Sechs Projektanträge, die gestellt werden müssten. Teil VI einer Kritik an Cornelia Koppetschs Gesellschaft des Zorns

Cornelia Koppetschs in Gesellschaft des Zorns formulierte Analyse steht (zumindest im Groben) nicht in Widerspruch zu den bekannten empirischen Daten. Jedoch ist es andersherum keinesfalls so, dass das verfügbaren empirische Material tatsächlich hinreichte, um ihre Analyse in Gänze zu stützen. Basierend auf verhältnismäßig wenigen Datenpunkten zeichnet Koppetsch ein Bild, das in erheblichen Teilen auf Extrapolationen und Schätzungen beruht, für die es bislang keine hinreichende Evidenz gibt.

Links zu allen sechs Teilen der Kritik:
Teil I, Teil II, Teil III, Teil IV, Teil IV, Teil V, Teil VI

Von einem zeitdiagnostisch-essayistischen Buch dieser Art kann man auch kaum mehr verlangen – schließlich betont Koppetsch selbst, dass es sich um den „Versuch einer Soziologin, sich einen soziologischen Reim auf den Aufstieg der neuen populistischen Rechtsparteien zu machen“ handelt, aber eben „keinen sozialwissenschaftlich akribischen“ Reim (9). [1] Freilich kann man kritisieren, dass Koppetsch trotz dieser vorangestellten einschränkenden Bemerkung über weite Strecken formuliert, als handle es sich bei der informierten Spekulation um gesichertes soziologisches Wissen. Aber um solche Stilkritik soll es hier nicht gehen. Stattdessen möchte ich im abschließenden Teil VI dieser Serie den Faden von Philipp Rheins Teil III wieder aufnehmen und skizzieren, welcher empirischen Forschung es bedürfte, um Koppetschs Thesen zu bestätigen oder zu korrigieren. Ich skizziere im Folgenden sechs entsprechende Forschungsprojekte oder -bereiche.

1 Differenzen und Interdependenzen verschiedener Rechtspopulismen im internationalen Vergleich

Das erste Projekt müsste teils konzeptioneller, teils empirischer Natur sein und komparativ untersuchen, wie sich Rechtspopulismus in verschiedenen Gesellschaften darstellt. Wie Philip Manow in der FAZ anmerkt, ist Koppetsch etwas uneindeutig in Bezug darauf, für welche Länder ihre Thesen gelten sollen. Sie spricht immer wieder ganz allgemein von dem Rechtspopulismus, seinen Wähler_innen, Weltbildern, Gegner_innen und Ursachen. An anderen Stellen geht sie auf Prozesse ein, die zumindest alle westlichen Gesellschaften betreffen. Wenn sie jedoch konkreter wird, thematisiert sie in mindestens 95% aller Fälle die deutsche Gesellschaft und die deutsche Rechte. Diese auf Deutschland fokussierte Darstellung ergänzt sie an Stellen, an denen es passt, durch internationale Beispiele – insbesondere aus Großbritannien und den USA.

Die Ergebnisse bisheriger Forschung machen jedoch deutlich, dass Rechtspopulismus keinesfalls in allen Ländern gleich funktioniert. Selbst wenn man sich auf die Länder der EU und Nordamerikas beschränkt, sind die Unterschiede ebenso drastisch wie augenfällig. In Bezug auf die Ausmaße des Erfolgs[2], die Organisationsform sowie die politische Programmatik auf verschiedenen Politikfeldern[3] lässt sich dies recht schnell sehen; dass rechtspopulistische Projekte gar nicht in allen Ländern dieselbe soziale Basis haben können, ergibt sich schon daraus, dass die Sozialstrukturen in Spanien, Polen, Schweden und den USA dafür zu unterschiedlich sind.

Es gibt verschiedene Forschungsstränge, die diese Unterschiede hervorheben und die man mit Koppetschs Analysen in Beziehung setzen könnte. Insbesondere sind dies Arbeiten der vergleichenden Parteienforschung aus Politikwissenschaft und politischer Soziologie, die – zumeist eher angebotsseitig orientiert – auf Unterschiede und Ähnlichkeiten verschiedener radikaler Rechtsparteien bzw. populistischer Parteien[4] eingehen.[5] Darüber hinaus gab es in den letzten Jahren entsprechende Studien aus dem Bereich der politischen Ökonomie, z.B. Dani Rodriks Populism and the Economics of Globalization und Philip Manows Politische Ökonomie des Populismus. Die beiden letztgenannten Arbeiten verweisen darauf, dass dieselbe Globalisierung verschiedene Gesellschaften in je unterschiedlicher Weise betrifft, sodass je andere Gruppen zu den relativen Verlierer_innen zählen, für die populistischer Protest besonders attraktiv sei. Dabei verstehen Rodrik und Manow jedoch sowohl Globalisierung als auch relative Verluste primär als ökonomische Größen – und Koppetsch zeigt überzeugend, dass eine solche Perspektive verkürzt ist.

