It ain’t Feminism – It‘s the Economy, … – Vom blinden Fleck antigenderistischer Kritik

Nur mit einem Bild und ohne weitere Worte setzte Queen B aka Beyoncé vor wenigen Wochen ein Statement auf Instagram gegen die im Internet kursierenden Bilder der Aktion „Women against Feminism“. In Deutschland veröffentlichte die Jugendorganisation der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) in diesem Jahr ähnliche antifeministische Statements.

Aus einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zu den familien- und geschlechterpolitischen Positionen der AfD geht hervor, dass sich die AfD politisch u.a. dafür einsetzt, den sogenannten „Gender-Wahn“ zu stoppen, sie für die Abschaffung des ‚undemokratischen’ Gender Mainstreamings eintritt und sich gegen aktive Gleichstellungspolitik ausspricht, um die ‚natürlichen’ Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu bewahren. Damit stellt sich die Partei in eine Reihe mit unterschiedlichen antifeministischen und antigenderistischen Bewegungen, zu denen zwei Studien des Gunda-Werner-Instituts der Heinrich-Böll-Stiftung einen Überblick bieten.

Rosenbrock (2012) und Frey et al. (2013) weisen deutlich auf die Heterogenität der unterschiedlichen antifeministischen Gruppen hin, die ein breites politisches Spektrum abdecken, das bis zum rechten Rand reicht. Manche der Gruppen fordern u.a. die Abschaffung der Geschlechterforschung, der vorgeworfen wird, unwissenschaftlich und ideologisch überformt zu sein. Die von der Geschlechterforschung angestrebte Geschlechtergleichheit wird als „Femokratie“, als Herrschaft der Frauen und Feministinnen bezeichnet, in der Männer zu Opfern der neuen Gleichstellungspolitik erklärt werden. Nach Rosenbock werden Frauen und Männer systematisch diffamiert: „Hausfrauen werden als faul und parasitär, und alleinerziehende Mütter als ‚Abzockerinnen‘ dargestellt, die ‚Männer kaputt machen‘. Homosexuelle Männer und Frauen werden teilweise als ‚pervers‘ bezeichnet“ (ebd. 21). Mittels biologistischer Argumentation wird eine Geschlechterordnung als natürlich verklärt, in der Männern die Rolle als Kämpfer der Nation und Frauen die Rolle der Mutter zugeschrieben wird. Feminismus, Geschlechterforschung und eine ‚medienbeherrschende Homolobby’ werden verantwortlich für die Vernachlässigung der heterosexuellen Familie als zentrale und schützenswerte Institution der Gesellschaft gemacht. Damit schreiben diese Bewegungen der Geschlechterforschung eine einflussreiche, ja hegemoniale Bedeutung zu (fast könnte man als Geschlechterforscher_in geneigt sein, zu denken: Schön wär’s! – selbstredend nicht mit Blick auf die genannten Inhalte, sondern auf die angenommene große Bedeutung).

Nun würde es an dieser Stelle nicht ausreichen, wenn wir drei Bloggerinnen wie Beyoncé ein kämpferisch anmutendes Foto von uns online stellen würden, um die antigenderistischen Argumente zu widerlegen. Vielmehr möchten wir uns mit einem Aspekt eingehender beschäftigen: dem Bedeutungsverlust von Männern als Familien-(Allein-)Ernährer.

Zutreffend ist, dass Feminist_innen und Geschlechterforscher_innen das männliche Alleinernährermodell, die darin eingelassene (ökonomische) Abhängigkeit der (Ehe-)Frauen von ‚ihren‘ (Ehe-)Männern und die Verdeckung der ökonomischen und kapitalistischen Ausbeutungen produktiver wie reproduktiver Arbeitskraft von Frauen umfassend kritisiert (hat). Insbesondere die fehlende Anerkennung von – oft von Frauen unbezahlt und nicht bzw. schlecht sozial abgesichert geleisteter – Reproduktionsarbeit als wesentliches gesellschaftliches und ökonomisches Versorgungs- und Auffangnetz, das die vom Markt produzierten Risiken und Unsicherheiten kompensieren muss, stand und steht im Fokus der Kritik.

Zwar geht die Verbreitung des männlichen Alleinernährermodells seit einigen Jahren, vermutlich auch wegen der feministischen Kritik daran, zurück. Jedoch ist nach wie vor nur jede vierte Ehefrau Vollzeit erwerbstätig (Statistisches Bundesamt/WZB 2013: 55) – von einer Auflösung des Ernährermodells lässt sich damit nicht sprechen. Vor allem aber möchten wir hier argumentieren, dass das männliche (Allein-)Ernährermodell nicht nur aufgrund gleichstellungspolitischer Gründe sowie einer stärkern gesellschaftlichen Orientierung an Gleichheit erodiert. Vielmehr muss seine Erosion in den Kontext des neoliberalen Umbaus des Sozialstaates gestellt und der sozialpolitische Paradigmenwechsel vom versorgenden hin zum aktivierenden Sozialstaat stärker betrachtet werden. Der Wohlfahrtsforscher Esping-Andersen (2002) diskreditierte den Familialismus des männlichen Allein-Ernährermodell als sozialpolitische Maßlosigkeit, die schlichtweg zu teuer geworden ist: „Ideological predilections aside, it should be evident to all that we cannot afford not to be egalitarians in the advanced economies of the twenty-first century“ (2002: 3, Herv. i. O.). Die potentiellen Arbeitsmarkterträge von Frauen würden zur Aufrechterhaltung der Sozialsysteme dringend benötigt.

Mal ganz davon abgesehen, dass es den Feminismus und die Geschlechterforschung aufgrund teilweise stark heterogener Perspektiven auf ungleichheitsrelevante Themen nicht gibt, lässt sich zusammenfassend konstatieren, dass eine Zerstörung von Familie nicht als wesentliches politisches Ziel von Feminismus gesehen werden kann. Vielmehr geht es ganz basal um eine Sichtbarmachung von fehlender Anerkennung für Sorgearbeiten, eine starke Orientierung an Egalität zwischen unterschiedlichen Geschlechtern und Sexualitäten (dazu mehr im nächsten Blog-Eintrag) sowie um genuine Herrschaftskritik. Der Anti-Genderismus verkennt die Bedeutung ökonomischer und kapitalistischer Transformationsprozesse, in dem er den Einfluss des Feminismus maßlos über- und den wirtschaftlichen und sozialpolitischen Wandel unterschätzt. Es ist also weniger ein Zeichen des Sieges des Feminismus, sondern vielmehr Symptom eines Gestaltwandels der kapitalistischen Wirtschafts- und Arbeitswelt.

