Für mehr #Soziologie auf Twitter #1

Es ist nicht zu übersehen, dass die etablierte deutschsprachige Soziologie sich der Nutzung digitaler Medien weithin enthält. Ein Beispiel hierfür: die wenigen #Soziologie-Posts im Microblogging-Dienst Twitter. Twitter ist ein Medium, dass es ermöglicht, kurze Nachrichten von 140 Zeichen abzusetzen, mit Links und Hashtags (#-Zeichen) zu versehen. Der Hashtag #Soziologie ermöglicht es beispielsweise, alle Nachrichten, die so ausgezeichnet wurden, zu betrachten, #SozBlog wäre der Hashtag für diesen Blog. Die Nutzung des Hashtag ermöglicht es, auch Nachrichten von Nutzerinnen und Nutzern zu sehen, denen man nicht direkt „folgt“ – deren Nachrichten man also nicht abonniert hat. Ich selbst habe das Medium durch eine Forschungsarbeit über politische Kommunikation kennen gelernt und bin seither sehr fasziniert von seiner potentiellen Reichweite und Schnelligkeit.

Die Soziologie versteckt sich. Mir ist aber aufgefallen, dass es nur wenige #Soziologie-Posts auf twitter gibt. Das beklagte ich schon vor längerer Zeit im Medium und wurde darauf hingewiesen, dass es ja doch viele gäbe, die zu soziologisch relevanten Themen schreiben. „Ich schreibe ganz viel zu Soziologie“, schrieb ein Kollege. Da aber die meisten auf Twitter vertretenen SoziologInnen nicht mit Hashtags arbeiten oder den Hashtag #Soziologie als zu allgemein meiden, sind ihre Nachrichten außerhalb eines kleinen Kreises von FollowerInnen unsichtbar und durch Recherchen nicht aufzufinden. Gebe ich #soziologie bei der Twittersuche ein, finde ich seit dem 20. Mai nur traurige 16 Posts, davon 4 von der fleißig twitternden DGS-Geschäftsstelle. Aus gegebenem Anlass ein Aufruf: Lasst uns mehr Soziologie auf Twitter bringen!

Mehr Soziologie auf Twitter! Wie kann das gehen?

Es wäre erstens schön, würden auf Twitter rein quantitativ mehr Soziologielinks gepostet. Das können Zeitungsartikel sein aber auch Stellenangebote oder Links zu Videos, zu den Webauftritten von Instituten oder Fachschaften.

Es wäre zweitens auch schön, wenn diejenigen von Ihnen und Euch, die Twitter bereits nutzen, interessante Soziologielinks häufiger mit den Hashtags #Soziologie und/oder #SozBlog versehen würden, um sie einem breiteren Publikum bzw. den LeserInnen des DGS-Blog zugänglich zu machen.

Jenen, die Twitter noch nicht kennen, sei drittens ein Blick in das Medium sehr empfohlen. Wer wissen will, wie es geht, kann beispielsweise dem ,Erstblogger‘ der DGS, Günter Voß oder den ebenfalls auf Twitter vertretenen SoziologInnen Armin Nassehi (auch er ein SozBlogger), Saskia Sassen und Dirk Baecker folgen.

Und viertens gibt es unabhängig von Twitter die Möglichkeit, in diesem Blog über die Kommentarfunktion Empfehlungen für soziologische Webauftritte zu geben. Daraus würde ich dann gerne eine aktive Linkliste basteln, die einen aktuellen Überblick über ganz unterschiedliche soziologische Blogs  und Aktivitäten gibt.

Lasst uns mehr Soziologie ins Web2.0 bringen und mit Twitter beginnen. Ich bin neugierig und gespannt, ob das Experiment funktioniert. Und begebe mich jetzt mal dort hin, um es zu starten. (twitter: @grautoene)

17 Gedanken zu „Für mehr #Soziologie auf Twitter #1“

  1. Hallo Frau Siri,

    die Gründe für den Ekel vor dem Leichten und die Abscheu vor der Masse und dem Vulgären durchzieht die Soziologie nicht erst, seit es die sozialen Medien gibt.

