Die Rolle von Fachgesellschaften im Kampf für gute Arbeit in der Wissenschaft – am Beispiel der DVPW

Ein Gastbeitrag von Antonia Schmid, Berlin, und Thorsten Thiel, Frankfurt am Main

 

Zu diesem fortgeschrittenen Zeitpunkt in der Blogserie möchten wir den Blick noch einmal weg von den Diagnosen lenken – wie sie von Peter Ullrich, Richard Münch, Tino Heim und Silke van Dyk/Tilman Reitz so nachdrücklich geleistet wurden – und stattdessen auf die Frage der Organisation von prekär beschäftigten Akademiker*innen zu sprechen kommen. Dieser Punkt wurde von Peter Ullrich auch bereits im zweiten und dritten Teil seines Beitrags thematisiert (und er war auch Thema der Beiträge zu studentischen Hilfskräften und Mitarbeiter*innen sowie Lars Frers Überlegungen zum Streik). Die Perspektive, die wir hier einnehmen wollen, ist aber eine sehr viel konkretere: Wir fokussieren die Rolle der Fachgesellschaften bei der Repräsentation prekär beschäftigter Akademiker*innen und fragen nach deren Aufgaben und Möglichkeiten. Wir werden hierfür unsere Erfahrungen in einer der Schwestergesellschaften der DGS reflektieren, der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW), deren Vorstand (Thorsten Thiel) und Beirat (Antonia Schmid) wir seit 2015 angehören (Thorsten Thiel war zudem bereits in der Amtsperiode 2012-2015 Mitglied des Beirats).

Wir wollen und können die DVPW dabei nicht als Vorbild für die Einbindung von prekär beschäftigten Vertreter*innen oder die Durchsetzung entsprechender Interessen porträtieren. Sie ist lediglich die uns vertraute Fachgesellschaft und viele der Fragen und Kämpfe in DGS und DVPW überschneiden sich. Wir möchten insofern ausloten, was die Rolle von Fachgesellschaften in Bezug auf gute Arbeit in der Wissenschaft generell sein kann und die Kenntnis von Strukturen und Initiativen verbreitern. In einem ersten Schritt werden wir die Repräsentation von prekär beschäftigten Akademiker*innen in der DVPW diskutieren und im zweiten einige Handlungsbereiche vorstellen, bevor wir abschließend eine Reflexion über Möglichkeiten und Grenzen der Fachgesellschaften in Bezug auf Beschäftigungsfragen unternehmen.

Zur Organisation wissenschaftlicher Lohnarbeiter*innen in der DVPW

Die DVPW versteht sich in erster Linie als Fachvertretung im Sinne einer Repräsentation der Disziplin nach außen und der Organisation des wissenschaftlichen Diskurses innerhalb der Disziplin. Berufsständische Anliegen etwa hinsichtlich des Eintretens für weibliche und nicht-professorale Mitglieder sind nachgeordnete Ziele, wobei die neue Satzung (siehe unten) ‚Nachwuchs‘förderung ebenfalls zum Vereinsziel macht.

Die Mitgliedschaft in der DVPW ist dabei verhältnismäßig offen, aber nicht so weit gefasst wie in der DGS. Um DVPW-Mitglied zu werden, braucht es einen einschlägigen Hochschulabschluss und den Nachweis einer Publikation. Von den ca. 1800 Mitgliedern, die die DVPW derzeit hat, sind etwa die Hälfte nicht in dauerhaften Anstellungen – was schon für sich deutlich macht, warum nicht-professorale Wissenschaftler*innen unbedingt auch in der Führung der Vereinigung repräsentiert sein sollten.

