von Betty Zepernick
Mit diesem Blogbeitrag soll auf eine weitere Facette des Sozialen Wandels eingegangen werden. Neben vielen verschiedenen Phänomenen wie dem technologischem Fortschritt oder der demographischen Entwicklung hin zu einer stetig alternden Gesellschaft lässt sich hier auch die zunehmende Individualisierung beobachten. Das bedeutet, dass sich viele verschiedene Aspekte des Lebens immer mehr der staatlichen Fürsorge aber auch der gesellschaftlichen Verantwortung und Solidarität entziehen. Oft fällt in diesem Zusammenhang das Schlagwort vom »Abbau des Sozialstaats«, worunter z.B. sinkende Ausgaben für Bildung oder verringerte Versicherungsleistungen gezählt werden.
»Nun ist es jedoch klar, dass wir nicht dafür zahlen müssen, dass wir unseren Körper haben, oder dass wir für unsere genetische Ausstattung nicht zahlen müssen. Das kostet nichts. Ja, das kostet nichts—nun, dass muss man noch sehen, und man kann sich sehr gut vorstellen, dass so etwas passieren kann«
(Michel Foucault. Die Geburt der Biopolitik. S. 316)
Gesund bleiben—oder auch nicht?!
Individualisierung ist heute stark mit der Forderung nach mehr Verantwortung für das eigene Handeln verknüpft. Diese Tugend hat sich bis heute zu einer bedeutsamen Eigenschaft entwickelt, für das Leben in einer Welt, die von uns täglich viele verschiedene Entscheidungen abverlangt. Dabei ist die gewonnene Freiheit durch Individualisierung oft gleichzeitig auch eine Belastung, wie zum Beispiel allein bei den vielen Konsumentscheidungen, die wir täglich treffen (sicherlich stand jeder von uns schon einmal vor dem unzählig bestückten Marmeladenregal und entschied sich am Ende für keines der angebotenen Gläser). Doch nicht alle Entscheidungen lassen sich derart konsequent treffen, wie die der Marmeladenproblematik. Die Freiheit der individuellen Entscheidung kann auch zur Bürde werden—je nach dem Ausmaß, wie sich das individuelle Verhalten auf die Gesellschaft auswirkt.
Wie sieht es heutzutage zum Beispiel aus, wenn auch die Gesundheit im Rahmen von Entscheidungsoptionen verhandelt wird? Ohne Zweifel gehört der Wunsch nach Abwesenheit sämtlicher lebensbedrohlicher Krankheiten zu einem der wichtigsten gesellschaftlichen und politischen Anliegen. Doch kann dieses Ziel zum einen biopolitisch als Erhaltung und Optimierung der menschlichen Population betrachtet werden, während eine neoliberale Sichtweise eher die Effizienzsteigerung dieses »Humankapitals« nahelegt. Nach Foucault könnte genau dieser zentrale Mechanismus hinter dem heutigen Gesundheitsstreben stecken—wird doch die moderne Welt vor allem in Begriffen des Marktes greifbar und regierbar gemacht. Das moderne Subjekt ist dabei nach Foucault nicht mehr ein nach egoistischen Interessen wirtschaftlich handelnder homo oeconomicus, so wie ihn Adam Smith im 19. Jahrhundert beschrieb. Eher entspricht es heute einem Agenten, der im eigenen Auftrag handelt. Ulrich Bröckling prägte dafür den Begriff des »Unternehmers seiner Selbst« (Bröckling 2007). Dieser Ausdruck verdeutlicht, dass die Weiterentwicklung des Liberalismus zum Neoliberalismus seit den 1970er Jahren vor allem von einem Bedeutungszuwachs des Wettbewerbs begleitet wurde, und zwar über die wirtschaftliche Sphäre hinaus. Es fand also eine Universalisierung wirtschaftsliberaler Marktmechanismen statt, welche sich als regulatives Prinzip für politische Interventionen aber auch soziale Beziehungen durchsetzte.
Die so betitelte »Ökonomisierung des Sozialen« hat darum auch Auswirkungen auf das Gesundheitsverhalten: Das moderne Streben nach Gesundheit entspricht hier nicht einfach einem intrinsischen Selbsterhaltungstrieb. Vielmehr wird Gesundheit zu einem Faktor, der auch in sozialen Beziehungen unter Kosteneffizienzpunkten betrachtet werden kann (vgl. Lemke 1997: 249).