    In seinem 2001 erschienen Buch Die Abenteuer der Kommunikation hat Harald Wenzel mit Verweis auf Herbert Gans die Gründe für das völlige Fehlen einer auf Empirie und eigener Erfahrung mit Massenmedien gestützten Soziologie der Massenmedien ausgeführt. Die Arbeit wurde kaum wahr genommen und Herr Wenzel selbst schreibt gerne Bücher ist aber auch auch selbst nicht gerne in der öffentlichkeit oder in den von ihm theoretisch für die Integration einer Gesellschaft notwendigen Massen und Echtzeitmassenmedien zu finden. erst recht nicht in den sozialen Medien, weder auf Twitter noch dem bösen Facebook. Ähnlich wie in ihrem stets arroganten Verhältnis zum Wissenschaftsjournalisten und den Praxissoziologen, versteckt sich die akademische Soziologie nicht. Sie hält schlicht ihrem Distinktionshabitus folgend Abstand vom gemeinen Volk im Netz und pflegt ihre Rituale, bis zur endgültigen Abwicklung des Faches und dem Aufgehen in der Lehrerausbildung. Stefan Kühl hat auf der BDS Tagung 2009 in Hamburg die tieferen Gründe dafür benannt, warum dieses Desinteresse an der Praxis aus dem Habitus der Universität hinreichend erklärt werden kann. Es nutzt nichts für die Karriere ist sogar eher hinderlich – schlicht degoutant- abseits dieser Pfade zu wandern. Deutsche Soziologen – auch die Starsoziologen sind against social media. Ich habe auf Twitter kaum Follower aus der Soziologie in Deutschland. Dagegen bin aber auf schon nach kurzer Zeit der Twitterliste von amerikanischen Soziologieprofessoren z.B. Chad Gesser willkommen, weil dort meine Arbeit als Praxissoziologe und meine Kundensoziologie als völlig normal und interessant beurteilt wird, dort ist man bestrebt auf Augenhöhe mit der Praxis zu sein. Deutsche Soziologen schreiben nur für Sterbende. IN Printmedien- aber bitte erst ab dem Niveau der FAZ oder in der von Wolf Lepenies hoffähig gemachten DIE WELT. Mit der von z.B. von Michael Burawoy geforderten „Public Sociology“ wird das nix, weil deutsche Soziologen Öffentlichkeit nur habermasisch oder luhmannesk auffassen aber nicht anfassen wollen.

    1. Lieber Alfred Fuhr,

      stimmt das denn mit dem Distinktionshabitus? Und stimmt denn das, was Stefan Kühl sagt, dass es ein Desinteresse an „Praxis“ gibt und dass die bösen Ordinarien die Nase nur auf FAZ-, SZ- und ZEIT-Augenhöhe tragen (auch wenn man sich gerade dort mehr Soziologie wünschen sollte)? Vielleicht sollte der Fokus nicht so sehr auf dem „Wer?“, sondern auf dem „Was?“ liegen, und da hängt es derzeit, ganz unabhängig vom Medium (von Print über Radio/TV bis zu den Social Media), was die Soziologie eigentlich für öffentliche Diskurse beizutragen hat. Ich habe so meine Zweifel, dass darüber angemessen nachgedacht wird (und habe dazu in diesem Blog ja auch schon Annahmen geäußert). Ich für meinen Teil finde es immer wichtiger und immer lohnender, sich der „Praxis“ zu stellen – nur sollte klar sein, was das denn eigentlich ist?
      Ein Beispiel (von vielen): Ich komme gerade von einer Tagung des deutschen Bühnenvereins, wo ich einen Vortrag über mögliche Kommunikationsstrategien der sog. Hochkultur gegenüber der Kulturpolitik gehalten habe – und schön ist es, wenn man soziologisch auf die Paradoxien solcher Strategien hinweisen kann und vor allzu direkten Kommunikationsformen warnen kann – und vielleicht noch etwas über die Ökonomie politisch verwalteter Haushalte beitragen kann. Das sind diejenigen Tools, die tatsächlich fast nur wir zur Verfügung haben (oder haben könnten). Und wenn das geht, widerspricht das der akademischen Soziologie nicht im geringsten.
      Ich erzähle das nur, um zu zeigen, dass es nicht einfach reicht, Soziologie in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen, sondern Übersetzungsleistungen zu ermöglichen – in Verbänden, Unternehmen, Ministerien – und auch in der Presse. Das jedenfalls, die Übersetzungsleistung meine ich, könnte die eigentliche Kompetenz von Soziologie sein – wenn sie es kann. Ich fürchte, sie kann es bisweilen nicht. Und was man nicht kann, das kann man auch nicht wollen.
      Mehr Soziologie auf Twitter? Okay. Aber nur weils in den entsprechenden Medien ist, hat sich noch nichts weiter getan. Es ist eine Frage der Soziologie selbst.
      Herzliche Grüße
      Armin Nassehi