Die Vertretung von Anliegen des ‚wissenschaftlichen Nachwuchses‘ hat in der DVPW aber eine gewisse Tradition (zumal es mit der DGfP eine zweite politikwissenschaftliche Fachgesellschaft gibt, die eine ‚exklusivere‘ Mitgliedsstruktur aufweist). In den Vorstand und Beirat der DVPW, die dessen zentrales Entscheidungsorgan bilden und als ein derzeit dreizehn Personen umfassendes  Gremium tagen, werden traditionell zwei Kandidat*innen des ‚Nachwuchses‘ gewählt. Diese werden am Tag vor der Mitgliederversammlung von einer Vollversammlung des wissenschaftlichen ‚Nachwuchses‘ nominiert. Die Plätze sind nicht formell gesichert – es gibt nur die informelle, aber bisher funktionierende Tradition, dass die von der ‚Nachwuchsversammlung‘ bestimmten Vertreter*innen breite Unterstützung erhalten und sicher in die Gremien gewählt werden.

Innerhalb von Vorstand und Beirat wird dann ein AK Nachwuchsförderung gebildet, der die Positionen zu Fragen von Qualifikation und prekärer Beschäftigung formuliert und dem eine*r oder beide von der ‚Nachwuchsversammlung‘ entsandten Vertreter*innen sowie weitere an den Themen interessierte Mitglieder von Vorstand und Beirat angehören. Darüber hinaus gibt es in der DVPW – analog zur DGS – eine Vielzahl von Untergliederungen (Sektionen, Arbeitskreise und Themengruppen) deren Organisation wenig formalisiert ist, die jedoch auch häufig ‚Nachwuchs‘sprecher*innen wählen oder dafür zuständige Personen in ihrem jeweiligen Sprecher*innenkreis bestimmen. Der AK Nachwuchsförderung auf Ebene von Vorstand und Beirat trifft sich seit der letzten Amtszeit zumindest zweimal mit diesen Vertreter*innen der Untergliederungen, um gemeinsame Themen zu besprechen. Die Repräsentation von prekär beschäftigten Akademiker*innen ist daher insgesamt recht hoch und wird in der Vereinigung vollständig akzeptiert und verteidigt. Aus unserer Erfahrung in den Gremien möchten wir dabei den Wert aktiver Repräsentation betonen, da eine allein advokatorische Repräsentation, auch bei wohlmeinender Intention, unserer Einschätzung nach die Realitäten prekärer Beschäftigungsverhältnisse häufig verfehlen würde.

Viele werden zudem wissen, dass in der DVPW nach dem plötzlichen Rücktritt des kurz zuvor gewählten Vorsitzenden auf dem Kongress 2015 in Duisburg eine Satzungsdebatte in Gang gekommen ist und in diesen Tagen eine neue Satzung zur Verabschiedung vorgeschlagen wird. Diese richtet sich zwar nicht primär auf Belange nicht-professoraler Wissenschaftler*innen, aber sie berühren diese in vielerlei Hinsicht. Nach dem jetzigen Vorschlag, der den Mitgliedern ab Anfang Juli zur Abstimmung vorliegen wird, werden Vorstand und Beirat entkoppelt. Der Vorstand wird dafür künftig mehr Plätze enthalten (elf statt wie bisher sieben). Da aber der Beirat als de-facto-Erweiterung in der jetzigen Form wegfällt, sinkt die Gesamtzahl der zur Verfügung stehenden Positionen. Es gibt Stimmen in der Vereinigung, die argumentieren, dass die Veränderungen es erschweren werden, eigene Kandidat*innen der ‚Nachwuchsversammlung‘ im Vorstand durchzubringen – zumal die neu einzuführende Möglichkeit der Online-Wahl im Verdacht stehe, das Kriterium der ‚Prominenz‘ wichtiger zu machen. Gegen diese Befürchtung spricht allerdings, dass die Hürden, sich an der Wahl zu beteiligen, sinken, die Mehrzahl der Mitglieder nicht-professoralen Statusgruppen angehört und zudem geplant ist, als künftiges Wahlverfahren STV (Single Transferable Vote) zu verwenden, dem zugeschrieben wird, die proportionale Repräsentation zu verbessern. Auch war es bisher schon so, dass den Kandidat*innen der  ‚Nachwuchs‘versammlung kein Platz garantiert war und die Schwierigkeit immer eher darin bestand, Kandidat*innen für die dreijährige und arbeitsintensive Amtszeit zu motivieren. Zudem kann Gremienarbeit immer bedeuten, sich in potentiellen Konflikten offen zu positionieren, was für Qualifikand*innen und andere Prekäre, die oft für noch unbestimmte Zeit auf Arbeitssuche sind, problematischer ist als für Inhaber*innen fester Stellen.

