Diskussionsvorlage der Kommission „Mittelbaupräsenz“ der DGS
Mitglieder der Kommission: Birgit Blättel-Mink, Heike Delitz, Stephan Lessenich, Martina Löw, Peter Ullrich
Das Konzil der DGS hat den Vorstand beauftragt, eine Kommission einzurichten, deren Aufgabe es ist, ergebnisoffen zu prüfen, ob und wieweit die Präsenz des Mittelbaus und anderer Interessengruppen in den Gremien der DGS erhöht werden kann. Die Kommission hat dazu eine Vorlage erarbeitet, welche eine Änderung der DGS-Satzung impliziert und nun in der Mitgliedschaft diskutiert werden soll.
GLIEDERUNG DER DGS-MITGLIEDSCHAFT IN STATUSGRUPPEN
- Hochschullehrer:innen und sonstige Promotionsberechtigte
- Mittelbau (Mitarbeitende, Lehrbeauftragte, LfBA, Personen ohne feste Stelle, etc.)
- Studierende
VORSCHLÄGE ZUR QUOTIERUNG DER GREMIENPLÄTZE BEI DEN DGS-WAHLEN (KONZIL, VORSTAND)
Konzil (30 Plätze insgesamt)
- max. 24 Hochschullehrer:innen
- mind. 4 Mittelbauler:innen
- max. 2 Studierende
Pro Wahl der Hälfte des Konzils (N=15) würden also bis zu 12 Plätze für Hochschullehrende, mindestens 2 Plätze für Mittelbauer:innen und bis zu 1 Platz für Studierende vorgehalten werden. Sollten aus einer Statusgruppe nicht ausreichend Kandidierende vorhanden sein, werden die Plätze mit Kandidierenden aus der nächsthöheren Statusgruppe aufgefüllt.
Eine Satzungsänderung ist hierfür nötig, um die Quotierungen festzulegen und um das passive Wahlrecht für Studierende einzuführen.
Vorstand inkl. Vorsitz (Erweiterung von 7 auf 9 Plätze)
- max. 7 Hochschullehrer:innen
- mind. 2 Mittelbauler:innen
- zusätzlich Einrichtung eines studentischen Beirats ohne Stimmrecht (4 Mitglieder, 2 Stellvertretende, nehmen 1-2 Mal jährlich an Vorstandssitzungen teil oder treffen sich anlassbezogen mit Vorstandsvertreter:innen); wahlberechtigt für den Beirat sind alle studentischen Mitglieder
Eine Satzungsänderung ist hierfür nötig, um die Quotierung festzulegen und um die Zahl der Mitglieder des Vorstands zu erweitern.
Vorsitz
Beim Vorsitz soll das passive Wahlrecht für Studierende weiterhin ausgeschlossen bleiben. Die Kandidatur für Mittelbauler:innen ist bereits jetzt möglich, und es wird kein weiterer Regulierungsbedarf gesehen.
Eine Satzungsänderung ist an dieser Stelle nicht nötig.
Als ich Ende der 1970er Jahre im Auftrag von Prof. M. Rainer Lepsius den gesamten damaligen Aktenbestand der DGS durcharbeitete, der anschließend ins Bundesarchiv abgegeben wurde, lernte ich viel aus diesen Akten über berühmte und weniger bekannte Soziologen und die Zeitumstände ihres Wirkens. Dabei fiel mir auch auf, wie intensiv mitunter über die Aufnahme neuer Mitglieder in die DGS diskutiert wurde und wie kritisch fallweise die Gütekriterien hierbei waren. Als ich selbst als Mitglied der DGS aufgenommen wurde, war immerhin noch die erfolgreiche Promotion (und zwei Mitgliederempfehlungen, glaube ich), die Aufnahmevoraussetzung. Ich will damit nur an relevante Fakten erinnern, jeder mag selbst urteilen, wie er diese Dinge sieht und einordnet.
Prof. Dr. Anton Sterbling (Fürth)
Was genauer ist für Sie die Relevanz dieser Fakten für die diskutierte Frage? Hier geht es ja um die Repräsentation der Mitgliedschaft und nicht darum, wer wie Mitglied werden kann. Was folgt aus früheren Regelungen der Mitgliedschaft warum für die aktuelle Frage?
Ich würde gerne nachvollziehen können, warum der Vorstand erweitert werden soll, damit der Mittelbau systematisch berücksichtigt werden kann. Die Hintergründe dieses Vorschlags wären hilfreich.
Stay sane and safe everybody, Christiane Schnell
Die Kolleg*innen der Kommission mögen mich ergänzen, aber eine wesentliche Überlegung war, dass der Arbeitsanfall im Vorstand über die Jahre spürbar zugenommen hat und es sinnvoll ist, die Aufgaben des Vorstands auf mehr Schultern zu verteilen. Zugleich ist zu berücksichtigen, dass „Mittelbauler*innen“ intensiv ins akademische Karriereregime involviert und dabei nicht selten (oder gar zumeist) prekär beschäftigt sind – die ehrenamtliche Tätigkeit in einem nicht erweiterten Vorstand sollte ihnen nicht auf die Füße fallen. Die personelle Erweiterung des Vorstands schien uns daher im Allgemeinen wie Besonderen funktional zu sein.
Herzliche Grüße nach Frankfurt ;-)
Die neue Satzung will wohl qua Quote die Mitsprache von Studis und Mittelbauis verbessern. Gleichzeitig will sie mit der Deckelung den DGS davor bewahren, dass lehrstuhllose Soziologieinteressierte die Wahlen für sich entscheiden und den Konzil dominieren. Macht diese eigenartige Doppelbegrenzung den Kern des DGS besser? Verbessert sie den DGS-Kongress und die DGS-Publikationen. Auf den ersten Blich scheinen mir zwei Extremvarianten in der Organisation der Kongresse wesentlich aussichtsreicher, die sich eher gegen die Intention der vorgeschlagenen Satzungsänderung stellen.
