Der SozBlog als Zeitvergeudung für Schreiber und Leser/innen?

Zu schreiben, dass ich mich freuen würde, in den nächsten zwei Monaten den SozBlog der DGS gestalten zu dürfen, wäre eine glatte Lüge. ‚Unbehagen’ wäre eher die zutreffende Bezeichnung des Gefühls, das aufkommt, wenn ich daran denke, in den kommenden zwei Monaten erstmals in meinem von Medien mitgeprägten Leben als Wissenschaftler bloggen zu sollen. Dass ich überhaupt mich an dieser von mir bislang noch nicht genutzten Text- und Mediensorte versuche, hat damit zu tun, dass man sich als Soziologe, der in einem kommunikationswissenschaftlichen Institut arbeitet, nicht lange mit guten Gründen dagegen sperren kann („Du als Kommunikationswissenschaftler musst doch bloggen!“), dieses Medium aktiv und reflektiert mit Leben (und Sinn) zu erfüllen.

Die beschriebene, etwas sehr gedämpfte Freude am Bloggen hat wohl auch etwas damit zu tun, dass sich mir bislang der Sinn des Bloggens im allgemeinen und auch im besonderen (also hier auf der Homepage der DGS) noch nicht wirklich erschlossen hat. Bislang schien das Bloggen mir (ganz allgemein) eine, wenn auch anspruchsvolle Art  der Zeitvergeudung zu sein. Um dieses Unbehagen zu beschwichtigen, möchte ich mir in diesem ersten Blog meine Vorstellungen und auch meine Vorbehalte von der Seele schreiben – aber auch auf der Suche danach, dieser für mich neuen Text- und Mediensorte etwas abzugewinnen.

Ein Blog ist ein Text (so eine oft anzutreffende Ansicht), der im schier endlosen Raum des Internets nach Lesern und Leserinnen sucht. Diese Sicht der Dinge ist allerdings gleich im ersten Ansatz aus meiner Sicht unrichtig, da ein Blog nicht sucht, sondern vor allem ein Text ist, der an einer bestimmten Raum-Zeit-Stelle im Internet festgeklebt (gepostet – hier die homepage der DGS) ist und dort auf neugierige Wanderer, Flaneure und Marodeure wartet, die sich für den Blog (aus welchen Gründen auch immer) interessieren. Insofern sucht der Blog nicht, sondern er wartet. Finden die Leser und Leserinnen in dem Blog etwas, was sie (wenn auch nur für flüchtig-kurze Zeit) interessiert, dann bleiben sie eine Weile und kommen vielleicht sogar wieder oder sie empfehlen den Blog ihren Freunden in unterschiedlichen Netzwerken. Letzteres kann dazu führen, dass sich um den Blog ein Netz von Beziehungen aufbaut, das für eine gewisse Zeit ‚stabil’ ist bzw. sein kann. Es bildet sich dann so etwas wie eine Arena, in der bestimmte Menschen sich im Hinblick auf das im Blog Geäußerte aufeinander beziehen – mit Argumenten, Urteilen, Wertschätzungen oder auch Beleidigungen. Weil es also beim Bloggen auf ‚Attraktivität’ (im wahrsten Sinne des Wortes) ankommt, ist dem Blog die Pointe, die Übertreibung und die Zuspitzung von Beginn an eingeschrieben – weshalb wohl auch die DGS (als verfasste Vertretung der deutschen Soziologen und Soziologinnen) keine Verantwortung für die Inhalte des jeweiligen Blogs übernimmt. Der Blog ist also ein Pull-Medium: er drängt sich dem Leser nicht von selbst auf (Push-Medium), sondern er muss aktiv vom jeweiligen Nutzer aufgesucht (‚gezogen’) und gelesen werden.

Insofern erreicht der Blog nur aktive Nutzer und Nutzerinnen. Aber er öffnet damit vielleicht auch die Möglichkeit, diese Nutzer unter Umständen auch für Weiteres (nämlich Antworten und Diskussionen) zu aktivieren. Soweit meine Vorstellungen, hier meine Vorbehalte:

Der Blog ist die Textsorte für das Kurze und das schnell Geschriebene – was nicht grundsätzlich und nicht immer schlecht sein muss, aber der wissenschaftlichen schriftlichen Debatte eher fremd ist. Für den Blog muss kein Gedanke lang bedacht werden, hier ist der Platz für das Unfertige, das Vorläufige und das Noch-weiter-zu-durchdenkende. Hier ist der Platz für Werkstattberichte und für neue Ideen, die aber der Klärung noch bedürfen. Deshalb „lebt“ ein Blog nicht allein dann, wenn er (nur) gelesen wird, sondern nur dann, wenn er in der Lage ist, Reaktionen hervorzurufen, Antworten hervor zu locken und Diskussionen anzustoßen. Insofern ist jeder Block nur ein Beginn – und wenn er zu nichts führt, dann ist er überflüssig.

Ein Blog lebt von der Reputation des Bloggers und die baut sich über die Zeit hinweg auf und ist nicht an Amt oder Statuts gebunden, sondern an die Person. Zugeschrieben wird der Person die Reputation von denen, die den Blog nutzen und die den Blog an andere innerhalb der Gemeinschaft der Blogger weiter empfehlen. Der Blogger muss sich also erst in der Gemeinschaft einen Ruf erwerben, bevor er von vielen gelesen wird. Insofern muss sich jeder Blogger immer wieder aufs Neue bewähren – weshalb der Blog ein gutes Medium für Klein- und Großcharismatiker ist. Weil nur Charismatiker sich mit diesem Medium wohl fühlen und weil nur wenige Charismatiker sind, ist das Bloggen in der Mehrzahl ein einsames Geschäft. Denn die meisten Blogs werden nicht im nennenswerten Umfang aufgesucht, was dazu führt, dass sie auch bald wieder eingestellt werden.

