Es ist nicht zu übersehen, dass die etablierte deutschsprachige Soziologie sich der Nutzung digitaler Medien weithin enthält. Ein Beispiel hierfür: die wenigen #Soziologie-Posts im Microblogging-Dienst Twitter. Twitter ist ein Medium, dass es ermöglicht, kurze Nachrichten von 140 Zeichen abzusetzen, mit Links und Hashtags (#-Zeichen) zu versehen. Der Hashtag #Soziologie ermöglicht es beispielsweise, alle Nachrichten, die so ausgezeichnet wurden, zu betrachten, #SozBlog wäre der Hashtag für diesen Blog. Die Nutzung des Hashtag ermöglicht es, auch Nachrichten von Nutzerinnen und Nutzern zu sehen, denen man nicht direkt „folgt“ – deren Nachrichten man also nicht abonniert hat. Ich selbst habe das Medium durch eine Forschungsarbeit über politische Kommunikation kennen gelernt und bin seither sehr fasziniert von seiner potentiellen Reichweite und Schnelligkeit.
Schlagwort: Medien
Nerds, Nerdettes #2 Die Anormalität des Nerd
Was bedeutet es, wenn Menschen von sich sagen: „Ich bin ein Nerd.“ Was bedeutet es, wenn Menschen über andere sagen: „Er/sie ist ein Nerd?“ Was bedeutet es, von „den Nerds“ im Plural zu sprechen? Mit dieser Frage will ich mich heute genauer auseinandersetzen.
Nerds, Nerdettes #1 Eine begriffliche Invasion?
Ist der Nerd eine Sozialfigur, die interessant genug ist, um mit ihr eine Reihe von Blogbeiträgen im SozBlog zu eröffnen? Ich denke schon. In dem schönen Buch „Sozialfiguren der Gegenwart“ von Stephan Moebius und Markus Schroer (2010) tummeln sich unter anderen der Berater, der Hacker, der Amokläufer, der Dillettant und der Bürger/Weltbürger. Wutbürger und Nerd fehlen noch. Den Begriff nerd gibt es schon seit den 1950er Jahren. Er stammt ursprünglich aus einem Kinderbuch. Ab den 1980er Jahren wird er auch benutzt, um Hacker und andere computeraffine Männer zu labeln. In den 1990er Jahren taucht der Nerd vermehrt in amerikanischen Comedy-Serien auf – ich denke bspw. an Steve Urkel aus Familiy Matters.
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SozBlog als Mittel für Public Sociology?
Vor zwei Monaten habe ich geschrieben, dass ich zwar finde, dass die Soziologie – im Sinne der „Public Sociology“ – der Öffentlichkeit Deutungsangebote bereitstellen sollte, dass ich aber nicht sicher bin, ob Blogs hierfür die geeignete Form sind und dass ich es (für mich) schlicht ausprobieren muss. Heute – an meinem letzten Tag auf diesem Blog – möchte ich diese Frage noch einmal aufgreifen und mit einer Bitte an die Leser um Feedback verbinden – insbesondere an die Nicht-Soziologen unter Ihnen, an diejenigen, die regelmäßig gelesen haben sowie diejenigen, die sonst nie etwas kommentieren (sozusagen die schweigende Mehrheit).
Unternehmen, die es nicht geben dürfte (2): Die Privatmolkerei Bauer
Nicht nur der Erfolg der Firma Müller-Milch, auch der Erfolg der Privatmolkerei J. Bauer GmbH & Co. KG[1] lässt sich mit der neoklassischen Theorie nicht erklären – allerdings aus völlig anderen Gründen als bei Müller. Die Firma Bauer hat nämlich in den ersten hundert Jahren ihrer Firmengeschichte keine Werbung gemacht – sich also aus Perspektive der Lehren des modernen Marketing geweigert, direkt mit ihren Kunden zu kommunizieren und sie so mit Informationen zu versorgen. Dennoch war sie in den 1980ern einer der Marktführer auf dem Joghurt-Markt.