Was spricht dagegen für einmal die Wahl des Kongressthemas und Ablaufs des nicht diejenigen entscheiden zu lassen, die formal, qua ihres akademischen Titels als dazu fähig eingeschätzt wurden, sondern alle zahlenden DGS-Mitglieder. Für einmal könnten Ideen für den Kongress von beliebigen durch ein Preisgeld angelockten Teams eingegeben und den Mitgliedern die letztliche Wahl des Zuschlags überlassen werden. Vielleicht gewinnt der Vorschlag der WürdernträgerInnen im Konzil. Vielleicht aber auch derjenige eines ambitionierten StudentInnenteams. DGS-Kongress einmal ohne breitem Thema, mit dem alle Konzilmitglieder irgendwie können. DGS-Kongress einmal anders, dank offenem Wettbewerb um die Zustimmung der zahlenden Mitglieder.
Auch der anderen Extremlösung kann man einiges abgewinnen. Alle Mitglieder, die (noch) nicht zu akademischen Würden gekommen sind, könnten nicht nur aus dem Konzil, sondern überhaupt vom Kongressbesuch ausgeschlossen werden. Anstatt ein sehr allgemeines Thema mit unzähligen in der Regel mittelmässig passenden Vorträgen breitzutreten, könnten die Versammelten TitelträgerInnen zum Beispiel wichtige Weichen in der Nomenklatur der Soziologie stellen. Ein Periodensystem sozialer Beziehungen wird es aufgrund deren begrenzten Halbwertszeit wohl nicht werden können. Aber schon etwas mehr Ordnung von mittlerer Reichweite wäre nicht nur für LehrstuhlinnhaberInnen, sondern gerade auch für die ausserhalb der Akademie tätige Mehrheit ausgebildeter SoziologInnen sehr hilfreich, vielleicht hilfreicher als der Kongress in seiner jetzigen Form.
Auf den ersten Blick scheinen mir beide Extremvarianten wesentlich bereichender als den Konzil durch Quotenmittelbauis und Studis etwas diverser wirken zu lassen. Die Qualität des DGS-Kongresses und der DGS-Publikationen wird sich durch die Doppelquote nämlich mit grosser Sicherheit kaum verändern.
Wir haben in der Diskussion nicht an spezifische Aufgaben (wie Kongresse usw.) gedacht, sondern schlicht auf den Anspruch reagiert, dass der Mittelbau (der einen Großteil der Mitgliedschaft stellt, an den Unis einen Großteil von Forschung und Lehre leistet usw.), eine Präsenz in den entscheidungsberechtigten Organen haben möchte (und das Konzil ist unser Höchstes). Denn dort wird über Fragen von Forschung, Lehre, Berufspolitik usw. gesprochen und es ist wichtig die unterschiedlichen Perpektiven aller zu hören. Da die Wahrscheinlichkeit, gewählt zu werden, jedoch für meist weniger bekannte Personen ohne Professur geringer ist (noch dazu, wo wahrscheinlich die meisten diese Wahlentscheidung recht schnell nach theoriepolitischer oder Personenaffinität treffen) braucht es eine Quote [die rein formale Berechtigung reicht nicht aus], um ein Minimum dieser Vielfalt abzudecken. So ist eine gewisse Vielfalt gesichert und gleichzeitig auch, dass sehr erfahrene Vertreter*innen des Fachs diese Erfahrung ausreichend einbringen können. Es gibt übrigens keine Deckelung (außer für Studis), aber beim Mitttelbau ist es eine MINDESTQUOTE.
Aber der Reformprozess muss hier nicht aufhören. Auch andere Bereiche können reformiert werden (z.B. Entscheidung über das Kongressthema). Auch die Einbeziehung von Studierenden wird sich ändern können, wenn die Studierenden sich selbst „gefunden“ haben und eigene Ansprüche stellen (oder auch nicht). In der ÖGS, wo diese offensichtlich besser organisiert sind, sind Studierenden ohnehin immer im Vorstand vertreten. Entsprechend ist auch in der DGS ein Kulturwandel denkbar, der weiter vom Honorationemodell wegführt und grundsätzlich mehr Mittelbauler*innen in die Gremien bringt, über die Quoten hinaus.
Vielen Dank für diesen Vorschlag und den Anstoß zur notwendigen (weiteren) Diskussion! Meiner Wahrnehmung nach war einer der Gründe für diese Überlegungen – mehr oder überhaupt nicht-professorale Mitglieder in Gremien der DGS – auch ein inhaltlicher: Wir haben als Verband, so jedenfalls eine Diagnose, schlicht zu wenig die faktische soziologische Lehr- und Forschungspraxis ‚als Beruf‘ im Besonderen, die akademischen Karriere- und Tätigkeitswege im Allgemeinen im verbandspolitischen Blick. Es steht die kritische Frage im Raum, ob und wie sich die DGS verhält und umgeht mit der Tatsache, dass über 80% der an Hochschulen und Forschungsinstituten Beschäftigten (extrem) prekär beschäftigt sind.
Es gibt dazu sehr viel & sehr nuancierte Forschung aus dem Fach dazu. Womöglich nutzen wir diese Expertise zu wenig, um uns in der Hinsicht forschungs- und wissenschaftspolitisch zu engagieren?
