Public Sociology, Wissenschaft und Öffentlichkeit
Armin Nassehi bestreitet die These von Nina Baur, das SozBlog würde bereits „öffentliche Soziologie“ (also „public sociogy“) bedeuten (in den Kommentaren). Dennoch steht außer Frage, dass Blogs (Weblogs) besondere kommunikative Medienformate darstellen. Diese gehen aufgrund ihrer interaktiven und technischen Formate weit über eine bloße neue „Textsorten“ hinaus, sind aber keineswegs spezifisch für die Wissenschaft. Blogs werden ja von allerlei Menschen für allerlei Zwecke geschrieben (Diese Zwecke kann man vermutlich kaum als „Funktionen“ beschreiben, auch wenn man vermuten kann, dass der Blog – wie jede kommunikative Gattung – bestimmte Probleme kommunikativen Handelns löst). Aus diesem Grund entspricht das Blog durchaus der Forderung des ehemaligen Präsidenten der Amerikanischen Soziologischen Gesellschaft, die Soziologie in die Gesellschaft zu tragen, indem sie sich an öffentlichen Debatten beteiligt (Burawoy 2005).
Freilich ist dieses Anliegen nicht neu: Schon die soziologischen Klassiker hatten sich in die öffentlichen Debatten eingemischt, und auch heute hören wir allenthalten die Stimmen prominenter und weniger prominenter soziologischer Kolleginnen in Rundfunk, Zeitungen und digitalen Medien. Schon die ältere Wissenschaftssoziologie kennt die bedeutende Rolle des „Popularisierers“, dessen (damals zumeist männlich verstandene) Aufgabe in der Vermittlung zwischen wissenschaftlichem Wissen und Gesellschaft bzw. „Öffentlichkeit“ ist (Bühl 1974).
Auch wenn „public sociology“ eine ausdrückliche politische Strategie soziologischer Fachgesellschaften ist, die mit ihrer Beteiligung am öffentlichen Diskurs ihre Definitionsmacht auf Wissen beanspruchen möchte, folgt sie doch einer allgemeineren Tendenz, die für alle Wissenschaften gilt. Weingart, Carrier und Krohn (2007: 318) sprechen hier von der „Verschiebung der Definitionsmacht von den (naturwissenschaftlichen) Disziplinen zu den wissenschaftspolitischen Akteuren, der Politik, der medialen Öffentlichkeit“.
Diese Entwicklung, die anfänglich als bloße Transformation der Wissenschaft von einer Disziplinen-geleiteten zu einer „transdisziplinären“ angewandten Wissenschaft bezeichnet wurde (Nowotny, Scott und Gibbons 2001), ist in gewisser Weise paradox: In dem Maße nämlich, in dem sich die Gesellschaft als von wissenschaftlichem Wissen geleitete „Wissensgesellschaft“ versteht, schwächt sich dadurch gleichzeitig die faktische Rolle der Wissenschaftlichkeit des Wissens – wenn auch nicht ihre legitimatorische Funktion. (Ich habe dieses Argument ausführlicher erläutert in Knoblauch 2010: 273-283).
Der Versuch der „public sociology“, Anerkennung von außerhalb zu finden, ist deswegen keineswegs eine Besonderheit der Soziologie. Sie ist, wie gesagt, Teil einer allgemeineren Entwicklung, die durchaus auch mit der Einflussnahme der Wirtschaft, der Politik und der Öffentlichkeit auf die Wissenschaft zu tun hat, deren Ausbildungssystem ja mittlerweile weltweit als gesamtgesellschaftliche Qualifikationsorientierung dient. (Zur Durchsetzung der weltkulturellen Bildungsstandards, wie wir sie etwa in der Einführung von BA- und MA-Studiengängen, aber auch in einer zunehmenden privatisierten Hochschulausbildung beobachten, vgl. Münch 2009.)