Was im Kontext antigenderistischer Kritik vor diesem Hintergrund völlig außer Acht gelassen wird, sind die von uns bereits in vorherigen Blog-Einträgen vielfach erwähnten Prekarisierungsprozesse in der Erwerbssphäre, die auch den Druck auf die Reproduktionssphäre erhöhen und soziale Ungleichheiten verschärfen. So wird die zunehmende Erwerbstätigkeit von hochqualifizierten Frauen in den westlichen Industrienationen insbesondere durch die Arbeit von Migrantinnen im haushaltsnahen Dienstleistungsbereich aufgefangen, die Frauen bei der Bewältigung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf entlasten. Hier findet also eine Umverteilung von Reproduktionsarbeit statt, allerdings vorwiegend zwischen Frauen und nicht zwischen den Geschlechtern. Auch ändert sich mit der zunehmenden weiblichen Erwerbsbeteilung das gesamte Frauenerwerbsvolumen kaum, da Frauen vor allem in Teilzeit beschäftigt sind. Damit kommt es eben nicht zu einer zunehmenden und ausschließlichen Besserstellung von (weißen) Frauen, sondern zu der vergeschlechtlichten Komponente von Reproduktionsarbeit kommt eine ethnisierte hinzu: Nur wenige Frauen werden durch ihre Erwerbsarbeit privilegiert. Für Migrantinnen ist sie im Rahmen von Haushaltsarbeit sehr ambivalent: Einerseits kommt ihnen ein gewisses Maß an Autonomie und Selbstbestimmung zu, weil sie häufig zu den Haupternährerinnen ihrer Familien werden. Andererseits gehen mit den Anstellungen im Haushalt oft sehr prekäre Beschäftigungsverhältnisse und schlechte Bezahlung einher.

Für Männer verschärft sich der Druck vor allem deshalb, weil ihre Berufsbiographien zunehmend unsicher werden und ihre Lebensläufe beginnen, sich mit Blick auf berufliche Diskontinuitäten und Unsicherheiten denen von Frauen anzunähern. Auch ihr beruflicher Aufstieg, der lange das zentrale Distinktionsmerkmal gegenüber Frauen war, verliert an Selbstverständlichkeit (Meuser 2004; Kreher 2007) – jedenfalls für verschiedene sozialstrukturelle Gruppen von Männern. Unterschiede in den Arbeitsmarktchancen zeigen sich z.B. nach der sozialen und regionalen Herkunft, nach Bildungsabschluss, Alter und Staatsbürgerschaftsstatus, die im Kontext eines sich verschärfenden Wettbewerbs um sichere und gut bezahlte oder allein existenzsichernde Arbeitsplätze zu Determinanten struktureller Ungleichheiten werden können, die für unterschiedliche Männer auch unterschiedliche Auswirkungen hinsichtlich ihrer sozialen Position haben. Damit müssen also die Unterschiede zwischen Männern als Genusgruppe in der antifeministischen Diskussion stärker berücksichtigt werden.

Dieses kurze, nur auf ungleichheitssoziologische Aspekte bezogene Schlaglicht beansprucht bei weitem keine Vollständigkeit in der Auseinandersetzung mit anti-genderistischen Positionen. Uns ist es aber ein Anliegen, eine Perspektivverschiebung anzuregen. Denn der Antigenderismus sieht die Geschlechterforschung in der Verantwortung für eine sich in ökonomischer Hinsicht verschärfende Lage, für die aber ökonomische und (globale) kapitalistische Transformationsprozesse verantwortlich sind, die z.B. durch die Wirtschafts- und Finanzkrise ausgelöst wurden. Ungleichheiten bestehen zwischen Menschen nach wie vor fort, vergrößern sich teilweise sogar – und hier werden nicht Frauen gegenüber Männern übervorteilt, sondern ganz im Gegenteil, die strukturellen Ursachen von Ungleichheiten sind und waren immer sehr heterogen. Berücksichtigt man in einer transnational ausgerichteten Perspektive auf ökonomische Verwertungszusammenhänge die vielfältigen Machtbeziehungen hinsichtlich Geschlecht, Ethnizität und Klasse etc. stärker, wird deutlich, dass Geschlechterforschung zu jenen Wissenschaften gehört, denen die Analyse der Komplexität dieser Entwicklung ein zentrales Anliegen ist, um Ungleichheiten umfassend beschreiben und erklären zu können. Insofern wäre es in unseren Augen produktiver, sich stärker mit den ökonomischen Ursachen von Ungleichheiten als solchen zu befassen, anstatt ‚Frauen‘ und ‚Männer‘ oder heterosexuelle und homosexuelle Lebensweisen gegeneinander auszuspielen.

Wir freuen uns über kontroverse Diskussionen – und bitten um Einhaltung der Netiquette!

 

Literatur:

Esping-Andersen, Gøsta (2002): „Towards the Good Society, Once Again?“. In: Gøsta Esping-Andersen (Hg.), Why We Need a New Welfare State, Oxford: Oxford University Press, S. 26-67.

Meuser, Michael (2004): „Nicht als alter Wein in neuen Schläuchen? Männlichkeitskonstruktionen im Informationszeitalter“. In: Heike Kahlert/Claudia Kajatin (Hg.), Geschlechterverhältnisse im Informationszeitalter, Frankfurt/M./New York: Campus, S. 73-93.

Kreher, Thomas (2007): ‚Heutzutage muss man kämpfen‘. Bewältigungsformen junger Männer angesichts entgrenzter Übergänge in Arbeit, Weinheim: Juventa.

Statistisches Bundesamt (Destatis), Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) (2013): Datenreport 2013. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland. Bonn.