Zugleich ist anzumerken, dass der neue Satzungsvorschlag die Stellung des ‚Nachwuchses‘ in anderen Hinsichten nachhaltig verbessert: Neben der schon erwähnten Festschreibung der ‚Nachwuchsförderung‘ als Vereinszweck erhält ein*e Vertreter*in der ‚Nachwuchs‘versammlung einen festen Platz im vierköpfigen Wahlausschuss, der die Vorstandswahlen vorbereitet und eine Vielfalt der Kandidat*innen gewährleisten soll. Auch in den  Rat, der gewissermaßen den Beirat ersetzt und mindestens einmal jährlich zusammentritt, um die Arbeit des Vorstandes zu begleiten, wird ein*e von der ‚Nachwuchs‘versammlung bestellte Vertreter*in entsandt. Schließlich wird auch der AK Nachwuchsförderung als ständiger Ausschuss künftig durch die Satzung festgeschrieben und muss sich auch dann mit der ‚Nachwuchs‘versammlung koordinieren, wenn keine*r von deren Vertreter*innen in den Vorstand gewählt wird bzw. niemand dafür antritt.

Die neue Satzung – so sie denn die Zustimmung einer Mehrheit der Mitglieder der DVPW bis Ende September gewinnt – stellt nach unserer Einschätzung daher unter dem Strich zumindest eine Absicherung, in Teilen sogar eine Verbesserung der Repräsentation von Anliegen prekär Beschäftigter dar. Die Einbindung nicht-professoraler Wissenschaftler*innen wird mit der neuen Satzung zum ersten Mal formalisiert und der neue Entwurf sieht darüber hinaus eine Vielzahl weiterer, dringend nötiger Änderungen vor – als wichtigste davon die Möglichkeit künftig einfacherer Satzungsänderungen. Wir plädieren daher entschieden für die Annahme der neuen Satzung und sind guter Dinge, dass die DVPW sich weiterhin kontinuierlich mit Themen der guten Arbeit in der Wissenschaft auseinandersetzen und dabei auch mit Stimmen und Positionen prekär Beschäftigter konfrontiert sein wird.

Initiativen zur Verbesserung guter Arbeit in der DVPW

Noch wichtiger als die Frage, wie prekär Beschäftigte in der DVPW repräsentiert werden, ist aber jene, in welchen Initiativen und Handlungen dies resultiert. Hier ist zunächst festzuhalten, dass nach oben immer Luft ist, es deren also immer mehr an der Zahl und nachhaltigere sein könnten. Zweitens gilt, dass die Politikwissenschaft – wie große Teile der Wissenschaftspolitik – sich in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts weniger um die Frage der Beschäftigungssicherung gekümmert hat als um Fragen der Professionalisierung und Verwissenschaftlichung insbesondere der  Doktorand*innenausbildung, was bei aller positiver Dynamik zur Problematik des Flaschenhalses in Wissenschaftskarrieren weiter beiträgt. Gerade in den letzten Jahren sind aber Fragen wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Stellensicherheit oder die Wege bzw. Alternativen zur Professur auch in der DVPW sichtbarer ins Zentrum gerückt. Welche Instrumente stehen der Fachvereinigung zur Verfügung bzw. welche hat sie gewählt?