      PS: Und ihre Twittereien verfolge ich natürlich immer sehr gerne, lieber Herr Fuhr.

      1. Lieber Herr Fuhr und lieber Armin,

        ein Abscheu vor „der Masse“ oder „dem Vulgären“ erklärt für mich noch nicht so ganz das geringe Interesse an bspw. sozialen Medien und anderen digitalen Kanälen, das ich so wenig verstehe. Das kann man doch bei Adorno und Canetti schön sehen: auch die Kritik oder der Ekel lebt davon, sich das Ganze auch mal anzuschauen. So könnte man Twitter-Shitstorms gerade mit Konzepten der Masse vielleicht schön in den Blick bekommen und vieles mehr.

        Herzlich, JS

  2. Interessante und wichtige Gedanken. Ich würde mir auch wünschen, dass man mit gezielter aber offener Suche häufiger soziologische Inhalte auf Twitter finden würde. Ein Problem (das wurde als Reaktion auf Deinen Beitrag ja schon auf Twitter andiskutiert) ist sicher der #Hashtag, der zu viele Zeichen kostet. #SozBlog wäre da eine Alternative. Wichtig wäre, dass man möglichst früh versucht, einen einheitlichen Hashtag zu nutzen. Wir könnten diesen Debattenbeitrag also als Ausgangspunkt nutzen und versuchene, einen #Hashtag zu etablieren.
    Gleichzeitig kann es sinnvoll sein, twitternde SoziologInnen sichtbar zu machen. Dazu poste ich hier einfach Twitter-Listen, auf denen ich selbst bin und auf denen auch andere SoziologInnen unterwegs sind:
    https://twitter.com/xanderbln/sociology
    https://twitter.com/Niels_Bremen/dgs-2012
    https://twitter.com/ragnarh/soziologie
    https://twitter.com/GGuenter_Voss/sociology-soziologie

  3. Ich teile deine Auffassung, dass Twitter mehr zur Wissenschaftskommunikation genutzt werden sollte. Ob so ein genereller Hashtag aber hilft, ist denke ich eine andere Frage. Klar, während Konferenzen funktioniert das wunderbar, weil Leute dann wirklich den Konferenzhashtag verfolgen und damit tweeten, auch bei wiederkehrenden Ereignissen (#tatort) oder großen Einzelereignissen (#btw13) sind Hashtags unersetzlich. Aber ich frage mich, ob Menschen wirklich einen allgemeinen Hashtag wie #soziologie dauerhaft verfolgen, um sich über soziologische Themen zu informieren.
    Aber ein wichtiges Thema, auf jeden Fall!

  4. Mhhh, ich stehe gerade vor der Huhn-Ei-Problematik.

    Die Frage von Armin Nassehi – „was die Soziologie eigentlich für öffentliche Diskurse beizutragen hat“ – trifft den Knackpunkt ziemlich gut. Für mein Empfinden ist die Soziologie derzeit eine Disziplin, die hauptsächlich auf sich selbst referiert, ohne einen Theorie-Praxis-Transfer anzuregen. Die fehlende Präsenz in Medienformaten wie Blogs, Twitter, usw. ist ein Indiz dafür. (Diese Kausalkette funktioniert auch in umgekehrter Richtung.)