33 Gedanken zu „It ain’t Feminism – It‘s the Economy, … – Vom blinden Fleck antigenderistischer Kritik“

  1. Ich weiß nicht genau, welche Schlussfolgerungen aus diesem Beitrag zu ziehen sind. Sie versuchen die Argumente des sogenannten Antigenderismus zu entkräften. Das Gegenargument lautet dann, dass die unterschiedliche Machtverteilung zwischen den Geschlechtern nicht die Ursache für die bestehenden Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen ist, sondern ökonomische und sozialpolitische Entwicklungen. Mithin kommt es dadurch sogar zu einer Nivellierung der Unterschiede zwischen Männern und Frauen, wenn auch nur dahin, dass alle immer gleicher in ihrer Prekarität werden:
    „Für Männer verschärft sich der Druck vor allem deshalb, weil ihre Berufsbiographien zunehmend unsicher werden und ihre Lebensläufe beginnen, sich mit Blick auf berufliche Diskontinuitäten und Unsicherheiten denen von Frauen anzunähern.“
    Zudem spielen für die Erklärung weder männliches Handeln noch weibliches Erleben eine Rolle. Sie begegnen also dem Antigenderismus mit dem Argument, eigentlich brauchen wir den Feminismus gar nicht, um die bestehenden Ungleichheiten zu erklären. Dann stellt sich allerdings die Frage, welche wissenschaftliche Berechtigung der Feminismus dann überhaupt hat?
    Das soll kein Urteil über den Feminismus sein, sondern nur eine Schlussfolgerung, die man aus dem Beitrag ziehen kann, oder ein Hinweis auf den blinden Fleck der Argumentation, denn als Plädoyer für Feminismus lese ich den Beitrag nicht. Wenn es außerdem nicht um den Konflikt zwischen Genderismus und Anti-Genderismus geht, warum versuchen Sie dann einen Beitrag zu dieser Auseinandersetzung zu leisten?

    1. Vielen Dank für Ihre interessanten Fragen, die uns nochmals die Möglichkeit geben, unsere Argumente zu spezifizieren. Zunächst haben Sie ganz richtig verstanden, dass es uns darum ging, antigenderistischer Kritik an der Geschlechterforschung mit einer Perspektivverschiebung zu begegnen, die den analytischen Blick in Richtung Kapitalismuskritik lenkt. Dabei ging es uns weniger darum, antigenderistische Meinungen aufzugreifen, um sie zu widerlegen, als darum, am Beispiel des männlichen (Allein)Ernährermodells die Komplexität des gesellschaftlichen Wandels im Rahmen des hier Möglichen zu beleuchten. Bei der teilweise zu beobachtenden Erosion des (Allein)Ernährermodells, so unser Argument, spielen – neben geschlechterpolitischen Gleichheitsforderungen – auch ökonomische Verhältnisse und Zwänge sowie die Art und Weise deren sozialpolitischer De/Regulierung eine maßgebliche Rolle.
      Warum aber dann überhaupt ein Beitrag zur Debatte, fragen Sie. Nun, die Antwort ist neben dem obigen Argument schlicht und ergreifend: Um Gegenöffentlichkeit zu bilden. Unsere Motivation, diesen Blog zu schreiben, war u.a. davon inspiriert, dass der Antigenderismus eben nicht nur ein gesellschaftliches Randphänomen ist, sondern sich auch zunehmend in der bürgerlichen Mittelschicht in Form von Feuilleton- oder Buchbeiträgen verbreitet (siehe Blog-Eintrag vom 05.07.).
      In diesem Sinne ist unser Beitrag tatsächlich nicht unbedingt als Plädoyer für den Feminismus zu verstehen – zunächst vor allem deshalb nicht, weil wir uns nicht in der Position sehen, zu definieren, was der Feminismus oder die Geschlechterforschung ist, da, wie wir auch schreiben, die Inhalte immer schon heterogen war.
      Hier ist wichtig zu erwähnen, dass der weiße Mainstream-Feminismus der 70er und 80er Jahre kritisiert wurde in Bezug auf dessen Auslassungen: marginalisierte Feministinnen oder Frauen wie Migrant_innen, Schwarze Frauen, Jüdinnen, Lesben, Arbeiterinnen oder Frauen mit Behinderung stellten das Einheitssubjekt Frau in Frage und verwiesen darauf, dass das Geschlecht nicht isoliert von anderen Strukturkategorien betrachtet werden kann. Auch die Hierarchieverhältnisse zwischen privilegierten Frauen und nicht-privilegierten Männern wurden dabei oft zu wenig berücksichtigt (dazu sehr lesenswert der umfassende Überblick von Katharina Walgenbach (2007): Gender als interdepentente Kategorie). Dies wird in der Geschlechterforschung unter dem Begriff Intersektionalität gefasst – ein Analyseinstrument, an dem nach wie inhaltlich und konzeptuell gearbeitet wird.
      Insofern ist der Beitrag eher ein Plädoyer für eine feministische Wissenschaft und Geschlechterforschung zu verstehen, die sich auch zum Ziel gesetzt hat, Komplexität zu produzieren.
      Unter ‚feministischem’ Denken verstehen wir herrschaftskritisches Denken. Wir stellen uns hier einen Feminismus vor, der sich seiner Historie um soziale Kämpfe bewusst ist, also die eben erwähnten Kämpfe um Inklusion und Differenzen innerhalb der Genusgruppen und der Geschlechterforschung berücksichtigt. Wir plädieren somit für einen Feminismus, der sich gegen starre Kategorisierungen verwehrt bzw. zumindest in selbstreflexiver Auseinandersetzung an der Erweiterung seiner verwendeten Konzepte interessiert ist. Der Differenzen anerkennt. Darüber hinaus müssen Gesellschaftsanalyse und Erkenntniskritik miteinander verbunden werden, um eine umfassende Analyse und Kritik von Ungleichheiten, Macht und Herrschaft zu den Themen Geschlecht und Sexualität zu gewährleisten, die in ihrer Verwobenheit mit anderen ungleichheitsgenerierenden Determinanten wie Klasse – und damit sind wir wieder bei den benannten ökonomischen Verhältnissen –, „Rasse“, Ethnizität, Alter, Nationalität, Ability, etc. untersuchen werden. Demnach stellt sich für uns die Frage nach der wissenschaftlichen Berechtigung feministischer Forschung nicht mehr – feministische Forschung ist vielmehr unabdinglich.