Wir möchten hier vier Ansatzpunkte vorstellen. Eine frühe, aber sehr wichtige Initiative ging bereits von der ‚Nachwuchsversammlung‘ des Kongresses 2006 aus und resultierte in einer von Vorstand und Beirat 2008 verabschiedeten und 2010 noch einmal ergänzten Stellungnahme zur Bereitstellung von Stellen in der Politikwissenschaft. Diese hält immer noch sehr wichtige Punkte fest: Zum Beispiel, dass allgemein die Entlohnung den Qualifikationsleveln entsprechen sollte (und generell zu niedrig liegt), dass Lehrkräfte für besondere Aufgaben entfristet angestellt gehören, Postdocs nicht auf halben Stellen angestellt werden, Elternschaft angemessen berücksichtigt und Lehraufträge vergütet werden sollten. Stellungnahmen wie diese sind zwar nicht bindend für Institute oder Mitglieder der DVPW, sie werden aber breit rezipiert und dienen als Argumentationshilfe bei konkreten Ausschreibungen.

Ein zweites Instrument ist die genaue Beschreibung disziplinärer Zustände. So helfen Informationen über die spezifische Situation im Fach den Betroffenen oftmals mehr als die abstrakten, aggregierten Zahlen aller akademisch Beschäftigten ohne Differenzierung nach Fächern. Orientierung und Selbsteinschätzung werden so eher ermöglicht. Zudem hilft die Konkretion, der professoralen Elite zu verdeutlichen, dass es hier nicht um entfernte Probleme geht, sondern um die eigenen und die potenziellen Mitarbeiter*innen. Die DVPW hat schon zweimal Studien zu Karrierewegen in der Politikwissenschaft durchgeführt (die Ergebnisse der ersten Erhebung hier, die zweite Studie wurde auf dem Duisburger Kongress 2015 vorgestellt und wird in Kürze veröffentlicht). Eine dritte aktuelle Umfrage richtete sich an die Institute und fragte ab, wie an den jeweiligen Standorten, Karrieren begleitet, familiäre Vereinbarkeit gewährleistet oder etwa der Einstieg in die Lehrtätigkeit konkretisiert wird (veröffentlicht im Rundbrief Nr. 153, S. 58-69) . Solche Umfragen lösen die grundlegenden Probleme zwar nicht, sie helfen aber prekär beschäftigten Wissenschaftler*innen, ihre Chancen abzuschätzen, Strategien zu entwickeln und auf informierter Grundlage Lebensentscheidungen zu treffen.

Ein drittes Beispiel für Engagement aus der DVPW heraus nimmt einen sehr anderen Weg: den der dezentralen Initiative.  Ein Beispiel hierfür ist die schon von Peter Ullrich angeführte Petition „Wissenschaft als Beruf – für bessere Beschäftigungsbedingungen und planbare Perspektiven”. Diese wurde von Gabi Schlag und Andreas Kruck initiiert, den damaligen ‚Nachwuchs‘sprecher*innen der Sektion Internationale Beziehungen, und dann in Absprache mit dem damaligen AK Nachwuchsförderung und den übrigen ‚Nachwuchssprecher*innen‘ der Untergliederungen formuliert und unterschrieben. Sie war explizit bezogen auf die soziologische Petition, die von der Initiative „Für Gute Arbeit in der Wissenschaft“ initiiert wurde,  und erhielt fast 14.000 Unterschriften. Die Petition wurde auch in den überregionalen Medien breit rezipiert und oft angeführt, um den Unmut und die wachsende Organisation des wissenschaftlichen ‚Nachwuchses‘ zu belegen. Im Anschluss an die Versendung des offenen Briefes kam es zu mehreren direkten Kontakten mit Bildungspolitiker*innen aller Fraktionen, die gerade in Hinblick auf die Ausarbeitungen zum WissZeitVG Interesse an der Perspektive ,von unten’ zeigten. Das ist durchaus ein Erfolg, der uns aber auch verdeutlichte, dass es nicht damit getan ist, Klagen zu formulieren und gehört zu werden, sondern dass es ausgearbeiteter politischer Vorschläge bedarf, um nicht nur den Ton zu setzen, sondern auch die Musik zu spielen.