Zukünftige Studien müssten daher gewissermaßen den Ansatz von Koppetsch mit den Ansätzen von Rodrik und Manow sowie weiteren Erkenntnissen der Populismusforschung kombinieren: Es ist zu fragen…

  1. welche Transformationsprozesse die Sozialstruktur und das System politischer Repräsentation in den verschiedenen Gesellschaften wie verändert haben,
  2. welche „Repräsentationslücken“ dabei gerissen wurden, also welche Bevölkerungsteile sich nicht (mehr) durch etablierte Parteien vertreten fühlen und offen für radikal rechte bzw. populistische Agitation sind,
  3. inwiefern sich die radikal rechten bzw. populistischen Parteien in den jeweiligen Ländern diesen spezifischen Mobilisierungspotenzialen entsprechend programmatisch aufstellen,
  4. inwiefern die Entwicklungen in den verschiedenen Ländern in ihrer Unterschiedlichkeit interdependent sind – denn in einer globalisierten Welt ist es wahrscheinlich, dass internationale Interdependenzen in verschiedenen beteiligten Ländern ganz gegensätzliche Effekte zeitigen, was dann auch wieder Konsequenzen für radikal rechte bzw. populistische Mobilisierung haben müsste.

Diese Fragen sind dabei, anders als Rodrik und Manow dies tun, nicht allein ökonomisch zu stellen, sondern auch in Bezug auf die von Koppetsch diskutierten, nicht auf Ökonomie zurückführbaren Formen von Auf- und Entwertung bzw. Klassenkampf.

2 Sozialstruktur und Rechtspopulismus: quantitative Fragen

Zentral für die Validierung von Koppetschs Hypothesen wären zusätzliche sozialstrukturelle Erkenntnisse über die Basis des Rechtspopulismus, wofür es in erster Linie quantitativer Daten bedürfte: In welchen sozialen Milieus wird in welchem Maße und aus welchen Gründen AfD gewählt – oder eben nicht? Auch wenn kein Mangel an quantitativen Studien zu den Wähler_innen der AfD besteht, sind diese in aller Regel nicht so ausgerichtet, dass sie sich ohne weiteres in Beziehung zu Koppetschs an Bourdieu orientierten Kategorien setzen ließen.

Entsprechend ist die von Koppetsch zur Stützung ihrer Thesen über die Sozialstruktur des Rechtspopulismus herangezogene Basis eher dünn.[6] Wenn sie die Unterstützer_innenmilieus aus oberen, mittleren und unteren Klassen beschreibt, stützt sich auf Michael Vesters 2017 erschienenen Text Der Kampf um soziale Gerechtigkeit. Der Rechtspopulismus und die Potentiale politischer Mobilisierung. Dieser wurde online auf der Seite der Rosa-Luxemburg-Stiftung veröffentlicht und ist laut Untertitel und Fußnote der zweite Teil eines Essays, dessen Gesamtveröffentlichung vorbereitet werde – der ganze Text ist bis heute nicht öffentlich auffindbar. Vester verfügt über Jahrzehntelange Erfahrung in der Sozialstrukturforschung und arbeitet wie Koppetsch mit an Bourdieu orientierten Konzepten. Allerdings wird im genannten Text nicht ganz klar, inwieweit es eine aktuelle empirische Grundlage für seine Thesen über die soziale Basis der AfD gibt und inwiefern es sich eher um informierte Extrapolationen vergangener Erkenntnisse (in erster Linie aus dem Jahr 1991!) handelt.

Als einzige wichtigere quantitative Quelle, die nicht nur andere Ansätze in Zweifel ziehen, sondern auch ihren eigenen stützen soll, verweist Koppetsch auf Robert Vehrkamps und Klaudia Wegschaiders Bertelsmann-Studie Populäre Wahlen. Mobilisierung und Gegenmobilisierung der sozialen Milieus bei der Bundestagswahl 2017. Diese Studie analysiert die Ergebnisse der letzten Bundestagswahl auf Grundlage einer aktuellen Erhebung. Die konzeptionelle Basis bilden dabei die Sinus-Milieustudien, sodass eine Passung zu Koppetschs Modell besteht. Dieser Studie entnimmt sie das folgende Diagramm, das die Polarisierung des politischen Raums entlang einer diagonal verlaufenden, sowohl kulturellen als auch ökonomischen Spaltungslinie zeigen soll, bei der kosmopolitische Milieus dann rechts oben stünden.

Abbildung 1: Darstellung aus Vehrkamp/Wegschaider 2017, S. 31; s. auch Koppetsch S. 105

Eine wirklich klare Polarisierung zeigt sich hier vor allem in Bezug auf AfD und Grüne – erstere finden 65% ihrer Wähler_innen auf der einen Seite der Linie, letztere 72% der ihren auf der anderen. Die Unionsparteien als mit Abstand stärkste Fraktion dagegen finden ihre Wähler_innen zu fast gleichen Teilen auf beiden Seiten. Weil Grüne und AfD die Parteien sind, die zuletzt die stärksten Zuwächse erzielten, erfährt die These einer neuen, diagonalen Polarisierung nichtsdestoweniger eine gewisse Stützung.

