Care goes public

Die Initiative „Care.Macht.Mehr“ startet eine Unterschriftenkampagne für ein Care-Manifest für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Damit überschreiten die Autor_innen bewusst die Grenze ausschließlich wissenschaftlich motivierter Publikationen. Sie verfolgen das Anliegen, aus der diagnostizierten Care-Krise mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit neuartiger Strukturen der Sorge und Versorgung in die Öffentlichkeit zu wirken und für das Thema zu sensibilisieren. Das geschieht im Sinne neuer Überlegungen auch in der DGS in Bezug auf eine „Öffentliche Soziologie“.

Die Grundidee der DGS beruht ihrer eigenen Darstellung nach auf der Einschätzung, dass es sich bei den „wissenschaftlichen Gegenständen der Soziologie meist um Angelegenheiten von öffentlichem Interesse handelt“ und im Fach „eine beeindruckende Expertise zur Analyse und Kritik gesellschaftlicher Phänomene und Probleme vorzuweisen“ ist. Diese in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen, ist der Anstoß für die „öffentliche Soziologie“, so wie es die Initiative „Care.Macht.Mehr.“ nun anhand des Care-Themas angeht. Ob die Grenze zwischen wissenschaftlicher und politisch-praktischer Äußerung klar wird und bleibt, beschreibt dabei eine Anforderung an die Protagonist_innen, die sorgfältige Rahmung und Klärung verlangt. In diesem Sinne schließt sich dieser Blogbeitrag dem Impuls an, die erworbene Expertise für den öffentlichen Dialog zugänglich zu machen.

Mit folgendem Anschreiben wendet sich die Initiative an mögliche Mitunterzeichner_innen des Care-Manifestes:

 

Begleitschreiben

Wir möchten Sie/Dich zur Unterzeichnung dieses Care-Manifestes (caremanifest 2013) gewinnen.

Mit unserer Initiative möchten wir die gesellschaftliche Wahrnehmung von Care-Fragen, d.h. den Möglichkeiten für Sorge, Zuwendung, Pflege und für Bedingungen eines guten Lebens sensibilisieren. Trotz einzelner Schritte, wie etwa der in Deutschland inzwischen bestehende Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz auch vor dem 3. Lebensjahr, klafft zwischen Angebot und Bedarf immer noch eine gravierende Lücke. Dies ist aber nur ein Aspekt des weiten Feldes von Care; überall entwickeln sich in der bezahlten und unbezahlten Sorge für Kinder, kranke und alte Menschen zusätzlich zu nie geschlossenen Versorgungslücken neue und gravierende Mangellagen durch Privatisierungspolitiken, Sparprogramme, Finanzierungsengpässe in Städten und Gemeinden u.a.m.

Unsere Initiative ist aus Treffen einer Runde engagierter Wissenschaftler_innen aus unterschiedlichen Bereichen in Deutschland, Österreich und der Schweiz entstanden. Wir haben – wie viele andere in Europa derzeit ebenfalls – den Eindruck, dass es inzwischen genügend differenzierte Analysen der Schwierigkeiten, Grenzen und Einschränkungen guter Bedingungen für öffentlich geförderte und gerahmte Care-Arbeit und Bedarfe gibt. Dringlicher erscheint uns das Anliegen, weitere Öffentlichkeiten zu erreichen, um auf die Notwendigkeit veränderter Strukturen der Sorge und Versorgung  hinzuweisen.

Wir stellen uns vor, zunächst eine größere Zahl von Unterstützerinnen und Unterstützer einer solchen Initiative über diese Email-Anfrage zusammenzubringen. Ein zweiter Schritt wird dann ein offener Brief an wichtige Personen und Institutionen (Politik, Wohlfahrtsverbände, Fachöffentlichkeit u.a.) in Deutschland, Österreich und der Schweiz sein, die für die Organisation öffentlicher und privater Care-Strukturen zuständig sind. Darüber hinaus überlegen wir, in welchen vielfältigen Formaten wir dieses Anliegen vertieft mit mehr Menschen diskutieren, nach dem Prinzip des Schneeballs bewegen und weiterentwickeln können, auch, um konkrete Forderungen zu entwickeln. Formen hierfür könnten länderübergreifende Workshops, kommunale Initiativen, Fachgespräche und Arbeit mit den Medien sein. Ziel ist vor allem, Menschen in der erweiterten Öffentlichkeit zu erreichen, denen angemessene Möglichkeiten von Care-Versorgung ebenfalls ein Anliegen sind.

Sie sind/Du bist zur Mitunterzeichnung des Care-Manifests wichtig! Für die von uns geplante Verschickung eines offenen Briefes bitten wir hiermit um das Einverständnis, Ihren/Deinen Namen (ggf. Titel und Funktion oder den Beruf) als Unterzeichner_in nennen zu dürfen.

Die Bekanntmachung der Initiative und die Verbreitung des Care-Manifestes an weitere Personen und in andere Öffentlichkeiten sind sehr erwünscht. Für Ihre/Deine weiteren Ideen sind wir offen, und wir laden ein, unseren Kreis zu erweitern.

 

Mit vielen und herzlichen Grüßen,

Die Unterzeichner_innen des Manifests

Wer das Care-Manifest unterzeichnen möchte, schickt bitte eine E-Mail mit seinen Angaben an die E-Mail Adresse: info@care-macht-mehr.com

 

Initiative Care.Macht.Mehr

Care-Manifest für Deutschland, Österreich und Schweiz

Erna Appelt (Innsbruck/Wien) – Margrit Brückner (Frankfurt/Main) – Claudia Gather (Berlin) – Karin Jurczyk (München) – Frank Luck (Basel) – Katharina Pühl (Berlin) – Maria S. Rerrich (München) – Barbara Thiessen (Landshut)“

3 Gedanken zu „Care goes public“

  1. Dieser klug aufgebaute und bewusst kurz gehaltene Text hat mich sehr beeindruckt. Der Gegenstand ist mir sehr vertraut, weil ich vor rund zwei Jahren die Dissertation einer meiner Bekannten unterstützt und verfolgt habe: Ihr Thema war: Allen gesetzlich Bemühungen des Staates, die selbstverständlich notwenig sind und gegen die hier nicht das Geringste gesagt sein soll, dem allen zum Trotz bleiben zwei Fakten festzuhalten:

    1) Es bleibt alles – letzten Endes – dennoch ALLES bei den betroffenen Familien hängen; und
    2) Und innerhalb betroffenen Familie erwartet ein jeder den kräftigsten Einsatz von den Frauen.

  2. Danke für die Rückmeldung. Die Frauen- und Geschlechterforschung hat genau aus dem Grund, den Sie beschreiben, von Anfang an ihr Augenmerk auf die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern und den Paaren gelegt. Nun, da die Pflege- und Betreuungssituation auf einen akuten Bedarf verweist, wird das Thema öffentlich deutlicher wahrgenommen und tritt aus der Privatsphäre heraus. Nicht nur besteht Handlungsdruck, sondern auch die Chance, zu weitreichenderen zukunftsweisenden neuen Ansätzen zu gelangen.

  3. Hätten sich die Soziologen nicht durch ideologische „Forschung“ (früher marxistischer, später genderistischer Spielart) und der Vernunft unzugängliches postmodernes Geschwurbel im Feuilleton selbst diskrediert, wäre diese Kampagne zur „öffentlichen Soziologie“ überflüssig.

    Solange diese Turmore im Inneren noch wüten, wird sie ihre Relevanz und Glaubwürdigkeit nicht zurückgewinnen.

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