Solche konkreten Lösungen lassen sich – dies ist der vierte Ansatzpunkt – wiederum gut auf der Ebene von Fachgesellschaften entwerfen und diskutieren. Hierfür bieten sich Formate wie Workshops und Konferenzen an. Ein Beispiel aus dem DVPW-Kontext ist die vom StAFF (Ständiger Ausschuss für Fragen der Frauenförderung) organisierte Tagung Chancengleichheit in Wissenschaft und Wirtschaft 2015 (Tagungsbericht: hier), die gezielt Modelle aus anderen Arbeitswelten in den Wissenschaftsdiskurs einzuführen versuchte. Auch die große Plenarveranstaltung zu „Nachwuchsförderung und Karriereplanung in der Politikwissenschaft” auf dem letztjährigen Kongress lieferte konkrete Vorschläge zur Reform des Wissenschaftssystems – ein Video der Veranstaltung findet sich hier.

Die Rolle der Fachgesellschaften

Insgesamt zeigt sich, dass die Mittel der Einflussnahme über Fachgesellschaften recht begrenzt sind, da die Situation prekär beschäftigter Wissenschaftler*innen letztlich vor allem von der Wissenschaftspolitik gestaltet und verändert wird. Sicherlich ließe sich der DVPW und anderen Fachgesellschaften vorwerfen, hier zu unpolitisch zu sein oder zu zaghaft zu agieren. Bei aller auch berechtigten Kritik sollte aber im Blick behalten werden, dass den Vereinigungen in erster Linie appellative und reflexive Instrumente zur Verfügung stehen. Sie sind daher nach unserer Erfahrung nicht der Ort für eine „kompromisslose“ Auseinandersetzung, wie dies Tino Heim gefordert hat. Fachvereinigungen sind idealiter Orte des Diskurses und der Verständigung. Sie können weder gewerkschaftliches Engagement noch die konkrete Auseinandersetzung an den Hochschulorten ersetzen. Ihr Einfluss und Wirkungsgrad auf die Situation nicht-professoraler Wissenschaftler*innen ist vor allem diskursiver und symbolischer Art. Doch hierin liegt auch eine Chance: Im Kontext von Fachvereinigungen lassen sich normative Standards nämlich sehr viel leichter formulieren und artikulieren und dann auch mit großer Autorität und Legitimation in den öffentlichen Diskurs verlagern. Verbandshandeln ist zudem auch deshalb wichtig, weil es Bewusstseinsbildung und Awareness Raising erlaubt, vertikale und horizontale Solidarität generieren kann und trotz der generellen Konkurrenz, in die die Einzelnen gestellt sind, Organisation befördert. Im besten Fall fördern Fachvereinigungen  das kritische Bewusstsein – diese Blogserie ist ein eindrucksvolles Beispiel.