Allerdings zeigt ein genauerer Blick, dass dieser Zusammenhang vor allem deshalb so klar scheint, weil nur die Werte für zwei entlang der Linie getrennten Bevölkerungshälften dargestellt sind. Differenziert man nach Milieus aus, erscheint der Zusammenhang von links unten nach rechts oben weniger klar. Um dies zu verdeutlichen, habe ich basierend auf den Daten von Vehrkamp/Wegschaider drei weitere Aufbereitungen des Sinus-„Kartoffeldiagramms“ erstellt.

In der ersten Aufbereitung (Abbildung 2) habe ich die Wahlergebnisse der AfD in den jeweiligen Milieus eingetragen. Diese Grafik entspricht immer noch ungefähr Koppetschs Erwartungen, allerdings bereits mit einer deutlichen Einschränkung: Es ist zwar eine Ballung der AfD-Erfolge links unten erkennbar, aber auch in den mutmaßlich kosmopolitischen Milieus kommen die Rechtspopulist_innen auf Ergebnisse zwischen 6% und 9% – hätten also auch dort die 5-Prozent-Hürde ohne Probleme übersprungen.

Abbildung 2: AfD-Ergebnisse in den Milieus. Eigene Darstellung basierend auf Abbildung von Vehrkamp/Wegschaider 2017, S. 34 und Daten aus besagter Studie

In der nächsten Aufbereitung (Abbildung 3) habe ich zusätzlich noch die – hier leider nur abgeschätzte[7] – Wahlbeteiligung in den jeweiligen Milieus eingerechnet. Die blauen Zahlen geben den Anteil der AfD-Stimmen nun nicht mehr wie in Abbildung 2 gemessen an den insgesamt in diesem Milieu abgegebenen gültigen Stimmen an, sondern gemessen an der Zahl der jeweils Wahlberechtigten. Weil die AfD insbesondere in den Milieus mit niedriger Wahlbeteiligung erfolgreich ist, schwächt dies den Zusammenhang deutlich ab[8]: Nun zeigt sich weniger eine Verteilung von rechts oben nach links unten als vielmehr ein rechtspopulistischer „Bauch“ in der unteren Mitte mit relativ hohem AfD-Stimmanteil (16%), um den herum sich ein Kranz mit mittleren Werten (6%-11%) gruppiert, an dem wiederum als Anhang das Expeditive Milieu mit immer noch 5% hängt. Auffällig ist, dass sich nur in den Milieus, die auf der Grundorientierungsachse in der Mitte stehen, unten deutlich mehr AfD-Wähler_innen finden als oben, nicht aber in den Milieus, die links und rechts stehen.

Abbildung 3: Anteile der AfD-Wähler_innen an der wahlberechtigten Bevölkerung in den Milieus. Eigene Darstellung basierend auf Abbildung von Vehrkamp/Wegschaider 2017, S. 3 und Daten aus besagter Studie mit einigen Abschätzungen

Zudem fällt auf, dass das Traditionelle Milieu, das sich am weitesten links unten befindet, ergo das „am wenigsten kosmopolitische“ sein dürfte, nur die dritthöchsten Werte für die AfD liefert und das auch nur mit knappem Vorsprung. Sehr viel stärker ist die Partei in Prekärem Milieu und Bürgerlicher Mitte, die überhaupt die stärksten Ausreißer darstellen und die beobachteten Zusammenhänge fast allein tragen. Hier merken die Autor_innen der Studie selbst an, dass sich genau die beiden letztgenannten Milieus, überproportional in den neuen Bundesländern finden. Daher stellt sich die Frage, welcher der Faktoren wie beiträgt: Gibt es in diesen bundesweit gedachten Milieus besonders viele AfD-Wähler_innen, weil die Milieus besonders im Osten Deutschlands stark vertreten sind und dort eben insgesamt überproportional AfD gewählt wird? Auch wenn Koppetsch auf die spezifisch ostdeutschen Entwertungserfahrungen eingeht würde diese Deutung ihre milieubezogenen Thesen weiter abschwächen. Sollte man dann bei einer Milieuanalyse zumindest in einigen Bereichen zwischen westdeutschen und ostdeutschen Milieus differenzieren (wie ich an anderer Stelle darlegte, lohnt es sich manchmal auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch, Deutschlandkarten zu zerschneiden)? Oder ist andersherum die AfD im Osten Deutschlands vor allem deshalb besonders stark, weil dort viele Wähler_innen aus diesen bundesweit recht einheitlichen Milieus leben, die hüben wie drüben überproportional AfD wählen? Oder besteht gar kein derartiger Zusammenhang und die im Traditionellen Milieu geringer als erwartet ausfallende AfD-Wahlneigung hat ihren Grund lediglich darin, dass dort aufgrund der starken Konventionsgebundenheit eine verhältnismäßig stabile Parteibindung vorliegt und man das politische Abenteuer AfD scheut? Eine quantitativ-empirische Unterfütterung von Koppetschs Modell müsste diese Fragen differenziert weiterverfolgen.