Ein weiterer Vorbehalt: Im Blog geht es in der Regel um Wert- und Geschmacksurteile des Bloggers, nicht um das systematische Abwägen von Argumenten und Ansichten – deshalb fragt sich, ob der Blog (im Gegensatz zu der Diskussion in einer Zeitschrift – beispielhaft hierfür: http://www.unidue.de/imperia/md/content/kowi/replik_quali.forschung_lucius.pdf) für eine wissenschaftliche Debatte geeignet ist. Gegenstand der Wert- und Geschmacksurteile kann fast alles werden, was von öffentlichem Interesse ist – von Bekleidungsartikeln über tagespolitische Ereignisse bis hin zu dem Leben von Menschen, die sich zu Recht oder zu Unrecht für bedeutsam halten. Deshalb ist dem Blog auch die Subjektivität von Beginn an eingeschrieben. Meist bewegt der Blogger sich dabei (will er ‚anziehend’ sein) nicht auf gesellschaftlich ausgetretenen Pfaden, sondern er sucht die eigene Profilierung in der Abweichung bzw. der Besonderheit (des Urteils oder des Themas). Deshalb kann dem Blog manchmal auch etwas Subversives zukommen.

Aber da der Blog offen für Besucher aller Art ist, bietet er sich (auch wegen der verkürzten und zugespitzten Argumentation) geradezu an für subversive (Fehl-)Deutungen durch Nutzer jedweder Art. Deshalb ist das Bloggen nicht ungefährlich – vor allem für die, die noch auf eine Karriere in der Wissenschaft hoffen. Soweit die Vorbehalte.

Bloggen auf der DGS Homepage ist vor diesem Hintergrund eine besondere Form des Bloggens – nicht nur, weil das Bloggen zeitlich begrenzt ist und nicht auf den sukzessiven Aufbau von Reputation setzten kann, sondern weil hier im Auftrag einer Organisation für die Organisation und deren Mitglieder und möglicherweise noch für interessierte Zaungäste aus dem soziologieaffinen Bürgertum und für die Medien über einen begrenzten Zeitraum hinweg gebloggt werden soll. Der Blog richtet sich also vor allem an die Mitglieder der Organisation und es fragt sich, was ein solcher Blog, bei dem wir im Wesentlichen ‚unter uns’ sind,  zur Entwicklung der Soziologie beitragen kann und soll. Auf jeden Fall sollte der Blog deshalb ein Thema behandeln, das ‚für uns’ (aus meiner Sicht) von Bedeutung ist.

Der im Jahr 2012 neu eingerichtete SozBlog auf der DGS-Homepage ist ohne Zweifel ein (wenn auch kleiner) Teil eines bewussten Umgestaltungsprozesses der verfassten deutschen Soziologie. Diese Umgestaltung beinhaltet zum einen die Wandlung der DGS von einem Verein zu einem Interessenverband, zum anderen aber auch eine gezielte Öffnung hin zu einer Öffentlichkeit, um von dieser wieder mehr wahrgenommen und wieder mehr geschätzt und nachgefragt zu werden. Diese Öffnung beinhaltet aber auch einen neuen Umgang mit den Medien und deren Vertreter – zudem einen neuen Umgang mit den internet-gestützten Medien der Kommunikation, also auch den Blogs. Gerade Letzteres soll wohl auch zu neuen Erfahrungen miteinander führen, nicht nur zu Debatten. Mein Bloggen greift vor allem diese Absicht auf.

Für mich ist die Mitgestaltung des SozBlog in den nächsten Wochen Teil eines dreifachen Lernprozesses: Zum Ersten will ich meine bisherigen Schreib- und Lesegewohnheiten aussetzen und so etwas über die Eigenschaften und Möglichkeiten dieses Mediums am eigenen Leib erfahren. Zum Zweiten möchte ich erleben, ob und wie man sich mit Kollegen und Kolleginnen mittels dieses Mediums austauschen kann und zum Dritten möchte ich Unterstützung bei der Klärung von Fragen erhalten, die mich seit einiger Zeit umtreiben und die vielleicht auch andere interessieren.

Aus meiner Sicht ist die Diskussion dieser Fragen aber auch für die Soziologie von Bedeutung, da es im Kern darum geht zu erörtern, ob soziologische Forschung heute noch fruchtbar mit den bewährten Methoden (Interviews, Beobachtung, Artefaktanalyse) betrieben werden kann. Und damit geht es um die Frage der Angemessenheit der aktuellen Arbeitsweise von Soziologen und Soziologinnen und damit auch um die Glaubwürdigkeit und gesellschaftliche Relevanz soziologischer Forschung.

Meine (zugegebenermaßen etwas großflächigen) Fragen lauten: Ist die soziologische, empirisch orientierte Sozialforschung (noch) in der Lage, aktuelle gesellschaftliche Prozesse (z.B. Finanzkrise, Entwicklung Europas, Alltag von Interkultur, Mediatisierung der Gesellschaft oder die Faszinationskraft des Islam u.v.a.) zu verstehen und zu erklären? Hat die aktuelle soziologische Sozialforschung (noch) den Zugang zu Daten, mit denen solche Fragen zu beantworten sind, und hat sie die Analysemethoden, dies zu leisten?

Mit diesen Fragen ist einerseits das Großproblem adressiert, dass fast alle gesellschaftlichen Akteure (Subjekte, Institutionen und Organisationen) sich darauf eingestellt haben, Objekt soziologischer Forschung zu sein, und Gegenstrategien entwickelt haben (z.B. Pressestellen und Kommunikationsstrategien), wie sie diese Forschung für sich und ihre Zwecke instrumentalisieren können. Damit ist andererseits das Großproblem adressiert, dass Handeln von Subjekten, Institutionen und Organisationen mittels Medien immer mehr und immer stärker auch international und interkulturell verflochten ist, sodass sich die Frage stellt, mit welchen Daten die Komplexität vieler Handlungsbereiche zum einen erfasst, zum anderen aber deren Interkulturalität angemessen (in interkulturell zusammen gesetzten Interpretationsgruppen) analysiert werden kann.

In den nächsten Wochen werde ich versuchen, einige dieser Fragen deutlicher herauszuarbeiten und vorzustellen, in der Hoffnung, zusammen mit den Lesern und Leserinnen die Fragen weiter zuspitzen zu können und Möglichkeiten zu deren Klärung (und Lösung) zu finden.

18 Gedanken zu „Der SozBlog als Zeitvergeudung für Schreiber und Leser/innen?“

  1. Schöne Reflexion zum Einstieg! Ich möchte nur kurz die Perspektive des Abonnenten (des RSS-Feeds des Blogs)ergänzen: Ursprünglich zufällig auf das Blog gestoßen („marodiert“), erscheint nun jeder neue Beitrag im Feedreader und wird je nach Interesse sofort, später oder vielleicht auch gar nicht gelesen. Vom Prinzip her einer klassischen Zeitschrift gar nicht so unähnlich.