      1. Vielen Dank für die ausführliche Erläuterung. Sie geben ein differenzierteres Bild, können aber meine Bedenken nicht entkräften. Wenn Feminismus lediglich bedeutet ein verstärktes Differenzbewusstsein zu kultivieren, stellt dies im wissenschaftlichen Bereich sicher kein Alleinstellungsmerkmal dar. Es wird vermutlich keinen Soziologen geben, der das nicht für sich in Anspruch nimmt, ohne sich allerdings zwingend auf Feminismus beziehen zu müssen.

        Wenn es um den politischen Kampf für die Rechte von benachteiligten oder unterdrückten Minderheiten geht, mögen verschiedene Spielarten des Feminismus m. E. ihre Berechtigung haben. Doch genau darin liegt das Problem. Die verschiedenen Formen des Feminismus verfolgen politische und keine wissenschaftlichen Ziele. Sie selbst geben auf der einen Seite zu, dass für die Erklärung bestehender Ungleichheiten feministische Theorien nicht notwendig sind, versuchen aber auf der anderen Seite eine feministische Wissenschaft zu begründen, für die es aber nach Ihrem eigenen Bekunden keine Notwendigkeit gibt. Die Notwendigkeit besteht aus meiner Sicht einfach deswegen nicht, weil es sich beim Feminismus um eine politische Bewegung und nicht um einen wissenschaftlichen Ansatz handelt. Dieser Widerspruch besteht aus meiner Sicht nach wie vor. Und ich fürchte, der lässt sich auch nicht auflösen. In dem Punkt der Vereinbarkeit von Gesellschaftsanalyse und Gesellschaftskritik vertrete ich eine gegensätzliche Position. Ich halte Gesellschaftsanalyse und Gesellschaftskritik bzw. -veränderung nicht miteinander vereinbar, weil wissenschaftliche und politische Ziele miteinander vermischt werden (siehe auch hier: http://goo.gl/iS77Jy). Die Vergangenheit hat oft genug gezeigt, dass für die Erreichung politischer Ziele wissenschaftliche Ergebnisse nur sehr selektiv wahrgenommen werden.

        1. Lieber „Beobachter der Moderne“,

          jetzt hätten Śie Ihr Karnevalskostüm ablegen können und authentisch mitteilen, mit wem ich rede!

          Ich kann Ihnen zu DIESEM Beitrag ohne Vorbehalkt zustimmen.

          Genau das ist die Absicht meiner Andeutungen in der „Soziologie des Unbewussten“ und meinem „methodologischen Strukturalismus“.

          Wenn wir uns über die vernünftige Definition von Wissenschaft und einer damit grundsätzlich verbundenen alternativlosen Methodologie einig sind, ist es nur noch ein kurzer Weg zu einer eigenständigen, neuen Identität der Soziologie als Wissenschaft, jenseits vom aktuellen bodenlosen Klamauk (Anwesende ausgeschlossen im Sinne der Netiquette) und dem Soziotainment-Tanz um Halbwahrheiten.

        2. Lieber BdM,

          wenn ich ihrem Gedankengang zu folgen versuche, entsteht bei mir der Eindruck, es gäbe in Ihrem Verständnis von Wissenschaft eine Wissenschaft, welche als nicht politisch zu verstehen sei.

          Beim Grad der Institutionalisierung der Einrichtungen, an denen Menschen die Möglichkeit geboten wird, im Rahmen eines Erwerbsverhältnis Wissenschaft (falls dieser Ausdruck überhaupt normbehaftet sei) oder Forschung zu betreiben, ergibt sich für mich jedoch ein mit jener Auffassung nicht zu vereinbarendes Bild.

          Im Rahmen eines wie auch immer gearteten Beschäftigungsverhältnisses ergeben sich m.E. kaum Spielräume, vorbehaltlos und ohne die ständige Frage „Cui bono?“ Theorien, Hypothesen und Modelle zu entwickeln.

          Noch dazu welche, die das Verhalten und die hierarchischen Strukturen und deren Prozesse betreffen, deren Subjekt wie Objekt die Wissenschaftler*innen selbst mitunter sind.

          Sicher, Geschichte und Philosophie können mitunter zwei wenig politische Betätigungsfelder sein.

          Das verhindert jedoch nicht, daß Geschichtsphilosophie nie über das Stadium einer Propagandawissenschaft hinaus wachsen kann.

          Genderforschung ist in meinem Verständnis, als „eine feministische Wissenschaft“ viel weniger politisch, als durch deren „öffentlich agierende“ Gegner*innen angenommen.

          Sie ist ebenfalls weit weniger politisch, als das Agieren der Gegner*innen „einer feministischen Wissenschaft“ selbst.

          Viele Genderforscher*innen meinen viel weniger genau zu wissen, was eine feministische Wissenschaft nun sei, als allgemein angenommen. Übrigens erwecken viel eher deren bekennenden Gegner*innen den Eindruck, sie wüssten genau, was von einer feministischen Wissenschaft politisch und gesellschaftlich zu erwarten sei.

          Hinzu kommt, die Heteronomie der „Minderheiten“ im Bezog auf ihr so sein als Individuum, sowie auf die Zughörigkeit zu einer der Minderheiten.

          Meines Empfindens nach erfahren die Genderforscher*innen als feministische Wissenschaftler*innen eine zweite Vergesellschaftung, eine zweite, heteronome Politisierung durch die Antigenderisten, der selbst sie ja gar nicht entgehen können, ohne daß sie in ihrer wie auch immer gearteten Interaktion den Eindruck des politisch seins einem Beobachter gegenüber noch weiter verstärken.

          Viele Grüße
          Teddy

        3. In drei Punkten scheinen Missverständnisse entstanden zu sein: Erstens meint Feminismus aus der von uns vertretenen Perspektive nicht, lediglich ein verstärktes Differenzbewusstsein zu kultivieren. Vielmehr geht es darum, Formen, Ausmaß und Ursachen von Herrschaftsverhältnissen und Ungleichheiten zwischen den verschiedenen Geschlechtern zu analysieren – und dabei auch Ungleichheiten innerhalb der verschiedenen Geschlechtergruppen, also Differenzen und Interdependenzen zwischen verschiedenen ungleichheitsrelevanten Kategorien zu berücksichtigen.
          Zweitens handelt es sich, so unser Standpunkt, bei Ansätzen, die auf die Erklärung dieser Ungleichheiten zielen, nicht um politische Bewegungen, sondern um Wissenschaft.
          Drittens: Fasst man Geschlecht als eine (zwar sozial konstruierte, aber dennoch als solche wirksame) zentrale Strukturkategorie sozialer Ungleichheit, so sind feministische Theorien in dem Sinne, als sie Geschlecht bei sämtlichen Analysen berücksichtigen sowie deren Interdependenzen mit anderen zentralen Ungleichheitsdeterminanten, wohl unabdingbar notwendig.