    Mich irritiert vor allem die mit diesen Kommunikationskanälen verbundene Angst vor einem Reputationsverlust. Was ist das für eine Wissenschaftskultur, in der durch transparente Denkprozesse bzw. niedrigschwellige Partizipationsangebote eine Abwertung der fachlichen Kompetenz droht? Warum kann nicht beides gleichwertig nebeneinander stehen?

    1. Ja, manchmal hat man den Eindruck ein Teil der Soziologie ist Philosophie. Philosophie für Arme von Armen, für Benachteiligte von Benachteiligten usw. während die Philosophie selbst hübsch bildungsbürgerlich bleibt und statt Brecht gibt es Precht. Sie wissen nicht was Liebe ist? Ich erkläre es Ihnen! Sie fühlen sich mal so mal so? Das liegt daran, dass Sie viele sind! Die Botschaften müssen schlicht einfacher sein und für Twitter eben auch kürzer. Beschleunigung? Treten Sie kürzer, dann haben Sie auch mehr Zeit…

      1. Da kommt bei mir wieder die Luhmannianerin raus: Na klar referiert die Soziologie vor allem auf sich selbst, ist ja eine Wissenschaft. Einerseits. Die andere Frage ist aber, was hat die Soziologie „denen da draußen“ mitzuteilen und das kann eben eine ganze Menge sein. Wobei es mir ja nicht um Soziologie in 140 Zeichen geht, eher um Präsenz und ein Angebot. Ich sehe das stark an der Wahlforschung und der Social-Media-Forschung, da findet man auf Twitter zuverlässig die neuesten Publikationen und das ist schön. Ich habe über den #Soziologie-Hashtag auch schon viele gute Lesehinweise bekommen.

        1. Die Hinweise auf neue Publikationen sind prima, bekommt man aber auch bei einem Klick auf die DGS Website. Das Problem an der Systemtheorie nach Luhmann ist ja gerade, dass Menschen sich mit Selbstreferenz rechtfertigen, sie zur Legitimation von Handlungsentscheidungen heranziehen. Sie ist ein tolles Instrument Komplexität zu reduzieren für den Zweck der Abstraktion (!), aber daraus darf doch kein Legitimationsmuster für autistisches Handeln werden. Im übrigen sind Soziolog*innen ja hin und wieder „draußen“. Was sie sagen können? Zum Beispiel: Schamland!

          1. „Die Hinweise auf neue Publikationen sind prima, bekommt man aber auch bei einem Klick auf die DGS Website.“

            Ich glaube ich habe das Wort „Lesehinweise“ falsch gewählt: Was ich meinte sind weniger Hinweise auf Monografien – das funktioniert mit Feuilleton und Mundpropaganda und dieser Seite sehr gut – sondern zum Beispiel Hinweise auf soziologische Blogs (und auch mitgeteilt zu bekommen, wenn jemand etwas Neues geschrieben hat) sowie auf Zeitungsartikel, die Peers relevant finden (geht auch sehr gut über Facebook, welches aber exklusiver ist), Videos und Berichterstattung über Veranstaltungen (wobei das leider nur ganz selten funktioniert… Beim letzten DGS-Kongress twitterten glaube ich kaum mehr als 5 Menschen…)

  5. So selten scheinen die soziologischen Inhalte ja nicht zu sein. Beispielsweise hat die Liste von Herrn Voß über 240 Einträge. Scheint also dann doch am passenden Tag zu hapern.

    Bei der Tagfindung sollte vielleicht auch auf Internationalität geachtet werden. So könnte man noch mehr Inhalte erschließen. Auch über Sprachgrenzen hinweg.