Es geht also auch um inhaltliche, genuin soziologische Fragen und Themen. Und da stellt sich die eh maximal aktuelle Frage nach dem ‚Wer‘. Müssen ‚Betroffene‘ und der professionellen ‚Identität“ (**eyeroll**) nach ‚jene‘ / ‚solche‘ diese Fragen selber vertreten? Nur diese? Oder ist das, im Gegenteil, egal, solange das Thema präsent ist? Oder stimmt, wie ich meine, beides: Wir müssen MIT und von denen aus sprechen, die davon betroffen sind – und eh die Mehrheit der Mitgliedschaft ausmachen – aber wir sollten auch nicht so tun, als seien nur diese fach- und sachkundig, und als seien alle privilegierten Profesores unwillig / unfähig, diese Thematik nach innen und außen zu pushen.
In diesem Sinne: danke für den Debattenimpuls!
Paula Villa Braslavsky
Als Person, die dem Mittelbau angehört, aber auch allgemein als Soziologin, der unser „Berufsstand“ am Herzen liegt, muss ich sagen: Danke an die Kommission, die diesen Vorschlag erarbeitet hat! Die damit verbundenen (verbesserten) Möglichkeiten der Mitbestimmung und Sichtbarkeit nicht keine Lappalie und tragen sicher auch noch einmal dazu bei, sich als „Mittelbauler:in“ der DGS zugehörig und in ihr gehört zu fühlen. Die meiste Arbeit in der soziologischen community machen wir ja ohnehin (schon aufgrund der schieren Größe) ;)
Also danke, dann sind Schritte in die richtige Richtung!
Als ein langjähriger Angehöriger des Mittelbaus, der inzwischen glücklicherweise außerhalb der Universität eine Anstellung gefunden hat, nach wie vor DGS-Mitglied ist, wissenschaftlich als Soziologe tätig ist und über Publikationen, Uni-Lehre als Privatdozent und Tagungen am akademischen Betrieb teilnimmt, halte ich die vorgeschlagenen Änderungen in der Zusammensetzung von Vorstand und Konzil für äußerst sinnvoll und längst überfällig. Es stellt sich eher die Frage, ob die Änderungen weit genug gehen, da die DGS auf den akademischen Betrieb der Universitäten fokussiert bleibt. Durch eine Quotierung wird sich das Problem nicht lösen lassen, dass die Statusposition „Mittelbau“ instabil und prekär bleibt, da der Mittelbau überwiegend in der Weise gesehen wird, dass er das Ziel verfolge, dermaleinst in die Statusposition vorzurücken, die die Mehrheit in den Gremien bekleidet, die Professur. Es ist nicht damit zu rechnen, dass Personen des Mittelbaus in den Gremien der DGS die Interessen ihrer Statuspositionen genuin frei werden vertreten können, da sie ja in der Regel weiterhin befristet beschäftigt bleiben und daher außerhalb der DGS vom Wohlwollen derjenigen Statusposition abhängig sind, in die sie selbst vorzudringen sich erhoffen. Das Strukturproblem des Mittelbaus als einer Instanz, die ein Großteil der Forschung leistet, ohne ihre Leistungen angemessen gewürdigt zu wissen, wird die DGS durch die vorgeschlagenen Maßnahmen ferner kaum beeinflussen können, da sich das Befristungsregime innerhalb der Universitäten, der Bildungspolitik und den Institutionen der Forschungsförderungen unabhängig vom Fach äußerst stabil etabliert hat. Ein Problem der DGS besteht darin, dass sie sich zu wenig um Berufsperspektiven für Soziologen und Soziologinnen außerhalb des akademischen Betriebes kümmert. Es wäre m.E. sinnvoll auch Vertreter und Vertreterinnen der außer-universitären Soziologie gezielter einzubinden. Dazu müsste jedoch ermittelt werden, wo überall ehemalige Mittelbaubeschäftigte außerhalb der Universität „gelandet“ sind. Diese Personen sollten als Statusgruppe bei Aktivitäten der DGS gezielter gefördert und angesprochen werden. Eine Einbindung in Vorstands- und Konzilsaktivitäten wäre dann vermutlich ebenfalls zu prüfen.
Lieber Oliver Schmidtke, vielen Dank für diesen wichtigen Beitrag. In der Tat werden die genannten Probleme – das Befristungsregime, die Stellenstruktur, das Karrieresystem, die damit zusammenhängenden persönlichen Abhängigkeitsverhältnisse – durch den Vorschlag nicht berührt. Aber womöglich könnten diese Themen doch noch einmal einen größeren Stellenwert in der und für die DGS bekommen, wenn mehr Mittelbauler*innen in deren Gremien vertreten sind (auch wenn Paula Villas „Identitätspolitik“-bezogenes Augenrollen sicher nicht unbegründet ist; aber machen wir uns auch nichts vor: interessenpolitisch ist sich halt doch in der Regel Jede*r selbst der*die Nächste, da sind Professor*innen wohl eher keine Ausnahme). Und was eigentlich „immer schon“ auf der Agenda steht oder stünde, ist/wäre eine engere Kooperation der DGS mit dem Berufsverband BDS. Denn in der Tat: So wie die Dinge stehen, ist eine Dauerstelle im akademisch-universitären System für viele Soziolog*innen keine realistische Aussicht.