Man könnte diese Entwicklung auch als „Demokratisierung“ der Wissenschaft betrachten, wie dies Weingart, Carrier und Krohn (2007) vorschlagen. Wie die „public sociology“ ist diese „Öffnung“ ein Versuch der Wissenschaft, als „Akteur“ in die Gesellschaft einzugreifen und zu ihrer Entwicklung wenigstens in Gestalt von Selbst-Deutungen (wie es Zygmunt Bauman schon ins Stammbuch der Soziologie geschrieben hatte) beizutragen. Allerdings bleibt die Vorstellung von „Öffentlichkeit“ als einer Arena diskreter Akteure hinter den Veränderungen zurück, der die Öffentlichkeit ausgesetzt ist. Denn die Öffentlichkeit hat sich – auch seit ihrem von Habermas (1979) beschriebenen Strukturwandel“ – sehr gründlich geändert. Konnten Gerhards und Neidhardt in einem Aufsatz aus dem Jahre 1991 noch drei Formen der Öffentlichkeit unterscheiden („Encounter-Öffentlichkeit“, „Versammlungsöffentlichkeit“ und „massenmediale Öffentlichkeit“), so hat sich zwischenzeitlich eine weitere Form der Öffentlichkeit etabliert, die sich zum Beispiel in diesem Blog ausdrückt. Diese Öffentlichkeit hat sich nicht nur rasant ausgebreitet und affiziert offenkundig die anderen Formen der Öffentlichkeit. Ein Prozess der sehr trefflich mit dem Begriff der „Mediatisierung“ gefasst wird (Krotz/ Hepp 2012). Mediatisierung bedeutet auch, dass es sich hier gar nicht um eine neue Form der Öffentlichkeit handeln muss, die neben den bisherigen Formen steht; vielmehr kann die Mediatisierung auch die grundlegende Transformation der Öffentlichkeit bezeichnen.
Ein Aspekt der Transformation der Öffentlichkeit besteht in einer Tendenz, die schon vor der breiten Durchsetzung des Internets einsetzte: Die Öffentlichkeit entgrenzt sich, die Grenzen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit verschwimmen oder werden neu gezogen (Imhof/Schulz 1998): Was, zum Beispiel, einst als höchst privat galt (etwa sexuelle Präferenzen, private Urlaubsbilder, religiöse Erfahrungen, „stigmatisierte“ körperliche Eigenschaften), ist mittlerweile vor allem in den digitalen Medien zu einem breit zugänglichen „öffentlichen“ Geheimnis geworden, dem ganze Medienformate, Plattformen, Foren etc. gewidmet sein können.
Die Debatte um diese neue Form der Öffentlichkeit ist zwar von einiger politischer Brisanz und wird entsprechend engagiert betrieben, doch kann ich – trotz vielversprechender Anfänge, wie etwa bei Gimmler 2000 – bislang keine soziologisch relevante Neukonzeption des Begriffes der Öffentlichkeit erkennen, die nicht selbst von normativen politischen Konzepten ausgehen. (Ich bin auf diesem stark interdisziplinären Gebiet kein Experte, habe mich aber mit der Veränderung der Öffentlichkeit mit Blick auf die Religion – „public religion“ – beschäftigt (Knoblauch 2012).In diesem Zusammenhang steht auch Begriff der „populären Religion“, der die Grundlage für den Begriff des populären Wissens bildet.)