  6. „Es ist eine Frage der Soziologie selbst …“

    Die Forderung nach mehr Beteiligung von Soziologen in sozialen Netzwerken des Internets ist erst einmal noch nicht ausreichend. Worüber soll geschrieben werden? Es ist nicht so, dass es der Soziologie bisher an Publikationsfähigkeit und Publikationspotenzialen mangelte. Es gibt vor allen Dingen Zeitschriftenartikel, die über fachinterne Angelegenheiten berichten. Warum auch noch twittern? Und die allgemeine Publikationstätigkeit steigt in der Soziologie wie überall ohnehin an, wobei jedem klar ist, dass der allergrößte Teil soziologischer Zeitschriftenliteratur ungelesen bleibt. Warum nun auch Tweets, Blogs und dergleichen, die auch kaum jemand lesen kann?
    Warum mehr Soziologie im Internet?
    Wenn eine Fachwissenschaft, gleichviel welche, das Internet nur dazu benutzt, es als Verbreitungsmedium zu verwenden, dann dürfte es gar nicht so schwierig sein, eine solche Publikaitonstätigkeit zu automatisieren. Die Wissenschaftler schreiben Fachartikel wie eh und je, die, nachdem sie in Zeitschriften abgedruckt und in Bibliotheken einsortiert sind, dann auch via Internet noch einmal verbreitet werden könnten. Und Twittern kann auch eine Sekretärin.
    Warum nicht alles beim Alten belassen? Die Wissenschaftler bewerben sich um Reputation und zählen ihre Reputationsgewinne im Verhältnis zu den Gewinnen aller anderen. Diese Beobachtungen müssen irgendwie gebündelt kommuniziert werden, damit Unterschiede gemessen werden können, durchaus vergleichbar mit einer Bundesligatabelle. Wenn irgendwelche Mannschaften irgendwo irgendwelche Fußballspiele durchführten, von denen sonst niemand etwas weiß, kann niemand Unterschiede beobachten, wenn diese als Ergebnisse nicht irgendwo durch Organisation und Massenmedien zusammengeführt werden würden.
    Dieser Vergleich ist zugegebenermaßen etwas grob, aber auch nicht ganz abwegig. Wissenschaft funktioniert aufgrund der Konkurrenzdichte in den Universitäten nur als Reputationsmanagement, nur als Konkurrenzkampf unter beobachtbaren Bedingungen allgemeiner Intransparenz, durch die dafür gesorgt, dass nur die Reputationsgewinne bemerkt werden können, nicht aber die Wege ihres Zustandekommens. Diese Wissenschaft ist daher notwendig auf eine Intranparenz angewiesen, durch die sicher gestellt wird, dass soziologische Wissenschaftlichkeit als Kontingenzformel auch dann die Kommunikation determiniert, wenn jeder weiß, dass kaum jemand weiß, was soziologische Wissenschaftlichkeit eigentlich noch besagt, weil jeder dazu etwas anderes sagen kann und sagen darf. Wenn in einem solchen Fall trotzdem Begriffe von Wissenschaftlichkeit die Kommunikationen zusammenführen, dann kann das nur geschehen, weil die relevanten Entscheidungsfindungsprozesse über die Zurechnung von Kompetenz und Reputation völlig intransparent sind und bleiben.
    Und warum soll man daran etwas ändern?
    Es wären vielleicht sogar viele in der Soziologie dazu bereit, daran etwas zu ändern, aber nur, wenn es sich schon geändert hat. Denn die Regeln der Stellungskämpfe im Konkurrenzgeschehen können von denen, die diese Kämpfe durchführen, nicht einfach individuell geändert werden. Also muss, um die Ausgangsposition für eigene Karriereaspirationen zu sichern, immer auch herausgefunden werden, welche Ausgangspoisiton die anderen haben. Solche Beobachtungsleistungen können via Internet noch nicht vollzogenwerden, weil sie noch nicht vollzogen werden können; es mangelt an Anschlussfähigkeit des Systems für diese Art der Kommunikation.