          1. Liebe SozBloggerinnen,

            mag sein, dass sich das aus Ihrer Sicht als Missverständnis darstellt. Ich denke es liegt in einem völlig unterschiedlichem Verständnis über die Aufgabe von Wissenschaft. Der Erklärung von Ungleichheiten hat sich so ziemlich jeder Ansatz in der Soziologie verschrieben. Selbst die Berücksichtigung von Geschlechterunterschieden ist nichts, was ausschließlich feministische Ansätze auszeichnet. In wissenschaftlichen Kontexten erscheint die Selbstbeschreibung als feministisch entbehrlich zu sein, weil sie keinen Unterschied markiert, der im Vergleich zu anderen Ansätzen einen Unterschied machen würde.

            Was feministische Ansätze gegenüber anderen soziologischen Ansätzen auszeichnet, ist die politische Zielstellung, nämlich die Verringerung der interessierenden Ungleichheiten und das Kämpfen für bestimmte Rechte. Damit beteiligen sich feministische Ansätze aber vornehmlich an politischen Auseinandersetzungen und nicht an wissenschaftlichen. Dafür kann man natürlich auch wissenschaftliche Erkenntnisse nutzen, nur deswegen handelt es sich dabei trotzdem nicht um Beiträge zu einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung. In diesem Sinne können wissenschaftliche Erkenntnisse für politische Zwecke verwertet werden und die Möglichkeiten und Grenzen des politisch Machbaren aufzeigen. Das ist auch vollkommen legitim, solang man nicht suggeriert, dass politische Entscheidungen wissenschaftlich begründbar seien.

            Lieber Teddy,

            Ihr Eindruck ist korrekt. Das liegt daran, dass wir wahrscheinlich von völlig verschiedenen Politikbegriffen ausgehen. Es ist etwas anderes methodisch nachprüfbares Wissen zu produzieren als kollektiv bindende Entscheidungen herbeizuführen. Nur weil eine berufliche Tätigkeit bestimmte Einschränkungen mitbringt, hat das noch lange nichts mit Politik zu tun. Da kann man nun mal nicht machen, was man will. Immerhin betreffen die Aktivitäten, die man in einem Beruf ausführt immer auch andere Menschen – direkt zum Beispiel bei Tätigkeiten mit Kundenkontakt oder indirekt z. B. wenn man als Wissenschaftler Forschung betreibt. Oder einfacher ausgedrückt, es besteht immer die Möglichkeit durch seine berufliche Arbeit andere Menschen zu schaden. Ein Beispiel wären Behandlungsfehler in der Medizin. Letztlich können aber bei jedem Beruf Schadensfälle auftreten. Insofern kann es keine vorbehaltlose wissenschaftliche Arbeit geben. Erwerbsarbeit ist eben nicht nur Beschäftigungstherapie, die man allein in der Abgeschiedenheit betreibt, sondern die Erbringung einer Leistung, für die andere Personen bereit sind Geld zu zahlen. Was Sie letztlich problematisieren sind Integrationsprozesse im Sinne der wechselseitigen Einschränkung von Handlungsmöglichkeiten. Dabei sollen vor allem die Handlungsmöglichkeiten ausgeschaltet werden, die andere Menschen schädigen können. Deswegen sind solche Einschränkungen auch gerechtfertigt und notwendig.

            Ich vermute allerdings Ihr Einwand zielt eher auf die schleichende „Ökonomisierung“ der Wissenschaft. Da gibt es sicherlich genug Probleme, über die wir uns wahrscheinlich sofort einigen könnten. Die lassen sich aber vermutlich auf die weit verbreitete Annahme einer vermeintlichen „Ökonomisierung“ der Gesellschaft zurückführen, der man dann nur noch politisch begegnen könne. Ich sehe die Lösung jedoch nicht in der schlichten Ersetzung eines vermeintlichen Primats der Wirtschaft (oder des Kapitals) durch ein Primat der Politik. Schon der Eindruck, man müsste sich zwischen einem der beiden entscheiden, ist falsch. Wo bleiben dann Wissenschaft, Kunst, Liebe, Erziehung, soziale Hilfe, Recht, Religion? Ich denke, dass sich viele der heutigen Organisationsprobleme wissenschaftlicher Arbeit auf die irrige Annahme zurückführen lassen alles sei politisch. Eine stärkere Differenzierung in der Begrifflichkeit würde auch eine präzisere Analyse der bestehenden Probleme ermöglichen. Solange man allerdings meint, man müsste Kommunikationsprozesse in vagen Analogien als Politik oder Ökonomie beschreiben, wird sich an diesen Problemen nicht viel ändern, zumindest nicht zum Positiven.

  2. Frauenarbeit ist niemals unbezahlt, das ist und wahr schon immer falsch: Die Mutter bekommt Ressourcen gestellt. Entweder vom Eheman oder von Staat, welche im Grunde identisch sind.

    Abgesehen davon ist es schön zu sehen, dass sich in der Sache Antifeminismus immer mehr tut — es (wir) sind nicht mehr zu ignorieren.

    1. Ja, das ist eine Meinung in dieser Debatte. Dass wir grundsätzlich anderer Ansicht sind, sollte in unserem Beitrag deutlich geworden sein.

  3. Ich muss gestehen, dass ich es nicht über mich gebracht habe, den post bislang in gänze zu lesen: Wer seine Erkenntnisse über einen Antifeminismus aus dem Machwerk von Jung, der Magisterarbeit von Rosenbrock oder dem Pamplet aus dem Gunda-Werner Institut bezieht, der diskreditiert sich in meinen Augen soweit, dass er keinerlei Anspruch darauf hat, Ernst genommen zu werden, selbst wenn er noch Argumente bring.