Die letzte Aufbereitung (Abbildung 4) zielt auf eine etwas differenziertere Version der Grafik, die Koppetsch von Vehrkamp/Wegschaider übernommen hat (hier Abbildung 1). Nunmehr geht es darum, welchen Anteil die jeweiligen Milieus zur Gesamtheit aller AfD-Wähler_innen beitragen. Dafür ist es nötig, zusätzlich noch die Größe der jeweiligen Milieus oder genauer ihren Anteil an der Gesamtheit aller Wahlberechtigten einzubeziehen und die AfD-Ergebnisse entsprechend zu gewichten. In dieser Grafik erscheint es auf den ersten Blick, als werde der Zusammenhang wieder stärker. Dieser Eindruck trügt jedoch und rührt lediglich daher, dass die rechts oben abgebildeten Milieus in der Sinus-Studie stärker differenziert werden und deshalb für sich genommen kleiner sind – das Traditionelle Milieu beispielsweise ist allein ungefähr so groß wie das Liberal-Intellektuelle Milieu und das Sozial-Ökologische Milieu zusammen (siehe Prozentangaben in Abbildung 1). Zieht man eine diagonale Linie und teilt Hedonistisches Milieus und Konservativ-Etabliertes Milieu wohlwollend auf, führt diese Grafik zum aus Abbildung 1 bekannten Verhältnis 65% zu 35%. Jedoch ist nun klar, dass es sich weder um eine scharfe Trennung noch um einen kontinuierlichen Verlauf von links unten nach rechts oben handelt, sondern dass das Zahlenverhältnis vom primär in Ostdeutschland anzutreffenden „Bauch“ in der unteren Mitte getragen ist.

Abbildung 4: Anteile der Milieus an der Gesamtwähler_innenschaft der AfD. Eigene Darstellung basierend auf Abbildung von Vehrkamp/Wegschaider 2017, S. 3 und Daten aus besagter Studie mit einigen Abschätzungen

Somit widersprechen die Zahlen von Vehrkamp/Wegschaider Koppetschs Deutung nicht, sie verweisen aber darauf, dass die von ihr hypothetisierten Zusammenhänge nicht sehr stark ausgeprägt sind und es in allen Milieus – kosmopolitisch oder nicht – zahlreiche AfD-Wähler_innen gibt. Somit deuten die Zahlen der von ihr selbst zitierten Studie an, dass auch für Koppetschs eigene These das gilt, was sie der ökonomischen Globalisierungsverlierer_innenthese vorrechnet. Sie erweist sich „als ein unscharfer Ansatz, der sowohl zu viel als auch zu wenig erklärt“ (100). Es gibt insbesondere im Traditionellen Milieu zahlreiche Personen, die in Koppetschs These passen, ohne dass sich dort eine stark erhöhte AfD-Wahlneigung finden ließe; und es gibt in den Milieus, die als kosmopolitisch zu bezeichnen sind, immer noch so viele AfD-Wähler_innen, dass die Partei dort über 5% käme.[9] Womöglich gilt Analoges für alle Ansätze, weil Wähler_innen sich ganz anders und oftmals viel erratischer verhalten, als Sozialwissenschaftler_innen es modellieren? Oder ist alles doch viel einfacher und rassistische bzw. nativistische bzw. „fremdenfeindliche“ Ideologie ist bei gewissen Bevölkerungsanteilen in allen Milieus schlichtweg gegeben, durch keine sozialstrukturellen Zusammenhänge zu erklären und kann nur in unterschiedlichem Ausmaß politisch mobilisiert werden? Weitere quantitative Studien, die diesen Fragen expliziter und intensiver nachgehen, könnten hier mehr Klärung bringen. Dabei wäre zu berücksichtigen, dass die entscheidende Größe weniger die besondere Stärke der AfD in einigen Milieus, sondern die besondere Schwäche der anderen Parteien ebendort zu sein scheint.