Regierung zum gesunden Lebensstil
Gesund zu sein ist heute nicht einfach mehr ein Zustand, sondern das Ergebnis einer aktiven Entscheidung. Das individualisierte Subjekt befindet hier jedoch nicht lediglich über seinen körperlichen Zustand—es agiert als Unternehmer seiner Selbst im Rahmen einer neoliberalen Selbstoptimierung, die über seine Verwertbarkeit für den Markt entscheidet (vgl. Foucault 2006b: 314). Unter anderem wird die Gesundheit dabei immer mehr zu einem Attribut, welches Wertunterschiede legitimiert, sofern der oder diejenige für seine Entscheidungen verantwortlich gemacht werden kann.
Möglichkeiten zur Entscheidung gibt es dafür heute genug: In den verschiedensten Bereichen findet man Produkte oder Dienstleistungen, die mit dem Label »Gesundheit« gekennzeichnet sind und entsprechend konsumiert werden können, wie zum Beispiel Wellnessurlaube, Freizeitsport oder auch diverse Nahrungsmittel wie ayurvedische Joghurts oder probiotische Drinks. Diese Entwicklung kann mit dem Foucaultschen Regierungsbegriff unter einem Aspekt der Führung erklärt werden, bei der die Menschen durch vielfältige neoliberale Machteffekte dazu angeleitet werden, auf ihre Gesundheit zu achten. Zwar sind die Wahlmöglichkeiten zahlreich, doch geht es vor allem darum die »richtige« Entscheidung für die eigene Gesundheit zu treffen. Eine beispielhafte Regelung findet sich bisweilen in einigen Arbeitsverträgen, wo vom »Gesundheitsurlaub« die Rede ist: Der »richtige Umgang« mit der Gesundheit zeigt sich hier in der Vermeidung z.B. risikoreicher Sportarten, um die »Dienstbereitschaft« für die Arbeit aufrecht zu erhalten. Damit wird Urlaub von der Arbeit nicht einfach als Selbstzweck gesehen, um eigenen, privaten und vor allem nicht-dienstlichen Interessen nachzugehen. Vielmehr ist der Arbeitnehmer einer Verhaltenserwartung ausgesetzt, die ihn selbst in seiner Freizeit von jeglicher Verantwortung für die Erwerbsarbeit nicht befreit.
Sich im Sinne eines »Gesundheitsagenten« selbst zu führen, macht das Bewusstsein für den eigenen Körper zu einer »generalisierbaren Kompetenz« (vgl. Brunnett 2007: 174). Der Unternehmer seiner selbst sollte nicht nur ein ganzes Programm durchlaufen, um seine Gesundheit zu erhalten, sondern er muss auch fähig sein, in Selbstreflektion die Bedrohungen für seine Gesundheit zu identifizieren. Das moderne Subjekt sollte daher »Gesundheitskompetenz« aufweisen. Diese »wird als die Fähigkeit des Einzelnen verstanden, im täglichen Leben Entscheidungen zu treffen, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken«. Dabei zeichnen sich »gesundheitskompetente Personen (…) durch eine Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit in Gesundheitsfragen aus sowie die Fähigkeit, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen und in Handeln umzusetzen« (Hüsing et al. 2009: 243).
»Ich kenne meine Risiken«—über Empowerment
Diese Fähigkeit wird jedoch nicht nur chronisch kranken Menschen abverlangt, sondern vor allem auch gesunden Personen. Dabei geht es heute nicht mehr nur um die Bekämpfung tatsächlicher, also bereits vorliegender Erkrankungen. Das Augenmerk liegt hingegen auf der Vermeidung von Krankheiten, d.h. der Verhinderung ihres Ausbruchs—bei vorliegenden Risikofaktoren. Mit neuesten bio- und molekularwissenschaftlichen Methoden im Rahmen einer prädiktiven, individualisierten Prävention ist es z.B. sogar möglich, die genetischen Anlagen des Brustkrebses vor seinem Ausbruch zu diagnostizieren. Dies eröffnet in der modernen Gesundheitsoptimierung ganz neue Verhaltensoptionen (z.B. der Fall Angelina Jolie).