    An dieser Stelle vielen Dank an die Autoren (-innen?) für die Zeit und Mühe, denn aus meiner Sicht sind die hier gewährten Einblicke in verschiedene soziologische Debatten interessant zu lesen – vielleicht gerade aufgrund des turnusmäßigen Autorenwechsels und des eher „unwissenschaftlichen“ Formates.

  2. Vielen Dank!

    Mir (, ja meiner privaten Meinung nach,) erscheint der Blog als die moderne Variante, seine Sicht der Dinge auf die Welt kundzutun und für Jedermann zugänglich zu machen – sei es, indem man sich als Fußballfachmann, als (Mode- oder Lifestyle-)Ästhet, als (politischer) Stimmungsmacher oder wissenschaftlicher Kenner (sei dies aus der PR-Branche oder dem Umfeld der wissenschaftlichen Forschung) darstellt.

    Diese virtuelle Speaker’s Corner ‚qualifiziert‘ jeden, der sich ein spezifisches Thema interessiert, als Fachmann oder Journalist aufzutreten. Das Internet wird hier in vollen Zügen zum kollaborativen und subversiven Medium, durch das jeder die Chance erhält, seine 5 Minuten Ruhm einzustreichen. Dies hängt nun davon ab, wie viele Leser man durch geschickte Selbstvermarktung via facebook oder twitter dazu bewegt, seine Gedanken zu verfolgen und durch den Schneeballeffekt zu verbreiten.

    Für die Wissenschaft stellt sich nun die Frage, ob es die scinetific community versteht, die Inhalte des Blogs als das aufzufassen, als was Sie diese wohl treffen bezeichent haben: Ideen, Skizzen, Gedankenanstöße.

    Denn klar ist: nirgends können neue und kreative (was imer diese beiden Begriffe auch immer bedeuten mögen) schneller verbreitet werden und zirkulieren als im Netz. Dann gilt es jeodch, diese zurück in den wissenschaftlichen Diskurs zu führen und das Argument zu prüfen.

    Darüber hinaus sind Blogs eine Fundgrube für den Soziologen: es sind Daten, die aus jeder Gesellschaftsschicht, aus jeder Ecke der Welt stammen. Zugleich, und hier tritt meine Sorge auf, ist nicht ersichtlich, ob diese Daten natürlich sind oder das Ergebnis der PR-Maschinerie.

    Was bleibt also nach diesen Ausführungen? Nun, nehme ich meine eigenen Ausführungen ernst, dann sind es ein paar Ideen und ein wenig Ruhm für den Autor…

    Viel Spaß beim Bloggen weiterhin und ich freue mich auf die weitere Diskussion über den Zugang und die Beschaffung von Daten!

  3. Es ist sehr reizvoll zu sehen, wie sich in diesem Blog alle zwei Monate Autoren mit unterschiedlichen Theoriehintergründen der Disziplin & dem Medium widmen.

    Ihr ‚Bekenntnis‘ zur Skepsis gegenüber dem Bloggen/den Blogs und das Schreiben von einem Lernprozess empfinde ich als treffenden Aufhänger. Denn der von Ihnen beschriebene Prozess der skeptischen Annäherung ist meines Erachtens symptomatisch für die deutsche Soziologie im Netz.

    Die von Ihnen aufgezählten Merkmale eines Blogs sind richtig, aber unvollständig. Ein Blog zeichnet sich nicht nur durch eine bestimmte Textform aus, sondern auch durch eine Form von Aktivität, die das SozBlog leider vermissen lässt.

    Ein Blogtext liegt mitnichten als Angebot herum und wartet. In der Regel bezieht der Text sich aktiv auf andere Knotenpunkte, Aktuelles und Weiterführendes auf. Das geschieht i.d.R. durch Hyperlinks, interaktive Fußnoten, die einen anderen Text nicht nur anführen, sondern direkt hinführen. Das Setzen von Links zu anderen Blogtexten (ob eigene oder fremde) als Herstellen von Asnchlüssen ist zentral für das Bloggen. Denn nur wenn ein Text online auf andere Knotenpunkte verweist, kann er selbst einer werden.
    [Ein weiteres blogspezifisches Darstellungsmerkmal ist Kanalvielfalt, das lasse ich aus Zeitgründen mal beiseite.]

    Blogs werden, wie schon der Kommentar von Jakob zeigt, nicht ausschließlich „per Hand“ aufgesucht. Sie werden in verschiedenen Techniken wie RSS-Feeds aggregiert. Und sie werden permanent von Suchmaschinen-Crawlern indiziert. Crawler sind Algorithmen, die Webinhalten eine Relevanz zuordnen und diese in Suchmaschinen darstellen. Die Zuordnung dieser Relevanz geschieht u.a. durch die Analyse der im Text verarbeiteten Hyperlinks. Dabei wird nicht nur gemessen, wer auf wen verweist (Google ist ja nicht Facebook), sondern auch, wer überhaupt verweist und damit lebendig ist.

    Zwar muss das SozBlog nicht aus Um-Zu-Motiven verlinken (man findet es sehr schnell in Suchmaschinen), aber dass es das nicht aus Weil-Motiven tut, ist bezeichnend. Ihre zentrale Frage im Text ist die nach der Angemessenheit der aktuellen Arbeitsweise von Soziologen und Soziologinnen, der Glaubwürdigkeit und gesellschaftlichen Relevanz soziologischer Forschung. Mein Eindruck ist, dass das Herstellen von Relevanz über webspezifische Kommunikationsformen eine deutliche Schwäche der deutschen Soziologie ist. Ein anderes Beispiel: Vom DGS-Kongress, der an dem wohl 2.000 Menschen teilgenommen haben, haben vier bis fünf Teilnehmerinnen getwittert.

    Man kann über die Reliabilität dieser Kommunikationsarten durchaus unterschiedlicher Meinung sein – Nicht jeder Kanal muss bedient werden. Dass der deutschsprachigen Soziologie nicht nur die technischen Spezifika des Bloggens, sondern auch die Kultur, sich und seine Ideen in einer ‚webgerechten‘ Form zu äußern, bislang abgehen, ist für deren gesellschaftliche Relevanz durchaus eine Bedrohung.