3 Subjektive Deutungsmuster wahrgenommener Entwertungserfahrungen und Begründungsmuster für rechtspopulistische Wahlentscheidungen

Wie Philipp Rhein in Teil III dieser Serie ausführlich darlegte, steht auch in Bezug auf die qualitative Erforschung der Weltbilder derer, die in Deutschland rechtspopulistisch wählen, Nachholbedarf (die Parteiideologie dagegen ist verhältnismäßig unkompliziert zu erforschen und Gegenstand zahlreicher Publikationen). Zwar erwähnt Koppetsch in der Danksagung am Ende des Buches Interviews und Gespräche mit „Bekannten aus der AfD“ (259), jedoch bleibt völlig offen, ob (und wenn ja in welchem Maße und mit welcher Methodik) dies die Basis für ihre Thesen bildet. Darüber hinaus zieht sie die Ergebnisse US-amerikanischer Ethnographien von Arlie Russel Hochschild (145-147, 155) und Katherine Cramer (155) hinzu – inwieweit diese Ergebnisse aus den USA auf Deutschland übertragbar sind, ist jedoch unklar. Es gibt für Deutschland zwar einige qualitative Untersuchungen[10], jedoch erreichen diese Bislang nicht die Intensität der beiden genannten US-Studien und sind auch nur in Teilen geeignet, Koppetschs Thesen zu prüfen.

Entsprechend bedürfte es qualitativer Studien der Weltbilder von Unterstützer_innen des Rechtspopulismus – und zwar von solchen aus allen sozialen Schichten und Milieus, in denen sie sich finden lassen. Hier ist zu fragen, welchen Weltdeutungen die Wähler_innen der AfD anhängen, welche Feindbilder sie hegen, welche Deprivationserfahrungen sie angeben gemacht zu haben und wen sie ggf. als die illegitimen „Vordrängler“ sehen (wenn denn die Narrative den von Hochschild beobachteten ähneln).

4 Realitätsprüfung 1: Wahrgenommene und reale Deprivation

Wie in den vorherigen Teilen bereits mehrfach zitiert geht es Koppetsch auch darum, „die Narrative der rechten Protestparteien auf ihren Realitätsgehalt zu überprüfen“ (33). Diese Realitätsprüfung muss sich zum einen auf die behaupteten Deprivationserfahrungen beziehen: Inwiefern hat die Entwertung der eigenen Position, gegen die sich die Wähler_innen rechter Parteien „wehren“, wirklich stattgefunden? Inwieweit beruhen diese Deutungen nur auf der Verklärung einer Vergangenheit, die es nie gab, oder auf Ansprüchen, die diese Subjekte nie wirklich hatten? Wie stark und in welcher Weise ist die Deutung ideologisiert?

Mindestens ebenso wichtig ist bei dieser Realitätsprüfung die Unterscheidung verschiedener Qualitäten von real erfahrener Entwertung. Koppetsch bezieht sich vor allem auf die relative Position, die Gruppen im Sozialraum innehaben. Aus dieser Perspektive muss fast jede gesellschaftliche Veränderung Gewinner_innen und Verlierer_innen produzieren – und mit letzteren rechtes Protestpotenzial. Selbst wenn alle Gruppen absolute Gewinne zu verzeichnen hätten, könnte sich der Vorsprung der Gruppen relativ zueinander doch verschieben, sodass einige Gruppen einen relativen Verlust erleben. Sowohl eine progressive Steuerreform, die höhere Einkommen und Vermögen stärker belastet, als auch eine regressive Steuerreform, die das Gegenteil tut, produziert relative Deprivation.

Wenn man „nur“ erklären will, warum Gruppen rechtspopulistisch wählen, kann eine solche Perspektive hilfreich sein – denn womöglich fühlen sich einige der relativen Verlierer_innen immer ungerecht behandelt. Wenn man aber darüber hinaus auch über Demokratie und politische Strategie reflektieren möchte (was Koppetsch ja am Ende des Buches auch tut), ist eine weitere, stärker normativ aufgeladene Perspektive unabdingbar.

Wenn sich überkommene Diskriminierungsverhältnisse abschwächen und die Gesellschaft egalitärer wird, erleben die bislang privilegieren Gruppen definitionsgemäß relative Deprivation: Wenn die Führungsetagen diverser werden, ist dort automatisch weniger Platz für „weiße Männer“ aus besserem Hause, sodass diese relative Deprivation erfahren. Eine solche Deprivationserfahrung unterscheidet sich aber aus einer demokratischen Perspektive deutlich von der Deprivationserfahrung, die etwa Gruppen machen, welche durch Reformen sozialer Sicherungssysteme neuen Formen des Zwangs und der Gängelung ausgesetzt sind. Diese wiederum unterscheidet sich von der Deprivationserfahrung von ohnehin schon marginalisierten Gruppen, deren Marginalisierung sich verschärft. Usw.usf.

Wenn eine privilegierte Gruppe auf den Verlust einiger Privilegien durch aggressives ideologisiertes Nach-unten-Treten reagiert, ist dies soziologisch und psychologisch erklärbar, aus einer demokratischen Perspektive ist es jedoch ein Problem. Legt man demokratische Standards an, müssen einstmals privilegierte Milieus lernen, mit dem relativen Statusverlust, der sich aus der Emanzipation marginalisierter Gruppen notwendig ergibt, zu leben. Die demokratische Reaktion auf von einen ihnen getragenen Backlash kann nicht in einer Entschleunigung von Emanzipation bestehen, um eine „Überforderung“ zu vermeiden. Der von Koppetsch treffend bezeichnete „Aufstand der Etablierten“ (121) ist etwas anderes als ein Aufstand der real Abgehängten. Andersherum – und dies ist die entscheidende Lektion aus Intersektionalitätstheorie und aus der Kritik des „progressiven Neoliberalismus“ – müssen sich Emanzipationsbestrebungen aber immer der Frage stellen, inwiefern sie de facto Koalitionen mit anderen repressiven Strukturen eingegangen sind.