    Jung hat im Auftrag der FES ein Patchwork aus Zitaten zusammengestellt, die er im Internet zusammengeklaubt hat. Warum er welche Zitate zusammengestellt hat, welche Erkenntnis er verfolgt und welchen Erkenntnisgewinn man nach der Lektüre seiner Schrift hat, kann er nicht angeben.

    Rosenbrock hat im Auftrag der Böll-Stiftung eine Magisterarbeit bei Ilse Lenz zweitverwertet. Die MA genügt keinerlei wissenschaftlichen Ansprüchen, geschweige denn, dass es eine erkennbare wissenschaftliche Methode geben würde.

    Schließlich das Werk von Frey et al.. Es ist in eindeutig derogativer Absicht erstellt und enthält einen Beitrag, in dem versucht wird, sich mit uns auf ScienceFiles anzulegen, und zwar über Popper, dessen denken der Autor des Beitrags second hand kennt.

    Wer sich selbst einen Eindruck machen will, dem seien diese Beiträge empfohlen:

    zu Jung:
    http://sciencefiles.org/2014/07/17/der-maskulismus/

    zu Rosenbrock
    http://sciencefiles.org/?s=Rosenbrock

    zum Versuch des Gunda-Werner Instituts, wissenschaftlich zu sein:
    http://sciencefiles.org/2013/07/10/bewegung-im-huhnerhaus-wir-liegen-den-genderisten-im-magen/

    1. Ich muss gestehen, dass ich es nicht über mich gebracht habe, den Kommentar bislang in Gänze zu lesen: Wer seine Kritik an einem Blog mit Pamphleten und Machwerken des eigenen Blogs begründet, der diskreditiert sich in meinen Augen soweit, dass er keinerlei Anspruch darauf hat, ernst genommen zu werden, selbst wenn er noch Argumente bringt.

      1. Herr Klein ist einfach ein Prachtexemplar um zu verdeutlichen, wie der confirmation bias dieser ganzen Szene funktioniert.

        1. Ich wünschte, ich könnte von Ihnen auch sagen, dass sie ein Prachtexemplar sind …:))

          Aber confirmation bias klingt sehr gut und bedenken Sie, bei einem confirmation bias muss man immerhin Hypothesen haben, die man zu bestätigen sucht. Damit scheine ich Ihnen doch Lichtjahre voraus zu sein, der Sie mir ausschließlich aus einem Zustimmungs-Reflex, den ich über Pawlow erklären würde, zu handeln scheinen.

          1. Menschen wie Sie sind der Grund warum ich mit der größten Begeisterung Soziologie studiere und mir Geschlechterforschung ein echtes Anliegen ist :) Und jeden Tag bin ich froh darum, dass ich nicht mit einem Weltbild wie dem Ihren herumlaufen muss…

  4. Sie stellen m.E. zu Recht heraus, dass der Anti-Genderismus den Einfluss des Feminismus überschätzt — es wäre ja schön, wenn die feministische Kritik tatsächlich überall gehört und vor allem verstanden würde. Ich habe mich nur im Gegenzug gefragt: Ist denn der Anti-Genderismus tatsächlich in irgendeinem Sinne ernst zu nehmen? Gewiss, da wird rumgeschrien, wie es halt Menschen mit einem schwachen Nervenkostüm machen, denen schon die schiere Aussage, dass Frauen benachteiligt sein könnten, Schaum vor den Mund treibt. Aber man kann doch nur hoffen, dass diese Menschen mal ein paar einfache Entspannungstechniken lernen, dass sie sich nicht so aufregen müssen; mit Argumenten ist da nichts zu machen. Jedenfalls: „Die Mächtigen“ (müsste man jetzt natürlich viel genauer aufdröseln) haben den Anti-Genderismus doch gar nicht nötig, sprich, die Anti-Genderisten werden weiter rumnölen und jammern, aber mit noch weniger Einfluss als „die Feministinnen“ (und Feministen) (müsste man natürlich auch viel differenzierter betrachten) — die Ungleichheitsverhältnisse sind eh schon verfestigt genug, da ist der Anti-Genderismus nur eine ephemere Dreingabe unbedeutender Gestalten, die wie kleine Kinder versuchen, durch Geschrei Aufmerksamkeit zu erhalten.

    Kurz und gut: Mein Eindruck bislang ist, dass man mit dem Anti-Genderismus in gut Karl Valentin’scher Manier verfahren kann („gar net ignorieren“), ja sogar sollte. Oder täusche ich mich da? Das wäre nun allerdings wirklich ein Ding.

    1. Lieber Herr Ludwig-Mayerhofer,

      endlich finde ich jemanden, der sich mit Feminismus auskennt und erklären kann, worin das feministische Forschungsprogramm besteht. Ich will daher die Gelegenheit nutzen, Sie, wie Lakatos dies genannt hat, nach dem harten Kern, dem theoretischen Zentrum des Feminismus zu fragen und wenn wir schon dabei sind, wäre ich ihnen verbunden, für eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Hypothesen, die aus diesem harten Kern abgeleitet werden können sowie ein paar Referenzen zu deren Prüfung, also ein paar einschlägige Studien, die belegen, dass das, was der Feminismus behauptet, auch vorhanden ist. Es dürfen auch gerne Meta-Analysen sein.

      (Bitte nichts, was mit statistischen Artefakten wie dem Gender Pay Gap oder sonstigen soziologisch nicht ernstzunehemenden Phantasien zu tun hat, also nichts, wo sich jemand ein Abstrakta vorstellt und dann einen Operationalisierung herbeiphantasiert, sondern nur Studien, die soziale Tatsachen im Sinne Durkheims zum Gegenstand haben).

      Wir suchen schon seit Jahren händeringend nach den enstprechenden Studien und nun hat Sie der Zufall vor meine Nase kommentiert.

      In freudiger Erwartung

  5. Nachtrag:

    Natürlich habe ich registriert, dass es zu Hasskampagnen und ähnlichen Dingen von Seiten der Anti-Genderisten kommt. Dagegen muss selbstverständlich (gegebenenfalls seitens der Staatswanwaltschaft) etwas unternommen werden, dagegen ist Wachsamkeit nötig. Nur eben: Breiteren politischen und gesellschaftlichen Einfluss sehe ich nicht.