Liebe Kolleg*innen, vielen Dank für die anregende Diskussion. Leider können wir nicht alle Probleme auf einen Streich lösen. Mit der angedachten Satzungsänderung soll vor allem der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die DGS schon lange keine Veranstaltung von Professoren und Professorinnen mehr ist, dass sie vielfältiger und vielsprachiger geworden ist. Mit der Idee, für den Mittelbau verstärkt Positionen in Konzil und Vorstand der DGS zu schaffen und auch die Studierenden stärker an der Politik unserer Fachgesellschaft zu beteiligen, sollen die Positionen aller Statusgruppen Gehör finden. Damit lösen wir das Problem der zunehmenden Prekarisierung des wissenschaftlichen Mittelbaus nicht, aber wir können auch nicht mehr darüber hinweg gehen. Der DGS Ausschuss „Soziologie als Beruf“ ist auf Dauer gestellt und wird nicht zuletzt umsetzen, was in den dann erweiterten Gremien beschlossen werden wird. Was die Kooperation zwischen BDS und DGS betrifft, so sind die Vorstände seit Jahren im Gespräch, und teilen wir auch im Vorstand die Wahrnehmung des BDS, dass die Berufsfelder von Soziolog*innen nicht allein auf die Academia beschränkt sind und dass es Sinn macht, außeruniversitäre Berufsfelder verstärkt in den Blick zu nehmen. Für manche Mitglieder mag die geplante „Reform“ nicht weit genug gehen, für andere mag sie hingegen revolutionäre Züge haben. Die DGS ist mit diesem Vorhaben, das ist meine feste Überzeugung, auf einem richtigen Weg – nicht zuletzt dank der Beharrlichkeit einiger unserer Mitglieder, Mittelbauler*innen wie Hochschullehrer*innen. Nun freuen wir uns auf weitere anregende Diskussionen an diesem Ort.
Ihre Birgit Blättel-Mink
Liebe Kolleg*innen,
ich freue mich sehr darüber, dass seit den letzten Wahlperioden mehr Mittelbauangehörige in den Gremien der DGS vertreten sind und dass die DGS durch die bereits erfolgte Änderung ihrer Wahlordnung die Nominierungsverfahren auf breitere Füße gestellt hat, so dass eine Vielfalt unter den Kandidierenden und somit unter den Gremienmitgliedern systematisch gefördert wird. Gegenüber einer festen Quote möchte ich jedoch einige skeptische Gedanken zum Ausdruck bringen.
Mit einer Quote markiert man eine Priorität einer Differenzierung, und man könnte meinen, mit der Zugehörigkeit zu einer Statusgruppe gingen dann auch systematisch Interessen einher, die konträr zu denen anderer Statusgruppen stünden. Es wäre beispielsweise erst einmal zu klären, inwiefern systematisch ein anderes Kongressthema gewählt würde, wenn ‚der‘ (in sich heterogene) Mittelbau darüber befinden würde. Und wechseln gerade Neuberufene dabei die Seiten? Auch bislang ist, um bei dem Beispiel zu bleiben, das Kongressthema keine einsame Entscheidung des Vorstands mit Zugeständnissen an das lokale Organisationsteam, sondern die Sektionen als wichtige Differenzierungslinie in der DGS – in denen auch viele Mittelbauangehörige engagiert sind – sprechen hier richtigerweise mit. Man kann nun bei jedem Beispiel entgegnen, es sei ein schlechtes Beispiel, aber ich denke, es gibt viele wichtige Themen in der Fachgesellschaft, in der die Statusgruppenzugehörigkeit nicht zwingend Differenzen begründet. Das Thema der prekären Beschäftigung im Mittelbau bleibt wichtig, es ist gut, dass die DGS einen dauerhaften Ausschuss ‚Soziologie als Beruf‘ eingerichtet hat, in der sich Vertreter*innen verschiedener Statusgruppen an einem Strang ziehend unter anderem für bessere Beschäftigungsbedingungen einsetzen.
Markiert man eine Differenzlinie als prioritär, heißt dies gleichzeitig, dass andere dann nicht mehr die gleiche Beachtung finden können, seien es Merkmale wie Gender, Beschäftigung an Unis, FHs oder anderen Einrichtungen oder inhaltliche Zugehörigkeiten wie ‚quanti‘, ‚quali‘ oder v.a. theorieorientiert – wobei man über wichtige Merkmale und die Anzahl ihrer zugeschriebenen ‚Schubladen‘ dann endlos diskutieren könnte. Das heißt nicht, dass man die Diskussion gar nicht erst beginnen sollte, sondern dass man zunächst einmal gemeinsam aufspürt, welche Themen, Interessen oder Vorschläge möglicherweise unangemessen vernachlässigt sind. Ich möchte mich für eine Kultur der Augenhöhe in der DGS aussprechen, in der vielfältige Stimmen Gehör finden. Gremien sollten Anregungen und Vorstöße der Mitglieder systematisch ernst nehmen, egal aus welcher ‚Gruppierung‘ sie kommen. An temporären Institutionalisierungen wie Ausschüssen oder Initiativen sollten in transparenter Weise diejenigen beteiligt sein, um die es geht. Meinem Eindruck nach gibt es dafür in der DGS auch sehr gute Beispiele. So sind etwa in der aktuellen Diskussion um Veränderungen des Lehramtsstudium Sowi zu Lasten der Soziologie in NRW zu Recht Vertreter*innen der Fachschaften beteiligt.
Ich finde die Diskussion in der DGS über eine mögliche Satzungsänderung gut, denn ich denke, dass man solche Festlegungen nicht als statisch ansehen kann, sondern sie bei Bedarf immer wieder auf den Prüfstand stellen muss. Und wenn man dann bei genauem Hinsehen und -hören Genaueres darüber erfährt, welche und wessen Stimmen unterzugehen drohen, muss man etwas tun. Eine Quote für ‚den‘ Mittelbau scheint mir dafür aber erst einmal nicht die Lösung zu sein.
Ich bin für diese Satzungsänderungen, weil sie eine Mindestrepräsentanz an Vertretung aus dem Mittelbau garantieren. Der Anteil kann sich ja per Wahl durchaus erhöhen, das ist in Hochschulgremien im Gegensatz dazu üblicherweise anderes geregelt, um der höchsten Statusgruppe bei Eintscheidungen immer die Mehrheit zu garantieren. In diesem Sinne finde ich, wenn ich alles richtig verstanden habe, den Vorschlag geradezu fortschrittlich.