Hier wird ersichtlich, wie stark der aktuelle Wissensstand der Forschung dabei mit den gebotenen Handlungsmöglichkeiten korreliert—schließlich kann man nur an Dingen etwas verändern, die man auch kennt. So ist es bekannt, dass Krankheiten wie Diabetes oder Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems vor allem auf individuell risikoreiche Lebensstile zurückzuführen sind. Übergewicht, Alkohol- und Tabakgenuss aber auch wenig körperliche Bewegung sind erwiesene Risikofaktoren, um daran zu erkranken (vgl. zum Beispiel der Aktionsplan »in Form« der Bundesregierung). Die Gesundheitskompetenz einer Person drückt sich dabei in der Wahrnehmung und Umsetzung der gebotenen Möglichkeiten im Sinne eines »Empowerments« aus: eine Handlungsermächtigung, um identifizierte Risikofaktoren auszuräumen. Während aber übergewichtige Patienten lediglich daran arbeiten können, ihre Blutzuckerwerte zu senken, können andere auf tieferliegender, genetischer Ebene bereits Risiken ausräumen, die eigentlich noch gar nicht vorliegen.
Dieses Empowerment, die Erhabenheit über die eigenen Risikofaktoren, ist allerdings auch ein erwartetes Verhalten. Sofern sich jemandem diese Handlungsoptionen bieten, sollten sie vor allem genutzt und nicht ignoriert werden. Sollte die Krankheit nämlich trotz aller Anstrengungen ausbrechen, so lautet der Umkehrschluss, dass dieser Ausbruch (mindestens) zum Teil selbstverschuldet ist. Dies erklärt beispielsweise auch die Vorbehalte und Diskriminierung übergewichtiger Menschen, die, als unkontrolliert und willensschwach beschrieben, anscheinend nicht über die notwendige Selbstdisziplin verfügen, um durch Gewichtsabnahme ihren Gesundheitszustand zu verbessern.
Allerdings können die möglichen »Fehler« bei der Selbstoptimierung nicht mehr ausschließlich auf der Verhaltensebene (z.B. Diät), sondern auch auf genetischer Ebene verortet werden. Was früher eine Grenze für individuelle Interventionen darstellte (»das ist genetisch bedingt«), zeigt sich heute mit den fortschreitenden diagnostischen Methoden als beherrschbar—und fällt somit in den Bereich individueller Verantwortung.
Prädiktive Gentests stellen in der Konsumpalette der Gesundheit eine weitere Wahlmöglichkeit dar, sich für oder gegen Gesundheit zu entscheiden. Doch nur im Unterlassen von gefährlich eingestuften Verhaltensweisen besteht auch die korrekte Präventionspraxis—denn wer möchte nicht »von gesteigerter Leistungsfähigkeit« und »besserer Lebensqualität profitieren« (vgl. BMfG 2008: 14)? Derjenige, der trotzdem weiter raucht oder weiter trinkt, scheint nach dieser Auffassung die Möglichkeiten, die sich ihm nach einer Analyse individueller Risikofaktoren auftun, zu verkennen. Für jemanden, der sich im Wettbewerb behaupten muss, sind schließlich alle Möglichkeiten der Optimierung willkommen. Wer dies nicht tut, scheint sich nicht genug anzustrengen oder er muss andere Defizite haben, die ihm dies unmöglich machen. Sich aktiv dagegen zu entscheiden, ist daher keine Option, denn die Person, die ablehnt, muss sich unter Umständen fortlaufend mit einem Stigma zurechtfinden.
Monica Greco erklärt dies damit, dass in unserer Gesellschaft ein »psychosomatisches Verständnis von Gesundheit« vorherrscht (vgl. Greco 2000: 280). Wer es also nicht schafft, von seinen »Abhängigkeiten« loszukommen, erscheint der Umwelt als willensschwach, unkontrolliert und fremdgesteuert. Das Label »Gesundheit« steht in diesem Sinne auch für »Autonomie« und »Kontrolle« (vgl. Brunnett 2007: 178). Es scheint daher nicht einfach auszureichen, mit dem Rauchen aufzuhören—im Idealfall schließt sich daran noch eine Psychotherapie an, die auch die kognitive Verabschiedung vom Nikotin gewährleistet.