    Ihre Gedanken in diesem Text, das SozBlog an sich und die Reaktionen auf die geringe Presseresonanz des DGS-Kongress‘ deute ich so, dass die Disziplin dieses Problem wahrnimmt und beginnt zu bearbeiten. Der Status Quo ist aber wohl am besten im Tippfehler in der Mitte des Textes (SozBlock statt SozBlog) symbolisiert: Das Netz und dessen Kommunikationsformen stehen der Soziologie im Moment offenbar als monolitischer, renitenter Block gegenüber. Unverständlich und unverstanden.

    1. Ich möchte dem noch hinzufügen, dass bloggen auch bedeutet, bei anderen Blogs zu kommentieren.

      Diese Kommentare beziehen sich auf den Artikel und hinterlassen (wie dieser Kommentar auch) über einen Link eine Fährte zum Blog des Kommentierers.

      In diesem Sinn „sucht“ der Blog tatsächlich nach Lesern, indem der Blogger sich als Leser und Kommentierer outet.

    2. @Andreas Bischof:Der Kommentar gibt Probleme der Berücksichtigung einer Disziplin wieder,die es nicht versteht,sich populär und werbewirksam darzustellen,was aber für die Kommunikation im Netz außerordentlich wichtig ist.Viele Professoren haben Schwierigkeiten,kurz und mediengerecht das Anliegen der Disziplin zu erklären.Deshalb wird sie in der Öffentlichkeit meist als so genannte Taxifahrerdisziplin oder brotlose Kunst im Elfenbeinturm wahrgenommen.In Beschreibungen auf TV-Spots und dem Start des SozBlog der DGS wird die Exklusivität von Soziologen deutlich.Sie stehen meist über und nicht in den Dingen,der gesellschaftlichen Realität,obwohl sie diese gut analysieren und beschreiben können.Sie verbleiben meist in der eigenen Community mit den eigenen spezifischen Werten und Codes,die für die Mehrheitgesellschaft und Nicht-Soziologen schwer zu verstehen sind.Wer kennt den DGS,macht das Spaß?Sind sie Sozio,…Sinologe?Es sind wohl Experten auf ihrem Gebiet.So verfahren viele Berufsgruppen.Deshalb gibt es auch das vielzitierte Unbehagen der Soziologen im Umgang mit den Neuen Medien und dem gesellschaftlichen Wandel hin zu einer „Mediengesellschaft“.Siehe beipielhaft folgendes Video und andere Statements,die das das Dilemma verdeutlichen:

      http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=2fozeqYTdgY#t=6s

  4. Erfrischend, mutig, durchaus riskant, – dadurch (?) interessant und in der Tat höchst attraktiv :-) empfinde ich diesen Beitrag, der nicht bloß selbstreflektierend, sondern handelnd – sozusagen mit dem eigenen Leib – bloggend hineinspringt in die Thematik, die in meiner Wahrnehmung längst so fällig ist, dass sie geradezu unter der (wissenschaftlichen) Haut brennt!

    Der Blog ist eine belanglose, von nichtssagenden und unwissenschaftlichen Beiträgen strotzende Textsorte, die überwiegend von Menschen mit niedrigem Bildungsstatus genutzt wird – dafür spricht bereits die eklatante Tippfehlerhäufung in den Blogs! – so in etwa lautet meine Ausdeutung der Blicke von WissenschaftlerInnen mit denen ich zu tun habe, wenn ich mit ihnen über das Bloggen spreche. Denn, so weiter die Deutung, jede Person könne unabhängig von sozialer Kontrolle und Bewährtheit bloggen, um eine Anerkennung, welche vermutlich an anderen Orten nicht erzielt wurde, zu erhalten. In der wirklichen Welt Unqualifizierte, Namenlose, Emotionale, Unterdrückte erhalten auf diese Weise in der unwirklichen Welt die Möglichkeit und auch das Recht, sich der ganzen Welt mitzuteilen. Sie nutzen diese Möglichkeit zuhauf – und so tun sie sich zusammen im Netz, die Namenlosen, und sie bilden einen Schwarm aus clicks, links, buttons und vor allem aus emoticons.

    Der Schwarm hat Macht. Welche gesellschaftsverändernde Macht er haben kann, zeigen nicht nur jüngste politische Entwicklungen, etwa des arabischen Frühlings oder der jüngsten die Politik zunehmend tangierenden Gangnam-Welle in Südkorea. Hat er denn Machtpotential auch in der Wissenschaft? Es ist wohl die Soziologie, die die Aufgabe hat, dieses Machtpotential innerhalb der Gesellschaft (auch der Wissenschaft) zu erkennen, zu reflektieren, grundlegend zu erforschen – und, das steht nun zur Disposition: auch zu nutzen???

    Ich möchte ein paar Fragen stellen:

    – Liegt darin ein Machtpotential, wenn die wissenschaftliche Community beginnt, sich des Bloggens zu bedienen?

    – Bleiben wir denn „unter uns“ – wie es Jo Reichertz schrieb, oder legen wir sensible, kritische und/oder schützenswerte Inhalte auch für Außenstehende offen, die uns nicht verstehen (können)? Machen wir durch Bloggen unsere wissenschaftliche Arbeit und unsere Methoden angreifbar und dadurch vielleicht zunichte?

    – Wie riskant ist es – vor allem für ganz junge WissenschaftlerInnen und für die in der mittleren Qualifikationsphase – im öffentlichen Feld in eigenständiger Weise Inhalte zu posten, ohne a) die Berechtigung durch eine institutionalisierte Community zu besitzen, b) die Erlaubnis der/des eigenen Gutachters/in zu haben, und c) die möglichen Konsequenzen eines Blogs für die eigenen Karriere kontrollieren zu können?

    Ich bin sehr gespannt auf die weitere Debatte!

  5. „- Wie riskant ist es – vor allem für ganz junge WissenschaftlerInnen und für die in der mittleren Qualifikationsphase – im öffentlichen Feld in eigenständiger Weise Inhalte zu posten, ohne a) die Berechtigung durch eine institutionalisierte Community zu besitzen, b) die Erlaubnis der/des eigenen Gutachters/in zu haben, und c) die möglichen Konsequenzen eines Blogs für die eigenen Karriere kontrollieren zu können?“

    Auf diese Frage kennt die Wissenschaft schon eine Antwort:

    „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“

    Immanuel Kant: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? Berlinische Monatsschrift. Dezember-Heft 1784. S. 481-494.

