eine unabänderliche Tatsache. Wenn aber ein Staat für alle gleich gute Bedingungen in Schulen und Hochschulen gewährleistet – und darauf sollten wir beharren -, dann kann kein Studienanfänger aufgrund fehlender Informationen eine falsche Karriereenscheidung treffen. Er muss dann den ZEIT-Studienführer nicht kaufen, um später einmal Professor für Maschinenbau an der RWTH Aachen oder Vorstandsschef bei einem Weltmarktführer zu werden. Er muss weder dort noch an der TU München noch am KIT studiert haben, um einmal dorthin zu gelangen. Bisher ist das in Deutschland noch so. Wir bewegen uns aber mit Unterstützung durch Rankings, die Größenunterschiede in Qualitätsunterschiede ummünzen, in die Richtung hochstratifizierter Systeme wie in den USA und noch weit mehr in Japan und Südkorea. Dort kommt man nur über Eliteschulen und Elitehochschulen in Spitzenpositionen. Wer dort hinkommt, entscheidet maßgeblich das Elternhaus. Rankings helfen unter diesen Bedingungen den weniger gut Informierten überhaupt nicht, weil sie die Informationsfunktion direkt mit einer Verteilungsfunktion verbinden.
2. Viele der heutigen Studienanfänger haben doch schon Eltern mit einem höchst unterschiedlichen akademischen Hintergrund. Sie haben in Bochum, Duisburg, Paderborn, Bayreuth oder sonstwo studiert und erzählen eben nicht die alte Geschichte von Heidelberg, München, Freiburg, Berlin oder sonst einem Traditionsstandort. Sie ignorieren die weitreichende Veränderung der Universitätslandschaft durch den Ausbau der 1970er Jahre. Der neue Exzellenzwahn, den das CHE-Ranking unterstützt, bringt allerdings mit sich, dass Opas alma mater in den Exzellenzstatus erhoben wird, u.a. deshalb, weil im Shanghai-Ranking der 500 sichtbarsten Universitäten der Welt vor einhundert Jahren vergebene Nobelpreise zählen. Damit bewegen wir uns in die Richtung der schon genannten Länder.
3. Mit einem Ranking, das direkt Studienplätze nach kulturellem Kapital verteilt, sorgt man für eine sehr frühe Entscheidung über Karrierewege. Mehr sozale Gerechtigkeit bietet ein Schul- und Hochschulsystem, das allen Schülern und Studierenden gleich gute Lernbedingungen bietet und insbesondere auf die symbolische Aufladung von Größenunterschieden in Qualitätsunterschiede durch Rankings verzichtet. Dass das keine Utopie ist, haben die skandinavischen Länder lange genug bewiesen. Ihre größere Sorge für Egalität, hat ihrer wissenschaftlichen, technologischen und wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit nicht geschadet. Allerdings sind auch sie nicht ganz von der neuen Politik der Stratifikation verschont geblieben. Weltweite Reformagenden können einen so großen isomorphischen Druck ausüben, dass sie allein aus Legitimationszwängen übernommen werden, ob ein Land davon profitiert oder auch nicht.
Mit besten Grüßen
Richard Münch