Der psychischen Verarbeitung und Reflektion von Risiken kommt dabei eine ebenso wichtige Rolle zu, wie der aktiven Prävention. Gesundheitskompetent sind darum vor allem diejenigen, die mit sich selbst einen bewussten Umgang pflegen; denen es möglich ist, mit sich selbst ins Gericht zu gehen; die, ähnlich einer transzendentalen Menschwerdung, stets tugendhaft nach dem richtigen Leben streben. Diese Beschreibung erscheint in Bezug auf Gesundheit pseudoreligiös, und doch funktioniert dieser Gesundheitsbegriff wie nach einer logischen Gleichung: »Das Versäumnis des Selbst, sich angemessen und kontinuierlich selbst zu beobachten und zu verändern, wird (…) entweder selbst als eine Krankheit angesehen—und dadurch automatisch entschuldigt, aber auch in eine Struktur sozialer Kontrolle eingefügt—, oder es wird nicht als Krankheit angesehen und bleibt ein Ausdruck von Freiheit, für die das Individuum allerdings mit allen Konsequenzen verantwortlich ist« (Greco 2000: 281; Hervorh. i. O.).
Be Fit!—aber nicht für alle
Nach Foucault sind solche Erwartungen im Neoliberalismus nur natürlich—schließlich ist der einzelne oder die einzelne ein wichtiges Element, um nach dem Dogma der Marktgesellschaft zur allgemeinen Wohlfahrt beizutragen. Derartige Selbstpraktiken, wie sie auch auf das Gesundheitsverhalten zutreffen, finden sich im Alltag zuhauf—stets geht es aber um die korrekte Nutzung gebotener Freiheiten und einem mehr oder weniger normgerechten Verhalten. Die Veränderung unseres Gesundheitsverhaltens hin zu einer stärkeren Prävention wird dabei auch von einer gesundheitsförderlichen/ bzw. -schädlichen Umcodierung von Alltagstätigkeiten begleitet. So nehmen wir Dinge, die üblicherweise zum Vergnügen beigetragen haben, heute oftmals als große Gesundheitsrisiken wahr—wie z.B. Alkohol, Zigaretten oder lange Feierlichkeiten. Unlängst schrieb der Philosoph Robert Pfaller über dieses Phänomen und beklagte, dass die Menschen sich solche »Annehmlichkeiten« mehr und mehr wegnehmen und sich dadurch zu fremdbestimmten »Idioten« machen ließen (Pfaller 2012: 39). Dagegen würde der Freizeitsport durch die zunehmende Kommerzialisierung unter dem Imperativ ständiger Fitness und Einsatzbereitschaft stehen und unter anderem bei Bewerbungsgesprächen eine Rolle spielen.
Das mag man als positive Effekte einer gesundheitsorientierten Gesellschaft ansehen, denn durch politische Interventionen wie Warnhinweise und Steuererhöhungen ist das Rauchen in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen, und auch heutige Senioren sind fitter als je zuvor. Dennoch lässt sich beobachten, dass die Optionen zur Gesundheitserhaltung nicht von allen gesellschaftlichen Schichten gleichermaßen in Anspruch genommen werden können. In dieser Auseinandersetzung über »Entscheidungszumutungen« und Gesundheitsstreben schneiden die unteren und einkommensschwachen Schichten deutlich schlechter ab, als besser gestellte Haushalte (vgl. Lampert et al. 2013). So gesehen, könnte das Streben nach körperlicher Fitness und der Vermeidung gesundheitlicher Risiken eher als eine kulturelle Selbstbeschränkung der »reflektierten oberen Schichten« angesehen werden, um sich wenigstens in Bezug auf seinen eigenen Körper sicher zu fühlen: Die Gefahren in der komplexer werdenden Welt werden in der »Ersatzreligion« Gesundheit kompensiert—die Besinnung auf sich selbst und die individuelle Erhaltung trägt zur Überschaubarkeit des Lebens bei.