Wenn man diese Fragen ungestellt lässt, drohen die qualitativen Unterschiede zwischen verschiedenen Formen realer relativer Deprivationserfahrung zu verschwimmen und normativ höchst fragwürdige Politiken als legitim zu erscheinen.[11] Daher müssen diese Unterschiede in der Realitätsprüfung berücksichtigt werden.

5 Realitätsprüfung 2: Kosmopolitismus als Feindbild und soziale Realität

Die Realitätsprüfung kann sich aber nicht auf die Frage der Deprivationserfahrungen beschränken, sondern muss auch die Bilder einbeziehen, die die Wähler_innen des Rechtspopulismus von anderen Gruppen hegen – und in Koppetschs Konzeption sind diese anderen Gruppen neben der „Sozialfigur des Migranten“ (41)[12] insbesondere „die kosmopolitischen Milieus“.

Wie ich in den Teilen II und IV ausführlich darlegte, habe ich erhebliche Zweifel daran, dass die Realitäten kosmopolitischer Milieus und liberal-kosmopolitischer Hegemonie den aus rechten Weltbildern bekannten Narrativen wirklich so stark ähneln, wie Koppetsch dies suggeriert. Um zu entscheiden, inwiefern die von Koppetsch behaupteten und von mir in Zweifel gezogenen Zusammenhänge bestehen, bedürfte es wiederum empirischer Forschung: In welchen Milieus sind in welchem Ausmaß kosmpolitischer Habitus, kosmopolitische Werte, kosmopolitische Lebensführung und kosmopolitische Identitäten vorhanden? Und inwiefern korrelieren die letzteren miteinander? Wie wird mit Spannungen umgegangen? In welchem Maße werden in welchen dieser Milieus die von Koppetsch beschriebenen Ausgrenzungspraktiken vollzogen? In welchem Maße und in welcher Weise unterscheiden sich diese Ausgrenzungspraktiken von denen weniger kosmopolitischer Subjekte mit ähnlichen ökonomischen Möglichkeiten? Inwiefern sind die Wähler_innen des Rechtspopulismus von diesen Ausgrenzungspraktiken negativ betroffen? Und inwiefern können bestimmte Formen der Abgrenzung gegen Rechtspopulismus selbst als Klassenkampf von oben gedeutet werden? Wie hegemonial sind Liberalismus und Kosmopolitismus diskursiv, sozial und politisch? Wie antihegemonial ist der Rechtspopulismus?

Der Rechtspopulismus ist als soziales Phänomen weitaus besser beforscht als der Kosmopolitismus. Eine der entscheidenden Folgerungen aus Koppetschs Buch könnte darin bestehen, dieses Missverhältnis zu ändern.

6 Exemplarisches Schlaglicht: Körperpolitik, Kosmopolitismus und Rechtspopulismus

Die zuvor genannten Fragen können teilweise allgemein diskutiert werden, allerdings liegt es auch nahe, sie exemplarisch anhand bestimmter Gegenstände zu reflektieren. Eine Möglichkeit hierfür wären Körperpolitiken, auf die Koppetsch am Rande eingeht, um neue Rigidität und sinkende Ambiguitätstoleranz (56-57) sowie postindustrielle Bürgerlichkeit (215) zu illustrieren.

Zweifelsohne ist das Feld stark mit den Dynamiken von globalisierter Neoliberalisierung, Individualisierung und Selbstpraxis verstrickt. Dass heute in Deutschland mehr Menschen Mitglied in Fitnesstudios als in Fußballvereinen sind, sagt etwas über Vereinzelung und Körperpraxis. Einerseits dürfte es nur wenige Räume geben, in denen sich Menschen aus unterschiedlichen Klassen so oft begegnen wie in Fitnessstudios, andererseits „begegnen“ sie sich mit Kopfhörern und Scheuklappen. Viele der körperbezogenen Selbstpraktiken sind in hohem Maße globalisiert bzw. kosmopolitisch: Vielreisende Milieus können in Hotels aller Länder erwarten, sehr ähnliche Fitnessgeräte zu finden, an denen sie ihre Körper bearbeiten können. Zudem ist das Feld sozial stratifiziert: Es bestehen Differenzen zwischen Yoga und Zumba, zwischen Kieser und McFit; die Befürworter_innen von Rauchverboten und Raucher_innen dürften ungleich über soziale Milieus verteilt sein, ebenso die Art und Weise und das Ausmaß, in dem konkrete Normen und Praktiken emphatisch angeeignet oder als von außen kommende Zumutung empfunden oder aber weitgehend ignoriert werden.