    Diese Antwort ist, weil es eine wissenschaftliche Antwort ist, als solche in der Wissenschaft in Vergessenheit geraten und zwar deshalb, weil diese Antwort auf eine Paradoxie aufmerksam macht, welche von der Wissenschaft umgangen wurde: Woher weiß ich von einem anderen, der mir dies empfiehlt? Wohl nur durch öffentlich verbreitete Texte einer Wissenschaft, die so etwas durch Lehre zur Lektüre anbietet und die Paradoxie dadurch vermeidet, dass dieses Angebot unter den Vorbehalt gestellt wird, dass alle Wissenschaft immer schon davon ausgeht, dass man selber denken solle. Das „Selbstdenken“ wäre das Kennzeichen der Wissenschaftlichkeit. Und die Kenntlichmachung geschieht durch Scheine, Zeugnisse, Diplome, Publikationen, Erlaubnisse und Verbote, die durch die Wissenschaft selbst hergestellt werden. Was wäre nun, dass ein Verhalten auffällig wird, das dadurch gekennzeichnet ist, dass ein Selbstdenken ohne wissenschaftliche Erlaubnis betrieben wird? Jetzt bemerkt man die Paradoxie. Die Empfehlung von I. Kant taugt nicht als Anleitung, weil sie jede Anleitung ablehnt, konsequenterweise auch die Empfehlung, auf eben diese Anleitung zu verzichten. (Beratungsparadoxie: folge keinem Ratschlag, auch nicht diesem.)

    Das Internet erfüllt ein großes Versprechen aus dem 18. Jahrundert: Jeder hat das Recht, sich in Wort und Bild ungehindert zu äußern. Jetzt, wo dieses Versprechen eingelöst wird, gibt es kaum jemanden, der sich freut. Alle suchen nach dem Problem, statt die Lösung zu nutzen. Und diejenigen, die es tun, werden zuerst mit Geringschätzung, mit Ablehnung, mit Vorbehalten bedacht.
    Dass nunmehr aber ein neuer sozialer Lernprozess angestoßen wird, kann nirgendwo so einfach erklären, auch nicht in der Wissenschaft.

  6. Was zur Maxime sapere aude zu sagen ist, hat @Kusanowsky hier bereits ausgeführt. Dem ist also kaum etwas hinzuzufügen. Durch Twitter, also als @rudolfanders , bin ich auf dieses BLOG gestoßen, also nicht so, dass ich dies als „marodierend“ empfinde, sondern ich habe dieses BLOG somit auf dem zur Zeit hauptsächlich für das Zustandekommen einer nicht zu übersehenden öffentlichen Meinung wesentlichen Kommunikationsfeld gefunden.

    Was mich empört, ist die ziemlich flache – wenn nicht gar freche bis unverschämte – Behauptung (oder vollkommen ungeprüfte Annahme, für Soziologen also beschämend), Blogger seien geistig unterbelichtete Zeitgenossen, die ausser überflüssigen Blödsinn zu schreiben und ihre und anderer Leute kostbare Zeit zu verschwenden, offensichtlich nichts anderes oder gar besseres zu tun hätten.

    Und was mich verwundert, ja geradezu erschreckt, ist die als selbstverständlich anerkennenswert hingestellte Auffassung, man dürfe sich als junger Wissenschaftler nur äussern, wenn es die Vorgesetzten, die Mentoren, die Peers gesehen, gebilligt und als gnädige Gestattung auch gut geheissen haben. Selbstverständlich gibt es auch für die Gesellschaft und in der Gesellschaft heikle und sozusagen heisse Themen, die zumindest in der Entstehungsphase ihres nach Konsistenz strebenden Gedankeninhalts nicht allzu lamentierend in der Öffentlichkeit ausgebreitet gehören. Das darf aber niemals soweit gehen, dass man partout „unter sich“ bleiben will. Allein die so oft (nicht unbedingt unzutreffend) gerügte wissenschaftliche (Fach)Sprache und Spezialterminologie sorgen ja schon ganz von selber dafür, dass sich Hinz und Kunz gar nicht an einer solchen Diskussion oder Thread zu beteiligen wagen.

    IIch meine und bin der festen Überzeugung, (und ich bin auch sicher, dass sich dafür genügend handfeste und wissenschaftlich und damit auch methodisch evaluierbare Gründe finden lassen, wozu hier aber wohl nicht der Ort ist), dass es der Wissenschaft und jeder Disziplin, vor allem aber der Soziologie, nur gut tun kann (und würde), wenn sie jeweils das ihr eigentümliche Denken und argumentieren immer früh und damit also auch gesellschaftlich rechtzeitig öffentlich und allen Denkfähigen und Denkwilligen zugänglich ausbreiten würde.

    Also, Wissenschaftler, angehende und mit Reputation überladene bewährte und gestandene Experten: keine falsche Scham und keine unnötige Zurückhaltung, immer rauf auf diese Bühne und lassen Sie uns alle wissen, was Sie neues zu denken vermögen und klagen Sie ruhig auch einmal darüber, was wir Aussenstehenden nämlich schon längst wissen und mit Schrecken und Verwunderung beobachten: dass Sie selber ofr nichts weiter sind als die von der Verwertungsindustrie gehetzten und zum Erfolg verdammten Forschungs- und Erkenntnis-Schauspieler, die im Verborgenen am Drittmittelreck turnen und keineswegs allgemein eine anerkannte und gute Figur abgeben.

    1. [Die Aussagen in einem Kommentar zum Bildungsstand sind vermutlich nicht ganz richtig und auch die Aussage „nichtsaussagend“ ja wohl eher normativ denn wissenschaftlich reflekiert.]

      Ich möchte einem Vorkommentator beipflichten, dass beim Blog – auch das log im Vordergrund steht: das mitloggen des erlebten, das verweisen auf gefundendes, das dokumentieren des interessanten. Wie einer der Vorredner schrieb geht es also darum, dass sich jemand eine Reputation aufbaut, dadurch dass er immer wieder interessante Dinge im Netz und im Alltag findet, auf diese verweist, diese Bewertet kommentiert und auf Kommentare von Lesern hofft. Das Blog ist nicht nur eine Publikation von Äußerungen, sondern auch eine Möglichkeit interessante Dinge und Gedanken zu sammeln.