Die Soziologie „goes public“ also offenbar zu einem Zeitpunkt, zu dem gerade das, was „public“, als „öffentlich“ bedeutet, selbst massiven Veränderungen unterworfen ist. Es geht bei diesem „public“ offensichtlich nicht mehr nur um eine primär von den Massenmedien vertretene „massendemokratische Öffentlichkeit“ oder ihr „versammlungsöffentliches“ Pendant, das in Form von Popularisierungen oder deliberativem „Public Understanding of Science“ (PUS) oder Public Engagement with Science and Technology (PEST) Einfluss auf die Wissenschaft nehmen will (Weingart 2005). Es handelt sich auch nicht alleine um den gleichbleibend massiven Zugriff der Politik auf die Wissenschaft oder den enorm gewachsenen Einfluss freiwirtschaftlicher Überlegungen auf die Wissenschaft und die nicht-freiwirtschaftlich organisierte Wissenschaftsbürokratie (was durchaus paradoxale Folgen haben kann). Diese institutionellen „Akteure“ (zu denen sicherlich auch die neuen Institutionen der „Wissenschaftsethik“ gehören) erheben ganz offenkundig immer lautere Ansprüche auf Mitsprache, Kontrolle und Bewertung der Wissenschaft, die unter anderem deren disziplinäre Organisation diskreditiert. (Dass die Wissenschaft gerade mit einer Verstärkung ihrer disziplinären Diskurse reagiert, um sich diesem Zugriff zu entziehen, ist ja auch in der Soziologie zu beobachten: Lehrbücher, Verschulungen der disziplinären Ausbildung und hochgradige Ausdifferenzierung der Disziplinen nach innen wie nach außen sind nur einige Beispiele.) Das Verhältnis der Wissenschaft zur Öffentlichkeit wandelt sich zudem auch mit dem politisch und global betriebenen Ausbau der „Wissensgesellschaft“, die den Erwerb und den Zugang zu wissenschaftlich und technischem Wissen zu einem zentralen gesellschaftlichen Ziel erklärt, von dem sich sowohl nationale wie internationale politische Organisationen sowohl ökonomische Vorteile wie auch eine Verringerung der sozialen Ungleichheit verspricht (UNESCO 2005).
Neben diesen angeschnittenen Veränderungen des Verhältnisses zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit haben wir es auch mit sehr dramatischen Veränderungen der Kommunikation (ihrer Technologie, Materialität, Formen und Strukturen) zu tun, deren Folgen für die Öffentlichkeit, wie gesagt, bislang nicht geklärt sind. Weil wir diese Folgen ohnehin mit Blick auf die Wissenschaft bzw. die Soziologie betrachten, möchte ich sie aus der Perspektive der Wissenssoziologie angehen. Diese Perspektive macht nicht nur deutlich, dass sich die Öffnung keineswegs nur auf wissenschaftliches Wissen bezieht (sondern auch auf künstlerisches, politisches, religiöses usw.); sie erlaubt es auch, die Änderungen genauer festzumachen. Dieser Versuch soll in nächsten Blog-Beitrag unternommen werden.
Literatur
Bühl, Walter L. (1974): Einführung in die Wissenschaftssoziologie. München.
Burawoy, Michael (2005): For Public Sociology, in: American Sociological Review 70, 1, 4-2.
Gerhards, Jürgen& Friedhelm Neidhardt (1991): Strukturen und Funktionen moderner Öffentlichkeit. Fragestellungen und Ansätze, in: Stefan Müller-Dohm & Klaus Neumann-Braun (Hg.), Öffentlichkeit, Kultur, Massenkommunikation, Oldenburg , 31–89 .
Gimmler, Antje (2000): Deliberative Demokratie, Öffentlichkeit und das Internet, in: Sandbothe, Mike, Winfried Marotzki (Hg.) (1998): Subjektivität und Öffentlichkeit. Köln, 209-215.
Imhof, Kurt/Schulz, Peter (Hrsg.): Die Veröffentlichung des Privaten. Die Privatisierung des Öffentlichen. Opladen/Wiesbaden.
Habermas, Jürgen (1979): Strukturwandel der Öffentlichkeit. Darmstadt und Neuwied (10. Aufl.).
Knoblauch, Hubert (2010): Wissenssoziologie. 2. Aufl. Konstanz
Knoblauch, Hubert (2012): Deprivatization, the Public Sphere, and Popular Religion, in: Religion and Society 2, 5-9.
Krotz, Friedrich und Andreas Hepp (Hrsg.) (2012): Mediatisierte Welten. Forschungsfelder und Beschreibungsansätze. Wiesbaden.
Münch, Richard (2009): Globale Eliten, lokale Autoritäten. Bildung und Wissenschaft unter dem Regime von PISA, McKinsey & Co. Frankfurt am Main.
Nowotny, Helga, Peter Scott und Michael Gibbons (2001): Re-Thinking Science. K knowledge and the Public in an Age of Uncertainty. London.
UNESCO, (2005): Towards Knowledge Societies. Paris (http://unesdoc.unesco.org/images/0014/001418/141843e.pdf)
Weingart, Peter (2005): Die Wissenschaft der Öffentlichkeit. Weilerswist.