Doch auch wenn sich die Körpernormen in verschiedenen Milieus im Detail unterscheiden mögen, gibt es doch klar einheitliche, hegemoniale Tendenzen: Erstrebenswert sind definierte Muskeln, wenig Fett und Wasser, wenig Körperbehaarung und all dies ist verbunden mit der Tugend der körperlichen und mentalen Disziplin beim Essen und beim Sport. Diese Körpernormen sind freilich –insbesondere für Männerkörper – nicht wirklich neu, wenn sie auch in erneuerter Form auftreten und anders sanktioniert werden. Insbesondere neigen sie sich diese Körpernormen gerade denen entgegen, die die politische Rechte in der Vergangenheit besonders deutlich vertreten hat. Um dies zu sehen, muss man nur NSDAP-Propagandaposter oder Leni-Riefenstahl-Filme anschauen –Unterschiede zu McFit-Plakaten sind vor allem in Bezug auf Inszenierung und Gesichtsausdruck gegeben, in Bezug auf die männlichen Körperformen überwiegen aber die Kontinuitäten.

Entsprechend kann die These im Bereich der Körperpolitik kaum lauten, dass die neoliberalen Kosmopolit_innen sich durch rigide Körpernormen und entsprechende Selbstpraktiken zu distinguieren suchen, während sich proletarische, prekäre und traditionsgebundene Milieus gegen die damit verbundenen Zumutungen durch rechtspopulistisch artikulierten Protest wehren. Vielmehr dürfte sich auf diesem Feld ein sehr komplexes und ambivalentes Verhältnis von sozialer Hierarchie, Neoliberalismus, Globalisierung, Kosmopolitismus, rechter Ideologie und politischem Protest zeigen. Mit dieser Komplexität ist das Feld der Körperpolitik – so wäre jedenfalls meine These gegen Koppetschs Generalthese – keine Ausnahme, sondern eher exemplarisch für das insgesamt ambivalente Verhältnis von sozialer Hierarchie, Neoliberalismus, Globalisierung, Kosmopolitismus, rechter Ideologie und politischem Protest,

Qualitative Studien, die nicht nur untersuchen, welche Körpernormen und -praktiken von welchen Milieus gutgeheißen und vollzogen werden, sondern auch, wie dies mit politischen Deutungen und politischer Positionierung verbunden ist, könnten einen Beitrag dazu leisten, eben dies aufzuzeigen oder zu widerlegen.

Fazit

Zu Beginn von Teil I dieser Serie bezeichnete ich Gesellschaft des Zorns als Buch, das anregend ist, weil es Fragen aufwirft und zu Widersprüchen herausfordert. Einige dieser Fragen und Widersprüche wurden in den letzten Wochen im Rahmen dieser Serie formuliert: In Teil II habe ich Zweifel an der Beschreibung des Kosmopolitismus als Bösewicht angemeldet, in Teil IV an der Behauptung einer liberal-kosmopolitischen Hegemonie und in Teil V an der Ausblendung des Nationalsozialismus sowie dem Neuheitswert der Neogemeinschaften. In Teil III hat Philipp Rhein und in diesem Teil VI habe ich dargelegt, welcher empirischen Forschung es bedürfte, um Koppetschs Thesen zu stützen, zu prüfen, zu widerlegen und auszudifferenzieren.

All dies geschah in der Hoffnung, weitere Fragen aufzuwerfen und zu noch mehr Widerspruch herauszufordern.


[1] Ebenfalls handele es sich um „keinen politischen“ Reim. Dies scheint mir nicht ganz treffend: erstens, weil soziologische Problemdiagnose und politische Strategie fast notwendig aufeinander verweisen, sodass ihr Reim zumindest sicher nicht unpolitisch ist; zweitens, weil Koppetsch sich zum Ende des Buches dann doch der Frage nach dem richtigen Umgang mit dem Rechtspopulismus stellt (251-258).

[2] Darauf verweist auch Koppetsch (98-99).

[3] Für das Feld der Sozial- und Wirtschaftspolitik siehe hier.

[4] Die Formulierung „radikal rechts bzw. populistisch“ soll nicht implizieren, dass „radikal rechts“ und „populistisch“ das Gleiche sei. Vielmehr soll sie auf zwei verschiedene in der Forschung etablierte Perspektiven verweisen: Die eine diskutiert vergleichend verschiedene radikale Rechtsparteien, die andere diskutiert verschiedene populistische Parteien. Für beide Perspektiven gibt es Argumente und Gegenargumente.

[5] S. z.B. Cas Mudde: Populist Radical Right Parties in Europe, Cambridge University Press, 2007; Cas Mudde: The Far Right Today, Polity, 2019.

[6] Dies hält Koppetsch selbst fest (138, FN7).