      Häufig bilden sich über solche Blogs kleine Interessengruppen (seien es Organisationssoziologie interessierte auf orgtheory.net; Netzpolitikaffine auf Netzpolitik.org oder Musikliebhaber und Popkulturell interessierte auf entsprechenden Seiten um nur ein paar ganz verschiedene Beispiele zu nennen.)

      Das interessante ist das das Blog nicht über den einzelnen Beitrag funktioniert- sondern über eine konsistente „Beitrags-Geschichte“ und das Gelingen einen Leserkreis aufzubauen. Das gelingt häufig auch über die Präsentation von Sonderwissen, bis hin zur Erlangung der Zuschreibung eines Expertenstatus (in Bereichen in denen es keine formellen Qualifikationen gibt, oder sogar spezifisch über diese hinausgehend und einen Teilbereich abbildet: Etwa Soziologin mit umfassender Kenntnis von Feld XY).

      p.s. Rechtschreibfehler sind in Kommentaren und einigen Blogbeiträgen üblicherweise durchaus akzeptiert, denn es handelt sich hierbei um Äußerungne die aufeinander aufbauen und nicht um geprüfte Publikationen mit Anspruch auf Dauerhaftigkeit

  7. „Was mich empört, ist die …Behauptung .., Blogger seien geistig unterbelichtete Zeitgenossen, die ausser überflüssigen Blödsinn zu schreiben und ihre und anderer Leute kostbare Zeit zu verschwenden, offensichtlich nichts anderes oder gar besseres zu tun hätten.“

    Es handelt sich beim Bloggen wie bei dem Internet allgemein um einen Normalfall aller Innovation, dass Neuerungen dadurch auffallen, dass sie irreversible Tatsachen schaffen. Erkennen kann man das daran, dass Neuerungen auf ein Nichtwissen oder Unwissen aufmerksam machen; Neuerungen haben gleichsam einen „Offenbarungscharakter“, andernfalls hätte man es mit etwas Bekanntem und Vertrautem zu tun und ensprechend mit einem Wissen darüber, wie man darauf souverän reagieren kann. Die Neuerung zeigt aber Unbekanntes, Unvertrautes, Seltsames, das auf einen prinzipiell offenen Prozess verweist, der viele Unklarheiten eröffnet, Ungereimtheiten, Ungewohntes und dergleichen. Im Normalfall reagieren soziale Systeme darauf mit Ablehnung, Geringschätzung, Vermeidungsverhalten. Damit nicht genug. Es dauert nicht lange, und die Geringschätzungsversuche organisieren sich autoparasitär, in dem Geringschätzung mit weiterer Geringschätzung bedacht wird. Auf diese Weise blockieren die Operationen gegenseitig die Beobachtung der positiven Seite des Geschenens, ohne gleichwohl den kommunikativen Prozess zu blockieren.

    Aber was ist gleichsam der Sinn eines solchen Geschehens? Die Antwort könnte lauten, dass über den Umweg der Geringschätzung, der Ablehnung dasjenige mit Erlaubnis versehen wird, gegen das man ohnehin nichts machen kann. Man gibt über die Mitteilung der Geringschätzung die Information der Wertschätzung frei. Denn wenn man auch die eigene Sichtweise in die Anführungszeichen einer Ablehnung setzen möchte, so werden diese Anführungszeichen über genau denjenigen Weg verbreitet und kenntlich gemacht, der mit Ablehnung betrachtet wird, hier also: via Internet. Das gilt dann auch für die Geringschätzung der Geringschätzung.
    So organisiert sich folglich der Lernprozess: bevor man ein Wissen darüber schaffen kann, womit man es zu tun hat, zu tun bekommt und worauf das hinauslaufen könnte, werden zunächst einmal die Vorbehalte, die Einwände zum Zweck der Selbstgewisserung ausgehandelt. Der Sinn besteht darin, dass für den Fall des Scheiterns schon im Voraus eine Entschuldigung dafür gefunden werden kann. So, wie dies in dem Artikel von Jo Reichertz angedeutet wird: man erklärt das eigene Tun für unwissenschaftlich, um auf diese Weise den Lernprozess, der ja immer auch scheitern kann, im voraus zu rechtferigen. Es sei ja unwissenschaftlich gewesen.

    Interessant ist aber eigentlich etwas anderes, nämlich: dass hier eine Verwechselung von Unwissenschaftlichkeit und Unwissenheit vorgenommen wird. Hier wird Unwissenschaftlichkeit durch Selbstdisqualifizierung gerechtfertigt, was gar nicht nötig wäre. Es wäre völlig ausreichend von Unwissenheit zu sprechen. Und die ist nicht rechtfertigungsbedürftig, nicht einmal seltsam und schon gar nicht ehrenrühig. Vielmehr ist Unwissenheit etwas ganz Normales und für alle Wissenschaft der Anfangspunkt des Lernens und Forschens. Denn die Erforschung beginnt mit Auffälligkeiten, die unbekannt, seltsam, merkwürdig, unordentlich, unklar und unerklärlich sind. Das Gegenteil davon markiert das Ende eines Lern,- Forschungs- und Urteilsbildungsprozesses.

    So sind die gegenseitigen Geringschätzungsbekundungen nur der Punkt der Anfangsfindung, der gleichwohl schon für die Differenzierung wichtig ist.

  8. Wenn ich recht erinnere, ist eine der Spruchmaximen des von mir hochgeschätzten @Kusanowsky der Aphorismus des Karl Valentin, es sei zwar schon alles einmal gesagt, aber eben noch nicht von allen. Daran anknüpfend möchte ich dem sinnheroischen Bayerischen Meister des paradoxalen Argumentierens insoweit und insofern respektvoll ins Wort fallen mit der kleinen Ergänzung: Es darf als sicher und gewiss, zumindest aber als methodisch plausibel gelten, wenn man ganz allgemein davon ausgeht, es sei keineswegs schon alles Sagbare gesagt und alles Denkbare gedacht wie ja auch nicht als Mitteilbare bereits mit-geteilt.