Ich begrüße den Vorschlag und finde es gut, dass auch Studierenden zunehmend ein fester Platz in der DGS eingeräumt wird. Gut, dass die am Anfang etwas irritierende Zuteilung noch mal mit der Ergänzung von „min.“ und „max.“ geklärt wurde.
Meine Erfahrung auch als Mitglied des Ausschusses „Soziologie als Beruf“ ist, dass eine Vertretung des Mittelbaus über die unterschiedlichen Gremien der DGS hinweg sehr wichtig ist.
Ich begrüße den Vorschlag sehr, zumal sich bereits bei Sektionswahlen immer wieder zeigt, dass Wissenschaftler:innen aus dem Mittelbau geringe Chancen haben, gewählt zu werden, wenn genügend Professor:innen sich zur Wahl stellen, die nun mal meist bekannter sind.
danke! Ehrlich gefragt: warum wählt der Mittelbau ’sich‘ nicht selbst und ist das nicht ein Zeichen mangelnder Identifikation mit den Themen / dem Status, wenn dann – bei ja hoher Wahlbeteiligung – ‚(bekanntere) Profs‘ gewählt werden? ich meine das weder als böse noch rhetorische Frage, sondern ehrlich: wie soll die DGS dieses Wahlhandeln beurteilen?
wer hat dazu Ideen?
HG
Paula Villa Braslavsky
Liebe Frau Villa Braslavsky,
ist das nicht ein Zeichen „gelungener“ Sozialisation in das akademische System? In diesem Sinne wählt der Mittelbau eben wie auch die anderen Fachbeteiligten wählen und nicht an ihrer eigenen Statusgruppe orientiert. Von dieser Tatsache aus gesehen, erscheint es sinnvoll, eine Quotierung einzuführen, da ja anscheinend eine Stärkung der Repräsentanz des Mittelbaus über die Wahl nicht ermöglicht wird.
Es stehen sich, lieber Herr Albrecht, hier auch Ideal und Praxis gegenüber: Das Ideal mag sein, dass hier meritokratisch Individuen über die Ämter anerkannt werden, schaut man auf die Praxis, sind es eben bestimmte Individuen, die gewählt werden – und ich vermute, sich auch überhaupt zur Wahl stellen. Es stellt sich (zu ihrem 4. Punkt) aus meiner Sicht die Frage, ob die DGS als eine wissenschaftliche Fachgesellschaft, eben nicht zugleich auch das Fachinteresse derjenigen deutlicher vertreten möchte, die zu dem Fach gehören, aber weniger Gehör finden bzw. sich dieses scheinbar auch nicht deutlich verschaffen.
Liebe Frau Dreier,
selbstverständlich haben Sie recht: im Verkehr „der Gleichen“ gibt es aufgrund vorausgehender Statusunterschiede ganz unterschiedliche Chancen, sich Gehör zu verschaffen. Und glauben Sie mir: die Anliegen und die Sorgen der wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen liegen mir am Herzen. Die Frage ist nur, ob ihnen durch die Einführung einer Quote in der DGS gedient ist. Ich bin da eher skeptisch und glaube, es wird durch die Verbandsarbeit nur eine weitere Profilierungsebene der Konkurrenz innerhalb des Mittelbaus um die leider viel zu knappen Dauerstellen entstehen. Damit bildet sich wie schon an den Universitäten ein neuer Typus aus: Verbandsmittelbauler:innen, wie die typischen Gremienvertreter:innen (schon bei Schwanitz im Campus charakterisiert als diejenigen, die zwar im System bleiben, darin aber keine Karriere machen). Ich würde meinen eigenen Mitarbeiter:innen nicht empfehlen, sich hier zu engagieren, weil ihnen die Zeit, die sie dort investieren, an anderer Stelle fehlt: bei der nach wie vor zentralen Profilierung durch gute und originelle Qualifikationsarbeiten und Publikationen. Deshalb halte ich meinen Leuten, wo immer es geht, den Rücken frei für die eigene wissenschaftliche Arbeit. Und dass eine verstärkte Repräsentanz des Mittelbaus in der DGS an den grundlegenden hochschulpolitischen Parametern etwas ändern kann (Unterfinanzierung der Universitäten, Verlagerung der Wissenschaftsetats in die Projektförderung, eine dadurch verstärkte Konkurrenz um die wenigen Dauerstellen), glaube ich nicht.
Bei der Entscheidung über die Frage, ob die DGS in ihren Gremien Quoten für „den Mittelbau“ einführen soll, lohnt auch ein Blick in die Satzungen anderer wissenschaftlicher Gesellschaften.
Die Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft kennt nichts dergleichen. In der Deutsche Gesellschaft für Politikwissenschaft wird der Vorstand aus den Mitgliedern ohne jede weitere Strukturierung gewählt. Der Verband deutscher Historiker und Historikerinnen spricht für eine Mitgliedschaft auch dezidiert Lehrer/innen, Archivar/innen, Bibliothekar/innen und Mitarbeiter/innen von Museen sowie Privatpersonen an, die über ein abgeschlossenes Studium oder literarische Arbeiten auf dem Gebiet der Geschichtswissenschaft verfügen. Der leitende Ausschuss wird ohne Quotierung dieser oder anderer Gruppen frei aus der Mitgliedschaft gewählt.
Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie setzt für ihre ordentliche Mitgliedschaft die Dissertation und mindestens eine wissenschaftliche Publikation voraus. Sie unterscheidet zwischen ordentlichen, assoziierten, studentischen, institutionellen und assoziiert-institutionellen Mitgliedern. Im Vorstand können die Ämter nur durch ordentliche Mitglieder besetzt werden. „Ferner ist eine Jungmitgliedervertreterin bzw. ein Jungmitgliedervertreter Mitglied des Vorstandes. Als Jungmitgliedervertreterin bzw. Jungmitgliedervertreter können alle ordentlichen und assoziierten Mitglieder gewählt werden, die zum Zeitpunkt der Wahl über einen Master-Abschluss (oder äquivalent) verfügen und vor weniger als acht Jahren promoviert wurden.“
Diese Beispielreihe zeigt, dass die DGS mit einer Quotierung nach Statusgruppen ein Sondermodell einführen würde, und zu überlegen wäre, ob es dem Ansehen der Soziologie im Kanon konkurrierender Fächer dient oder eher nicht dient.
Es gibt sicher viele Argumente, die dafürsprechen. Die Kommission „Mittelbaupräsenz“ wird sie erwogen haben. Es gibt aber auch Argumente, die dagegensprechen. Ich nenne die soziologisch relevanten:
1. Wie viele Mitglieder der DGS sind nicht an Hochschulen tätig, werden also bei einer Quotierung nach Hochschulgruppen in ihrem Status nicht repräsentiert?
2. Die Quotierung nach Hochschulgruppen folgt einem durch Institutionenordnungen vorgegebenen (vielleicht typisch deutschen) ständischen Denken (wo bleibt „der Unterbau“, die Quotierung studentischer Mitglieder:innen?). Moderner als eine solche Stratifikation wäre es, Identitätsgruppen zu quotieren (gender, race, religion), aber dies führt ins Fluidum eines rapiden sozialen Wandels, der sich kaum in stabilen Satzungen fixieren lässt.
3. Die moderne Gesellschaft entstand mit den freien Assoziationen, deren Mitglieder:innen alle gleich sind und sich als Individuen gegenüberstehen, nicht als Angehörige einer sozialen Gruppe. Als Individuen werden sie meritokratisch anerkannt und für Ämter oder Aufgaben gewählt.
4. Die DGS ist eine wissenschaftliche Fachgesellschaft, nicht die Interessenvertretung der Professor:innen, Gewerkschaft des akademischen Mittelbaus oder fachspezifisch-gesamtdeutsche Studierendenvertretung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich beziehe mich zustimmend auf die Beiträge von Anna Wanke, Oliver Schmidtke , Stephan Lessenich und anderen und möchte den Vorschlag begründen, eine Quote – oder vielleicht reicht auch ein simpler Indikator – für den Anteil forschender Soziolog*innen, die keine besoldete Professur innehaben, in den Gremien der DGS vorzusehen. Die Abkürzung DGS heißt bekanntlich „Deutsche Gesellschaft für Soziologie“ und nicht: „Deutsche Gesellschaft zur Vertretung berufsständischer Interessen besoldeter Soziologie-Professor*innen und ihrer potentiellen Nachfolger*innen“. Ein zu großer Anteil besoldeter Professor*innen in den Gremien gefährdet den Ruf der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Bei Etikettierungen fordern schon die Bilanzgesetze ‚Klarheit und Wahrheit‘.
Ein kurzer Blick in benachbarte Fachgesellschaften zeigt schon die Unangemessenheit einer Vorstellung vom „Mittelbau“ auf dem Wege zur Professur. Selbstverständlich sind forschende niedergelassene Psycholog*innen und oft befristet angestellte Chef- und Oberärzt*innen, die in den Gremien ihrer Fachgesellschaften aktiv sind, kein Mittelbau. Und sie stellen auch ihre Aktivitäten in den Gremien keineswegs ein, wenn sie keine besoldete Professur (mehr) anstreben. Sie sind kein Mittelbau, sondern „senior, voll und ganz“. Auch in der Soziologie gilt: Ob eine forschende SoziologIn eine besoldete ProfessorIn ist, hängt von knappen Vakanzen und mancherlei Zufällen ab. Keinesfalls ist eine forschende SoziologIn nur dann eine gute FachvertreterIin der Soziolgie, wenn sie eine besoldete Professur innehat. Das denkt niemand. Das sieht auch die DFG seit langem so: Schon vor knapp 40 Jahren wurden Anträge auf Finanzierung eines Sonderforschungsbereichs nicht nur von wM geschrieben, sondern auch unterschrieben. wM leiteten Projekte in SFBn und arbeiteten als Vorstände von SFBn. Nach meiner Erinnerung war mindestens ein Vorsitzender der DGS nie in seinem Leben besoldeter Professor. War er ein im Alter fortgeschrittener Mittelbauer auf dem langen Weg zu erhofften besoldeten Professur? War er versehentlich in der falschen Fachgesellschaft und hätte eigentlich im BDS sein müssen? Nö, keines von beiden. Er war ein forschender Soziologe und daher in der DGS ganz richtig. Die forschenden SoziologInnen verteilen sich in mindestens drei Gruppen: a) Die Studierenden einschließlich der in Promotionsstudiengängen und Graduiertenkollegs Studierenden. b) Die InhaberInnen einer besoldeten Professur. c) Die ausgewiesenen forschenden SoziologInnen innerhalb und außerhalb der Universitäten. Die letzteren als Mittelbau auf dem Wege zur besoldeten Professur zu bezeichnen, ist unangemessen, wenn nicht beleidigend. Soziologie ist ein Beruf. Alle drei Gruppen bilden und qualifizieren sich (hoffentlich) fort, übrigens auch die RentnerInnen; das unterscheidet sie nicht. Ohne dramatisch werden zu wollen: Eine Fachgesellschaft, die weit überwiegend aus besoldeten ProfessorInnen und ihrem Nachwuchs besteht, ist tot, weil sie bald jeden Einfluss auf die Fachpraxis verliert. Wenn die bald 200 Fachgesellschaften der AWMF nicht die forschend praktizierenden BerufskollegInnen außerhalb der Universität in ihren Gremien hätten, wären sie als Fachgesellschaften nahezu irrelevant und einflusslos. Daher indiziert der Anteil der oben genannten Gruppe c in den Gremien, ob die DGS die „Deutsche Gesellschaft für Soziologie“ ist oder die „Deutsche Gesellschaft zur Vertretung berufsständischer Interessen besoldeter Soziologie-ProfessorInnen und ihrer potentiellen NachfolgerInnen“. Wenn sie die Deutsche Gesellschaft für Soziologie ist, kann sie das Wort Mittelbau ins historische Museum überstellen, wo das Zephir schon sitzt.