[7] Leider machen Vehrkamp/Wegschaider keine quantitativen Angaben über die Wahlbeteiligung in den einzelnen Milieus – obwohl sie diese ja für ihre eigene Auswertung selbst gekannt haben müssen, sonst hätten sie die oben zitierte Grafik über die Verteilung der Wähler_innen nicht erstellen können. Daher habe ich hier basierend auf den weiter vorne in der Studie vorgelegten Daten über die Wahlbeteiligung in oberen, mittleren und unteren Milieus sowie auf den Aussagen über die einzelnen Milieus im Fließtext Einschätzungen vorgenommen. Dabei habe ich angenommen, dass die Wahlbeteiligung bei Konservativ-Etablierten, Liberal-Intellektuellen und Performern um 20%, bei den Expeditiven und Sozialökologischen um 10%, bei der Bürgerlichen Mitte und den Adaptiv-Pragmatischen um 5% erhöht ist, bei den Traditionellen dagegen um 10%, bei Prekären und Hedonisten um 20% verringert.

[8] Wenn in zwei Stimmbezirken jede 20. Wähler_in AfD wählt, im einen die Wahlbeteiligung aber 90%, im anderen nur 30% beträgt, so lauten das AfD-Ergebnis im ersten Bezirk 5,6%, im zweiten 16,7%. Diese Diskrepanz sagt dann aber nichts über Verbreitung einer AfD-Wahlneigung im jeweiligen Bezirk aus, die ja identisch bei 5% der Wahlberechtigten vorliegt, dafür aber umso mehr über die Mobilisierungsfähigkeit der anderen Parteien, die im einen Fall stark, im anderen schwach ausfällt. Dieses konstruierte Beispiel überspitzt freilich etwas, denn auch unter Einbeziehung der Wahlbeteiligung ist weiterhin ein Zusammenhang zu erkennen, wenn auch ein deutlich abgeschwächter.

[9] Eben dies ist Koppetschs Argument: „Aus ebendiesen Gründen erweist sich die ökonomische Globalisierungsverlierer-These als ein unscharfer Ansatz, der sowohl zu viel als auch zu wenig erklärt. Sie erklärt zu viel, weil es wesentlich mehr ökonomische Verlierer als Anhänger des Rechtspopulismus gibt. Es existiert somit eine beträchtliche Anzahl Benachteiligter, die sich eben nicht durch den Rechtspopulismus mobilisieren lassen. Sie erklärt zu wenig, weil nicht alle Wähler ökonomisch Benachteiligte oder Verlierer sind und die Trägergruppen des Rechtspopulismus Menschen mit einer großen Bandbreite an Bildungsgraden und Einkommenssituationen, d. h. auch privilegierte Bevölkerungsgruppen und Besserverdienende, umfassen“ (100).

[10] S. z.B. Geiges, Lars/Marg, Stine/Walter, Franz: Pegida. Die schmutzige Seite der Zivilgesellschaft, Transcript, 2015.

[11] Koppetschs Buch und die Rezeption sind ein Beispiel hierfür. Koppetsch selbst formuliert schon recht weitgehend: „Vieles spricht gegen die grundsätzliche Begrenzung der Zuwanderung und gegen nationalen Protektionismus, aber dieses sollten Positionen sein, die innerhalb des etablierten politischen Rahmens diskutiert werden können. Wer sie für irrational oder moralisch unzulässig hält, entzieht sie dem politischen Diskurs. Moralische Positionen erschweren Koalitionen und Kompromisse, da sie, wie gesagt, die Welt in Freund und Feind aufteilen“ (253). (Ist dies eine ironische Schmitt-Referenz, die seine Moralkritik emphatisch aufnimmt und dabei Moral zugleich für das von Schmitt geforderte Freund-Feind-Denken verantwortlich macht?) In Philip Manows Rezension wird aus dieser elbst schon gewagten allgemeinen Zurückweisung moralischer Wertung im Raum des Politischen sogar selbst ein ethisches Urteil: „Bei Koppetsch gehört schließlich der in der einschlägigen Literatur eher selten zu findende Hinweis dazu, dass angesichts dieser umfassenden Transformationsprozesse die Anrufung des Protektionistischen und Kompensierenden und Restriktiven des nationalen Wohlfahrtsstaats alles andere als irrational oder unverständlich oder auch nur im Kern unethisch sei“. Während bei Koppetsch im politischen Raum nicht über moralische Urteile sprechen will, folgert Manow direkt, dass die entsprechenden politischen Forderungen auch „im Kern“ ethisch unproblematisch seien. Dabei geht es um hier nicht weniger als um folgenschwere Restriktionen im nationalen Rahmen. In beiden Fällen stellt sich die Frage, welche Bedeutung Menschenrechte noch haben könnten.

[12] Auf die Frage des Verhältnisses von rassistischer Ideologie und der Realität der Rassifizierten gehe ich an dieser Stelle nicht ein, weil sie schon so oft diskutiert wurde.