    Es ist in Bezug auf die allgemeine Kontingenz und im Besonderen auf das vollkommen unbekannte Feld der Sprachmöglichkeiten im Hinblick auf das phänomenologisch Machbare wohl nicht viel anders als gegenwärtig bei der erkenntnistheoretischen Gesamtlage in der Physik: Die Physiker sind sich sicher darin, dass die Homöostase eines im stabilen Gleichgewicht sich befindenden Universums (damit die Bestandsformeln stimmen und konsistent bleiben) davon auszugehen, das zu den 5% der bekannten strahlenden Materie unabdingbar noch anzusetzen seien geschätzte 27% an Dunkler Materie, die so heissen soll, eben weil sie nicht strahlt, und darüber hinaus müsse man postulieren weitere 68% an systematisch dann sogenannter und bezeichneter Dunkler Energie.

    Ich erwähne dies hier aus zwei präferenzierten Gedankengründen: 1) weil ich mir gewiss bin, im Hinblick auf das immer noch Sagbare, wenn man nur den Mut hat, es auch zu sagen, also auszusprechen, verhalte es sich analog genauso wie in der Physik: das Wenigste in Bezug auf die mögliche Welt und auf weitere mögliche Welten ist bislang gesagt, weil nicht anders als bestätigtes Wissen verfügbar, und 2) über die Gegebenheiten des Nichtwissens ist uns weder sein Umfang noch seine – vielleicht überkontingente – Möglichkeiten irgend etwas bekannt, geschweige denn geläufig und terminologisch fixierbar.

    Und genau hieraus folgt nun etwas, was ich in Bezug auf die sich gerade herausbildende, von Dirk Baecker so genannte, „next society“ nennen möchte die glückliche Geburt des Internet und seiner intrinsichen Möglichkeiten, die sich zumindest schon in dem einen Punkt festlegen lassen: Die BLOGGEREI ist methodisch eine geradezu exzellente Möglichkeit, weil durch keinerlei organisatorische oder institutionelle Begrenzung eingeengte Chance, das noch zu Sagende als eine allezeit mutige Vermutung auch tatsächlich einmal probeweise zu sagen und – wie es doch immer so schön heisst – in den Raum (der Gedankenfülle) zu stellen. Gerade die Wissenschaft, als die Kunst, argumentativ begründete Entdeckungen zu machen, sollte sich also mit heissem Herzen einer so gearteten BLOGGEREI verschreiben. Wer immer nur – zitatgestützt und damit unangreifbar – auf den Schultern der anderen und auch der Grösseren stehen möchte, mit der methodischen Behauptung, nur so könne man weiter sehen als jemals zuvor, der steht schon mindestens mit einem Bein im engen und beengenden Raum eines von niemanden zu wünschenden Dogmatismus. Deshalb: frischauf gebloggt, und damit empirisch versuchend, was immer bei herauskommen mag, grandiose Irrtümer ganz cool eingeschlossen. Hauptsache es geschieht alles mit Fleiss und in der gewohnten wissenschaftlichen Ernsthaftigkeit und in dem Streben nach Konsistenz, Plausibilität mit der dabei immer sofort fälligen Überprüfung der möglichen Fallen verborgener Widersprüche, also dem Bemühen um konkludentes Argumentieren.

  9. also nun doch: jo bockt, aber er blogt! – aber eine gesunde skepsis hat noch keiner erkenntnis geschadet (außer sie geht von der hermeneutisch schwer haltbaren annahme aus, die in ihren handlungsresultaten zu interpretierenden akteure seien von grund auf blöd …).

    @jakob k. & jo r.: ist ein blog „dem wesen nach“ ein „‚unwissenschaftliches‘ format“? ich denke dagegen, er die nutzungs- und rezeptionsweise, die deutung und kommunizierung mache ein ding zu „etwas“. warum sollte also sich wissenschaftlichkeit im dgs-blog nicht dadurch einstellen, dass jo r. ein autoethnografisches rahmenprogramm für seine bloggerei ankündigt, in worten, die nicht-soziologen/-wissenschaftler nicht wählen würden? – wichig der hinweis auf die newsletter-/zeitungs-/postcast-via-rss-feed-artige rezeptionsweise!

    @michael r.: ein internet-speakers corner für web-passanten ist das schon, doch mehr: die speakers corner kann man nicht abonnieren, wird nicht organisiert/moderiert, sie ist sehr spontan, der regelmäßig publizierte blog einer organisation wie der dgs aber ein routinemedium wie die erwähnte regelmäßig erscheinende tageszeitung als web- oder epaper-ausgabe.

    @kusanowski & Christine Moritz: auch wenn es eine normative antwort war von kusanowski, so teile ich die meinung, denn man auch sie auch wissenschaftssoziologisch wenden: warum sollen sich angesichts einer offenen (nicht durch vorgängiges peer-review eingehegten) publikationsform nicht dennoch aus der scientific community stichhaltige, konstruktive und autoritative nachträgliche peer reviews einer soziologischen blog-äußerung im offenen kommentarverfahren zustande kommen? der publikations- und peer-review-prozess würde damit an die öffentlichkeit geraten, den novizen damit mehr (weil nicht nur für den autoren selbst lesbar) zur lehrwerkstatt und würde zugleich nachvollziehbarer und das review wiederum parallel selbst zum reviewgegenstand (denn nicht jede peer review ist wissenschaftlich-sachlich das gelbe vom ei). wenn das nicht wissenschaftlich ist … wer das werden nicht lesen will, sondern nur das raffinierte endprodukt wird auch dazu medien und gelegenheiten finden.

    @kusanowksi & @rudi k. sander: „Verwechselung von Unwissenschaftlichkeit und Unwissenheit“, that’s the problem! – „frischauf gebloggt“, freudig entdeckt (und seien es die eigenen gedanklichen scnellsch(l)üsse steht einer selbstreflexiven wissenschaft auch gut an.

    und sonst noch: warum soll ein soziologie-blog oder der einer soziologie-organisation nicht mitglieder als leser binden, wenn sich herumspricht, dass hier spannendes verhandelt wird, das professionsrelevant oder sogar soziologisch gehaltvoll ist? warum soll darüber hinaus nicht eine mitleserschaft entstehen, die soziologisch auf diese weise auf der höhe bleiben oder zumindest angeregt werden will (seien es interessierte individuen oder wissenschaftsjournalisten)? und welchen hype könnte der blog erst erfahren, wenn talentierte autoren populär werden; wenn die druckzeittschrift der dgs erst einmal in den blog umgebettet worden sein wird und nachgerade jedes mitglied, das über die dgs auf der höhe bleiben will, den blog als mitgliederorgan lesen wird? welchen hype, wenn hier wissenschaftspolitisch brisante äußerungen publiziert werden?