    Man kann Anschlussfindung fordern, aber wer sollte diese Forderung zuerst erfüllen? Vielleicht diejenigen, die diese Forderung stellen. Und solange beobachtbar bleibt, dass mit dieser Forderung und ihrer Selbsterfüllung keine Reputationsgewinne zu erzielen sind, wird sich nichts ändern. Das ist ganz normal und soziologisch auch erklärbar.

    1. Danke für die spannenden Gedanken zur Reputation. Glauben Sie denn, dass Netzwerke bei abnehmender Vergleichbarkeit von „Leistungen“ eine größere oder eine geringere Rolle spielen?

  7. Spannende Diskussion.

    Mich würde ein disziplinübergreifender quantitativer Überblick über twitternde Wissenschaftler_innen in höchstem Maße interessieren.

    Meine Vermutung ist, dass insbesondere diejenigen Disziplinen in hohem Maße vertreten sind, die besonders von der Einwerbung von Drittmitteln abhängig sind.
    In diesem Bereich macht die verstärkte Wissenschaftskommunikation ja auch Sinn. Die Soziologie scheint mir von diesem Wahn bislang noch verhältnismäßig verschont, hoffentlich trägt ein Appell zu mehr Öffentlichkeitskommunikation nicht dazu bei, dass sich daran etwas ändert.

    Eine weitere Frage, die mir durch den Kopf geht, ist, ob sich die Soziologie damit nicht ein Stück weit die Forschung kaputt machen würde.
    Kann man denn noch vernünftige Interviews führen, wenn Interviewpartner_Innen wissen, was ein Habitus ist und wie sie diesen zum Ausdruck bringen? Ist das nicht auch ein Stück weit der Sinn von derartigen Kodifizierungen?

    Die Soziologie unterscheidet so manches von anderen Disziplinen. Es gibt in ihr keine Therapie (Psychologie), keine Intervention (Pädagogik) und sie soll auch keine unmittelbar anwendbaren Ergebnisse produzieren (MIN-Fächer).

    Wozu also twittern? Ich glaube da fehlt noch eine bessere Argumentation.

    Gruß
    Michael

    P.S. Das ist bitte als Denkanstoß eines Studierenden zu verstehen und nicht als Appell gegen Twitter, Facebook, Blogs und Co.

    1. „Meine Vermutung ist, dass insbesondere diejenigen Disziplinen in hohem Maße vertreten sind, die besonders von der Einwerbung von Drittmitteln abhängig sind.“

      Gibt es denn überhaupt noch Wissenschaften, die keine Drittmittel brauchen? Eine meiner Freundinnen ist Lyrikspezialistin, eine andere arbeitet zu islamischer Kunst: beide schreiben Anträge. Was sich unterscheidet ist die beantragte Summe, Menschen, die Labore brauchen oder experimentieren, brauchen viel mehr Geld als „wir“…

      Ich denke auch nicht, dass viele Leute sagen „Hey, lass uns mal Wissenschaftskommunikation machen“. Mein Plädoyer ist viel egoistischer: Es ist einfach spannend, mehr von anderen zu lesen und Social Media helfen da, besonders Twitter, da es nicht wie Facebook über den Code der Freundschaft läuft.

  8. Die Soziologie unterscheidet so manches von anderen Disziplinen. Es gibt in ihr keine Therapie (Psychologie), keine Intervention (Pädagogik) und sie soll auch keine unmittelbar anwendbaren Ergebnisse produzieren (MIN-Fächer).
    Bei der Therapie und der Intervention würde ich ja noch zustimmen, aber das mit den unmittelbar anwendbaren Ergebnissen sehe ich anders. Die Soziologie ist voll von unmittelbar anwendbaren Ergebnissen. Selbst bei den Grundbegriffen ergeben sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Ganz zu schweigen von Wirtschafts, oder Organisationssoziologie. In der Bildungssoziologie gibt es ebenfalls anwendbare Ergebnisse, die auch in der Politik angewandt werden, wenn auch Parteiideologisch verändert.

    1. Ich stimme Ihnen sehr zu. Die Denksportaufgabe würde eher lauten, soziologische Gedanken zu finden, die man nicht „irgendwie“ auch praktisch anwenden kann…

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