Übrigens ist das Verhältnis von Profs zu ‚Mittelbau‘ wM in den Universitäten des DACH ein völlig hausgemachtes Problem. Als ich in den USA arbeitete, waren über 70 % der forschenden Uniangestellten Profs, im DACH ist es umgekehrt. Wer seinen PhD hatte, hatte auch bald einen der unterschiedlichen Prof-Titel. Der Titel war auch nicht Schall und Rauch. Er entsprach in Forschung und Lehre einer klaren Funktion, wenn er auch meist nicht mit „tenure“ verbunden war. Viele Profs hatten einen Vertrag von Anfang September bis Ende Mai -mit der Aussicht, im nächsten September wieder eingestellt zu werden. Die soziale Sicherung war eher schlechter als im DACH, und der gewerkschaftliche Kampf der Profs gegen die Prekarisierung äußerst notwendig. Da gibt es nichts zu beschönigen. Aber für Studierende und Kooperierende entsprach der Unterschied zwischen den verschiedenen Sorten von Profs – einschließlich der gar nicht von der Universität, sondern von ihren Heimatinstitutionen finanzierten assoziierten Profs – etwa dem deutschen Unterschied von W 2 und W 3 -Profs oder früher zwischen C 3 und C 4-Profs. Alle waren Profs. Im DACH hingegen ist der Unterschied zwischen einem Prof und einem erfahrenen Mittelbau wM keineswegs nur ein Unterschied im Gehalt (bei voller Stelle ist dieser Unterschied ohnehin weniger enorm als der rituelle) oder in der Fristigkeit des Vertrags. Es ist ein tiefgreifender ritueller Unterschied: Viele wichtige Prüfungen dürfen nur von Profs abgenommen werden, die erfahrenen wM-SoziologInnen dürfen nur Protokoll führen. Wenn ein großes Institut im DACH unter 25 erfahrenen ForscherInnen 2 Profs hat (in den USA wären fast alle PostDocs Profs), dann beklagen sich die Profs zu Recht über die hohe Belastung mit Prüfungen und Unterschriften. Sie sollten sich an die eigene Nase fassen bei der Ursachenanalyse. Viele wMs halten gute Seminare, aber im Vorlesungsverzeichnis unter dem Pseudonym „Prof WX und Mitarbeitende YZ“ oder unter der Fiktion, die Prof sei im letzten Moment leider verhindert, sie verträten sie nur – und das fast jede Woche wieder. Vollends deutlich wird der große rituelle Unterschied, wenn in Deutschland hier und da ernsthaft erörtert wird, ob die Freiheit von Forschung und Lehre nach Art 5.3 GG nur für Profs gelte oder auch für wM. Eine solche aberwitzige Diskussion erübrigte sich, hätten die erfahrenen SoziologInnen Prof.-Titel.
Selbstverständlich kann die DGS nicht durch Satzungsänderung bewirken, erfahrene SoziologInnen an Hochschulen seien mit einem Prof.-Titel auszustatten. Aber sie kann sich dafür einsetzen, ohne Angst vor der „Inflationierung“ der Prof-Titel. Und vor allem kann sie durch einen hohen Anteil forschender SoziologInnen ohne besoldete Professur innerhalb und außerhalb der Hochschulen indizieren, dass sie zu Recht Deutsche Gesellschaft für Soziologie heißt und nicht eigentlich „Deutsche Gesellschaft zur Vertretung berufsständischer Interessen besoldeter Soziologie-ProfessorInnen und ihrer potentiellen NachfolgerInnen“ heißen müsste.
Liebe Kolleg*innen,
ich möchte Johann Behrens gern in dem Hinweis beipflichten, dass mit der von Clemens Albrecht angeführten Argumentation über andere Fachgesellschaften die völlig verschiedenen Arbeitsmarktstrukturen (und -chancen) der genannten Fächer und dort tätigen Kolleg*innen ebenso vernachlässigt werden wie der von Johann Behrens dankenswerterweise in diesem Zusammenhang vollzogene internationale Blick. Daher wäre evtl. auch noch einmal an die Diskussion zu erinnern, die Silke van Dyk und Tilman Reitz zu den Privilegien anzustoßen versucht haben, die Professor*innen hierzulande im laufenden Mittelbau-System (abzugeben) haben („Projektförmige Polis und akademische Prekarität im universitären Feudalsystem“, in: Soziologie, Jg. 46, Heft 1, 2016).
Dass der Mittelbau den Großteil der oder sogar „die meiste“ Arbeit erledigt, wie das hier formuliert wurde, ist nämlich m.E. nicht das eigentliche Problem und diese Sichtweise verändert sich vermutlich auch mit einem „Seitenwechsel“: Das Aufgabenspektrum auf Professuren ist ja nun doch sehr viel anders und ich würde auch behaupten: größer. Stephan Lessenich etwa erklärt ja oben, dass es hier durchaus auch darum geht, Arbeit umzuverteilen, die mit solchen Ämtern und Funktionen einhergeht. Ich glaube deshalb, dass über die Arbeitslasten nicht das Hauptproblem angesprochen und daher auch nicht die beste Begründung für eine stärkere Beteiligung des Mittelbaus gegeben wird.