  10. Das könnte und sollte die Initialzündung hier sein: „… wenn hier wissenschaftspolitisch brisante Äusserungen publiziert werden“: JA, meine klugen und fleissigen und gewiss durch Ausbildung und Stellung so einwandfrei überlegenen Damen und Herren der akademischen und universitären Gedankenwelt:

    Blättern Sie doch, bitte, einfach eimal vorurteilsfrei (nicht kaufen: ausleihen) in dem Band (350 Seiten, Großformat, ein Kilo) mit dem bescheidenen Titel „Alpha“, directions, von Jens Harder, erschienen bei Carlsen Verlag, Hamburg (2010): Es ist eine hochintelligente und künstlerisch intellektuelle, gezeichnete Geschichte der evolutionären Entwicklung des Universums vom Urknall über die Entstehung des Lebens mit all seiner schönen und oft auch so verwirrenden Vielfalt und Entfaltung der Formen alles Lebendigen bis hin zu dem Zeitpunkt, wo der Mensch erscheint. Die Fortsetzung „Beta“ soll in Arbeit sein.

    Dieses künstlerisch schöne, wissenschaftlich einwandfreie, dennoch künstlerisch mit sehr viel Phantasie und zeichnerischer Ausdruckskraft gestaltete Werk wird niemanden, der es ruhig und gedankenvoll durchblättert (sehr wenig Text, das Auge und die Phänomenologie als Leitmedium haben den Vorrang) unbeeindruckt lassen. Warum nicht? Weil man spielend erkennt: Es ist zwar letztlich die blanke Effektivität und damit die Überlegenheit der Überlegenen, die sich im Evolutionsspiel zwischen Variation, Selektion und Stabilisation, überall durchsetzt, aber es ist niemals der (dogmatische, der zur Versteinerung neigende) Mainstream, der sich durchsetzt, sondern es ist das grosse Spiel des Spielerischen, es sind am Ende oft (nicht immer), die vielfältigen Nebengedanken, so unscheinbar sie zunächst auf der Bildfläche sichtbar werden, die dann doch das Neue nicht nur ankündigen, nein, die es am guten Ende dann auch wirklich hervorbringen mit einem beeindruckenden Sich-Durchsetzen.

    Und genauso sollte es auch sein in dem großen und allemal beeindruckenden Gedankenspiel der Ausbildung und Entfaltung einer Beschreibung und Theorie der Gesellschaft und des strukturell gekoppelten Wechselspiels zwischen den psychischen Systemen und der Gesellschaft als des alles umfassenden Systems der gesamtgesellschaftlichen Kommunikation. JEDER kann hierzu etwas beitragen, und sogar jeder Unsinn kann Wert haben, als unnütz Beigetragenes, wenn es sich nicht bewährt, dann stirbt es ganz still und sehr schnell von selber aus. Deshalb ist bei einer jeden Arten des Mit-Denkens nichts so unangebracht wie Zögerlichkeit und Vorsicht: So wie sich trotz aller Katastrophen im Kosmos das Leben auf dem Planeten Erde dennoch siegreich und strahlend (nicht immer anständig) durchgesetzt hat, so wird und kann sich nur die Wahrheit durchsetzen im Wechselspiel kognitiver und normativer Beiträge als haltbare FORMEN im MEDIUM des Ausprobierens und des momentanen (und sei es nur probeweise) Geltenlassens.

    Deshalb noch einmal die Bitte und der Aufruf an alle, die glauben, hier etwas zu bieten zu haben: Auf, auf und fröhlich, heiter, gedankenreich, phantasievoll und damit am guten Ende immer auch erfolgreich GEBLOGGT und MITGEBLOGGT: Genau dies wird uns und der freien und verantwortungsbewussten demokratischen und liberalen und solidarischen Gesellschaft am meisten Nutzen und Erkenntnis bringen.

  11. @ps

    Guter Punkt, da habe ich nicht präzise formuliert. Ob ein Text wissenschaftlichen Kriterien genügt, hängt ja nicht von der Art der Veröffentlichung ab. Das ginge theoretisch auch in einem Youtube-Kommentar.

    Eigentlich meinte ich, dass – nach meinem Verständnis des Konzeptes – die Texte beim SozBlog nicht notwendigerweise ganz so strengen Kriterien unterliegen müssen wie sonstige wissenschaftliche Publikationen. Dass also unfertig, vorläufig und „drauflos“ geschrieben werden kann (Womit ich nicht meine, dass dies auf die bisherigen Artikel unbedingt zutrifft.)

    Klarer Fall von zu schnellem Schreiben meinerseits bevor der Denkprozess beendet war :-)

  12. Danke für den interessanten Beitrag…

    …der außerdem ein gute Beispiel für ein weit verbreitetes Problem beim bloggen darstellt.

    Bloggs leben unter anderem von ihrer Fähigkeit Menschen zu beteiligen – was z.B. durch Kommentare passiert. Umso stärker ein Beitrag die Leser involviert, umso höher ist auch die Chance, dass der Beitrag mit anderen geteilt wird.

    Problematisch ist dabei die „Wall Of Text“, die beim Kommentieren entsteht und die bei diesem Blogbeitrag bereits nach 13 Kommentaren so gewaltig ist, dass es viel Zeit braucht alles zu lesen und sinnvoll in die Diskussion einzusteigen. Ein Umstand der leicht dazu führt, dass sich keine Leser mehr beteiligen und der Beitrag faktisch tot ist.

    Dazu zwei Vorschläge zur Disposition:

    1.Kürzere Beiträge schreiben und die Themen stärker zuspitzen. Ein Thema lieber in mehreren Beiträgen behandeln.

    2.Maximale Textlänge für Kommentare (technisch) einschränken.

    1. Danke für diesen sehr instruktiven Hinweis auf die andere Seite des Zauns. Schöner Artikel. Ich hätte mir auch für den SozBlog ein solches Abwägen gewünscht.

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