Weingart, Peter, Carrier, Martin und Wolfgang Krohn (2007): Nachrichten aus der Wissensgesellschaft. Weilerswist.
Lieber Hubert,
ich bin auch gespannt wie es hier weitergeht. Die Veränderung der Formen der Kommunikation die sich in der Entwicklung der sogenannten „Wissensgesellschaft“ und „Informationsgesellschaft“ zeigt sind ja nun ein Thema, das innerhalb der verschiedenen Institutionenbereiche offenbar selbst für Wandel sorgt:
Scheinbar feststehende Strukturen des Wissensvorrates werden flüssig, Expertenschaft wird „fraglich“ oder verändert sich, etablierte Handlungsroutinen gelten als überholt usw.; die digital Natives mögen davon profitieren, andere Gruppen versuchen das etablierte zu verteidigen, Legitimationskämpfe laufen ab usw.
Da die Grenzen zwischen den, nennen wir es „Feldern“ – die ja auch nur aus Wissen bestehen – selbst aber unklar sind/werden, genügt es nciht bei der BEtrachtung der Wissenschaft nur innerhalb der Wissenschaft zu schauen.
Besonders interessant finde ich empirisch die Selbstreflexion der Akteure. Es wäre meiner Ansicht nach hoch interessant sich einmal anzusehen, was eigentlich die bereits etablierten und aufstrebenden Blogger und Web2.0 Enthusiasten, die sich mittlerweile ja auf einere Reihe von Konferenzen (http://re-publica.de/) treffen und dort in selbstbewusst (populäre?) Diskussionen über Themen führen die wir vorher in der Wissenschaft (genauer in der Medien und Techniksoziologie), unter Journalisten oder Marketingfachleuten vermutet hätten. Als Forschungsgegenstand zur Popularisierung des Wissens wäre das sicher spannend – gerade auch deshalb dass dieses die Entwicklungen die es selbst produziert auch systematisch reflektiert und selbst schon theoretisches Wissen prodziert.
Lieber Hubert,
ich stimme Dir zu, dass die Art und Weise, wie sich Wissenschaft im allgemeinen und die Soziologie im besonderen für eine wie auch immer geartete public sphere sichtbar macht, sehr differenziert ist – je nach Publikum, Intention und Kontext. Insofern liegt ein Missverständnis vor. Ich bestreite nicht, dass der SozBlog public sociology ist oder sein könnte. Ich bezweifle nur, ob die Textsorten, die wir bis dato dafür gewählt haben, dafür taugen. Und diese Frage stellt sich ja in unterschiedlichen Medien jenseits der üblichen wissenschaftlichen oder wissenschaftsnahen Publikatonsformen, nicht nur fürs Bloggen.
So weit, so kurz.
Herzliche Grüße
Armin
Lieber Armin,
da stimme ich Dir ganz zu; natürlich sind die Arten von wissenschaftlichen Texten, die wir hier produzieren, für die breite Öffentlichkeit unpassend, weil sie in ihrer Fachsprachlichkeit und mit ihrer wissenschaftlichen Form nicht in die schon halbwegs konventionell gewordene Form des Blogs passen. Mit der Aufnahme von Themen, die in der Agenda der Massenmedien ganz oben stehen, kann man zwar dann wenigstens ansatzweise dem Anspruch der „Öffentlichkeit“ gerecht zu werden versuchen. Doch werden die Blog-Beitröge damit vermutlich zu Musterbeispielen einer hybriden Form, die Wissenschaftlichkeit (unter dem Banner der DGS) und Popularität (der kommunikativen Form) verbinden.