  6. Ich muss gestehen, dass ich es nicht über mich gebracht habe, den Kommentar bislang in Gänze zu lesen: Wer seine Kritik an einem Blog mit Pamphleten und Machwerken des eigenen Blogs begründet, der diskreditiert sich in meinen Augen soweit, dass er keinerlei Anspruch darauf hat, ernst genommen zu werden, selbst wenn er noch Argumente bringt.

    Also haben Sie den Kommentar doch bis zum Ende gelesen, woher sonst sollten Sie ihre Kenntnisse über ScienceFiles sonst haben?

    1. Unabhängig davon, dass die Bedeutung von „in Gänze“ eine andere ist, als „das Ende lesen“ und Ihnen der Begriff „scrollen“ bekannt sein dürfte, sollte Ihnen meine Intention eigentlich deutlich geworden sein.

  7. Danke für diesen prägnanten Beitrag. Es ist nicht verkehrt immer wieder darauf zu verweisen, wie wichtig der Einbezug der Interdependenz sozialer Differenzkategorien für die fundierte Analyse von Ungleichheitsphänomene ist. Zu oft wird eine serielle Abfolge von Zuständen angenommen (nicht dies wird angenommen, sondern jenes…siehe erster Kommmentar vom Beobachter der Moderne), während vielmehr eine kontextabhängige Gleichzeitigkeit in den Ursachen
    für bestimmte (Ungleichheits-)Phänomene und deren Veränderung vorliegt. Man bewegt sich also irgendwo zwischen einer „Semantik der Gleichheit“ bzgl. Geschlecht und einer konstanten Sichtbarmachung von Geschlecht als Ursache
    für alles Mögliche. Berechtigterweise kann man dann auch
    nach der tatsächlichen Reichweite und auch Gültigkeit der Analysekategorie Geschlecht als sozialer Ordnungs- und auch Personenkategorie stellen, darf sich dann aber auch nicht wundern, dass es gute Gründe für ein Festhalten daran gibt (siehe Jens Alber vs. Jutta Allmendinger goo.gl/fv5yas).
    Ich fand auch den Punkt spannend, an dem ihr nochmal darauf verweisen unter welchen Umständen, die zunehmende Erwerbstätigkeit von hochqualifizierten Frauen
    mitunter erst ermöglicht wird. Das Klassen/Status/Schicht/Mobilitäts-Thema ist ja auch noch nicht vom Tisch.
    Was mich aktuell noch etwas beschäftigt ist die Verwendung des Wortes „Anti-Genderismus“. Einerseits beschreibt es diese Ideologie genau als das, was sie ist. Eine Einstellung, die sich als Gegensatz zu einer vermeintlichen Gender-Ideologie positioniert. Andererseits vermittelt die Verwendung des Begriffs(aus meiner Sicht) eben durch diese Implikation, dass es diesen angenommenen Genederismus tatsächlich gäbe. Wie steht ihr dazu?

    1. Danke für die Frage zur Begrifflichkeit des Anti-Genderismus.
      Der Begriff Genderismus stammt eigentlich von Erving Goffman. Damit drückt er aus, dass Menschen bestimmte Vorstellungen über geschlechtstypische Verhaltensweise übernehmen und danach entsprechend handeln.
      Wenn wir hier von Anti-Genderismus sprechen, beziehen wir uns auf Gruppen, die unter Genderismus all das sammeln, was wir als (soziologische und andere) Geschlechterforschung, Gleichstellungspolitiken, etc. bezeichnen würden. In dem Sinne ist Anti-Genderismus eigentlich Antifeminismus.

  8. Herr Schenk,

    Menschen wie Sie sind der Grund warum ich mit der größten Begeisterung Soziologie studiere und mir Geschlechterforschung ein echtes Anliegen ist :) Und jeden Tag bin ich froh darum, dass ich nicht mit einem Weltbild wie dem Ihren herumlaufen muss…

    Wie wenig es doch für Sie braucht, um ausfällig zu werden…
    Ich finde es hochinteressant, dass Sie denken, Sie würden mein Weltbild kennen. Ich bezweifle das massiv, schon weil ich fürchte, dass Sie Opfer Ihres eigenen Confirmation Bias sind, den Sie ja so gut zu kennen scheinen. Aber ich will Ihnen eine Gelegenheit geben, ihre neu erworbenen soziologischen Kenntnisse anzubringen.

    Also denken Sie einmal von Max Weber und seinen Handlungstypen her, mischen Sie das Ganze mit den Randbedingungen, die Bourdieu in seinen feinen Unterschieden beschreibt und würzen dasselbe mit Boudons Arbeit über die Bildungsexpansion und dann erzählen Sie mir etwas von mir.

    Und ich behalte mir vor, Sie nach Kahneman und Tversky zu zerlegen, schon weil „Menschen, wie“ ich, Soziologie und Sozialpsychologie, u.a. studiert haben.

    Eine Tipp gebe ich Ihnen aber dennoch vorab: Sich mit Geschlechterforschung abzugeben, wirkt sich nicht auf ihre Attraktivität für andere aus …

    1. Na wenn es für Sie schon ausfallend ist, dass ich froh bin nicht ihre Weltsicht zu teilen, dann kann ich Ihnen leider auch nicht helfen. Nach dem Kommentar hier stelle ich aber eines fest: Sie sind ziemlich gut darin auf paternalistische Art und Weise mit Namen um sich zu werfen. Ist ja schön, dass sie mir großspurig irgendeine Gelegenheit einräumen und Tipps geben möchten aber danke, nein danke.

  9. Wie, erst große Töne spucken und sich dann in die Schmollecke setzen?

    Soll ich denken, dass Sie mit dem Mund schneller sind als mit dem Hirn?

    Dabei waren die Hinweise doch ganz eindeutig:
    Max Weber: zweckrational, wertrational, affektiv, traditional
    Bourdieu: Habitus, soziales Feld, sozialer Raum
    Boudon: Fahrstuhleffekt

    Aber als Soziologe, der Sie sein wollen, sollte Ihnen doch dazu etwas einfallen – oder gehören Sie zu denen, die außer Geschlecht nichts mehr kennen?

