Künftige Energie: Notizen zur Weltausstellung in Mittelasien

Energie ist entscheidend für Wohlstand auf einem endlichen Planeten. Wie dieser aussehen wird, hängt von einer Reihe wichtiger Fragen ab. Welche Arten von Energie stehen globalen Bedürfnissen zur Verfügung? Inwieweit können diese sicher genutzt werden? Wie können dabei Klimawandel und Umweltzerstörung vermieden oder gemindert werden? Wie werden Nutzen und Risiken verteilt? Angesichts solch dringender Fragen war es zeitgemäß, dass die jüngste Weltausstellung, die von Juni bis September 2017 in der kasachstanischen Hauptstadt Astana stattfand, dem Thema künftiger Energie gewidmet war. Die folgenden Notizen beziehen sich auf einen Besuch dieser Expo.

Schon seit 1851 finden Weltausstellungen im Turnus weniger Jahre statt, jedoch war dies die erste in Mittelasien. Trotz der begrenzten Erwartungen an das Aufklärungspotenzial dessen, was Walter Benjamin als „Wallfahrtsstätten des Warenfetisch“ analysiert hatte, schien diese auf das Thema künftiger Energie fokussierte Expo breite Möglichkeiten für öffentlichen Diskurs und Bildung zu bieten. Insgesamt 115 Länder, 22 internationale Organisationen und zahlreiche transnationale Konzerne richteten Ausstellungspavillons ein. Nahezu 4 Millionen Menschen besuchten die dreimonatige Veranstaltung, darunter schätzungsweise 500.000 aus dem Ausland.

Die Bewerbung um die Austragung der Expo gehörte zur Strategie der kasachstanischen Regierung, das Land bis 2050 zu einem der 30 am weitesten entwickelten Länder der Welt zu machen. Öl- und Gasexporte haben Kasachstan im Vierteljahrhundert seit der Unabhängigkeit ein enormes Wachstum beschert, das allerdings mit dem Verfall des Ölpreises auf zuletzt nur noch ein Prozent schrumpfte. Dies beschränkte einerseits innerhalb der gegebenen Machtverhältnisse den Verteilungsspielraum zur Verringerung der ausgeprägten sozioökonomischen Ungleichheit und der mit fast zwanzig Prozent sehr hohen Armutsquote und vergrößerte andererseits den Druck zur wirtschaftliche Diversifizierung und Suche nach Auslandsinvestitionen. Im Januar 2017 verkündete Staatspräsident Nazarbayev die „Dritte Modernisierung“ des Landes, einschließlich technologischer Innovationen, politischer und wirtschaftlicher Reformen, der Förderung grüner Energien und nachhaltiger Entwicklung sowie dem Aufbau einer „wettbewerbsfähigen“ nationalen Identität, die zwar Geschichte und Spiritualität bewahre, aber pragmatisch offen wäre für neues Wissen und die Herausforderungen globaler Märkte.

Als 1994 der Umzug der kasachstanischen Hauptstadt von Almaty nach Astana bekannt gegeben wurde, war letztere noch eine abgelegene Provinzstadt in der dünn besiedelten Steppe. Seither hat sich Astana in eine weitläufige Stadt mit einer futuristischen Skyline verwandelt, in der sich von internationalen Stararchitekten entworfene Wolkenkratzer aneinander reihen.

Die kasachstanische Regierung investierte in die Planung und Durchführung der Expo rund drei Milliarden US-Dollar. Das in Chicago ansässige Architekturbüro Adrian Smith und Gordon Gill erstellte den Masterplan für das fünfundzwanzig Hektar große Ausstellungsgelände, nebst Bebauungsplan für die 150 Hektar angrenzendes Land, ein smartes, dezentrales Versorgungsnetz sowie den Bau von achtundzwanzig Gebäuden, darunter ein Konferenzzentrum, Pavillons, Hotel- und Gastronomieeinrichtungen, Parks und Parkplätze.

Schon beim Betreten des Ausstellungsgeländes stach der globusartige Bau des Nur Alem hervor. Mit einem Durchmesser von 80 Metern, einer Höhe von 100 Metern und rund 24.000 Quadratmetern Nutzfläche auf acht Ebenen gilt es als das größte Kugelgebäude der Welt. In die Glashülle integrierte Photovoltaik und eine Windenergieanlage im obersten Abschnitt unterstrichen den Anspruch auf besondere Umweltfreundlichkeit.

Im Erdgeschoss war eine Ausstellung zur Kultur und Geschichte Kasachstans untergebracht. Die eigentliche Kugel beherbergte das „Museum der Zukunft“, eine interaktiv-multimediale Ausstellung über verschiedene Formen der Energie sowie deren Nutzung von der menschlichen Vorgeschichte bis hin zu den jüngsten Technologien der Gegenwart und des beginnenden Zeitalters der Raumfahrt. Die Art der Darstellung war die des Infotainments, das für Schulausflüge bei entsprechender Einbindung in den Unterricht durchaus geeignet sein könnte. Im achten Stock gab es eine Ausstellung zur Zukunft Astanas nebst einem Panoramablick über das Expo-Gelände, die Skyline der Stadt und die sie umgebende Steppe.