Allerdings müssen wir uns fragen, ob denn überhaupt auch die „rein wissenschaftlichen“ Formen der Kommunikation, die wir gemeinhin pflegen, „tauglich“ sind. Auch die allgegenwärtige Powerpoint-Präsentation (die wir uns einstens wenig wünschten), das „Poster“ oder die in Aufsätze zerfallenden neuen kumulativen Dissertation (die häufig auf ihre Empirie oder theoretische Argumentation nur noch verweisen können, statt sie vorzustellen) sind kommunikative Formen, die sich mehr einer außerhalb der Wissenschaft verändernden kommunikativen Kultur verdanken als ihrer Tauglichkeit für die (und in der) wissenschaftliche Kommunikation. Da selbst die gängigen Formen der mündlicher wissenschaftlicher Diskussion selten die Argumentationstiefe erreichen, die Toulmin (und mit ihm Habermas) einst als Merkmale des „Alltagsdiskurses“ ansahen, teile ich mit Dir die Auffassung, dass die Klärung der „Tauglichkeit“ wissenschaftlicher Kommunikation eine notwendige Aufgabe der Wissenschaft ist, die in der „Interaktion“ mit der selbst ernannten Wissens-Gesellschaft nicht das aufgeben will, was sie auszeichnet.
Ob der SozBlog public sociology sein kann (oder soll, wie schon mehrfach als Anfangsmotivation ins Feld geführt) ist das eine. Darin scheint m.E. aber mindestens eine weitere Problematik versteckt, oder zumindest nicht mehr sauber rausgerechnet und mitreflektiert: viele der Autorinnen (so jetzt auch Sie, Herr Knoblauch) beginnen mit der Bekundung ihres Interesses an diesem neuen genre, der Gattung, Darstellungsform, dem Medium, was immer. Dabei wird dann das eigene Schreiben als Experiment aufgefasst (oder zu beginn so stilisiert), als Erfahrungsammeln, als Erprobung des Mediums für die Produktion wissenschaftlicher Texte. Nicht unbedenklich ist dabei, wenn Sie mir die Bemerkung erlauben, dass diese ersten Einträge dann oft schon eine Erklärung der nachfolgenden Texte liefern – sei es, was dann der inhaltliche (als könnte man das unabhängig von der Form festlegen) Fokus des eigenen Bloggens sein wird, sei es, wie die Form der Texte zu verstehen sei (z.B. essayistisch; work in progress; wie darauf zu reagieren wäre, nämlich dialogisch; usw.). Ein Sich-Einlassen auf das Medium im Stil eines Experiments müsste dagegen zumindest ergebnisoffen gebaut sein und könnte folglich nur mit der Bemerkung: „mal sehen, was draus wird“ beginnen.
Das Problem nun scheint mir, dass hiermit quasi augenblicklich (also wie selbst-verständlich) eine Öffentlichkeit und darüber ein Auftrag im Sinne einer public sociology mit gedacht wird. Und so scheitern die Experimente meist. (Dass man auch mit dieser Intention und dieser Wirkung bloggen kann, zeigen verschiedene Blogs aus unterschiedlichen Disziplinen oder gesellschaftlichen Bereichen – das ist aber kein Muss und auch nicht im Medium selbst schon angelegt, ganz im Gegenteil, würde ich vermuten…) So tun, als würde man das Medium testen, um dann sofort die Politik einer public sociology zu implementieren und sie dann als natürliche Konsequenz des Mediums zu präsentieren, kann man machen, muss sich aber zumindest die Beobachtung der Kontingenz dieser Setzung gefallen lassen.
Das weblog als Medium zu testen, müsste daher m.E. unabhängig einer public sociology laufen, andernfalls übersieht man die Möglichkeiten und Grenzen des Mediums. Oder auf einen kurzen Satz gebracht: nur weil es im Internet steht, ist es noch nicht public sociology – und muss es auch nicht sein (Geheimdienste, die das Internet überwachen, wären, wäre die Öffentlichkeit dem Medium inherent, vollkommen absurd). Es scheint ein wenig, als wollte man sich nun einmal in der Fortbewegungsart des Schwimmens üben, beschränkt sich aber auf das Nichtschwimmerbecken des öffentlichen Freibads und kommt dann zu dem Schluss, dass Schwimmen doch eigentlich eine recht unpraktische, weil überflüssige Fähigkeit sei, weil man hier ja doch auch laufen kann, wenn auch etwas langsamer; nach dem Motto: ‚is ja gar nicht so tief, wie meine Kinder sagen‘.