Darum sollte angesichts des medizinischen Fortschritts auch über den Zugang zu Präventionschancen nachgedacht werden. Solch eine perfektionierte Auffassung von einem gesunden Körper kann letztendlich nicht von allen Schichten verfolgt werden. Angesichts der hohen Kosten etwa bei der Prävention von Krebs z.B. durch neue Testverfahren und sich eventuell anschließender Therapien können einkommensschwache Patienten oft nicht adäquat versorgt werden. Aber auch gesunde Ernährung oder Sport sind in Zeiten von Lohndumping und Mehrfachanstellungen nicht immer leicht zu verfolgen. So kann man den schlechten Gesundheitszustand in unteren Schichten als einen Begleitumstand ansehen, in dem ungesundes Essen, Zigaretten und Alkohol systematisch nicht nur aus der Not heraus, sondern auch als wahrscheinlich einzige alltägliche Freude angesehen werden können. Als Genuss, der in den mittleren und oberen Schichten als »normaler Luxus« angesehen wird—und worauf man der Gesundheit zuliebe durchaus verzichten kann.
Allerdings erscheint es mir auch nötig, unser Gesundheitsbedürfnis zu hinterfragen: Müssen wir eigentlich alle möglichen Risiken kennen? Aus welchen Gründen und wofür wollen wir uns so unglaublich gesund erhalten? Kann es sich unsere Gesellschaft nicht erlauben, einmal die persönlichen Interessen über die stetige »Dienstbereitschaft« zu stellen?
Literaturverzeichnis
Bröckling, Ulrich (2007): Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Brunnett, Regina (2007): Foucaults Beitrag zur Analyse der neuen Kultur von Gesundheit. In: Anhorn, Roland, Bettinger, Frank und Stehr, Johannes (2007) (Hrsg.): Foucaults Machtanalytik und Soziale Arbeit. Eine kritische Einführung und Bestandsaufnahme. Wiesbaden: VS. S. 169-184.
Bundesministerium für Bildung und Forschung (2010): Rahmenprogramm Gesundheitsforschung der Bundesregierung. Berlin, Bonn.
http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/_media/Gesundheitsforschungsprogramm.pdf
(Zugriff am 20.06.2013)
Foucault, Michel (2006b): Geschichte der Gouvernementalität II. Die Geburt der Biopolitik. Vorlesungen am Collège de France 1978/1979. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Greco, Monika (2000): Homo Vacuus. Alexithymie und das neoliberale Gebot des Selbstseins. In: Bröckling, Krasmann, Lemke (2000): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 265-285.
Hüsing, Bärbel; Hartig, Juliane; Bührlein, Bernhard; Reiß, Thomas und Gaisser, Sibylle (2008): Individualisierte Medizin und Gesundheitssystem. Büro für Technikfolgenabschätzung.
Lampert T., Kroll L.E., von der Lippe E., Müters S., Stolzenberg H. (2013): Sozioökonomischer Status und Gesundheit—Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsblatt Nr. 56 (5/6), S. 814-821.
Lemke, Thomas (1997): Eine Kritik der politischen Vernunft. Foucaults Analyse der modernen Gouvernementalität. Hamburg: Argument.
Pfaller, Robert (2012): Wofür es sich zu leben lohnt. Frankfurt am Main: Fischer.
Diese Sichtweise auf untere Schichten, deren einzige alltägliche Freude aus ungesundem Essen, Zigaretten und Alkohol bestehen, finde ich etwas unglücklich formuliert. Bei intensiverer Reflexion hätte wohl auch Betty Zepernick darauf kommen können, dass auch für untere Schichten das Zusammenleben in der Familie, die Gemeinsamkeit mit einer/m Partner_In und dutzende anderer Dinge eine Quelle der alltäglichen Freuden ist. Folglich ist die Sichtweise auf Ungesundes als „einzige alltägliche Freude“ zu überspitzt und herablassend.
Ansonsten Danke für die Sichtweise. Die Anwendung des Modells eines Arbeitskraftunternehmers auf Gesundheitsvorsorge, in Kombination mit sozialer Ungleichheit, könnte noch einige Interessante Verhältnisse beleuchten.
Lieber Michael Karbacher,
vielen Dank für Ihre Anmerkung. Es ist mir bewusst, dass diese Dinge nicht die „einzige alltägliche Freude“ für die den unteren Schichten angehörigen Personen zu betrachten sind. Ich ziele im Gegenteil auf eine Ablehnung dessen ab, was Sie mir als Herablassung ankreiden: Dass der Genuss „ungesunder“ Objekte zu Stigmatisierung führt und es sich anscheinend nur die oberen Schichten leisten können, sich gesund und fit zu halten.