Fraglos gibt es aber auch Bereiche, wo die Fachgesellschaften mehr tun können und sollten: Eine erste Baustelle etwa, die nach unserer Einschätzung viel stärker angegangen werden müsste, ist die Formulierung und Absicherung disziplinärer Standards. Die Misere des Hochschulsystems lässt sich schließlich nicht nur auf politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen zurückführen, sondern hat Ursachen auch und nicht zuletzt auf den Ebenen der universitären Selbstorganisation. Ein Bereich, in dem Institute und Universitäten beispielsweise viel mehr tun könnten, ist die radikale Reform von Berufungsverfahren. Deren Dauer und die Belastung für alle Seiten haben groteske Züge angenommen. Das System schreckt ab, frustriert und ist Außenstehenden kaum zu vermitteln: jahrelange Verfahren mit ständigen Gutachten, Externen und Gremien, die dann am Ende eine sechs Jahres-Anstellung mit Zwischenevaluation, aber ohne tenure-track hervorbringen – Arbeitsbedingungen, deren Legitimation höchst fragwürdig ist. Hier müssten die Fachgesellschaften auch stärker den Konflikt suchen und in Institute und Universitäten hineinwirken. Dabei wären auch Dinge zu thematisieren, die zwischen prekär Beschäftigten und professoraler Elite umstritten sind, da für zu viele Professor*innen letztlich doch der eigene Status als Beleg einer funktionierenden Elitenauswahl gilt – selbst wenn sie ansonsten das harte Los der Mitarbeiter*innen durchaus bedauern. So zeigt sich auch wieder, wieso prekär beschäftigte Akademiker*innen selbst in den Gremien vertreten sein müssen, um in der Debatte gegenüber dem professoralen ‚Überbau‘ bzw. den Arbeitgeber*innen zumindest auf dieser Ebene Augenhöhe herzustellen.

Ein weiterer Handlungsbereich schließlich, in dem aber zur Zeit mehr und mehr passiert, ist die zu steigernde Zusammenarbeit der verschiedenen Vereinigungen, um Alternativen zu formulieren, vor allem aber um die Hochschulpolitik zu erreichen. Ein sehr wichtiger erster Schritt hierzu wird eine für Anfang Februar 2017 geplante gemeinsame Tagung der Fachgesellschaften sein: neben DGS und DVPW sind DGPuK, DGfE und VdH beteiligt.  Diese Konferenz soll nicht nur eine Plattform für den offenen und selbstkritischen Diskurs hochschulpolitischer Fragen darstellen, sondern auch Positionen hervorbringen, die zur Umsetzung direkt an Politik und Hochschulen zu adressieren sind. Let´s keep it up!

 

Vorschläge für Hashtags zum Weiterdiskutieren auf Twitter und Facebook: #SozBlog  #PrekäreWissenschaft #GuteArbeit #DVPW #powi

 

Antonia Schmid (Dr. phil.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Petra Pau, MdB, im Deutschen Bundestag. Bis April 2016 war sie befristet am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin beschäftigt und, ebenfalls befristet, Konferenzdirektorin für die 3rd Landmark Conference der Inter-Parliamentary Coalition for Combating Antisemitism (ICCA). Antonia ist seit September 2015  Mitglied des Vorstandsbeirats der DVPW und wurde dafür von der ‚Nachwuchs‘- und der Frauenvollversammlung nominiert.

Thorsten Thiel (Dr. phil.) ist Koordinator des Leibniz-Forschungsverbundes ‚Krisen einer globalisierten Welt‘, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung und assoziiertes Mitglied des Frankfurter Exzellensclusters ‚Die Herausbildung normativer Ordnungen‘. Thorsten ist seit September 2015 Mitglied des Vorstands der DVPW und war in der davor liegenden Amtszeit in deren Beirat.

Autor: Initiative "Für Gute Arbeit in der Wissenschaft"

Im Sommer 2014 haben sich Soziologinnen und Soziologen zusammengefunden, um sich für “Gute Arbeit in der Wissenschaft” zu engagieren. Es entstand ein Offener Brief an die DGS, in dem die Fachgesellschaft aufgefordert wurde, sich mit den Beschäftigungsbedingungen im eigenen Fach auseinander- und für gewisse Mindeststandards guter Arbeit einzusetzen sowie diese in ihren Ethikkodex aufzunehmen. Ein weiteres zentrales Anliegen der Initiative ist es, die Mitbestimmung des Mittelbaus in den Gremien der DGS zu stärken. Die Anliegen der Initiative werden derzeit in der DGS verhandelt, im Rahmen des nächsten DGS-Kongresses organisiert die Initiative die erste Mittelbauversammlung der DGS. Website der Initiative

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