    1. Dafür, dass sich meine Beschäftigung mit Geschlechterforschung anscheinend nicht auf meine Attraktivität für andere auswirkt, habe sie eine ganz schöne Obsession für meinen Namen entwickelt. Aber mal ernsthaft…Warum sollte ich mich mit jemandem inhaltlich abgeben, der scheinbar Wissenschaftlichkeit predigt und gleichzeitig einen akademischen Ghostwriter-Service (http://ghostwriter-24.de/?page_id=56) anbietet?

      1. Es war vorherzusehen, dass Sie dann, wenn Sie nach Argumenten gefragt werden und sich in der Notlage sehen, etwas beibringen zu müssen, was Ihre Behauptungen stützt, kneifen.

        Ebenso war es vorherzusehen, dass Sie dann, wenn Sie sich in dieser Notlage sehen, mit einem argumentum ad hominem versuchen, denjenigen, den Sie als Ihren Gegner ansehen, zu diskreditieren.

        Ein ziemlich erbärmlicher Versuch in Ihrem Fall, bei dem ich mich frage, wo Sie die Gewissheit hernehmen, mit der Sie hier agieren, und zwar hart am Rand einer strafrechtlichen Relevanz. Das kann ich Ihnen als der Gerichtsreporter, der ich über 10 Jahre gewesen bin, sagen.
        http://www.lans-online.de (Ist Ihrer Nachforschung scheinbar entgangen).

        Ansonsten muss ich Sie enttäuschen, denn mit Ihrem Namen habe ich keine Obsession entwickelt (Wenn Sie sich Grumph nennen würden, wäre mir das genauso egal). Ich kann es nur nicht leiden, wenn jemand versucht, mir mit inhaltsleerer Wortonanie und unter der Gürtellinie und unter Abwesenheit auch nur eines benennbaren Argumentes zu begegnen. Ein derart ärmliches Verhalten finde ich in verabscheuungswürdig und, da ich, wie Sie ja wissen, weil Sie meine Weltsicht zu kennen vorgeben, aus der Arbeitschicht komme und prätentioses absolut nicht ausstehen kann, habe ich mir die Zeit genommen, Ihnen Ihre Grenzen aufzuzeigen, quasi eine Form der Nachhilfe von einem aus der bildungsfernen Schicht für einen aus der bildungsimaginierenden Schicht.

  10. Liebe Mit-Diskutand_innen

    ich fürchte, hier geht bei Vielen Vieles durcheinander. Das ist manchmal produktiv, aber einer sachlichen Diskussion letztlich nicht wirklich zuträglich.
    Mein Sortierungsangebot:

    Gender (Studies) –> multidisziplinäre Forschungkonstellation, die bei aller Heterogenität der Methoden, Perspektiven, epistemologischen Rahmungen und Themen die soziale, kulturelle, ökonomische, medial vermittelte, technologisch ko-konstruierte Dimension von Geschlecht als GENDER analysiert. In den soziologischen Gender Studies umfasst dies statistisch-deskriptive Methoden der Sozialforschung ebenso wie qualitative Methoden; theoretisch-begriffliche Überlegungen ebenso wie kultur-, jugend-, medien-, religions- usw. soziologische Zugriffe. In den GENDER Studies wird in der Tat ein naiver Naturalismus, wie er das Alltagsdenken vielfach prägt, zurück gewiesen. GENDER wird also verstanden als soziale Konstruktion – was auch immer das heißt. Und das kann Verschiedenes heißen. Besonders prominent ist in der soziologischen Geschlechterforschung (Gender Studies in der Soziologie) die ‚Differenzierungsforschung‘ (z.B. Hirschauer 2003) im Anschluss an Goffman, Grafinkel, Bourdieu usw.. D.h. die empirische Frage, WIE sich die Geschlechterdifferenz im Alltag praxeologisch, diskursiv, institutionell usw. herstellt und verändert.

    Gender Studies im (sicherlich zu knapp) beschriebenen Sinne haben seit jeher ein je nach Autor_in und Methode ausgesprochen variierendes Verhältnis zu feministischen Haltungen und Kämpfen und auch zu Gleichstellungs-policies. Diese drei Dinge – Gender (Studies), Feminismus, Gleichstellungsstrategien – sind NICHT dasselbe. Aber sie weisen durchaus komplexe, bisweilen konflikthafte, mal engere und mal losere Kopplungen und Verknüpfungen auf. Zum schwierigen, überwiegend explizit-reflexiven Verhältnis zwischen ‚Feminismus‘ und ‚Gender (Studies)‘ gibt es kilometerweise Fachliteratur. Ja, auch peer reviewte internationale ;-)

    Gender Studies sind ‚Verunsicherungswissenschaften‘ (Degele 2003) insofern sie mit dem Alltagsdenken (Garfinkel 1967 und Kessler/McKenna 1977), dem lebensweltlich Selbstverständlichem (Schütz; Berger/Luckmann) bzw. der Doxa (Bourdieu 2005) brechen. Aber, so trivial wie wahr, darin unterscheiden sich die Gender Studies kaum von anderen Feldern der Soziologie.

    Diese Herangehensweise (als ‚Genderismus‘ etikettiert) halten manche für unwissenschaftlich und für den Untergang der Soziologie, der Familie, der Menschheit und des Abendlandes sowieso. Manche bezeichnen uns, die wir Gender Studies bzw. Geschlechtersoziologie machen als „arschgefickte Lesben“, „Arschloch-Schlampen“ oder beschuldigen uns „verklemmte Emanzen“ der destruktiven Verschwendung von Steuergeldern.

    Fröhliches Diskutieren (und flamen, wer’s mag und braucht) weiterhin

  11. lohnt sich wahrscheinlich nicht bei gegen erkenntnis gerichtetem – para noia – zu texten, unterstützte daher beitrag von w l-m

  12. ich beobachte, dass sich hier (außer den autorinnen) männer über (anti-)feminismus streiten. die klügeren frauen schweigen, schmunzeln, lehnen sich zurück und machen in der zeit lieber karriere, kinder & küche zusammemn. bravissme! frauen lassen sich nicht mehr aufhalten, weder in der forschung noch in ihren berufen oder in ihrem privatleben. die ära des paternalismus ist vorbei … und das ist gut so.

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