Umso wichtiger ist aber eine wissenschaftspolitische Verständigung zwischen den Gruppen außerhalb der prekären abhängigen Beschäftigungsverhältnisse, d.h. jenseits der eigenen Institute und Hochschulgremien. Und wenn es über eine „Selbstverpflichtung“ (Kandidaturen, Kandidat*innenaufstellung, Wahlen) nicht funktioniert, ist eine Quotierung m.E. zu begrüßen. Auch wenn nicht davon auszugehen ist, dass mit der Quotierung die hier vielfach angesprochenen Probleme (des Mittelbaus) gelöst werden, wüsste ich auch nicht, wodurch sie sonst gelöst werden sollten, wenn nicht durch Wissenschaftspolitik in/durch Berufsverband und Fachgesellschaft.
Ob dadurch andere Differenzierungen vernachlässigt werden, wie Nicole Burzan argumentiert, bezweifle ich. Erstens werden Professuren meiner Kenntnis nach nicht mehrheitlich an Frauen (oder meinetwegen auch „Qualis“) vergeben, sodass sich hier verschiedene Benachteiligungen kreuzen und nicht unbedingt gegenseitig ausstechen werden. Zweitens spricht doch nichts gegen eine zusätzliche Berücksichtigung entsprechender Paritäten, wie es auch in der zuerst über Statusgruppen organisierten universitären Selbstverwaltung der Fall ist (sein sollte)? Ein Blick durch die Kongressveranstaltungen zeigt immer wieder eine immer noch große Zahl rein männlich besetzter Vortragslisten, insofern darf sich die DGS meinetwegen sehr gern auf ganz unterschiedlichen Ebenen auch für die Gleichstellung von Geschlechtern stärker einsetzen. Denn drittens benennt Nicole Burzan die Quotierung als Instrument der Differenzierung und Hervorhebung und nicht als Gleichstellungsmaßnahme. Das wird bei Quotierungen häufig getan. Dadurch wirkt es aber so, als würde erst mit der Quote eine Gruppe differenziert, hervorgehoben und entgegen ihrer – da stimme ich absolut zu – großen Heterogenität homogenisiert. Und als würde ohne sie „neutral“ (bzw. nach Leistung oder Kompetenz) geurteilt. Quotierungen sind meines Erachtens jedoch keine Maßnahmen, die Gruppenmitglieder AUFGRUND ihrer Gruppenmitgliedschaft hervorheben und markieren. Vielmehr ermöglichen sie deren Beteiligung TROTZ ihrer Zugehörigkeit/Zuschreibung zu einer bestimmten Gruppe.
Zunächst einen herzlichen Dank an die Kommission für die Ausarbeitung der Vorschläge!
Ich möchte mich einigen meiner Vorredner*innen, insbesondere Daniela Schiek, Lena Dreier und Stephan Lessenich, anschließen. Bei der Differenzierung nach Statusgruppe (im Kontrast zu anderen möglichen Differenzierungen) geht es aus meiner Sicht um nicht mehr und nicht weniger als um das Verständnis und die Anerkennung nicht-professoraler Soziolog*innen als Expert*innen des Fachs. Dieses Verständnis herrscht keineswegs flächendeckend oder konsensual innerhalb der DGS vor, weshalb ein Austausch hierüber so wichtig ist. M.E. steht im Kern die Frage, ob „der Mittelbau“ (und wir sprechen hier von einer sehr großen wie heterogenen Gruppe) als die Soziologie nach innen wie nach außen vertretende Expert*innen angesehen werden soll/darf. Und weil eine derartige Anerkennung nicht von alleine entsteht, sondern eine entsprechende externe Zuschreibung braucht, sieht die bisherige Vertretung in den Gremien der DGS so aus wie sie aussieht. Ich stimme der Interpretation zu, dass die fachkulturelle Identität hier weitaus stärker ist als politische Anliegen, sofern diese denn bestehen (dies gilt umso mehr, wenn man die Politisierung im Fach insgesamt einmal international vergleicht). Das kann man im Grundsatz gut finden (oder auch nicht), es erklärt zumindest warum „der Mittelbau“ nicht geschlossen „den Mittelbau“ wählt.
Ebenso stimme ich zu, dass die Status-Differenzierung einzuführen gerade nicht dazu führt, andere Differenzierungen zu vernachlässigen; stattdessen wird die Diversität „des Mittelbaus“ in die Gremien eingeholt und evtl. werden sogar traditionelle Differenzlinien überschrieben.
Schließlich kann ich aus eigener Erfahrung als Vertreterin in den Gremien der DGS (Konzil und Ausschuss „Mittelbau / Beschäftigungsbedingungen“) und als jemand, die die Debatte vor ein paar Jahren mit angeschoben und sich hierzu mit Vertreter*innen anderer Fachgesellschaften ausgetauscht hat (z.B. DVPW und VHD) nur noch anführen, dass für gewöhnlich der Einsatz für die Themen am größten ist, die einem selbst am nächsten stehen. Das ist kaum überraschend, heißt aber, dass es gewissermaßen unumgänglich ist, dass sich diejenigen Soziolog*innen öffentlichkeitswirksam mit Themen wie Beschäftigungsbedingungen oder demokratischer Teilhabe beschäftigen, die davon auch betroffen sind – selbstverständlich nicht ausschließlich, aber doch insbesondere dann, wenn diese potentiellen Sprecher*innen sowie Positionen, von denen aus sie etwas bewirken könnten, vorhanden sind.
Auch von meiner Seite herzlichen Dank an die Kommission. Den ausgearbeiteten Vorschlag finde ich sehr gut und bin dafür, ihn umzusetzen und zu schauen, was sich daraus entwickelt.