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Nicht jeder isst das Gleiche, oder: Verbrauchertypen und Esstypen
Wie bereits in der Diskussion über den Zusammenhang von Geschlecht, Milieu und Konsum angedeutet, sind nicht alle Verbraucher gleich – „den Konsumenten“ gibt es also nicht. Dennoch lassen sich oft in bestimmten Kulturkreisen, sozialen Milieus, ethnischen, Alters- oder Geschlechtergruppen typische Muster des Konsums identifizieren.
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Komplexitätssteigerung und Risikoproduktion auf dem Lebensmittelmarkt
Die moderne Lebensmittelproduktion ist hochdifferenziert: Produziert wird in sehr langen, globalisierten Produktionsketten, die in komplexen Produzenten-Zulieferer-Netzwerken organisiert sind und sehr vielen Arbeitsschritte pro Produktionsstufe umfassen. Eine der Folgen ist die größere Störanfälligkeit der Gesamtproduktion, die auf Lebensmittelmärkten durch die spezifischen Machtverhältnisse auf dem Markt noch verstärkt wird.
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Unternehmen, die es nicht geben dürfte (1): Müller-Milch
In den Blog-Beiträgen dieser Woche über das Verhältnis von Politik und Wirtschaft, Lobbyismus und Machtspiele auf Märkten habe ich argumentiert, dass auf Märkten auch noch andere Faktoren eine Rolle spielen als den in der Neoklassik postulierten Preis- und Qualitätswettbewerb. So dürfte es etwa die Molkerei Alois Müller GmbH & Co. KG, den Hersteller von beliebten Produkten wie „Müllermilch“, „Joghurt mit der Ecke“ und „Froop“, laut Neoklassik nicht geben – oder zumindest dürfte er nicht so erfolgreich sein.[1]
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Konsumgütermärkte als komplexe Interaktionsketten. Ein Zwischenfazit
Anfang März hatte ich mir das Ziel gesteckt, meine Zeit auf diesem Blog einerseits zu nutzen, um verschiedene Textformate auszuprobieren, andererseits in dieser Zeit (im Sinne der „Public Sociology“, die Soziologie als Krisenwissenschaft deutet, die Deutungsangebote bereitstellt) ein aktuelles Thema herauszugreifen und zu diskutieren. Da ich selbst mich sehr stark für Märkte interessiere, habe ich angesichts der Lebensmittelskandale der vergangenen Monate den Lebensmittelmarkt als konkretes Beispiel einen Konsumgütermarkt ausgewählt, mit der Absicht, einen Beitrag zu dem Versuch leisten, moderne (Lebensmittel-)Märkte und die Risikoproduktion auf diesen Märkten besser verstehen. Da ich jetzt ungefähr bei der Hälfte meiner Schreibzeit angekommen bin und am Montag (zumindest hier in Berlin) die Vorlesungszeit anfängt, ist dies ein guter Zeitpunkt, um ein Zwischenfazit zu ziehen: Was habe ich bisher gemacht? Wie ordnen sich die bisherigen Beiträge in das Gesamtgefüge ein? Und was plane ich noch, in den nächsten Wochen zu schreiben?
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Konkurrenzvermeidung. Wettbewerbsstrategien von Unternehmen als Treiber der Marktentwicklung (Differenzierung 1)
Einmal etablierte kapitalistische Märkte haben eine immanente Tendenz zur Selbstzerstörung, bedingt durch eines ihrer Wesensmerkmale – den Wettbewerb (Baur 2001: 98-127). In Abgrenzung zum neoklassischen Modell betonen soziologische Markttheorien, dass Märkte dynamisch sind und diese Dynamiken räumlich variieren können. Gleichzeitig haben Märkte eine Tendenz zur Ausdehnung im Raum (Globalisierung bzw. Internationalisierung) und zur Differenzierung. Der Treiber dieser Prozesse ist das Wettbewerbsverhalten von Unternehmen.
Glückliche Kühe auf blühenden Weiden und Aflatoxin in der Milch. Der Beitrag der Medien zur Risikoproduktion auf anderen Märkten
Medien haben nicht nur eine wichtige Funktion für die Bildung der öffentlichen Meinung, sondern sie sind – wie der Arbeitsmarkt – immer auch ein besonderer Markt, weil sie ein wichtiger Marktakteur auf anderen Märkten sind, insbesondere auf Konsumgütermärkten. Dabei spielen sie eine ambivalente Doppelrolle, wodurch sie ganz wesentlich zur Risikoproduktion auf diesen Märkten beitragen.