Die Frage, also, was wissenschaftliche Texte ‚taugen‘, unter besonderer Berücksichtigung des Mediums blog, müsste, um nicht schon vorher die Antwort festzulegen, unabhängig eines selbst auferlegten Auftrags zu einer public sociology geklärt werden, einer public sociology, die sich, wie Hubert Knoblauch sicherlich treffend beschreibt, gar nicht mehr darauf verlassen kann, dass so klar ist, was als öffentlich gelten kann; mehr sogar: die sich ziemlich sicher sein kann, dass die Unterscheidung privat | öffentlich mindestens fragwürdig geworden ist, wenn es sie denn noch ‚gibt‘, wie es sie einmal ‚gab‘. – von ‚populär‘ ganz zu schweigen :)
Lieber Herr Klenk,
freilich habe ich am Anfang einen kleinen Rückzieher bezüglich des Experimentes gemacht, doch habe ich das Ziel noch nicht aufgegeben. Das Experiment soll kein künstlerisches Experiment sein: So wie manche tolle Bilder als Blog stilisieren, könnten wir theoretische Aphorismen pflegen (eine Übung, die uns ja etwa Adorno etwas moralisierend in „Minima Moralia“ vorgemacht hat). Das hatte ich mir durchaus überlegt, aber mir scheint es vorerst sinnvoller, bei einer popularisierten Form zu bleiben (eine Art gekürzter und gestutzter Mischung aus akademischem Aufsatz, Vortrag und Fortsetzungsgeschichte), wie ich sie hoffentlich am Dienstag wieder ins Netz stellen kann.
Sehr geehrter Herr Professor Knoblauch,
ich gehöre zu der wahrscheinlich geringen Zahl fachfremder Mitleserinnen und verfolge mit großem Interesse diesen Blog. Besonders, seit Frau Bauer im März und April hier geschrieben hat und ihre vielen, abwechslungsreichen Beiträge zum größten Teil auch für mich verständlichen waren, was sie sich ja explizit zum Ziel ihres boggens gesetzt hatte.
Drum bin ich jetzt ziemlich irritiert über diesen erneuten Versuch eines Hochschullehrers „Public Soziology“ zu erproben, denn wenn ich Ihre Anfangsausführungen richtig verstehe, ist aus Ihrer Sicht Public Soziology wissenschaftlich unerwünscht, da Öffentlichkeit zu vermehrter politischer, wirtschaftlicher und popuarwissenschaftlicher Einflußname führe.
Für mich im Klartext: da glaubt dann jeder, mitreden zu können….
Dazu müssten die Texte dann aber schon etwas weniger im soziologischen Sprachgebrauch verschlüsselt sein, denn so bleiben sie für Außenstehende doch ziemlich undurchdringlich, um nicht zu sagen : unverständlich, was besonders in den Kommentaren Ihrer Fachkollegen jeweils noch verschärft wird ( Kommentar von Meta und Ihre Antwort darauf!)
Ich glaube , Herr Nassehi hat vollkommen recht mit seinem Zweifel, ob die Textsorten, die Sie bisher dafür gewählt haben, wirklich dafür geeignet sind und eventuell läge es Ihnen als Wissenssoziologe doch näher , mit den ursprünglich angekündigten Theoriebeiträgen zu punkten?
Ich werde mich aber trotzdem nicht abhalten lassen, mich weiter durch den soziologischen Sprachdschungel zu kämpfen….
Mit den besten Grüßen
mechtg
liebe*r mechtg, mein Kommentar auf den Sie sich beziehen war tatsächlich recht „fachsprachlich“. Es macht aber auch Spaß, sich mal in der soziologischen Community selbst auf diese Art und Weise, also dialogisch, in einem öffentlich zugänglichen „Raum“ auszutauschen. Wann gibt es schon mal die Gelegenheit mit Hubert Knoblauch einen Mini-Dialog zu führen? Mit anderen Worten: Intention des Kommentars war es nicht Fachunkundige zu „verschrecken“, sondern die Gelegenheit für den Austausch mit diesem Denker zu nutzen. Außerdem sieht es so aus, als seien seine inspirierenden Texte tatsächlich für diesen blog geschrieben, während ich bei anderen, z.B. auch Baur, den Eindruck hatte, hier werden einfach Aufsätze hineinkopiert…, was ich für wenig sinnvoll halte, auch wenn die Themen hochinteressant sind.