Die nationalen Pavillons waren kreisförmig um den Nur Alem herum angeordnet. Weite Teile der Ausstellung schienen sich indes kaum auf das Thema der Expo zu beziehen, sondern anderen Prioritäten untergeordnet zu sein, wie etwa der Werbung für Tourismus und landesspezifische Produkte sowie der nationalen Imagepflege.

Während der unter dem Motto „unbegrenzte Energie“ eingerichtete US-Pavillon jeglichen Bezug auf die Sorgen um die Endlichkeit fossiler Brennstoffe und das Problem des Klimawandels vermied, hob der russische Pavillon stolz die riesigen Reserven in der Arktis hervor, unbekümmert darüber, wie deren Nutzung das globale Klima beeinflussen würde. Der chinesische Pavillon zeigte einen Zeichentrickfilm, der die Fusionsenergie mit einem zugleich niedlichen und mächtigen Drachen verglich. Der dem Motto „Energie auf Kurs“ gewidmete deutsche Pavillon betonte die nach der Katastrophe von Fukushima eingeleitete energiepolitische Abkehr sowohl von der Kern- als auch von fossiler Energie, wobei die einzelnen Bundesländer jeweils gleichen Raum zur Darstellung regionaler Projekte hatten. Der Pavillon des Vatikans setzte sich besonders eingehend mit dem Expo-Thema auseinander, zumal es zur jüngst veröffentlichten päpstlichen Enzyklika Laudatio Si passte, die den verantwortungsvollen Umgang mit der Natur hervorhob.

Ein besonderer Pavillon widmete sich der Ausstellung „bester Praktiken“, die im Rahmen eines internationalen Wettbewerbes ausgewählt worden waren. Gezeigt wurden neueste Technologien zur Erzeugung, Speicherung und Nutzung erneuerbarer Energien, einschließlich Ansätze zur Senkung der Treibhausgasemissionen und Verbesserung der Energieversorgung in Entwicklungsländern. Zum Abschluss der Expo wurde ein Manifest vorgestellt, das sich auf eine begleitende Veranstaltungsreihe beziehend fünf Punkte hervorhob, darunter die Schaffung eines globalen Zukunftsenergieinstituts; die Gewährleistung des Zugangs zu Energie für alle, insbesondere in ländlichen Gebieten; der Entwurf eines auf Klimametriken basierenden Bruttosozialproduktes; die Umrüstung öffentlicher Gebäude in Kasachstans auf Sonnenenergie; sowie die Einrichtung eines ökologischen Fonds als Vorhaben des Internationalen Finanzzentrums von Astana.

Wie bei anderen Großveranstaltungen auch lassen sich bezüglich der Expo 2017 kurz- und längerfristige Auswirkungen auf das Gastland unterscheiden. Bauunternehmen profitierten offensichtlich von den Großaufträgen zur Errichtung der Expo-Gebäude und der Infrastruktur. Die Nachfrage nach touristischen Dienstleistungen stieg im Veranstaltungszeitraum um 78%, wobei das Branding von Astana als touristischem Reiseziel auch eine längerfristige Wirkung haben dürfte. Im Hinblick auf die weitergehende Nutzung der Gebäude war geplant, dass Nur Alem auch künftig als Museum fungieren würde, während die meisten der angrenzenden Gebäude für das geplante Finanzzentrum und die Börse neu ausgerichtet werden sollten. Trotz der fehlenden politischen Freiheiten, der gravierenden Menschenrechtsverletzungen und der verbreiteten Korruption, die unter anderem von Amnesty International und Transparency International eingehend dokumentiert worden sind, ergab sich für das autoritäre Regime im Rahmen seiner Gastgeberfunktion ein nicht zu unterschätzender Legitimitätsgewinn.

Im Hinblick auf das Thema künftiger Energie hat die Expo eine Fülle von technischen Errungenschaften zur Schau gestellt, die die Emissionen von Treibhausgasen und anderen Schadstoffen senken und insgesamt Effizienz und Nachhaltigkeit steigern können. Diese technischen Lösungen wurden hochgradig professionell mit meist perfekt ausgewogener Beleuchtung und gut geplanter Didaktik präsentiert. Die Expo hat jedoch nicht das grundlegende Problem überwinden können, das mit den spezifischen Blickwinkeln von staatlichen Verwaltungsorganen und Wirtschaftsunternehmen verbunden ist. In den nationalen Pavillons kamen die Regierungsprioritäten, politische Richtlinien und nationale Branding-Strategien zum Ausdruck. Besonders auffällig war dabei die fast völlige Abwesenheit von gesellschaftswissenschaftlicher Kompetenz und relevanten sozialen Akteuren wie die Umweltschutzbewegung, so als ob die Energiepolitik nicht von tiefgreifenden Kontroversen geprägt wäre. Das eklatante Fehlen sozialer Bewegungen und zivilgesellschaftlicher Initiativen förderte eine solche entpolitisierte Sichtweise. Besucher der Expo wurden als Kunden von Staaten und Konzernen positioniert, denen es um rein technische Lösungen ginge. Fragen wie die, ob das gegenwärtige politisch-ökonomische Weltsystem für die Herausforderungen künftiger Energiesicherung ausreicht oder ob die Bedrohungen durch Klimawandel und Umweltzerstörung eine tiefgreifendere gesellschaftliche Transformation erfordern, fanden innerhalb der Expo kaum Erörterung. Auslöschen lassen sich solche Fragen damit allerdings nicht.