Die Insolvenz der Frankfurter Rundschau. Die gesellschaftlichen Folgen der Konzentration auf dem Medienmarkt
Weil das Online-Geschäft lukrativer ist, trennt sich Time Warner vom TIME Magazine, Rupert Murdoch vom Wall Street Journal. In Deutschland ist die Frankfurter Rundschau (FR) das jüngste Opfer der Konzentrationsprozesse auf dem Medienmarkt infolge des Preiswettbewerbs – wie der Presse zu entnehmen ist, wird sie demnächst von der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) übernommen. Na und – könnte man sagen. Das ist eben das Resultat normaler Konkurrenz in Marktwirtschaften. Das Problem ist aber, dass Medien eben nicht nur eigene Märkte sind, sondern auch wesentliche gesellschaftliche Funktionen übernehmen.
Spiegel Online als Aldi des Zeitungswesens. Marktmechanismen und Preiswettbewerb auf dem Medienmarkt
Auch wenn wir sie im Alltag Medien hauptsächlich zur Unterhaltung und Informationsgewinnung nutzen, sind auch die Medien ein Markt. Seit Anfang der 1990er können wir hier eine zunehmende Konzentration und in Deutschland insbesondere ein massives Zeitungssterben beobachten. Jüngstes Opfer ist die FR, die nach ihrer Insolvenz zwar von der FAZ übernommen wurde – allerdings nicht ohne massive Personalkürzungen von 420 auf 28 Mitarbeiter (Bigalke/Riehl 2013). Eine der Hauptursachen für diese Entwicklung ist ein Preiswettbewerb, der ähnlich hart ist wie auf dem Lebensmittelmarkt – vorangetrieben wird er nicht von Aldi, sondern von Spiegel Online.
Public Sociology. Über die Soziologie als Krisenwissenschaft
Auf diesem Blog wurde mehrmals die Frage gestellt, worin der Sinn des Bloggens oder – allgemeiner – der Sinn der Soziologie liege. Dies ist keine neue Frage – in der Tat stellt sich die Soziologie diese immer wieder selbst und muss sie sich vielleicht als „ewig jugendliche Wissenschaft“ (Weber 1904: 206 [1]) immer wieder stellen.
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Hat sich die qualitative Sozialforschung tiefgreifend verändert?
Auf den ersten Blick scheint es so (und das wurde auch in den Kommentaren zu meinem Blog sichtbar), als habe die qualitative Sozialforschung in den Anfangsjahren einen Bestand an Methoden entwickelt, der im Laufe der letzten Jahrzehnte nur ausgebaut, verfeinert und verbessert wurde. Die qualitative Sozialforschung (so zumindest der erste Eindruck) ist bei diesem Prozess weitgehend mit sich identisch geblieben.
Mir scheint diese These von der sich nur verbessernden qualitativen Sozialforschung nicht zutreffend zu sein, denn diese Art der Forschung hat sich maßgeblich geändert – und zwar nicht nur die Praxis, auch in der Methodologie. Bedingt sind diese Umgestaltungsprozesse auch durch die veränderte Wirklichkeit (z.B. durch die allgemeine Mediatisierung), sicherlich aber auch durch die neuen Aufzeichnungs- und Auswertungsmedien. Die Hochschulreformen (Bologna) und die veränderte Vergabepraxis von Drittmitteln und natürlich die Tatsache, dass Forschung nicht mehr nur an den Universitäten und Instituten, sondern auch von Unternehmen durchgeführt wird, bedingen und gestalten ebenfalls den Wandel der Sozialforschung. Diese schleichende Umgestaltung der qualitativen Sozialforschung berührt m.E. auch den Kern dieser Forschungsstrategie, die angetreten war, den (subjektiven) Sinn von Handeln zu erfassen und dadurch Handeln zu verstehen und zu erklären.
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